Centmünzen abschaffen?
Begeisterung für die kleinsten Werte hält sich in Europa in Grenzen, in Deutschland bezahlt man gern mit ihnen



Blick in eine Kiste in der Staatlichen Münze Berlin, in die leise scheppernd unaufhörlich frisch geprägtes Kleingeld purzelt.



Ob dieser Geldhaufen in Deutschland eines Tages um Ein- und Zweicentmünzen erleichtert wird, müsste noch vom Bundestag beschlossen werden, und danach sieht es im Moment nicht aus. (Fotos: Caspar)

Wenn es nach der EU-Kommission geht, werden Ein- und Zweicentmünzen langsam aus unserem Geldverkehr verschwinden. Das spare Zeit und Kosten für die Ein- und Zwei-Centmünzen sowie Mühen beim Zählen sowie beim Transport. Jährliche Umfragen der Kommission hätten gezeigt, "dass es heute in keinem Land mehr eine Mehrheit für die Beibehaltung dieser beiden Stückelungen gibt", heißt es in Brüssel. Bei Barzahlungen soll auf die nächsten fünf Cent auf- beziehungsweise abgerundet werden.

Als Grund für die Maßnahme werden die vergleichsweise hohen Produktionskosten für die kleinsten Nominale im Vergleich zu ihrem geringen Wert angegeben. Bei den Eincentstücken liegen sie über den Ausgaben für das Metalls und die Prägung, wodurch den Mitgliedstaaten Verluste entstehen. Geplant ist, Kaufsummen abzurunden, die auf ein, zwei, sechs oder sieben Cent enden, und solche, die auf drei, vier, acht oder neun Cent enden, aufzurunden. Gewinn und Verlust würden sich bei diesem System ausgleichen, heißt es bei Befürwortern dieses Plans. Indem Ein- und Zweicentmünzen nach und nach aus dem Geldverkehr verschwinden, könnten sie irgendwann als gesetzliche Zahlungsmittel aufgehoben werden.

Gläserner Bürger wird nicht gebraucht

In einigen Ländern des Euro-Verbundes sind die kleinsten Werte bereits aus dem Alltag verschwunden. Dort wird fast durchweg mit der Plastikkarte bezahlt, was allerdings den Nachteil hat, dass interessierte "Behörden" sehr gut nachvollziehen können, was jemand zu welcher Zeit gekauft und bezahlt hat. Das hilft zwar beim Erstellen von Persönlichkeitsprofilen, ist aber nicht jedermanns Sache. Denn wer möchte schon ein "gläserner Bürger" sein, über den der Staat alles weiß und wissen will. Deshalb gibt es Vorbehalte gegen das Plastikgeld. Da es immer wieder Störungen bei seiner Verwendung etwa durch Stromausfall oder Hackeangriffe gibt, überlegen es sich viele Kunden dreimal, ob sie nicht "altdeutsch" mit Geldscheinen und Münzen bezahlen.

In Deutschland stößt die in Brüssel herausposaunte Idee auf wenig Gegenliebe. Im Land der "Pfennigfuchser" werden Preise gern mit 99 Cent, 1,99 Euro und ähnlich krumm angegeben. Dass man hier aufrundet oder dort abrundet, nur weil Ein- und Zweicentmünzen Auslaufmodelle sind, mag man sich nicht vorstellen. Denn es wird befürchtet, dass Preise an der Ladenkasse und an anderen Orten aufgerundet werden, was einer schleichenden Preiserhöhung gleich kommen und vor allem Leute mit schmalem Geldbeutel treffen würde.

