Kommt die D-Mark, bleiben wir...
Mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion hatte am 1. Juli 1990 das DDR-Geld ausgedient



Gegenüber den zum Teil chaotischen Bedingungen bei der Auszahlung des Begrüßungsgeldes zu 100 DM in den letzten Wochen des Jahres 1989 verlief die Geldumstellung am 1. Juli 1990 und danach in geregelten Bahnen. Nach dem 1. Juli 1990 bildeten sich lange Warteschlangen an der Sparkasse auf dem Berliner Alexanderplatz.







Die Illusion mancher Leute, die DDR-Mark in Deutsche Mark umgetauscht hatten, sie seien nun im Westen angekommen und alles sei gut, zerplatzte wie eine Seifenblase. Denn Abwicklung von DDR-Betrieben samt Arbeitsplatzverlust sowie erhebliche politische und wirtschaftliche Verwerfungen folgten dem Freudentaumel auf den Fuß.



Der Slogan "Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht gehen wir zu ihr" setzte die Akteure von damals mächtig unter Druck, denn viele Bewohner der Noch-DDR folgten dem Lockruf des Westens, manche kehrten irgendwann desillusioniert in die alte Heimat zurück.





Ab dem 1. Juli 1990 waren die Münzen und Geldscheine der DDR Geschichte und nur noch für Sammler von Interesse. Die Dresdner Karikaturistin Barbara Henniger kommentierte das Ende der DDR-Währung und die Einführung der "Schönen Deutschen Mark" auf ihre Weise.



Die Medaille von Reinhart Heinsdorff schildert, wie die Deutsche Mark beide Landesteile zusammenhält. (Fotos/Repros: Caspar)

Viele Menschen in beiden deutschen Staaten mögen sich vor 30 Jahren den Vereinigungsprozess nach dem Fall der Mauer leichter vorgestellt haben, zumal Politiker wie der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) den Ostdeutschen in gutem Glauben und wohl auch die Probleme unterschätzend blühende Landschaften und schnelle Angleichung der Lebensverhältnisse versprachen. Mit dem Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 war die Deutsche Mark das alleinige Zahlungsmittel in der DDR, die nach weiteren drei Monaten ihr Leben aushauchte. Vorangegangen waren heftige Auseinandersetzungen über das Für und Wider einer schnellen Währungsumstellung. Damals machte der Spruch "Kommt die D-Mark, bleiben wir / Kommt sie nicht, dann gehen wir" seine Runde und setzte die letzte DDR-Regierung unter dem Ministerpräsidenten Lothar de Maizière und seine Gesprächspartner in der Bundesregierung unter Druck. Der Slogan war nicht nur allgemeines Gerede, sondern bittere Realität, denn tausende DDR-Bewohner machten sich nach dem Mauerfall in der Hoffnung auf ein besseres Leben und vor allem weil sie wenig Vertrauen in die Reformkräfte in der DDR hatten auf den Weg nach Westen.

Vor der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 und dem Umtauschtermin für die DDR-Mark hatten sich an den ostdeutschen Banken und Sparkassen lange Schlangen von Menschen gebildet, die ihre Anträge für die Umstellung abgeben und ein eigenes Konto eröffnen wollten. Man deckte sich noch einmal für das alte DDR-Geld mit Brot, Zucker, Butter, Kartoffeln und anderen Lebensmitteln ein. In Erinnerung sind auch die langen Schlangen an den Tankstellen, wo alle verfügbaren Behälter mit Treibstoff gefüllt wurden. Irgendwie versuchte jeder, sein Ostgeld schnell noch anzulegen. Die Kaufhallen und Läden waren in Erwartung neuer, westlicher Waren wie leer gefegt. Geldhändler tauschten, ohne von der Polizei behelligt zu werden, stapelweise Ost gegen West. Nach dem Stichtag drängelten sich die Leute stundenlang vor den Umtauschstellen, deren Mitarbeiter angesichts mangelhafter EDV-Technik viel Schreibarbeit hatten. Angesichts der neuen harten Währung verfielen viele DDR-Bewohner in einen Glückstaumel, der allerdings nicht lange anhielt, denn die Probleme folgten dem Umtausch auf den Fuß.

Lange Schlangen an Banken und Sparkassen

Wenige Tage nach dem Fall der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze am 9. November bildeten DDR-Bewohner an Ausgabestellen in Westberlin und der Bundesrepublik Deutschland lange Schlangen an Ausgabestellen, um das so genannte Begrüßungsgeld in Empfang zu nehmen, das 1970 als Gastgeschenk für Reisende aus dem Osten in die Bundesrepublik eingeführt worden war. Die Vorstellung war für manche Leute verlockend, sich an verschiedenen Kassen anzustellen, um 100 DM pro Person in Empfang zu nehmen. Das gelang, obwohl der Empfang durch einen Stempel im Personalausweis quittiert wurde. Wer Glück hatte, raffte für sich und seine Familie mehr als die begrenzten Summen zusammen. Sehr schnell wurde die Zahlung des Begrüßungsgeldes zu einem wirtschaftspolitischen Problem für die Bundesrepublik, das Bundeskanzler Helmut Kohl gegenüber dem US-Präsidenten Bush am 3. Dezember 1989 so beschrieb: "Eine vordringliche Frage ist die Ersetzung des Begrüßungsgeldes. Die Zahlungen an die DDR-Bewohner, die in die Bundesrepublik zu Besuch kommen, belaufen sich jetzt bereits auf ca. 1,8 Milliarden DM. So kann es nicht weitergehen. Das Begrüßungsgeld ist zu einem Zeitpunkt eingeführt worden, als nur Rentner in die Bundesrepublik reisen durften. Wenn jetzt z.B. ein Ehepaar mit drei Kindern in den Westen reist, erhält es 500 DM Begrüßungsgeld. Wenn es für 200 DM Ware bei uns kauft und 300 DM zum Kurs von 1:20 wieder in Mark der DDR umtauscht, bringt es von dieser Reise noch praktisch 6 Durchschnittsgehälter mit zurück." Am Jahresende 1989 wurde die Zahlung des Begrüßungsgeld genannten Gastgeschenks beendet. Natürlich waren die DM-Beträge längst ausgegeben, als dann am 1. Juli 1990 mit der Währungsumstellung Millionen Ostmark in Westmark umgetauscht wurden.

