Preußische Pompadour
Unter König Friedrich Wilhelm II. erblühte vor 230 Jahren die Mätressen- und Günstlingswirtschaft



Friedrich Wilhelm II. verlieh seiner Geliebten Wilhelmine Encke, verheiratete Ritz (im Bild links ein Porträt von Anna Dorothea Therbusch), den Titel einer Gräfin Lichtenau. Das Volk nannte sie "preußische Pompadour", ihr Geliebter hieß nur "dicker Wilhelm".



Die Medaille von 1786 zur Thronbesteigung preist den neuen König Friedrich Wilhelm II. als "Vater des Vaterlandes", andere Prägungen nennen ihn "Neue Hoffnung des Königreichs".



Wer zum König wollte, kam nicht ohne Weiteres an der schönen Wilhelmine vorbei. Auf dem Spottbild ist zu sehen, wie die Gräfin Lichtenau sich an der Kasse des Königs bedient.



Das von Johann Gottfried Schadow geschaffene Grabmal des jung verstorbenen Grafen Alexander von der Mark ist in der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel zu sehen.



Im frühklassizistischen Marmorpalais im Potsdamer Neuen Garten erinnert vieles an den Bauherrn, König Friedrich Wilhelm II. Nicht weit davon steht am Ufer des Heiligen Sees das Palais Lichtenau.



In Neuruppin erinnert ein Denkmal daran, dass der König der bis auf die Grundmauern 1787 abgebrannte Stadt wieder großzügig aufbauen ließ. (Fotos/Repros: Caspar)

Wenn es im Hause Hohenzollern um die Heirat der Prinzen und Prinzessinnen ging, war man sehr pingelig. Nicht Liebe und Zuneigung entschieden, sondern die fürstliche, genauer gesagt die landesfürstliche Abstammung der Braut oder des Bräutigams. Ein bloßer Adelstitel reichte nicht. So wurde dem nachmaligen preußischen König und - ab 1871 - deutschen Kaiser Wilhelm I. verwehrt, seine Geliebte Elisa Radziwill zu ehelichen. Die junge Dame stammte aus uraltem polnischen Adelsgeschlecht, ihr Vater trug gar einen Fürstentitel, aber sie war sie in den Augen der Hohenzollern nicht "regierend", also unebenbürtig. Als das Liebespaar auf Druck von König Friedrich Wilhelm III. unter Tränen voneinander Abschied genommen hatte, wurde eine Hochzeit des Prinzen Wilhelm mit der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar arrangiert. An der Verbindung zwischen den Hohenzollern und den Wettinern war nichts auszusetzen, und die Thronfolge ohne Makel war gesichert. Der Sohn von Wilhelm und Augusta war als Friedrich III. im Jahr 1888 für nur 99 Tage deutscher Kaiser und König von Preußen. Aus seiner Ehe mit der englischen Prinzessin Viktoria, einer Tochter von Queen Victoria und ihres aus Deutschland stammenden Gemahls Albert, ging Wilhelm II. hervor, der letzte deutsche Kaiser und König von Preußen.

Nichts Menschliches war ihnen fremd

Da einigen Männern an der Spitze von Brandenburg-Preußen nichts Menschliches fremd war, "hielten" sie sich, wie man damals sagte, neben legitimen Ehefrauen, welche den Thronfolger zur Welt zu bringen hatten, auch Mätressen, mit denen sie bisweilen auch Kinder hatten, aber nicht ebenbürtige Prinzen und Prinzessinnen. Der erste Preußenkönig Friedrich I. besaß eine gräfliche Geliebte "en titre", weil man so etwas als bewundernswürdiger Barockfürst nun mal an der Seite haben musste. Richtig zur Sache ging es im späten 18. Jahrhundert erst wieder bei König Friedrich Wilhelm II. und Wilhelmine Encke, verheiratete Ritz. Für ihre guten Dienste im Bett und als Mutter mehrerer illegitimer Kinder erhielt sie vom König den Titel einer Gräfin Lichtenau sowie Geld, Güter und Einfluss am Hof. Von den Historikern analog zu einer Geliebten des französischen Königs Ludwig XV. "preußische Pompadour" genannt, hatte sie maßgeblichen Einfluss auf den "vielgeliebten" Neffen und Nachfolger König Friedrichs II., des Großen.

