"Ich verliere die Zähne und Munterkeit"
Eine im Park von Sanssouci gefundene Zahnbürste könnte von Friedrich dem Großen benutzt worden sein





Im Umfeld des Neuen Palais im Potsdamer Park Sanssouci wurde neben manch weggeworfenen Gegenständen auch eine aus Knochen gefertigte Zahnbürste gefunden, die der königliche Bauherr benutzt haben könnte. Reste von Schweineborsten blieben in den Löchern erhalten.



Wie es beim Zahnbrecher und Bader im 16. Jahrhundert zuging, was Patienten aushalten mussten und womit sie traktiert wurden, schildern die mit Reimen von Hans Sachs versehenen Holzschnitte in dem Ständebuch von Jost Amman aus dem Jahr 1568.



Der Chirurg Philipp Pfaff beeindruckte Friedrich II. von Preußen mit seiner Abhandlung von 1756 über Zahnkrankheiten so sehr, dass er ihn als Hofzahnarzt einstellte.



Friedrich II. war ein begeisterter Flötenspieler und Komponist. Nach dem Verlust seiner Zähne musste er diese Leidenschaft aufgeben. Holzstich nach einem Entwurf von Adolph Menzel aus dem Jahr 1840.



Friedrich II. von Preußen starb am 17. August 1786 im Schloss Sanssouci, und schon begann in Bild und Schrift seine Heldenverehrung, die auch heute ungeachtet vieler neuer Erkenntnisse über das Leben und Werk des Königs ungebrochen ist. Die Szenen links und rechts wurden von Adolph Menzel gestaltet.



Kupferstiche und Medaillen sagen nichts darüber, dass Friedrich II. oft krank war und an der Gicht litt. Auf der Medaille von 1779 auf den Frieden von Teschen nach dem Bayerischen Erbfolgekrieg blicken sich Kaiser Joseph II. und der Preußenkönig an.



Die im Deutschen Historischen Museum Unter den Linden in Berlin gezeigte Totenmaske zeigt den greisenhaften Kopf des Königs und seine eingefallene Oberlippenpartie. (Fotos/Repros: Caspar)

Zeit seines langen, 74 Jahre umfassenden Lebens hatte König Friedrich II., genannt der Große, mit Ärzten zu tun. Als er noch preußischer Kronprinz war, gestand er seinem Freund Ulrich Friedrich von Suhm, seine traurige Erfahrung mit Ärzten mache aus ihm selber einen Arzt. Seine Leibärzte hatten es mit dem Monarchen nicht leicht. Erstand mit ihnen, bildlich gesprochen, auf Kriegsfuß und stellte sie nach Gutdünken ein und entließ sie wieder, wenn er sich über sie geärgert oder sie ihn zu gesunder Lebensweise geraten hatten. Den berühmten Johann Nathanael Lieberkühn warf er aus dem Schloss, weil er ständig irgendwelche Därme, Mägen und Lungen in seiner Tasche bei sich hatte. "Eines Tages, als er zu mir kam, zog er ein Stück Hirn hervor; das ekelte mich so sehr, dass ich eine Zeitlang kein Fleisch aß." Auch anderer Mediziner, Johann Karl Wilhelm Moehsen, musste gehen, weil er dem König den Verzehr von Parmesankäse versagen wollte. Gegen den Rat seiner Ärzte aß der König scharf gewürztes und schwer verdauliches Fleisch. Der letzte königliche Leibarzt, Christian Gottlieb Selle, hat diese Beobachtung überliefert: "Nichts gleiche dem feuer, womit man all seine Speisen würze, und womit er täglich seine Eingeweide verbrenne. Die unverdaulichsten Speisen seyen seine liebsten Speisen."

Die ungesunde, ja riskante Lebens- und Ernährungsweise des Großen Königs tritt hinter seinen Meriten als Bauherr, Militär, Kunstsammler sowie Flötenspieler und Komponist zurück und ist eigentlich nur Kennern bekannt. Man weiß vielleicht noch, dass er oft mit seinen Zähnen zu tun hatte und von ihnen schon früh den einen und anderen verloren hat. Seine Zahnlosigkeit bereitet ihm erhebliche Probleme, musste er doch auf das Spiel auf seiner nach eigenen Worten über alles geliebten Querflöte verzichten. Seinem Bruder im Geiste, dem französischen Schriftsteller und Aufklärer Voltaire, gestand er 1767: "Meine Haare sind weiß, meine Zähne fallen aus, meine Beine sind durch Podagra unbrauchbar", und meinte damit die Gicht. Sieben Jahre vorher und mitten im Siebenjährigen Krieg schrieb der erst achtundvierzigjährige König seinem französischen Brieffreund: "Ich bin alt, schwach, grau, gerunzelt, ich verliere die Zähne und alle Munterkeit." Dass Friedrich der Große seine zum Flötenspielen so wichtigen Frontzähne einbüßte und keinen Ersatz bekam, zeigen späte Porträts und die Totenmaske mit der charakteristischen eingefallenen Oberlippenpartie.

