"Onkel Jo" kam immer zu spät
Auf der Potsdamer Konferenz ließen sich vor 75 Jahren die Gegensätze in der Anti-Hitler-Koalition nur mühsam überbrücken



Die Hohenzollernfamilie hat sich nie mit der Enteignung ihrer Liegenschaften und Kunstwerke abgefunden und fordert auch heute Wohnrecht im Schloss Cecilienhof, dem Sitz des letzten deutschen und preußischen Kronprinzenpaars im Potsdamer Neuen Garten.



Der in eine Steinkugel geritzte Sowjetstern im Garten des Schlosses Cecilienhof erinnert daran, dass hier im Sommer 1945 große Geschichte geschrieben wurde.



Josef Stalin in weißer Uniform kam zu den Sitzungen immer zu spät, so dass ihn die anderen Konferenzteilnehmer widerwillig stehend begrüßen mussten.



Erstmals wird die berühmte Gartenterrasse des Schlosses Cecilienhof in den Rundgang der neuen Ausstellung einbezogen, auf dem die Staats- und Regierungschefs den Fotografen posierten. Clement Attlee, Harry S. Truman und Josef Stalin demonstrierten am Ende der Potsdamer Konferenz zwar freundschaftliche Einigkeit, doch ließen sich bei den Gesprächen die Gegensätze nur mühsam kaschieren. Schon bald hatte sich der heiße in den Kalten Krieg verwandelt.



Wichtigstes Exponat der Ausstellung ist der große Saal, in dessen Mittelpunkt ein in der Moskauer Möbelfabrik Lux hergestellter riesiger Tisch steht.



Besucher lernen nicht nur die großen und kleinen Machtspiele während der Potsdamer Konferenz kennen, sondern auch das edle, an englischen Landschlössern orientierte Wohnumfeld des deutschen und preußischen Kronprinzenpaares Wilhelm und Cecilie.






Die Gedenktafel an einer Villa in der Babelsberger Karl-Marx-Straße 14 erinnert an Josef Stalin, der hier im Sommer 1945 einige Zeit mit seiner Delegation residiert hat.



Was sich in Potsdam ereignete, wurde breit kommuniziert, was aber die Großen Drei unter sich besprachen, hat man erst später erfahren, wenn überhaupt. (Fotos: Caspar/ Jewgeni Chaldej)

Im Sommer 1945, vor nunmehr 75 Jahren, tagten im Potsdamer Schloss Cecilienhof die Siegermächte USA, Großbritannien und Sowjetunion, um über die Nachkriegsordnung in Europa zu beraten. Während der Zweite Weltkrieg noch in Asien tobte, ließen sich in der malerisch an der Havel gelegenen Kronprinzenresidenz die Differenzen in der bisherigen Anti-Hitler-Koalition nur mühsam kaschieren. Dem Treffen des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, des britischen Premierministers Winston Churchill und des sowjetische Staats- und Parteichef J. W. Stalin als Gastgeber vom 17. Juli bis 2. August 1945 voran gegangen waren im Februar 1945 die noch von Harmonie geprägte Konferenz von Jalta auf der Halbinsel Krim und die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst. Als die Großen Drei über die Nachkriegsordnung in Europa sprachen und neue Grenzen festlegten, war die Zusammensetzung der Teilnehmer neu. Denn nach dem Tod des US-Präsidenten Roosevelt am 12. April 1945 saß Harry S. Truman als neuer Präsident in Cecilienhof am Tisch. Während der Tagung verlor Churchill die Unterhauswahlen und machte am 29. Juli 1945 seinem Nachfolger Clement Atlee Platz.