Unter Friedrich Wilhelm II. blühte zwischen 1786 und 1797 die Mätressen- und Günstlingswirtschaft, wie sie Preußen noch nie gekannt hatte. Der Monarch überließ das Regieren zwielichtigen Personen, wobei doch die schwierigen Zeiten vor und nach der französischen Revolution von 1789 kluge Staatenlenker gebraucht hätten. Die schöne Wilhelmine war noch ein halbes Kind, als der Thronfolger sie kennenlernte. Er verschaffte der Tochter eines Trompeters eine gute Bildung und gab sie dem Geheimen Kämmerer Ritz pro forma zur Frau. Wer zum Herrscher wollte, musste an der königlichen Geliebten von berückender Schönheit und Klugheit vorbei.

Steiler Aufstieg und tiefer Fall

Das Palais Lichtenau steht noch heute am Rand des Heiligen Sees in Potsdam, vis à vis vom Marmorpalais, der Sommerresidenz des königlichen Geliebten. Dieser hatte mit der Gräfin Lichtenau mehrere Kinder, darunter auch einen Knaben namens Alexander, der den Titel eines Grafen von der Mark erhielt. Der Junge starb 1787 mit nur neun Jahren unter mysteriösen Umständen, man sprach von Giftmord. Für ihn schuf der berühmte Bildhauer Johann Gottfried Schadow ein ergreifendes Grabdenkmal, das in der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel bewundernde Blicke auf sich zieht, sobald es nach der aktuellen Corona-Krise wieder geöffnet ist.

Natürlich blieb das "Treiben" des Königs nicht unbeobachtet. Und so richteten sich vor und nach seinem Tod anno 1797 bissige Pamphlete gegen die schöne Wilhelmine. Doch solange der Monarch seine Hände schützend über sie hielt, konnte man ihr nichts anhaben. Ein Hochverratsprozess, den der neue König Friedrich Wilhelm III. gegen anstrengte, verlief im Sande. Man wollte nicht allzu viel schmutzige Wäsche waschen, und so kam die Gräfin Lichtenau für zwei Jahre ins Gefängnis, wurde danach aus der Haupt- und Residenzstadt Berlin verbannt. Zwar wurden ihre Güter und ihr Vermögen eingezogen, doch musste sie nicht am Hungertuch nagen. Friedrich Wilhelm III. ließ sich später erweichen und gestattete ihr 1809 die Rückkehr in die Hauptstadt, wo sie bis zu ihrem Tod am 9. Juni 1820, vor nunmehr 200 Jahren, unbehelligt als wohlhabende Frau starb. Eine Gedenktafel nahe einer Schiffsanlegestelle beim Schloss Charlottenburg hält die Erinnerung an sie wach.

Eine Geliebte genügte Friedrich Wilhelm II. nicht, und so sah er sich nach weiteren um. Unter ihnen war die ebenso schöne wie kluge Gräfin Sophie von Dönhoff. Ihr Pech war es, dass sie sich zu stark in die Politik einmischte, wodurch die Zuneigung des Königs erkaltete, wie man damals schrieb. Zum Glück entging sie dem Schicksal einer Mätresse von August dem Starken, seines Zeichens König von Polen und Kurfürst von Sachsen. Der hatte die Gräfin Cosel in der Burg Stolpen einsperren lassen, weil sie wohl Königin werden wollte. So wurde die Gräfin Dönhoff abgefunden und vom preußischen Hof entfernt. Sie starb 1838 als wohlhabende Gutsbesitzerin in Beerbaum, einem Ortsteil der Gemeinde Heckelberg-Brunow im Landkreis Märkisch-Oderland. Da ihre Kinder "irgendwie" mit dem Königshaus verwandt waren, hat man ihnen eine standesgemäße Erziehung angedeihen lassen und sie in Adelskreisen verheiratet. Ein aus der morganatischen Ehe mit der Gräfin Dönhoff, also "Ehe zur linken Hand", stammender Sohn hieß wie sein königlicher Vater Friedrich Wilhelm. Als Graf von Brandenburg eng mit den Hohenzollern verwandt, brachte es dieser Graf von Brandenburg zum General und 1850 zum preußischen Ministerpräsidenten. Seine Schwester, Gräfin, Julie von Brandenburg, wurde später Herzogin von Anhalt-Köthen.

10. April 2020

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