Ausgrabungen im Umfeld des Neuen Palais

Archäologen des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege haben bei Ausgrabungen im Zusammenhang mit der Grundsanierung des Sockelgeschosses vom Neuen Palais im Park von Sanssouci eine sensationelle Entdeckung gemacht, die neues Licht auf Friedrichs Mundhygiene wirft. Bei der Untersuchung eines ehemaligen Abflusskanals fanden sie neben Unrat und Schutt auch eine Zahnbürste, die als die des Königs gedeutet wird. Das ungewöhnliche Fundstück besitzt 19 Löcher, in denen Schweineborsten gesteckt haben. Das Griffende läuft spitz aus und könnte als Zahnstocher benutzt worden sein. Nach seinen üppigen Schmausereien könnte der König mit diesem Haken Fleischfasern aus seinen Federn "gepolkt" haben.

Über die Zahnbürste und weiter Relikte berichtet Kay-Uwe Uschmann in der neuen Ausgabe des Jahrbuchs "Archäologie in Berlin und Brandenburg 2018". Herausgegeben von der Archäologischen Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e. V. in Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesamt und dem Landesdenkmalamt Berlin, ist das 133 Seiten starke, mit zahlreichen Abbildungen versehene Buch 2020 in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Theiss in Kommission. Befasst man sich näher mit dem Thema, dann erfährt man, dass der König früher als manch andere Zeitgenossen erkannt hatte, wie wichtig die Zahnheilkunde ist. Wer damals Zahnprobleme hatte, ging zum Feldscher, Barbier oder einem anderen Handwerker. Wenn nichts mehr half, wurden die kranken Zähne mit brachialer Gewalt dem Patienten die Zähne ausriss und dies in der Hoffnung tat, dass keine manchmal zum Tod führende Infektion eintritt.

Ärzte hatten es beim König nicht leicht

Friedrich II. legte sich einen eigenen Zahnarzt in Gestalt des Militärchirurgen Philipp Pfaff. Dieser hatte seinem König sein Buch über Zahnerkrankungen übergeben und wurde sofort als Hofzahnarzt ernannt. Mit dem Titel Hofrat und Privilegierter Chirurg versehen, war Pfaff der erste im römisch-deutschen Reich, der einen solchen Posten bekam. Er gilt als Begründer der wissenschaftlichen Zahnmedizin. Ob Pfaff den König behandelt hat, ist nicht bekannt. So ist es auch Spekulation, dass er seinem Herrn riet, sich einer Zahnbürste zu bedienen. Wenn es zu Begegnungen zwischen dem König und dem Zahnarzt gekommen wäre, dürften diese wenig erfreulich gewesen sein. Denn Friedrich hielt von Ärzten wenig hielt und examinierte sie ständig. Nach allem, was man weiß, misstraute er Zahnärzten noch viel mehr. Sie waren in seinen Augen nichts als "unfähige Zeugen unserer Leiden".

Dass der König stark kurzsichtig war, wissen eigentlich nur Medizinhistoriker. Er benutzte eine so genannte Stielbrille, auch Lorgnette genannt, doch scheint es keine Bilder zu geben, die ihn mit dieser Sehhilfe zeigen. Messungen ergaben, dass die Bikonkavgläser die Stärke -2 bis -7 Dioptrien hatten. Da der König nicht immer eine Brille bei sich hatte oder er sie ungern benutzte, konnte es vorkommen, dass er Personen in seiner Umgebung verwechselte. Nach einer Anekdote schmeichelte ein Besucher ihm mit der Behauptung, sein "Gesicht", also Sehvermögen, habe im Krieg weit gereicht. Worauf der königliche Feldherr lakonisch antwortete: "Das war nicht ich, das war mein Fernrohr."

In permanenter Lebensgefahr

Der König hatte Zeit seines Lebens mit seinem Körper zu tun. Ratschläge seiner Ärzte etwa der Art, er möge sich beim Verzehr von scharf gewürztem Fleisch und stundenlang zusammengekochten Soßen zurück halten, nahm er nicht oder nur ungern an. Bei seiner ungesunden Lebensweise muss man sich wundern, dass er ein vergleichsweise hohes Alter erreichte. Dieses war seinem Vater und Großvater nicht beschieden. Friedrich I. starb mit 56 Jahren und der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. mit 52 Jahren. Beide litten in fortgeschrittenem unter schweren Krankheiten. In Briefen an Verwandte und Freunde beschrieb er, wie es ihm gerade ergeht. "Seit zwei Tagen habe ich ein kleines Fußleiden. Die Schmeichler nennen es eine Verrenkung, die Ärzte Arthritis vaga; ich aber, der ich mir nichts vormache, halte es für Gicht. [...] Trotz allem, was Du sagen magst, ich habe bestimmt die Gicht gehabt. Der Fuß ist sogar noch geschwollen. Das ist wenig erfreulich und verfrüht. [...] Es stürmen so viele Angreifer auf meinen Körper ein, dass ich fortwährend genötigt bin, Ausfälle gegen die Belagerer zu machen, bald gegen die Gicht, bald gegen Steinbeschwerden, inmitten so vieler Feinde ist meine Lage keine behagliche", notierte er im Mai 1744 und März 1747 in Briefen an seinen zum Thonerben bestimmten Bruder August Wilhelm. Die Bemerkungen zeigen, dass der König bei seinen gesundheitlichen Problemen ein Stück Sarkasmus sich selbst gegenüber bewahrte.