Eigentlich sollte die Tagung in Berlin stattfinden. Aber da in der zerstörten Reichshauptstadt die Sicherheit der Staats- und Regierungschefs nicht gewährleistet werden konnte und sich auch kein geeigneter Tagungsort fand, wich man in den Neuen Garten nach Potsdam aus. Der etwas abgelegene Ort war bestens geeignet, um Festlegungen über das weitere Schicksal des am Boden liegenden Nazideutschlands zu treffen. In aller Eile wurden Villen in der Umgebung beschlagnahmt und für die Bedürfnisse der Konferenzteilnehmer hergerichtet. Da die Glienicker Brücke über der Havel zwischen Berlin und Potsdam zerstört war, haben sowjetische Truppen eine provisorische Holzbrücke für die Militär- und Diplomatenkonvois errichtet. Höchste Sicherheitsstufe galt, weil Stalin panische Angst vor Mordanschlägen hatte. Nur wenige Berichterstatter und Fotografen mit Sonderausweisen durften sich ihm und seinen Gästen nähern.

Befehl für den Atombombenabwurf auf Hiroshima

Ohne Zweifel war Stalin die dominierende Person der Tagung. Mit seiner weißen Uniform ist er auf den Fotos, die tagtäglich um die Welt gingen, sofort zu erkennen. Der Fotograf Jewgeni Chaldej berichtete später, dass der Generalissimus immer ein paar Minuten zu spät zu den am Runden Tisch in der Haupthalle des Schlosses Cecilienhof kam, so dass ihn die anderen Konferenzteilnehmer widerwillig stehend empfangen mussten. Während Stalin auf den Bildern grinsend und jovial erscheint, schauen die andern Verhandlungspartner verdrießlich drein. Ihnen war bewusst, dass "Onkel Jo" am längeren Hebel sitzt. Um Stärke zu beweisen, vor allem aber um den Krieg gegen Japan schnellstmöglich zu beenden, gab Präsident Truman von Potsdam aus den Befehl, Hiroshima und Nagasaki durch den Abwurf von Atombomben zu zerstören. Stalin ließ sich nichts anmerken, denn schon bald verfügte auch er über eine solche Massenvernichtungswaffe. So war das Gleichgewicht des Schreckens hergestellt, und der Kalte Krieg mit den bekannten Folgen begann.

Das alles schildert in Bild, Schrift und Videos die bis zum 1. November 2020 laufende Sonderausstellung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg "Potsdamer Konferenz 1945 - Die Neuordnung der Welt". Sie würdigt die Zusammenkunft der Großen Drei ist eines der bedeutendsten historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts. "Wir zeigen die Tagung als Symbol für den Endpunkt des Zweiten Weltkrieges und den Beginn des Kalten Krieges und bieten eine Zeitreise quer durch den Sommer vor 75 Jahren", sagt Jürgen Luh, der in der Generaldirektion der Schlösserstiftung für den Bereich Wissenschaft und Forschung zuständig ist. Das wichtigste Exponat sei das weitgehend im damaligen Zustand erhalten gebliebene Schloss Cecilienhof, in dem "sachlich und ideologiefrei" die im Potsdamer Abkommen vom 2. August festgelegten geopolitischen Beschlüsse den Erinnerungen vieler Menschen gegenüber gestellt werden, die von Ausweisung, Enteignung und anderen Zwangsmaßnahmen betroffen waren.

Unbekannte bekommen eine Stimme

Die Beschlüsse von Potsdam hatten nicht nur massive Auswirkungen auf die besiegten Deutschen, sondern auch auf Chinesen, Japaner und Koreaner, die sich noch im Krieg befanden. Deshalb erinnert die Ausstellung auch an die, und sie nimmt die vielen Vertriebenen und die Überleben des Holocausts in den Blick, denn sie und viele andere Menschen hatten im Schloss Cecilienhof keine Fürsprecher. "Wir geben ihnen hier eine Stimme, und das ist das für viele Besucher sicherlich das Neue in dieser Dokumentation", fügt Luh hinzu. Da die US-Luftwaffe kurz nach der Potsdamer Konferenz zwei japanische Städte durch Atombombenabwürfe mit schrecklichen Todesopfern und Verletzten zerstört hatten, kommen in der Ausstellung auch Überlebende dieser Angriffe zu Wort. Neu ist ferner die Mitarbeit von Besucherinnen und Besuchern, die uns Gedanken an Flucht, Vertreibung und Umsiedlung mitteilen und uns Erinnerungsstücke leihen. Was sie zu sagen haben, wird in einer Medienstation zugänglich gemacht.

