Bismarck verschärfte Emser Depesche
Für den deutsch-französischen Krieg fand sich im Juli 1870, vor 150 Jahren, ein willkommener Anlass



So schnell kann es gehen: König Wilhelm I. von Preußen wollte sich im Sommer 1870 von Kaiser Napoleon III. nichts vorschreiben lassen. Wenige Monate später haben die deutschen Fürsten den Hohenzollern in Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen. Napoleon kam in preußische Gefangenschaft, und sein Land war Republik.



Die von Otto von Bismarck redigierte, gekürzte und damit zugespitzte Emser Depesche gilt aus Auslöser der deutsch-französischen Kriegs, der 1871 mit der französischen Niederlage beendet wurde. Frankreich trug an den Friedensbedingungen schwer und rief zur Revanche.



Die Karikatur zeigt einen Soldaten als Menschenfresser. Ihn könnte man als Wilhelm I. deuten. Nach der Niederlage in der Schlacht bei Sedan am 2. September geriet Napoleon III. in preußische Gefangenschaft. Zwei Tage später wurde in Frankreich die Republik ausgerufen. Der Ex-Monarch starb am 9. Januar 1873 im englischen Exil und ist in Farnborough, einer Stadt in der Grafschaft Hampshire, bestattet. Wilhelm Busch hat den Ex-Kaiser als Birne mit Mohrrüben Weise karikiert.



Preußens König Friedrich Wilhelm IV. lehnte 1849 brüsk den ihm von der Nationalversammlung angetragenen deutschen Kaisertitel ab, sein Bruder und Nachfolger tat dies gut zwei Jahrzehnte später auf Drängen von Otto von Bismarck (in weißer Uniform) im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles.



Ein Relief am Sockel der Berliner Siegessäule schildert, wie sich französische Truppen nach der Schlacht von Sedan dem preußischen König Wilhelm I. ergeben. Hinter ihm beobachtet Otto von Bismarck das Geschehen.



Die Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser fand mitten im deutsch-französischen Krieg 1870/71 im Spiegelsaal des Schlosses vor Versailles statt. Das von Anton von Werner gemalte Gemälde wurde später durch Holzstiche popularisiert. Dieser fand sich in einem Schulbuch aus dieser Zeit.





Wilhelm I. hat die auf der 1895 zur Weihe der ihm gewidmeten Gedächtniskirche in Berlin abgebildete Kaiserkrone nie getragen. Auf einem dort befindlichen Mosaik ist seine Familie zu sehen. Obwohl die Krone eine Fiktion ist, hat man sie auf Reichsmünzen und Medaillen sowie Wappen dargestellt.

Im Sommer 1870 weilte wie immer der preußische König Wilhelm I. in Bad Ems zur Kur. Ruhe hatte der alte Herr nicht, denn er wurde vom französischen Gesandten in einer heiklen Angelegenheit angesprochen. Es ging um die Bewerbung des Hohenzollernprinzen Leopold aus der Hohenzollernfamilie für den vakanten spanischen Thron. Kaiser Napoleon III. von Frankreich, ein Neffe von Napoleon I., befürchtete die "Einkreisung" seines Landes durch deutsche Fürsten. Daher wurde der im Park spazierende Wilhelm I. vom französischen Botschafter ultimativ aufgefordert, als Chef des Hauses Hohenzollern die Thronkandidatur seines Verwandten zu verhindern. Das aber lehnte der standesbewusste König, der als Jugendlicher noch die Befreiungskriege von 1813 bis 1815 mitgemacht hatte und auf die Franzosen nicht gut zu sprechen war, als anmaßende Einmischung in die inneren Angelegenheiten ab.

Papier von politischer Brisanz

Über die Unterredung informierte Wilhelm I. in einem Telegramm seinen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck. Dieser las das Schreiben und erkannte sofort seine Brisanz. Indem der Politiker die Mitteilungen seines Herrn eigenhändig kürzte und redigierte, machte er aus ihr die berühmte Emser Depesche und damit ein Papier von großer politischer Wirkung. Bismarck kommentierte die "Emser Vorgänge" in seinem Buch "Gedanken und Erinnerungen" so: "Schon in der Tatsache, dass das französische Kabinett sich erlaubte, die preußische Politik über die Annahme der Wahl [eines Hohenzollernprinzen zum spanischen König, H. C.] zu Rede zu stellen, und zwar in einer Form, die durch die Interpretation der französischen Blätter zu einer öffentlichen Bedrohung wurde, schon in dieser Tatsache lag eine internationale Unverschämtheit, die nach meiner Ansicht die Unmöglichkeit involvierte, auch nur um einen Zoll breit zurückzuweichen." Der von Bismarck verschärfte Text wurde veröffentlicht und vom französischen Kaiser als Provokation und als Kriegsgrund interpretiert.

