Münzschatz im Turmknauf
In der Berliner Nikolaikirche werden Taler, Medaillen und Schriftstücke vom 16. bis frühen 18. Jahrhundert gezeigt



Die Berliner Nikolaikirche erlebte in den 1980er Jahren ihre Wiedergeburt. In einer der Turmkugeln war ein wertvoller Münz- und Medaillenschatz deponiert. Restauriert wurde das Grabmal des Hofgoldschmieds Daniel Männlich, ein wertvolles Werk des Bildhauers Andreas Schlüter. Im Raum dahinter sind die aus dem Kirchturmknauf stammenden Münzen und Medaillen ausgestellt. Wegen der Corona-Pandemie sind die Kirche und zahlreiche andere Museen, Kultureinrichtungen und andere Gebäude in Berlin bis auf Weiteres geschlossen.



Das Original der Tetradrachme aus Thasos gelangte in die kurfürstliche Münzsammlung, die Nürnberger Klippe von 1650 auf den Friedenschluss nach dem Dreißigjährigen Krieg kam 1671 in den Turmknauf.



Der Taler mit dem Bildnis des Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg von 1671 ist eine Spende des damaligen Bürgermeisters Matthias Neuhaus. Hinterlegt wurden auch der Taler von 1675 auf den brandenburgischen Sieg in der Schlacht von Fehrbellin über die Schweden sowie der Magdeburger Huldigungstaler von 1692 aus der Zeit des Kurfürsten Friedrich III., der sich 1701 zum König Friedrich I. krönte.







Medaillen des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm sowie seines Sohns Friedrich III., der sich 1701 in Königsberg zum preußischen König krönte, überdauerten die Zeiten im Turmknauf der Nikolaikirche. Die Medaillen feiern die Gründung der Universität Halle an der Saale (1694 links) und den Bau der Berliner Schlossbrücke (1692) als erste Steinbrücke der Haupt- und Residenzstadt.



Ein Bauernkalender aus dem Jahr 1584, ein von der Berliner Akademie der Wissenschaften herausgegebener Kalender auf das Jahr 1737 und weitere historische Objekte aus dem Turmknauf können in der Nikolaikirche betrachtet werden. Die Akademie finanzierte sich unter anderem aus den Einnahmen ihres Kalenderprivilegs.



König Friedrich Wilhelm III. gründete 1804 die Berliner Eisengießerei, die bis 1874 bestand. Die Stiftung Stadtmuseum zeigt in ihren Häusern Beispiele aus der Serie von Neujahrsplaketten, hier ein Exemplar von 1806 in einer Samtschatulle.



Die mit einer Königsmedaille geschmückte Kette der Berliner Stadtverordneten gehört zu den besonderen Schaustücken in der Ausstellung des Märkischen Museums am Köllnischen Park in Berlin. (Fotos: Caspar)

Es ist guter alter Brauch, dass Münzen und Medaillen sowie zeitgeschichtlich interessante Dokumente wie Zeitungen, Baupläne sowie Grafiken, Fotografien und andere Bilder in die Kugeln auf den Spitzen von Kirchtürmen gelegt werden. Bei Baumaßnahmen werden diese so genannten Turmknaufbeigaben gesichtet und ergänzt. So war es auch bei der Berliner Nikolaikirche, dem ältesten noch erhaltenen Bauwerk der Stadt an der Spree. In der Dauerausstellung "Vom Stadtgrund bis zur Doppelspitze" kann man diesen einzigartigen Schatz ausführlich betrachten. In Schauvitrinen zeigt die Stiftung Stadtmuseum Zeugnisse der Berliner Geschichte, Kunst und Kultur. In einer ehemaligen Gruft im Turmbereich sind 287 Münzen und Medaillen, Medaillons und Plaketten zu sehen, die gemeinsam mit gedruckten und geschriebenen Urkunden, Chroniken und Büchern als Bauopfer in einer vergoldeten Kirchtumkugel gelegen haben. Der Schatz wurde zwischen 1514 und 1734 zusammengetragen, kenntlich an einem in diesem Jahr gedruckten Kalender und einer Goldmünze mit dem Bildnis des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I.

