Alte Münzen vor dem Roten Rathaus gefunden
Archäologen gingen im Berliner Zentrum auf Spurensuche und gruben Gewölbe mit interessantem Inhalt aus



Das alte Berliner Rathaus war ein Konglomerat aus mehreren Gebäuden, die im Zusammenhang mit dem Bau des Roten Rathauses zwischen 1864 und 1870 abgerissen wurden. In dem auffälligen Vorbau mit dem Renaissancegiebel, auch Gerichtslaube genannt, fanden Verhandlungen gegen Rechtsbrecher aller Art statt.



Ausgegraben wurden in den vergangenen Jahren an der alten Königstraße und heutigen Rathausstraße Reste des aus dem Mittelalter stammenden und danach immer wieder um- und ausgebauten Rathauses, das dem heutigen Verwaltungsbau mit der roten Ziegelfassade und dem riesigen Turm vorausging, und weitere Hinterlassenschaften in Kellern und Gewölben der Umgebung.



Das Bild auf dem Umschlag des Buches über die Funde in der Berliner Königstraße/Rathausstraße zeigt wichtige Fundkomplexe, nämlich Objekte aus organischem Material, Metall und Keramik. Erstaunlich ist, was im Laufe der Jahrhunderte den Berlinern an Kleingeld aus der Tasche oder dem Geldbeutel gefallen ist und sich in Ritzen und Löchern verkrümelt hat.



Bisher ist im Internet ist das Archäologische Fenster nur als Simulation geöffnet.





Mittelalterliche Hohlpfennige sowie kurbrandenburgische Kleinmünzen und Geldstücke aus anderen Territorien klapperten in den Geldbörsen der Besucher des Berliner Rathauses. Manche fielen auf den Fußboden und verschwanden in Ritzen der Holzdielen und an anderen schlecht zugänglichen Stellen.



Die meisten Fundmünzen sind Kleingeld, der Verlust des sächsischen Zweidritteltalers von 1691, auch Gulden genannt, dürfte für den Besitzer allerdings schmerzhaft gewesen sein.



Wie Münzpräger vor 500 Jahren gearbeitet haben und welcher Geräte sie sich bedient haben, ist durch zahlreiche Grafiken und andere Bilder überliefert, hier eine Zeichnung in einer Bamberger Handschrift aus der Zeit um 1600.





Bessere Silbermünzen wie der Dritteltaler Friedrichs des Großen von 1775 und das Viergroschenstück von 1804 mit dem Brustbild Friedrich Wilhelms III. stechen aus der großen Masse der Pfennige und Groschen hervor. Dass sie in Berlin, nicht weit vom Fundort, geprägt wurden, geht aus dem Münzbuchstaben A hervor, mit dem die Berliner Geldfabrik seit 1750 ihre Erzeugnisse zeichnet. (Fotos/Repros: Caspar, Münzfotos: Wolfgang Bittner)

Bevor Bauarbeiter anrücken, sind Archäologen mit Spaten, Spachteln und Pinseln dabei, alte Mauern und Gewölbe freizulegen und die Hinterlassenschaften unserer Vorfahren zu bergen und historische Situationen zu rekonstruieren. So werden viele geschichtlich interessante Einsichten gewonnen, über die Chroniken und Urkunden nichts berichten. Die Siedlungsreste aus Keramik, Glas, Metall, Stein sowie Holz, Knochen und anderem organischem Material, die bei Ausgrabungen im Zusammenhang mit der Berliner U-Bahn-Linie 5 in den Fundamenten des ehemaligen Berliner Rathauses und im benachbarten Untergrund ans Tageslicht kamen, besitzen eine enorme Aussagekraft und werfen ein bezeichnendes Licht auf die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte und die Lebenswirklichkeit im alten Berlin. Zu den Fundstücken, die das ebenfalls tun, gehören 1450 vollständig oder nur in Resten erhaltene Münzen als Belege für den alltäglichen Kleingeldverkehr in der Doppelstadt Berlin-Cölln und späteren preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin, und sie unterstreichen einmal mehr, dass man in uralten Zeiten nichts dabei fand, sich neben einheimischen auch auswärtiger Sorten zu bedienen.

