Mauerfall und Wiedervereinigung
Wie zwei epochale Ereignisse vor 30 Jahren auf Gedenk- und Kursmünzen verarbeitet wurden



Das in Mauerzeiten gesperrte Brandenburger Tor ist das Schicksalstor der Deutschen. Der Säulenbau wurde am 22. Dezember 1989 offiziell wieder für den Durchgangsverkehr freigegeben. Die Münze daneben feiert den zehnten Jahrestag der Wiedervereinigung mit einem Bild vom Reichstagsgebäude, das eine neue Kuppel erhalten hat, flankiert von einem Baukran und einem Rest der Berliner Mauer.



Die Silbermünzen von 2010 und 2015 zeigen, was 1989/90 bei der friedlichen Revolution in der DDR gefordert und erreicht wurde.





Die Zweieurostücke von 2015 und 2019 sind der Wiedervereinigung 1990 und dem Mauerfall 1989 gewidmet. Bei der Ausgabe von 2019 hat man Mühe, um das Gewirr vor dem Brandenburger Tor in Berlin zu entschlüsseln.



Seinerzeit vor der Zerstörung gerettete Tafeln und Plakate der gegen das SED-Regime demonstrierenden Menschen sind im Deutschen Historischen Museum Unter den Linden in Berlin ausgestellt. (Fotos: Caspar)

Als der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl am 10. Februar 1990 den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow besuchte, erfuhr er von diesem, es bestünden keine Einwände gegen die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Die anderen Großmächte wollten ebenfalls dem niemals für möglich gehaltenen Zusammengehen zuzustimmen. Warnungen im In- und Ausland vor einem neuen "Großdeutschland" wurden mit Bonner Hinweisen auf die Friedfertigkeit der Bundesrepublik und ihre Einbindung in das westliche Vertragssystem zurückgewiesen. Der Zug in Richtung Wiedervereinigung war nicht mehr aufzuhalten. Diejenigen, die nach ihr riefen und am liebsten sofort der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23 des Grundgesetzes vollziehen wollten, ahnten nicht, wie groß die Probleme sein werden, die der mit Politikerreden und Freudenfesten begrüßten Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 folgen werden.

Der Abbau der Mauer geschah vor 30 Jahren so rasant, dass ein Jahr nach ihrem Fall schon kaum etwas von dem seit dem 13. August 1961 angelegten "antifaschistischen Schutzwall" übrig war, wie die SED-Führer Walter Ulbricht und Erich Honecker die Grenzanlagen zu nennen pflegten. Der Ruf "Die Mauer muss weg" wurde nach dem 9. November 1989 wörtlich, allzu wörtlich genommen. In und um Berlin war schon bald kaum noch etwas von ihr zu sehen. Mit den bemalten Betonsegmenten wurde ein schwunghafter Handel bis nach Amerika und Australien betrieben, und was noch stand, haben "Mauerspechte" zerklopft. Als dann fast alles verschwunden war, mehrten sich Stimmen, das Wenige als Mahnmale der deutschen Teilung zu erhalten, was dann auch geschah. Gedenkstätten an der Bernauer Straße sowie die East-Side-Gallery in Berlin, an der Übergangsstelle in Marienborn oder in Mödlareuth zwischen Thüringen und Bayern, von den Amerikanern auch "Little Berlin" genannt, erinnern daran, dass das unmenschliche SED-Regime Besuche von Ost nach West und von West nach Ost nur nach Genehmigung gestattete und auf Flüchtlinge schießen ließ. Die Erinnerungsstätten geben den vielen Todesopfern Namen und Gesichter zurück, sofern das möglich ist, denn nicht alle Mauertoten konnten identifiziert werden.