Offiziell hieß das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 "Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin". Es legte zwar fest, dass die Deutschen für die furchtbaren Verbrechen büßen sollen, aber die Alliierten fügten hinzu, dass sie das deutsche Volk nicht vernichten und versklaven wollen. Es soll die Möglichkeit erhalten, sich auf einen Neubeginn auf demokratischer und friedlicher Grundlage vorzubereiten. "Wenn die eigenen Anstrengungen des deutschen Volkes unablässig auf die Erreichung dieses Zieles gerichtet sein werden, wird es ihm möglich sein, zu gegebener Zeit seinen Platz unter den freien und friedlichen Völkern der Welt einzunehmen."

Keim für neue Konflikte

Die Siegermächte sprach der Sowjetunion das Gebiet um Königsberg, heute Kaliningrad, zu und bestimmten, dass die polnische Grenze weiter nach Westen an die Oder und Neiße vorgeschoben werden und Danzig unter polnische Verwaltung kommt. Außerdem sollte die Sowjetunion bedeutende Gebiete im ehemaligen Ostpolen bekommen. Die Ausweisung von Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn sollte zwar "in geregelter und humaner Form" geschehen, doch weiß man, dass viele der 12,4 Millionen Vertriebenen die chaotischen Zustände auf ihrer Flucht nicht überlebten. Zu den wichtigsten Punkten der Vereinbarung gehörten die Ausrottung des Nationalsozialismus und Militarismus sowie die Schaffung demokratischer und friedlicher Verhältnisse in Deutschland. Außerdem enthielt das Dokument Festlegungen über die Beziehungen der Völker untereinander und für eine künftige Friedensordnung in Europa. Die deutsche Bevölkerung sollte "entnazifiziert" und Kriegsverbrecher und hohe NS-Funktionäre vor Gericht gestellt werden. Während der Alliierte Kontrollrat mit Sitz in der Viermächtestadt Berlin die Regierungsgewalt übernahm, war deutsche Selbstverwaltung auf lokaler Ebene erlaubt. Ferner legte das Abkommen die Dezentralisierung der deutschen Wirtschaft sowie das Verbot von Kriegsproduktion fest. Reparationsansprüche der Sowjetunion sollten durch Entnahme von Industriegütern und Demontage von Fabriken in der sowjetischen Besatzungszone befriedigt werden. Viele Festlegungen im Potsdamer Abkommen enthielten den Keim neuer Konflikte, was ebenfalls im Schloss Cecilienhof thematisiert wird.

Das Potsdamer Abkommen legte die Dezentralisierung der Wirtschaft sowie das Verbot der Kriegsproduktion fest. Reparationsansprüche der Sowjetunion, aber auch der Westalliierten sollten durch Entnahme von Industriegütern und Demontage von Fabriken befriedigt werden. Da die Sowjetunion die größten Kriegsschäden erlitten hatte, sollte sie Reparationen auch aus den anderen Besatzungszonen erhalten, was aber wegen Streitigkeiten zwischen den Siegerstaaten nur unzureichend erfolgte. Mit dem Beginn des Kalten Krieges schränkten zuerst die westlichen Alliierten ihre Demontagen und verschoben ihre Forderungen bis zum Abschluss eines Friedensvertrages, um schon bald auf sie ganz zu verzichten.