Die Sammlung besteht aus Spenden von Angehörigen der adligen und bürgerlichen Oberschicht, die sich in der Nikolaikirche bestatten ließen, sowie von den brandenburgischen Kurfürsten und Angehörigen ihres Hofes. Über sie hat Dieter Engelmann, seines Zeichens Kustos der Münz- und Medaillensammlung der Stiftung Stadtmuseums Berlin und ihres Märkischen Museums, 2012 ausführlich im Heft 20 der "Beiträge zur brandenburgisch-preußischen Numismatik" S. 103-114 berichtet. "Es handelt sich um einen der bedeutendsten Turmknauf- und Turmkugelschätze in Deutschland, da die Spenden von 1514, 1538, 1551, 1584, 1671, 1695 und 1734 fast vollständig erhalten blieben", schreibt Engelmann und betont, das der Schatz alle Naturkatastrophen, Feuerbrände und Kriege vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Zweiten Weltkrieg überlebt hat.

Schatz hat alle Gefahren überstanden

Dass Münzen und Medaillen sowie Dokumente, Zeitungen, Bilder und andere Objekte in den Kugeln von Kirch- und Rathaustürmen sowie in Kapseln von Grundsteinen niedergelegt werden, ist ein alter, in Europa weit verbreiteter Brauch. Die Fundstücke erzählen vom Leben in den Kirch- und Stadtgemeinden, von Feuersbrünsten und Krankheiten, von Naturkatastrophen und Hungersnöten, kurzum von Glanz und Elend. Viele Hinterlassenschaften dieser Art mögen bei Feuersbrünsten und Abrissarbeiten vernichtet worden sein, weil man sie nicht retten konnte oder nicht wichtig hielt. Bestenfalls hat man die Münzen und Medaillen einer anderen Sammlung zugefügt, schlimmstenfalls aber, weil sie ja aus Edelmetall bestanden, zum Juwelier gebracht, der sie dem Schmelztiegel übergab. Im Falle des Fundes in der Turmspitze der Berliner Nikolaikirche ist dies alles nicht geschehen, er hat alle Gefahren überstanden, auch einen Diebstahl in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Anhand der Schriftstücke und beschrifteten Papierumschläge, die die silbernen, in einigen Fällen auch goldenen Münzen sowie den Medaillen umschlossen, konnte festgestellt werden, wer aus Berliner Hofkreisen und der Beamtenschaft was zu welcher Zeit und mit welcher Absicht gespendet hat. So hat Kurfürst Friedrich III., der sich zum 1701 König Friedrich I. in Preußen krönte, eigenhändig in einem Beutel aus rotem Samt 1695 zwölf Medaillen in den Turmknauf der Nikolaikirche niederlegen lassen. Die Gelegenheit dafür ergab sich bei Reparaturarbeiten im Turmbereich. Unter den Medaillen mit dem Bildnis dieses Herrschers befinden sich solche auf die Stiftung der Universität in Halle an der Saale im Jahr 1694 sowie von 1692 mit der Ansicht der Langen Brücke, der ersten Berliner Steinbrücke in der Nähe des Hohenzollernschlosses, auf der 1703 das von Schlüter geschaffene Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm enthüllt wurde. Leider gehören sieben von den ursprünglich zwölf prägefrischen Medaillen und der Samtbeutel zu den Kriegsverlusten.

Silbernes Geschenk an den Kurfürsten

Besonderes Interesse verdient die Kopie einer antiken Silbermünze, die vom Goldschmied Simon 1671 als Spende des Berliner Rats dem Turmknauf beigefügt wurde. Es handelt sich um die Nachbildung einer Tetradrachme aus Thasos aus der Zeit nach 146 nach Christus. Das Original war in den 1580er Jahren von dem Bauern Maul beim Pflügen bei Storkow gefunden worden. Über dessen Sohn gelangte das Stück, von dem man nicht weiß, wie es aus dem antiken Griechenland in märkischen Sandboden gelangte, über den Sohn des Bauern an Simon, der das Stück 1584 dem Turmknauf spendete. Als dieser 1671 wegen dringender Reparaturarbeiten am Dach der Kirche abgenommen wurde, beschloss der Magistrat das Original dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm für seine Münzsammlung zu schenken und eine Kopie anfertigen lassen. Um die Herkunft zu unterstreichen hat man in die Münzkopie die Buchstaben MAVL 1544 und M. SIMON geschlagen. Das dem Kurfürsten überlassene Original hat sich im Berliner Münzkabinett, das seine Ursprünge auf die landesherrliche Sammlung zurück führt, nicht erhalten, weil deren Betreuer Lorenz Beger der Meinung war, sie sollte von jedem Typ nur ein Exemplar enthalten, weshalb Doubletten ausgesondert wurden.

