Naziverbrechen umfassend dokumentiert
Der Gedenk- und Lernort "Topographie des Terrors" in Berlin blickt auf eine zehnjährige Erfolgsgeschichte zurück





Bescheiden waren die Anfänge der Topographie des Terrors neben dem Martin-Gropius-Bau, wie das Foto von 1989 zeigt. Als erstes wurde in einer kleinen Baracke und mit Hinweisschildern an die Verbrechen der Nationalsozialismus an diesem Ort erinnert.



Am 1. September 1989, dem 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs, wurde eine Schriftplatte in den Boden des ehemaligen Gestapogeländes als Aufforderung eingelassen, den damaligen Ort der Täter zu einem Mahnort für heute und morgen zu verwandeln.





Die Topographie des Terrors an der Niederkirchnerstraße ist außen und innen ein gut besuchter Gedenk- und Lernort. Wenn man den Außenbereich betritt, kommt man an einem einer von "Mauerspechten" lädierten Betonwand vorbei, die an dieser Stelle von 1961 bis 1989 den Ostberliner Bezirk Mitte von dem Westberliner Bezirk Kreuzberg getrennt hat.



Entlang alter Kellermauern kann man sich in der Topographie des Terrors vor oder nach einem Gang durch das Ausstellungshaus mit Bibliothek, Veranstaltungsräumen und einer Cafeteria über die Geschichte des Nationalsozialismus und seine Verbrechen informieren.



Die Topographie des Terrors berichtet nicht nur über die zwischen 1933 und 1945 an dieser Stelle organisierten Verbrechen im Deutschen Reich und den von der Wehrmacht okkupierten Ländern, sondern auch den mutigen Widerstand quer durch Europa und wie die Opposition niedergemacht und liquidiert wurde. Hier wird ein Mann von der SS an den Pranger gestellt, der es gewagt hatte, bei einer Naziwahl mit NEIN zu stimmen.



Blick in eine Sonderausstellung über die Anfangsjahre der Nazidiktatur, ihr schließt sich die umgangreiche Dauerausstellung, durch die auch in- und ausländiscdhe Gruppen sachkundig geführt werden.



In der Dauer- und verschiedenen Sonderausstellungen spielt die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und den besetzten Ländern eine große Rolle, hier dargestellt am Beispiel der "Aktion Reinhardt" von 1942/43, bei der 1,6 bis 1,8 Millionen Juden gefangen genommen und ermordet wurden. (Fotos/Repros: Caspar)

Wie kaum ein anderer Ort ist das ehemalige Gestapogelände an Wilhelmstraße und Niederkirchnerstraße, der früheren Prinz-Albrecht-Straße, im Berliner Bezirk Kreuzberg historisch belastet. Die Kriegsruinen des Hotels Prinz Albrecht und weitere Bauten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg radikal beseitigt, die Erinnerung an die Verbrechen der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und SS, die hier geplant und durchgeführt wurden, war im damaligen West-Berlin unerwünscht, denn man blickte nach vorn und wollte so wenig wie möglich mit der blutbefleckten Vergangenheit zu tun haben. Erst im Vorfeld der 750-Jahrfeier Berlins 1987 entsannen sich Historiker und engagierte Bürger der Tatsache, dass es auf dem von Gras und Büschen überwucherten Gelände nicht weit von Hitlers Reichskanzlei sowie Ministerien in der Wilhelmstraße schreckliche Geschichte geschrieben wurde.

Pläne zur Schaffung eines Gedenkortes wurden jahrelang verschleppt. Als das nach einem Entwurf von Ursula Wilms und des Architekturbüros Heinle, Wischer und Partner gebaute Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" am 6. Mai 2010, vor nunmehr zehn Jahren, vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler offiziell eröffnet wurde, gab es ein großes Aufatmen, denn sein Bau des Gedenk- und Lernorts war mit vielen Querelen und Rückschlägen sowie immensen Kosten verbunden. Der vom Landschaftsarchitekten Heinz W. Hallmann gestaltete Außenbereich macht Reste des Gestapogefängnisses und weitere Zeugnisse des Naziterrors sichtbar.