Nazismus in Stumpf und Stiel ausrotten

Durch den Befehl Nr. 1 des Obersten Befehlshabers der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland vom 9. Juni 1945 wurde die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) ins Leben gerufen. Nichts geschah in der besetzten Zone, was nicht von ihr gewollt und genehmigt war. Sie übte bis zur Übertragung der Verwaltungshoheit an die Regierung der DDR am 10. Oktober 1949 die Regierungsgewalt in ihre Besatzungszone aus und war dem Rat der Volkskommissare in Moskau und damit Stalin direkt unterstellt. Wichtigste Aufgabe der Militärregierung war es, den Nazismus mit Stumpf und Stil auszurotten sowie den Deutschen beim Wiederaufbau der Verwaltung und Wirtschaft, des Schulwesens, der Wissenschaft und Kultur zu einem Neuanfang zu helfen, aber auch den Aufbau eines sozialistischen Staats auf deutschem Boden vorzubereiten. Im Kampf gegen faschistische Ideologie und bei der Verfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechern gingen die Sowjets und die ostdeutschen Behörden rigoroser vor als in den westlichen Besatzungszonen, wo man schneller einen "Persilschein" bekam. Mit dem Befehl Nr. 2 gestattete die SMAD die Bildung und die Tätigkeit antifaschistisch-demokratischer Parteien sowie freier Gewerkschaften. Weitere SMAD-Befehle befassten sich mit der Rehabilitierung und Wiedereingliederung der Verfolgten des Naziregimes in das gesellschaftliche Leben.

Der Kalte Krieg, der den Verhandlungen in Potsdam auf dem Fuß folgte, war ein auf beiden Seiten der Demarkationslinie schon bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs benutzter Begriff für einen Zustand permanenter politischer und militärischer Bedrohung und ständigen Säbelrasselns. Bis an die Zähne bewaffnet und zu allem entschlossen, standen sich das von Moskau dominierte sozialistische Lager in Gestalt der Warschauer Vertragsstaaten und die von den USA geführten NATO-Staaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland gegenüber. Ziel der USA war es, den Kommunismus zurückzurollen, während die gegnerische Seite die Weltrevolution anstrebte und jedwede Demokratisierung gesellschaftlichen Verhältnisse und die Abschaffung der Ein-Parteien-Herrschaft ablehnte. Um ihren Absichten Nachdruck zu verleihen, haben beide Systeme die Atomrüstung forciert, regelmäßige Versuche mit atomaren Waffen durchgeführt und Stellvertreter-Kriege angezettelt. Mehrfach stand die Welt vor einem atomaren Inferno, sie war bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems 1989/90 nicht weit von der Umwandlung des kalten in einen heißen Krieg entfernt. In der DDR, in der sonst mit Baumaterial und Geld gegeizt wurde, wurden kostspielige, atombombensichere Schutzbauten für die führenden Genossen errichtet. Ähnliche Bunker gab es auch in der Bundesrepublik. Der so genannte Regierungsbunker in Ahrweiler blieb mit seinem nutzlos gewordenen Inventar als Denkmal des Kalten Krieges erhalten und ist inzwischen eine Touristenattraktion.

Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953, der Ungarn-Aufstand 1956, der Bau der Berliner Mauer 1961, das gewaltsame Ende des Prager Frühlings 1968, die Krise in Polen zu Beginn der 1980-er Jahre und andere Ereignisse waren hochgefährlich für die Machtbalance, doch schreckte der Westen wegen unkalkulierbarer Risiken vor militärischen Interventionen zurück, sondern beließ es bei politischen Maßnahmen und verbalen Protesten. Im Rahmen des Kalten Krieges haben beide Militärlager stark aufgerüstet und Drohkulissen aufgestellt. Die immensen Rüstungskosten, die die DDR im Rahmen ihrer Bündnisverpflichtungen aufwenden mussten, der teure Ausbau des Grenzsystems und des Sicherheitsapparats entzogen der Volkswirtschaft und dem Lebensstandard der Bevölkerung bedeutende Mittel. Mit klassenkämpferischen Sprüchen und Vertröstungen auf bessere Zeiten hat die SED versucht, die offensichtlichen Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu kaschieren.

8. Juli 2020

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