Die Nikolaikirche musste mehrere Jahrhunderte mit nur einer Turmspitze auskommen, denn es fehlte Geld zur Vollendung des Bauwerks. Als der Berliner Architekt Hermann Blankenstein 1877 bis 1880 umfangreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen an dem Gotteshaus vornahm, erhielt die Kirche die zweite Turmspitze. Dabei wurde der Schatz im Turmknauf gesichtet und nach alter Sitte dort wieder deponiert. Im Juli 1944 brannte die Nikolaikirche bei einem Bombenangriff aus, wobei die Gewölbe einstürzten. Fast wäre die Ruine mitten in der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigt worden, weil sie die SED-Funktionäre störte, wie übrigens auch das Neue Museum auf der Museumsinsel, das Ende 2009 nach umfangreichen Bauarbeiten und sorgfältiger Sanierung der erhalten gebliebenen Substanz als Heimstatt altägyptischer Altertümer und Fundstücke aus der Vor- und Frühgeschichte eröffnet wurde.

Verschüttet, gestohlen und zurück gekehrt

In Seitenkapellen sowie an den Wänden und den Pfeilern erinnern zahlreiche Grabmäler an Vertreter des Adels und der reichen Berliner Bürgerschaft. Diese stadt- und kunstgeschichtlich wertvollen Epitaphien wurden in den vergangenen Jahrzehnten gereinigt und restauriert. Etliche Schaustücke, darunter Teile des Barockaltars, sind seit der Zerstörung der Nikolaikirche im Zweiten Weltkrieg jetzt wieder zu sehen. Sie waren nach dem Krieg aus dem Trümmerschutt geborgen worden und überstanden die folgenden Jahrzehnte im Depot. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in den Trümmern der Nikolaikirche zahlreiche Epitaphien aus der Zeit der Renaissance und des Barock sowie Architekturfragmente geborgen, die beim Wiederaufbau in den 1980-er Jahren gute Dienste taten und heute wieder ausgestellt sind. Gefunden wurde im Schutt auch der Inhalt des Turmknaufes und im Keller des Stadthauses, dem Roten Rathaus gegenüber, eingelagert. Allerdings verschwanden die kostbaren Münzen und Medaillen sowie die ihnen zugehörigen Dokumente in den Nachkriegsjahren und galten als verschollen. Erst 1990 tauchten sie wieder auf, als ein Berliner, der die Stücke "geerbt" hatte, den Bestand dem Märkischen Museum zur Begutachtung vorlegte. Das Museum, das der Stiftung Stadtmuseum Berlin angehört, machte seine Eigentumsansprüche geltend und ließ den Bestand analysieren und restaurieren. So wurde es möglich, den Schatz aus der Kirchturmkugel der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dies geschieht in der leeren Gruft des Goldschmieds Männlich und seiner Familie.

Der Eingang zu der Männlich-Gruft ist ein besonderes Highlight Berliner Bildhauerkunst. Er wurde 1700/1 von dem berühmten Barockmeister Andreas Schlüter zur Erinnerung an den Berliner Hofgoldschmied Daniel Männlich und seine Familie geschaffen. Münzfreunde kennen den Juwelier als Schöpfer schwergewichtiger Münzhumpen für den kurfürstlichen und königlichen Hof. Einige dieser mit kostbaren Talern und Medaillen brandenburgisch-preußischer Herkunft, aber auch aus Sachsen und aus anderen Fürstentümern, sind im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick und im Schloss Charlottenburg ausgestellt. Die Stiftung Stadtmuseum Berlin nutzt die Nikolaikirche als Museum, doch finden hier auch Konzerte und andere Veranstaltungen statt.