Blick in zugeschüttete Gewölbe

Als wenige Jahre vor der deutschen Reichseinigung von 1871 das Berliner Rathaus, besser bekannt als Rotes Rathaus, und in seiner Umgebung neue Gründerzeitbauten errichtet wurden, hat man Bauten aus der früheren Geschichte Berlins rigoros beseitigt. Den Zweiten Weltkrieg hat das Rote Rathaus schwer beschädigt überstanden, so dass es wieder aufgebaut werden konnte, die Wohn- und Geschäftsbauten aber wurden abgetragen. Von ihnen blieben zugeschüttete Gewölbe und Keller übrig, die im Zusammenhang mit dem Bau der neuen U-Bahnlinie 5 entlang der alten Königstraße und heutigen Rathausstraße ausgegraben und untersucht wurden. Die am 4. Dezember 2020 coronabedingtt ohne größerte Feierlichkeit eröffnete Strecke verläuft vom U-Bahnhof Alexanderplatz über die Haltepunkte Rotes Rathaus, Museumsinsel, Unter den Linden, Brandenburger Tor und Bundestag zum Hauptbahnhof. Leider wurde das Arcäologische Fenster im Bahnhof Rotes Rathaus nicht geöffnet, doch hofft Landesarchäologe Matthias Wemhoff, dass das Versprechen, den Berlinern und ihren Gästen hier einen Blick in historische Gewölbe und damit in die Vergangenheit zu gewähren, noch eingelöst wird.

Lange war die Fundstelle direkt vor dem Amtssitz des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller durch einen mit Bildern verkleideten Bretterzaun vor neugierigen Blicken geschützt, ein Herankommen an die Fundstellen war nicht einfach. Hin und wieder hörte man, dass die Archäologen auf stadtgeschichtlich interessante Gewölbe und Fundstücke gestoßen sind. Jetzt werden die Untersuchungsergebnisse nach und nach publiziert. Das Buch "Die Königstraße im Wandel der Zeit. Archäologie und Geschichte einer Berliner Hauptstraße. Teil 3 - Die Funde 1" erschien Ende 2020 als dritte Folge einer vierbändigen Ausgabe im Hendrik Bäßler Verlag Berlin, hat 348 Seiten, zahlreiche Fotografien und Zeichnungen und kostet 29,90 Euro (ISBN 978-3945880-58-6). Versehen mit einem Vorwort der Denkmalpfleger und Archäologen Christoph Rauhut, Karin Wagner und Matthias Wemhoff und einer Sicht von Bertram Faensen auf das Grabungsgebiet und den Inhalt der Fundgruben , bietet das Buch eine detaillierte Analyse der von den Archäologen entdeckten mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik sowie einen Katalog zahlreicher in Resten erhaltener Tonpfeifen, die die alten Berliner nach Gebrauch wegzuwerfen beliebten, aber auch Beiträge über Objekte aus Eisen und Stein sowie aus organischem Material wie Holz, Knochen, Horn und Leder.

Relikte der Nazi-Aktion "Entartete Kunst"

Eröffnet wird das reich mit Zeichnungen und Fotos versehene Buch mit einem Blick auf 16 Skulpturen, die 1937 im Zuge der nationalsozialistischen Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt worden waren und die bei den Ausgrabungen zu allgemeiner Überraschung wieder ans Tageslicht kamen. Es handelt sich um Bronzen von Edwin Scharff, Otto Baum, Marg Moll, Gustav Heinrich Wolff, Naum Slutzky und Karl Knappe sowie Teile von Keramikarbeiten von Otto Freundlich und Emy Roeder. Die Bronzen sind im Wesentlichen unbeschädigt, haben aber durch lange Lagerung im Trümmerschutt und Brandeinwirkung eine starke Patina. Nachforschungen ergaben, dass im Haus Königstraße 50 ein Depot des NS-Propagandaministeriums angelegt war, in dem die beschlagnahmten Skulpturen untergebracht waren. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und mit ihm verschwanden auch die dort eingelagerten Objekte. Nach ihrer Entdeckung wurden sie restauriert und im Neuen Museum auf der Museumsinsel, im Martin-Gropius-Bau und außerhalb von Berlin gezeigt.

Ein umfangreicher Beitrag am Ende des Buches mit 16 Bildtafeln über etwa 1450 auf dem Ausgrabungsgelände gefundene Münzen sowie einige Rechenpfennige und schlecht erhaltene Papiergeldscheine, verfasst von dem Archäologen Michael Hofmann und dem Numismatiker Klaus Priese, schließt das Buch ab. Die ältesten Kleinmünzen stammen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, die jüngsten sind Reichspfennige von 1943. Vertreten sind Denare der brandenburgischen Markgrafen Johann I. und Otto III., die im Vorgängerbau der gotischen, im Zusammenhang mit dem Bau des Roten Rathauses abgetragenen und im Schlosspark Babelsberg wieder aufgerichteten Gerichtslaube verloren gingen. Neueren Datums sind in Berlin geprägte Pfennige und Silbergroschen brandenburgischer Kurfürsten und preußischer Könige sowie solche aus umliegenden Territorien.