Bald darauf begann der deutsch-französische Krieg, aus dem deutsche Truppen unter preußischer Führung in der Schlacht bei Sedan am 2. September 1870 siegreich hervor gingen. Napoleon III., der die vor allem von Preußen voran getriebenen deutsche Einigungsbestrebungen hatte verhindern wollen, wurde gefangen genommen und auf Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel interniert. Drei Jahre später starb er im englischen Exil. Im deutschen Kaiserreich war der "Sedantag" ein hoher Feiertag, bei dem Denkmäler eingeweiht und Orden verliehen wurden.

Gegen Demokraten helfen nur Soldaten

Während Frankreich nach dem ruhmlosen Abgang des Kaisers in eine Republik mit viel Blutvergießen und Gewalt verwandelt wurde und in Paris die Kommune die Macht übernahm, hat man in Preußen und darüber hinaus mehr darüber nachgedacht, wie die deutsche Einheit zu bewerkstelligen wäre. Wilhelms älterer Bruder und Vorgänger, König Friedrich Wilhelm IV., hätte bereits 1849 deutscher Kaiser werden können, wenn er denn gewollt hätte. Seinem Grundsatz "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten" entsprechend sandte der königliche Schöngeist Truppen aus, um in Baden das revolutionäre Aufbegehren niederzuschlagen. Mit drastischen Worten wies er die ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene deutsche Kaiserkrone als "Reif aus Dreck und Letten" zurück. Wenn er eine Kaiserkrone annehmen würde, dann nur aus den Händen der deutschen Fürsten, ließ er die nach Berlin gereisten Abgeordneten wissen.

Gut 20 Jahre später hatte sich die Lage verändert. Otto von Bismarck gelang es, seinen Herrn zur Annahme der deutschen Kaiserwürde zu überreden. Dazu hatte Wilhelm I. aber wenig Lust, denn der neue Titel erschien ihm unpassend und überflüssig, weil in seinen Augen mit ihm keine wirkliche Macht verbunden ist. Dennoch fügte sich der König von Preußen und wurde am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles in einer kurzen Zeremonie zum deutschen Kaiser ausgerufen. Um Wilhelm I. umzustimmen, hatte sich Bismarck eines Tricks bedient. Er brachte den bayerischen König Ludwig I., der 1866 mit seinen Verbündeten noch Krieg gegen Preußen geführt hatte, seinem preußischen Amtsbruder, in einem von ihm, Bismarck, vorformulierten Brief im Namen der deutschen Fürsten die Kaiserkrone anzutragen.

Kaiser der Deutschen oder Deutscher Kaiser

Der durch seine spektakulären Schlossbauten hoch verschuldete Ludwig I. ließ sich den so genannten Kaiserbrief mit stattlichen fünf Millionen Mark aus dem Welfenfonds bezahlen. Aus dem Vermögen des 1866 enteigneten Königs von Hannover gebildet, zweigte Bismarck daraus auch Geld ab, um Zeitungen und Journalisten zu schmieren, die positiv über ihn und seine Politik berichten. Am Ende ging es nur noch darum, welchen Titel Wilhelm I. tragen soll. Der preußische Monarch lehnte den eines Präsidenten als zu sehr nach Republik klingend ab und fand "Kaiser der Deutschen" gut, weil dieser Bezeichnung eine "große Schwungkraft" innewohnte, wie Bismarck im Rückblick schrieb.

Am Ende wurde der König von Preußen im Spiegelsaal des Schlosses zu Versailles im Beisein von Fürsten und Offizieren ganz neutral als "Kaiser Wilhelm" ausgerufen. Das "Volk" war in dieser Versammlung nicht vertreten. Wilhelm I. fühlte sich überrumpelt und ignorierte Bismarck bei der anschließenden Gratulation. In dieser Haltung habe Wilhelm I. mehrere Tage verharrt, notierte Bismarck "bis allmählich die gegenseitigen Beziehungen wieder in das alte Geleise kamen." Er bekam das Amt des Reichskanzlers, das er neben dem des preußischen Ministerpräsidenten bis zur Entlassung durch den jungen Kaiser Wilhelm II., genannt Wilhelm der Letzte, innehatte. Wie man die Historie umbog und optisch aufhübschte, zeigt ein Detail aus dem von Anton von Werner gemalten Bild von der Kaiserproklamation in Versailles. Hier steht Bismarck in weißer Uniform, als sei er der Schmied des Reiches. Alle Blicke sind auf ihn und den neuen Kaiser gerichtet, dem die Fürsten huldigen. Wie Bismarck jedoch später berichtete, würdigte der neue Kaiser ihn keines Blickes und ging bei der der Proklamation folgenden Gratulation glatt an ihm vorbei. Allerdings war die Missstimmung wegen der Kaiserfrage, wie Bismarck berichtet, nicht von langer Dauer.