Neujahrsplaketten aus der Eisengießerei

Das Berliner Stadtmuseum besitzt eine bedeutende Sammlung von Münzen und Medaillen vom Mittelalter bis in unsere Zeit. Besonders wichtig für die Stadt- und Landesgeschichte sind die Brakteaten der askanischen Markgrafen und des Slawenfürsten Jaxa von Köpenick sowie eine mittelalterliche Denar- und Groschensammlung. Alles in allem bewahrt die Sammlung 10.000 Münzen, 8.000 Medaillen, 120 Siegelstempel und -abdrücke, 500 Geldscheine, 500 Marken und Jetons, 1.000 Orden und Ehrenzeichen sowie 500 Siegeltypare. Der Anfang der Sammlung reicht zurück zur Asservatensammlung des Berliner Magistrats und zum 1874 gegründeten Märkischen Provinzialmuseum. Seitdem besitzt es eine eigene Münz-, Medaillen- und Siegelsammlung, die auch Bodenfunde aus der Mark Brandenburg einschließt. Mit der Eröffnung des Märkischen Museums 1908 erhielt die Sammlung dort ihren Platz. Zwischen den Weltkriegen wuchs die Sammlung durch Ankäufe und Schenkungen an. Trotz zahlreicher Verluste durch Diebstahl und Krieg war sie in Auswahl ab 1952 wieder im Märkischen Museum zu sehen. Seit Ende der 1970er-Jahre systematisch ausgebaut, vereint die Sammlung nach der Gründung der Stiftung Stadtmuseum Berlin 1995 die numismatischen Bestände des Märkischen Museums (ehemals Ostberlin) und des Berlin-Museums (ehemals Westberlin). In einzelnen Ausstellungen werden besonders interessante Stücke gezeigt.

Dazu gehören Neujahrsplaketten der 1804 gegründeten Königlichen Eisengießerei zu Berlin. Als der Betrieb 1874 wegen schwacher Rentabilität geschlossen wurde, übernahm das Märkische Museum einen großen Teil der Bestände, so etwa Miniaturabgüsse von Standbildern und Büsten bedeutender Persönlichkeiten der Biedermeierzeit, aber auch eiserne Schalen, Leuchter, Plätteisen und urtümlich anmutende Nähmaschinen. Selbstverständlich kamen Medaillen und Plaketten aus "Fer de Berlin", also aus Berliner Eisen, in die Sammlung. Geschaffen von Leonhard Posch und anderen Meistern, stellen sie Vertreter der königlichen Familie sowie bedeutende Militärs und bekannte Künstler dar. Hinzu kommen Arbeiten religiösen und allegorischen Inhalts. Die Neujahrsplaketten wurden in der Eisengießerei zwischen 1805 und 1849 hergestellt wurden. Bestimmt waren die eisernen Reliefs mit Darstellungen von Gebäuden sowie Denkmälern und anderen Produkten der Gießerei waren für den König, den Hof, Beamte und Geschäftsfreunde, und sie machten Werbung für die damals noch vor den Toren der preußischen Haupt- und Residenzstadt tätige Fabrik.

Die viereckigen Gussstücke bestehen aus geschwärztem Eisen und sind nicht viel größer als eine Visitenkarte. Da sie als Aushängeschild der künstlerisch und technisch überaus innovativen Eisengießerei fungierten, wurden namhafte Künstler wie Schinkel, Rauch oder Schadow für die Gestaltung gewonnen. Die älteste Neujahrsplakette trägt die Jahreszahl 1806 und zeigt, was für den auf Monumentalplastiken, technisches Gerät, Gartenzäune, Friedhofskreuze sowie feingliedrigen Schmuck und nicht zuletzt auch auf Kanonen und andere militärische Gerätschaften spezialisierten Gießerei wichtig war. Mit dieser und folgenden Plaketten warb der Betrieb zum Besuch auf der "Zyklopeninsel" von dem Neuen Tor in Berlin. Es wird erzählt, dass die Gießerei in Zeiten ihrer Blüte eine große Attraktion war und viele Besucher anlockte. Das 1813 am Vorabend der Befreiungskriege von König Friedrich Wilhelm III. gestiftete Eiserne Kreuz wurde nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel in der Eisengießerei hergestellt.

23. März 2020

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"