Geldscheine und Aluchips nur noch für Sammler interessant

Die DDR-Mark, wegen der leichten Geldstücke auch Alu-Chip genannt, wurde im Verhältnis 2:1 umgetauscht. Ab sofort waren die Geldscheine und Münzen für Sammler interessant. Mit ihrem Verlangen nach einem Umtausch 1:1 hatten sich die DDR-Parteien nicht durchsetzen können. Die heftigen Proteste des zweiten deutschen Staats, dessen Regierung den in Bonn festgelegten Umtauschsatz zwei DDR-Mark gegen eine DM als diskriminierend anprangerte, machten bei der Bundesregierung und Finanzminister Theo Waigel keinen Eindruck. Löhne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten sowie Sparguthaben bis zu 2000 DDR-Mark wurden 1:1 umgestellt, darüber hinausgehende Konten wurden mit 2:1 bewertet. Personen ab dem 60. Lebensjahr hatten Sonderkonditionen, denn sie konnten bis zu 6000 DDR-Mark 1:1 tauschen.

In den folgenden Jahren hatten Verfolgungsbehörden alle Hände zu tun, um illegal umgetauschte Summen und verschwundene Vermögenswerte aufzuspüren, denn selbstverständlich haben Geschäftemacher und Dunkelmänner hüben und drüben ihren "Schnitt" bei der gigantischen Umtauschaktion gemacht. Viele Fälle von "Vereinigungskriminalität" konnten niemals aufgeklärt werden. Manche Leute haben sich für ihr ganzes Leben saniert und brauchten sich keine Sorgen mehr machen.

Während die Bewohner der Noch-DDR damit beschäftigt waren, zu retten was zu retten ist und sich in den neuen, ungewohnten Verhältnissen zurecht zu finden, standen zahlreiche Betriebe, deren Absatzmärkte in Osteuropa weggebrochen waren, in der Marktwirtschaft vor dem Aus. Die Konkurrenz aus dem Westen machte sich mit ihrem Know-how unerbittlich breit. Das Wort vom Plattmachen ging um. Niemand hat nachgerechnet, welche Werte in Erwartung des von der Bundesregierung versprochenen Aufschwungs einfach auf den Schrott geworfen wurden.

Welcher Tag des Beitritts soll es sein?

Unmerklich bahnte sich in den turbulenten Tagen damals in der DDR eine politische Krise an. Dass die Wiedervereinigung kommt, stand fest, nur über den Zeitpunkt und das Wie gab es Meinungsverschiedenheiten. Ursprünglich hatte die Volkskammer den Vereinigungstag auf die Zeit nach den Bundestagswahlen am 2. Dezember 1990 festgelegt. Es gab allerdings auch Kräfte, die auf einen ganz schnellen Beitritt zum Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland, so die Umschreibung dieses Vorgangs, drängten. Die Folge war der Zerfall der Regierungskoalition in der Noch-DDR. Am 24. Juli verließ der Bund Freier Demokraten die Regierung, der sich mit dem Wunsch, dass der Beitritt am 1. Dezember erfolgen soll, nicht hatte durchsetzen können. In der Volkskammer standen neben dem sofortigen Beitritt auch der 15. September und der 9. November als Gedenktag für den Nazipogrom von 1938 und für den Fall der Mauer ein Jahr zuvor zur Debatte. Beschlossen wurde schließlich der 3. Oktober, der seither als Tag der deutschen Einheit gesetzlicher Feiertag ist. Der Beitritt erfolgte also noch vor dem 7. Oktober, der ein Jahr zuvor noch prunkvoll als 40. Jahrestag der DDR gefeiert worden war.

Weniger kontrovers wurde die Frage über die Wiederherstellung der Länder diskutiert, die 1952 in der damals noch jungen DDR abgeschafft und in 14 Bezirke mit 217 Kreisen aufgeteilt worden waren, um im Sinne des so genannten demokratischen Zentralismus besser zu kontrollieren, ob und wie die Beschlüsse von Partei und Regierung verwirklicht werden. Am 22. Juli machte die Volkskammer mit dem Gesetz über die Bildung der Länder historisches Unrecht wieder gut. Neben Mecklenburg-Vorpommern zählten Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen zu den "fünf neuen Ländern", so der allgemeine Sprachgebrauch anstelle der inzwischen in Misskredit geratenen Staatsbezeichnung DDR. Korrekterweise müssten beide Stadthälften Berlins dazu gezählt werden, die nach der Vereinigung am 3. Oktober 1990 unter eine Verwaltung gestellt wurden.

17. Januar 2020

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