In Dielenritzen und Straßenpflaster verschwunden

Gefunden wurden die Münzen nicht, wie man das von anderen Grabungen kennt, in Krügen oder Töpfen aus gebrannter Keramik, sondern verstreut auf einem größeren Areal in ehemaligen Gruben sowie Lauf- und Auffüllschichten. "Die Ausgrabungen belegten durch eindeutige Nutzungshorizonte, Baubefunde und Münzfunde, dass es vor dem Bau des großen gotischen Berliner Rathauses um 1300 in der heutigen Rathausstraße/Ecke Spandauer Straße bereits zwei Vorgängerbauten seit den 1260er Jahren gab", heißt es in dem Bericht, der über die Geschichte, Wert, Kaufkraft und Herkunft der Geldstücke ausführlich berichtet und Einsichten in die mittelalterliche und neuzeitliche Wirtschafts- und Münzpolitik vermittelt. Es wird angenommen, dass viele Kleinmünzen in Fußböden aus Holzdielen und im Katzenkopfpflaster verschwanden und aufgrund von Aufschüttungen und Umbauten bis zu den heutigen Grabungen unsichtbar blieben.

Viele Münzen mit Brustbildern, dem kurbrandenburgischen Zepter beziehungsweise dem preußischen Adlerwappen sowie Wertangaben zwischen einem und sechs Pfennigen sowie Groschen und höhere Nominale sind in der numismatischen Literatur beschrieben und werden danach von den Fundbearbeitern zitiert. Da man bei ihnen am Silber sparte, hat man die Legierung in den rauchigen Münzschmieden mit Kupfer gestreckt. Das war erlaubt, nur durfte man es damit nicht übertreiben, dann hagelte es Strafen und Verbote. Unter den Fundstücken konnten zeitgenössische Fälschungen aus Messing als Belege dafür identifiziert werden, dass Betrüger ungeachtet der Drohung schwerer Strafen an Leib und Leben immer wieder versucht haben, die eigene Haushaltskasse durch billige Nachahmungen aufzubessern und echte Münzen mit ihren Machwerken in Umlauf zu bringen. Die Fundstücke spiegeln Krisen im Münz- und Wirtschaftssystem Brandenburg-Preußens, und nicht nur dort, wieder, und sie zeigen, dass der Staat die Herstellung von Geld oftmals als bequeme Einnahmequelle missbraucht hat. Aus der brandenburgisch-preußischen Münzgeschichte und der anderer Länder sind erschreckende Beispiele dafür überliefert. Die Machenschaften führten zu fallenden Wechselkursen und Preissteigerungen und beeinträchtigten in starkem Maße auch Handel und Gewerbe, was wiederum die meist sehr arme Bevölkerung in wirtschaftliche Schwierigkeiten stürzte.

Hinweise auf intensive Handelstätigkeit

Der dem Beitrag beigefügte Katalog und die Bilder zeigen, dass es bis auf wenige Stücke unbedeutende Beträge waren, die den alten Berlinern aus der Hosentasche oder der Geldbörse gefallen waren. Ihre Auffindung ist nach Aussage des Grabungsleiters Michael Hofmann ein interessanter Hinweis darauf, dass im alten Berliner Rathaus vor Jahrhunderten auch eine rege Handelstätigkeit stattgefunden hat. Bliebe noch hinzuzufügen, dass die Berliner Münze mehrfach ihren Standort wechselte und Bilder der Gebäude außen und innen bis zum frühen 19. Jahrhundert nicht überliefert sind. Wie es aber in den engen, rauchigen Schmieden zuging, schildern historische Glasbilder, Holzschnitte, Grafiken und natürlich die erhalten gebliebenen Werkzeuge und seit der Barockzeit auch Prägepressen, über deren Aussehen man in der Ausstellung des Berliner Münzkabinetts im Bode Museum auf der Museumsinsel, in der Staatlichen Münze an der Ollenhauerstraße 97 im Berliner Bezirk Reinickendorf und an anderen Orten bestens informieren kann.

4. Dezember 2020

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