Abriss und Neubau

Dabei hätte die Topographie des Terrors schon längst stehen sollen. Doch da es bei der Realisierung des Gebäudeentwurfs des Schweizer Architekten Peter Zumthor zu viele Pannen gab und die Kosten unverhältnismäßig in die Höhe zu schießen drohten, wurde im Jahr 2000 ein Baustopp verfügt. Vier Jahre später kam eine Machbarkeitsstudie zu dem Ergebnis, dass der preisgekrönte Plan für Peter Zumthors kompliziert konstruierte Ausstellungshalle für die zur Verfügung stehende Summe von 38,8 Millionen Euro nicht zu realisieren ist. Daher hatten Bundesregierung und Land Berlin einen Neuanfang vereinbart und die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Architekten beendet. Durch diese Entscheidung wurde nicht nur der aus einem künstlerischen Wettbewerb als Sieger hervor gegangene Zumthor brüskiert, der Nachbesserungen an seinem Projekt vornehmen wollte. 15 Millionen Euro waren durch den Abriss auf blamable Weise für die Planung und erste Baumaßnahmen in den Sand gesetzt worden. Nachdem 2005 ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben war, den die Architektin Ursula Wilms aus dem Berliner Büro Heinle, Wischer und Partner und der Landschaftsarchitekt Heinz W. Hallmann, gewannen , konnte man zügig an die Ausführung gehen, die nach der Fertigstellung als würdig und angemessen begrüßt wurde.

Indem Berlin aus dem Projekt, einem Bindeglied zwischen dem Jüdischen Museum an der Lindenstraße ebenfalls im Bezirk Kreuzberg und dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas, ausstieg, übernahm der Bund die alleinige Bauträgerschaft. Neu ausgeschrieben wurde die Ausstellungshalle, in der mit einer Dauerausstellung und zahlreichen Sonderausstellungen die Schreckensgeschichte des NS-Staates dokumentiert wird. Zuzüglich informieren zahlreiche Bild- und Texttafeln vor ausgegrabenen Kellerwänden über die Geschichte des Hitlerstaates von 1933 bis 1945 und die Auseinandersetzung mit ihm nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele Besucherinnen und Besucher aus aller Welt betrachten erst diese Schauwände, bevor sie sich im Ausstellungshaus weiter informieren. Wer mehr über die Geschichte des Nationalsozialismus, des Holocausts, Rassismus und verwandte Themen sowie über den Zweiten Weltkrieg und die Prozesse gegen Kriegs- und Naziverbrecher und die Aufarbeitung der Vergangenheit lesen will, ist in der Fachbibliothek vor Ort richtig. Im Vortragssaal finden überdies regelmäßig Veranstaltungen über die genannten und weitere Themen statt.

Wenige Keller blieben übrig

Nach 1945 gab es im damaligen West-Berlin wenig Interesse, den durch Beschuss und Bombentreffer beschädigten Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), das Hauptquartier des Reichsführers SS Heinrich Himmler sowie weitere Dienstgebäude des SS und der SA im "Regierungsviertel des KZ-Staates" zu erhalten. Abräumen und Erde drüber war die Parole. Das Gebiet in unmittelbarer Nähe zur Mauer geriet in Vergessenheit. So fällt es heute schwer sich vorzustellen, welche Gebäuden auf dem Gelände der Topographie des Terrors an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, der heutigen Niederkirchnerstraße, gestanden haben und was dort geschehen ist. Von den repräsentativen Häusern aus dem 19. Jahrhundert ist bis auf wenige von Archäologen ausgegrabenen und denkmalpflegerisch gesicherten Kellern nichts übrig geblieben.

Die dem seit dem Krieg nicht mehr vorhandenen Völkerkundemuseum und dem Martin-Gropius-Bau, dem früheren Kunstgewerbemuseum, benachbarte Kunstgewerbeschule mit der Adresse Prinz-Albrecht-Straße 8 war in der Nazizeit Sitz der Gestapo und zugleich eine der berüchtigtsten Folterhöllen des KZ-Staates. Die freigelegten Grundmauern und die Kellerwände machen Besucher darauf aufmerksam, dass sie vor einen Ort der Opfer und der Täter stehen. Das Hotel Prinz Albrecht nebenan in der Prinz-Albrecht-Straße 9 sowie das Prinz-Albrecht-Palais Wilhelmstraße 102, das von Schinkel klassizistisch ausgestaltet wurde, waren Sitz des Sicherheitsdienstes der SS sowie des von Heydrich beziehungsweise Kaltenbrunner geleiteten Reichssicherheitshauptamtes. In allen diesen Gebäuden wurden Maßnahmen zur Überwachung, Inhaftierung und Ermordung von regimefeindlichen Personen und Gruppen geplant und durchgeführt.