Da sich der König von Preußen in seinen Kriegszügen permanent Lebensgefahren ausgesetzt sah und auch sonst um seine Gesundheit besorgt war, bestimmte er, wie Hinterbliebene mit seiner Leiche umgehen sollte. Dem Prinzen August Wilhelm gab der Vierzigjährige 1752 diesen selbstmitleidigen Hinweis: "Was mich betrifft, so habe ich es verboten, mich nach dem Tode zu öffnen. Es ist genug, wenn man bei Lebzeiten den Leuten Stoff zu Witzeleien gibt, und es ist zu viel, mit seiner Milz, seiner Leber und seiner Lunge nach dem Tode Komödie spielen zu lassen. [...] Sie, lieber Bruder, sind voll Jugendkraft, gesund, frisch und stark: genießen Sie das Leben, das für Sie nur Reize hat. Sie können Blumen pflücken, für mich bleiben die Dornen."

Traurige Zeichen von Hinfälligkeit

Die Kriege, die der König von Preußen um die zu Österreich gehörenden schlesischern Herzogtümer führte, hinterließen bei ihm als obersten Feldherrn tiefe Spuren. "Ich bin alt, grau und grämlich; hin und wieder leuchtet meine gute Laune auf; aber das sind Funken, die verglimmen, weil die nährende Glut fehlt. [...] Sähen Sie mich, Sie erkennten keine Spur dessen mehr, der ich früher war. Sie sähen einen ergrauenden Greis, der Hälfte seiner Zähne beraubt, ohne Heiterkeit, ohne Feuer, ohne Einbildungskraft. [...] Das, mein Lieber, ist weniger das Werk der Jahre als des Kummers. Das sind die traurigen Zeichen der Hinfälligkeit, die der Herbst unseres Lebens unweigerlich mit sich bringt", ließ der Siebenundvierzigjährige 1759 seinen Vertrauten Marquis d'Argens 1759 wissen.

Konkret wurde er in einem Brief von 1770 an den Mathematiker, Philosophen und Enzyklopädisten Jean Rouel d'Alembert. "Meinen Füßen geht es leider so schlecht wie Ihrem Magen; ich habe die Gicht, ohne sie hätte ich Ihnen ordentlicher geantwortet, aber der Kopf leidet darunter, und Sie wissen vielleicht, dass wir hier einen Arzt hatten, der zum Aderlass an der großen Zehe riet, wenn man Kopfbeschwerden hatte; so könnte ich Ihnen auch nicht sagen, ob mein Leiden im Kopf oder in den Füßen liegt; aber wo auch immer es liegen mag, hindert es mich doch nicht daran, Sie zu achten und zu schätzen. [....] Ich bin Ihnen für die Anteilnahme an meiner Gesundheit verbunden. Die naturnotwendige Verquickung verschiedenster Ursachen hat dazu geführt, dass die Anhäufung scharfer Stoffe in meinem Blut der Grund für die Gicht wurde, die mir viel Schmerzen bereitet hat, ich habe mich aber dem unumstößlichen Willen der Natur gefügt; habe Diät gehalten und geübt, und so bin ich geheilt."

Ein halbes Jahr vor seinem Tod am 17. August 1786 erhielt der in Rheinsberg residierende Prinz Heinrich von seinem 74 Jahre alten Bruder und König 5diese wenig optimistische Nachricht: "Meine Krankheit, lieber Bruder, hält ungefähr auf dem gleichen Fuße an. Sechs Nächte lang habe ich nicht geschlafen. Jetzt kehrt der Schlaf etwas zurück, aber das Asthma nimmt zu. Erstickungsanfälle und völlige Erschöpfung der Kräfte werfen mich fast auf das Siechenlager. [...] Tritt nicht bald eine Änderung ein, so bin ich außerstande, wie gewöhnlich die Provinzen zu bereisen und meine Pflichten zu erfüllen. Ich schreibe die reine Wahrheit über meinen gegenwärtigen Zustand und stelle im Übrigen alles dem Schicksal anheim, das nach seinem Willen entscheiden mag."

4. März 2020

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