Kronenmodell nur aus Holz

Nach der Reichseinigung am 18. Januar 1871 entwickelte sich um Wilhelm I. ein bis dahin noch nie gekannter Heldenkult. Es gab kaum eine Stadt im neuen Deutschen Reich, in der nicht eine Büste von ihm oder noch besser ein Reiterdenkmal errichtet wurde. Unzählige Bilder sowie Münzen und Medaillen verbreiteten sein Bildnis. Dabei war der preußische König und deutsche Kaiser unrühmlich als Kartätschenprinz und Unterdrücker des badischen Aufstandes von 1849 in die Geschichte ein eingegangen. Als er 1861 nach langer Wartezeit endlich König geworden war, führte er drei Kriege gegen Dänemark (1864), Österreich und seine Verbündeten (1866) und Frankreich (1870/71), an deren Ende die Gründung des Kaiserreichs unter preußischer Führung stand. Als der Monarch am 16. März 1888 im ungewöhnlich hohen Alter von 91 Jahren in Berlin starb, war die Trauer bei vielen Untertanen groß und echt.

Die seit der deutschen Einigung von 1871 auf Münzen, Medaillen, Geldscheinen, Siegeln sowie Gemälden und Skulpturen dargestellte Kaiserkrone hat es nie in Wirklichkeit gegeben. Sie ist lediglich eine Fiktion, ein das Deutsche Reich einigendes Symbol, das nach der Novemberevolution von 1918 Geschichte wurde. Nach der Kaiserproklamation Wilhelms I. gab es Pläne, eine sein neues Amt symbolisierende Krone zu schaffen, die sich in der Form an die Krone der römisch-deutschen Kaiser anlehnt, die bis 1806 regiert haben. Sie sollte neogotisch anmutende Hochbügel besitzen, die in der Mitte zusammenlaufen und ganz oben den Reichsapfel trugen. Die Bildplatten wollte man mit einem Kreuz aus Diamanten sowie mit Adlern besetzen. Von dieser Krone abgeleitet wurden Kopfbedeckungen für die Kaiserin und den Kronprinzen. Alle diese Projekte kamen bis zum Ende der Monarchie 1918 nicht zur Ausführung. Lediglich waren bis zu ihrem Verschwinden im Zweiten Weltkrieg vorläufige Holzmodelle im Berliner Hohenzollernmuseum Schloss Monbijou ausgestellt.

Für die Krönung König Wilhelms I., des späteren Kaiser,am 18. Oktober 1861 in der Königsberger Schlosskirche wurden die goldenen Krongestelle (Karkassen) König Friedrichs I. und seiner Gemahlin Sophie Charlotte von 1701 durch zwei neue, leichtere Kronen aus vergoldetem Silber ersetzt. Um bei Staatsakten wie Thronreden und der Eröffnung des Reichstags nicht ganz ohne solche Insignien auskommen zu müssen, ließ Kaiser Wilhelm II. 1889 von seinem Hofheraldiker Emil Döpler d. J. unter Verwendung der nach der Krönungsfeier von 1861 den Krongestellen entnommenen Brillanten und Perlen eine neue Krone entwerfen und von den Hofjuwelieren Humbert und Sohn herstellen.

Die in Anlehnung an die bei der Krönung Friedrichs I. am 18. Januar 1701 in Königsberg verwendete Krone war die Goldkrone des letzten deutschen Kaisers und Königs von Preußen mit 142 Diamanten, 18 Brillanten, acht Perlen, zwei Saphiren und acht Dicksteinen überaus prachtvoll besetzt. Das Innere der Krone war mit rotem Samt ausgekleidet. Da es seit Wilhelm I. bei den Hohenzollern keine Krönung mehr gab, wurde die Krone nur bei repräsentativen Anlässen aus dem Tresor geholt und auf roten Samtkissen präsentiert. Sie befindet sich heute auf der Burg Hohenzollern, dem Stammsitz der vor nunmehr 102 Jahren in der Novemberevolution vom Thron gejagten Dynastie. Zwar bestand Wilhelm II. darauf, dass man seinen Großvater "Wilhelm den Großen" nennt, hat sich dieser Beiname niemals eingebürgert. (Fotos/Repros: Caspar)

28. Mai 2020

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