Holocaust und Versklavung eroberter Länder

In den Räumen der obersten Sicherheitsbehörden des NS-Staates wurden generalstabsmäßig die Verfolgung und Vernichtung der Juden und aller anderen Menschen vorbereitet, die von den Nationalsozialisten aus rassischen und anderen Gründen zu Feinden erklärt wurden. Überdies gingen vom Prinz-Albrecht-Gelände die Planungen für die Eroberung neuen Lebensraums, wie man im NS-Jargon sagte, und die Versklavung ganzer Völkerschaften aus. Das ehemalige Gestapogelände war ursprünglich ein Ort des Geistes und der Kunst. Die dem - nicht mehr vorhandenen - Völkerkundemuseum und dem Martin-Gropius-Bau (Kunstgewerbemuseum) aus dem 19. Jahrhundert benachbarte Kunstgewerbeschule mit der Adresse Prinz-Albrecht-Straße 8 war in der Nazizeit Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und zugleich eine der schlimmsten Folterhöllen des NS-Staates. Im früheren SS- und Gestapogelände wurden unter Leitung des Reichsführers SS und obersten Polizeichefs, Heinrich Himmler generalstabsmäßig der Holocaust, die Ermordung der europäischen Juden, und aller anderen Menschen vorbereitet, die von den Nationalsozialisten aus rassistischen und so genannten völkischen Gründen zu Volksfeinden erklärt wurden. Überdies planten die "Herrenmenschen" in den schwarzen SS-Uniformen die Eroberung neuen Lebensraums, wie man im NS-Jargon sagte, und die Versklavung ganzer Völkerschaften sowie die Ausrottung von Millionen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern.

Das Hotel Prinz Albrecht in der Prinz-Albrecht-Straße 9 sowie das von Schinkel im frühen 19. Jahrhundert klassizistisch ausgestaltete Prinz-Albrecht-Palais Wilhelmstraße 102 waren Sitz des Sicherheitsdienstes der SS sowie des von Heydrich beziehungsweise Kaltenbrunner geleiteten Reichssicherheitshauptamtes. Hier wurden die Überwachung, Inhaftierung und Ermordung von regimefeindlichen Personen und Gruppen organisiert. Darüber hinaus gab es in den Räumen der obersten Sicherheitsbehörden des Deutschen Reichs Verhöre unter schrecklichen Torturen, die viele Inhaftierte nicht überlebten. Unter unmenschlichen Bedingungen waren hier 15 000 Regimegegner inhaftiert, um ihnen mit Drohungen und Folter Informationen über den Widerstand abzupressen oder sie auf Verfahren vor dem nationalsozialistischen Volksgerichtshof vorzubereiten. Viele Menschen überlebten die Torturen nicht. Reste der Folterkeller sind erhalten.

Bibliothek im Untergeschoss

Wer sich über die Zeit des Nationalsozialismus, seine Verbrechen und die Täter, aber auch über die Verfolgung von Juden, Sinti und Roma sowie weitere nicht ins politische und rassistische Weltbild der braunen Machthaber passende Personen informieren möchte und auch Klarheit über viele andere Fragen wie die so genannte Entnazifizierung und Wiedergutmachung nach dem Ende des NS-Reiches haben möchte, kann dies in der ständigen Ausstellung sowie in immer neu gestalteten Sonderausstellungen tun. Die reich mit Literatur aus der Zeit vor und nach 1945 ausgestattete Bibliothek im Untergeschoss des Ausstellungsgebäudes kann Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr ohne besondere Formalitäten benutzt werden. Der ständig erweiterte Bestand umfasst rund 30 000 Bände, nationale und internationale Fachzeitschriften sowie Publikationen von Gedenkstätten, Verfolgtenverbänden und Einrichtungen der historisch-politischen Bildung. Eingeschlossen in dieser Zahl sind elektronische Datenträger sowie auf CD-Rom gespeicherte Filme. Die Onlinekataloge www.topographie.de/opac und www.aggb-katalog stehen jedermann auch zuhause ohne Zeitbegrenzung zur Verfügung. Wenn man dort Namen, Stichwörter, Jahreszahlen und andere Daten eingibt, bekommt man schnell Auskunft über die vorhandene Fachliteratur und kann sie sich vorlegen lassen. Interessenten mit Wohnsitz in Berlin können übers Wochenende bis zu fünf Bücher mitnehmen.

11. Juni 2020

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