Jubelnde Menschen am Brandenburger Tor

Zu Jubiläen des Mauerfalls und der Wiedervereinigung brachte die Bundesrepublik Deutschland in regelmäßiger Folge Gedenk- und Kursmünzen heraus. Nicht alle Entwürfe haben jedem gefallen, das Thema ist ja auch kompliziert und schwieriger zu bewältigen als wenn berühmte Persönlichkeiten durch Sonderprägungen geehrt werden sollen. Ein schlechtes Beispiel dafür ist das neue Zweieurostück "30 Jahre Mauerfall 2019". Von einem Designer der Monnaie de Paris (!) gestaltet, zeigt die Münze jubelnde Menschen am Brandenburger Tor in Berlin. Dagegen ist nichts einzuwenden, denn auch die Zweieuromünze von 2015 schildert, wie sich Menschen vor diesem Symbol deutscher Einheit und Teilung jubelnd versammeln. Während man aber bei der Ausgabe von 2015 sehen kann, was oben und unten ist, hat man damit bei der Prägung von 2019 Schwierigkeiten. Man sieht, wie die Berliner sagen würden, "nur Bahnhof" und muss eine Lupe zur Hand nehmen um zu sehen, wie man das Geldstück halten muss, um überhaupt etwas erkennen zu können. Das gelingt, wenn man die Jahreszahl 2019 ganz unten entdeckt und oben das winzige Brandenburger Tor sieht. Die wuselige Menschenmenge, die sich durch einen Spalt der Mauer schiebt, wird durch die vielen in die Höhe gehobenen Hände angedeutet. Dazwischen fliegen Vögel, die Friedenstauben sein könnten.

Das Münzbild macht einen unaufgeräumten, um nicht zu sagen unordentlichen Eindruck und zeigt wenig von der ungeheuer emotionalen Stimmung, die an der am 9. November 1989 geöffneten Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze herrschte. Ob jemand im Ausland etwas mit der Mauermünze anfangen kann, ist die Frage. Wer diesem misslungenen Entwurf von 2019 zugestimmt hat, konnte ich im Bundesfinanzministerium und im Bundesverwaltungsamt nicht erfahren. Inoffiziell ist ein gewisses Unbehagen an den Münzwettbewerben und ihren Ergebnissen zu hören. Angeblich favorisiert man in den zuständigen Gremien Entwürfe am Computer, aus denen dann solche unansehnliche "Flachmänner" wie die Mauermünze von 2019 entstehen. Dass sie Zustimmung der dazu berechtigten Gremien finden, ist nicht zu verstehen und sollte diese veranlassen, sich kritisch zur eigenen Arbeit zu äußern.

Wir sind das Volk - wir sind ein Volk

Schauen wir frühere Gedenkmünzen zum Thema Mauerfall und Wiedervereinigung an, so können wir uns über durchaus gelungene Entwürfe freuen. Zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung erschien 2015 eine Silbermünze zu 25 Euro, die in Berlin, Hamburg, München, Karlsruhe und Stuttgart geprägt wurde. Entworfen von Bernd Wendhut und mit der Signatur BW gezeichnet, schildert die Sondermünze, wie eine jubelnde Menschenmenge die Öffnung des Brandenburger Tors mit dem Ruf "Wir sind ein Volk" begrüßt. Anstatt jedoch zum 25-jährigen Einheitsjubiläum einen neuen künstlerischen Wettbewerb auszuschreiben, um einen ganz besonderen Entwurf zu küren, verwendete die Bundesregierung einen im selben Jahr vom gleichen Künstler eingereichten Entwurf für das massenhaft im Umlauf befindliche Zweieurostück von 2015. Dabei wäre es besser gewesen, wenn der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung durch einen anderen, das Zusammenwachsen der beiden Landesteile seit 1990 symbolisierenden Entwurf gewürdigt worden wäre. Beim Vergleich der Münzen zu zwei und zu 25 Euro kann man sagen, dass Sparsamkeit nach Art der "schwäbischen Hausfrau", um Bundeskanzlerin Angela Merkel zu zitieren, nicht immer ein guter Ratgeber ist.

Originale dieser Plakate, Schriftbänder und Schilder können, sofern sie nicht von rabiaten Volkspolizisten und Stasileuten den Demonstranten im Herbst 1989 entrissenen und zertrampelt wurden, im Deutschen Historischen Museen Unter den Linden in Berlin und an anderen Orten betrachtet werden. Angemerkt sei, dass der Slogan "Wir sind das Volk" keine Erfindung aus der Zeit der friedlichen Revolution in der DDR war, sondern dem berühmten Gedicht "Trotz alledem" von Ferdinand Freiligrath aus dem Revolutionsjahr 1848 entstammt, in dem es zum Schluss heißt: "Wir sind das Volk, die Menschheit wir, / Sind ewig drum, trotz alledem!" Kaum war das SED-Regime im Orkus der Geschichte verschwunden, wurde aus dem massenhaften Ruf "Wir sind das Volk" die nicht mehr zu überhörende Forderung "Wir sind ein Volk", die dann am 3. Oktober 1990, vor nunmehr 30 Jahren, in Erfüllung ging.

22. Januar 2020

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