Viele Menschen müssen auf jeden Cent achten

Die Bundesregierung ist von der Idee aus Brüssel wenig begeistert. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hält es nicht für richtig, "dass wir jetzt unsere kleinen Centmünzen abschaffen. Ich glaube, dass es immer möglich sein muss, dass man sein Geld vernünftig ausgeben kann, und dass, wenn es kleine Preise gibt, man auch mit kleinen Geldmünzen bezahlen können sollte."Auch die Bundesbank zeigt sich reserviert. Deren Vorstandsmitglied Johannes Beermann spricht sich für den Erhalt der kleinen Centmünzen aus: "Es gibt genug Menschen, die auf jeden Cent achten müssen. Es ist eine Frage der Wertschätzung. Die Deutschen lieben Bargeld. Solange der Einzelhandel Preise macht, die zum Beispiel auf 99 oder 98 Cent enden, sollte man die kleinsten Werte behalten."

Nachdem die EU-Kommission eine Art Versuchsballon gestartet hat, rudert sie wieder zurück und erklärt, sie wolle vor der Abschaffung der Minimünzen mögliche Folgen prüfen. Wichtig seien europaweit einheitliche Regeln für das Runden bei krummen Preisen im Einzelhandel. Während die Deutschen "ihre" Ein- und Zweicentmünzen lieben, hätten sich die Niederlande des Kupfergeldes nie bedient. Anstatt die kleinen Werte in Umlauf zu bringen, würden dort Preise auf- oder abgerundet, und keiner nehme daran Anstoß. Ähnlich ist die Lage in Finnland. Andere Euro-Länder bestehen auf einee "centgenauen" Abrechnung. So kann man sagen, dass es zumindest in Deutschland noch lange die kleinen Kupferlinge geben wird und Euro-Europa unter Umständen ein geteilter Kontinent sein wird.

Geteiltes Echo in Deutschland

Das Echo in den deutschen Medien auf den Plan der EU-Kommission ist geteilt. So schreibt die "Südwest Presse" in Ulm: "Sollte es wirklich endlich gelingen, die Ein-Cent- und Zwei-Centmünzen abzuschaffen, wäre das ein großer Schritt für alle Einwohner der Eurozone. Denn die kleinen Kupferlinge braucht kein Mensch. Sie liegen schwer im Portemonnaie, sind unnütz, verbrauchen bei der Herstellung viele Rohstoffe und kosten den Verbraucher Geld. Nein, außer Nostalgie spricht wirklich nichts für die Kleinmünzen." Unter der Überschrift "Bitte dringend abschaffen!" stößt die Magdeburger "Volksstimme" ins gleiche Horn, wenn sie schreibt, die Lage stark übertreibend: "Im Euroraum werden jährlich mehrere Milliarden der Kleinmünzen neu geprägt. Allein der Vorgang kostet Unsummen, dazu kommt der nicht unbeträchtliche Metallwert. Und: Rote Münzen verstopfen unser Portemonnaie und führen an der Supermarktkasse regelmäßig zum Mega-Stau. Bereits jetzt kann man in der Mehrzahl der Geschäfte problemlos auch Mini-Beträge mit der Karte bezahlen. Geht zudem viel schneller. Für den Übergang oder kleine Läden ohne elektronisches Terminal hat sich eine Rundungsregel, wie sie beispielsweise in Belgien erfolgreich angewendet wird, bewährt." Nach Ansicht der "Badischen Nachrichten" in Karlsruhe zeigen die Vorschläge ein strukturelles Problem europäischer Politik: "Die Kommission ist zwar de facto so etwas wie eine europäische Regierung, am Ende entscheiden aber doch die nationalen Staatschefs. Zudem ist das Bemühen Brüssels zwar verständlich, sich mit Alltagsthemen den Menschen näherzubringen. Schließlich wird gerade die Kommission nicht als Hort der Bürgernähe wahrgenommen. Aber Politik ist nun mal kein Beliebtheits-Wettbewerb. Die Sache mit den Münzen sollen die EU-Staaten für sich entscheiden." Mit anderen Worten lässt sich sagen, dass es zumindest in Deutschland noch lange die kleinen Kupferlinge geben wird, während sie in anderen EU-Staaten schon lange verschwunden sind.

29. Januar 2020

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"