Arme Poeten, reiche Gönner
Was Künstler und Gelehrte vor und nach 1800 verdienten, hat der Historiker und Numismatiker Frank Berger in einem neuen Buch analysiert



Der "Arme Poet" scheint in seiner Dachkammer mit sich und der Welt zufrieden zu sein, lautet die ironisch gemeinte Botschaft des wohl bekanntesten Bildes von Carl Spitzweg aus dem Jahr 1838. Das Gemälde ist in der Neuen Piakothek in München zu sehen.



Solches Kleingeld aus Silber klapperte in der Geldbörse der sprichwörtlichen armen Poeten. Besserverdienenden standen jede Menge Silbertaler und hochwertige Goldmünzen zu Gebote.





Goethe, Schiller und Herder waren in Weimar durch ihre Gehälter und Honorare mehr oder weniger gut abgesichert, ebenso Mozart und Beethoven durch Einnahmen aus ihren Kompositionen, Konzerten und Zuwendungen von Gönnern. Kleist ging es nicht gut, sein Genie wurde spät erkannt, doch da hatte er sich 1811 schon das Leben genommen.



Die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt kamen aus begütertem Haus und lebten auf vergleichsweise großem Fuß. Der Diplomat und Bildungspolitiker Wilhelm von Humboldt ging unter anderem als Gründer der Berliner Universität in die Geschichte ein, sein Bruder Alexander machte sich als Weltreisender einen Namen und stand zudem als Kammerherr und begehrter Gesprächspartner in königlichen Diensten. Sein Vermögen steckte er in seine Reisen und verwandte es zum Druck seiner Werke.



Die Denkmäler des Dichterpaars Bettina und Achim von Arnim sowie von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann schmücken den Arnimplatz im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg beziehungsweise den Gendarmenmarkt nahe Schinkels Schauspielhaus. Den Brand des Vorgängerbaus 1817 hat der in der Nähe wohnende Dichter und Jurist Hoffmann beobachtet.



Karl Friedrich Schinkel bezog in seinen letzten Lebensjahren als oberster Baubeamter der preußischen Monarchie ein Jahresgehalt von 2800 Talern, seine Jahresmiete in Höhe von 280 Talern hat ihm Friedrich Wilhelm III. erlassen.



Georg Wilhelm Friedrich Hegel führte über seine Einnahmen und Ausgaben Buch und starb 1831 als wohlhabender Mann an der Cholera in Berlin. Zuletzt bezog er ein Jahresgehalt von 2000 Talern als Professor an der Berliner Universität. Seine Witwe bezog Tantiemen aus der Veröffentlichung seiner Werke und verkaufte seine Bibliothek. Der Maler Caspar David Friedrich lebte mehr recht als schlecht vom Verkauf seiner Bilder. Seine letzten Jahre waren von Krankheit und Geldsorgen überschattet. Ernst Moritz Arndt wurde für 1500 Taler als Professor an der 1818 gegründeten Bonner Universität angestellt, geriet aber schon bald in den Strudel der so genannten Demagogenverfolgung. Er wurde aber 1840 vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. bei gleichem Gehalt nach Bonn zurückgerufen und wurde ein Jahr später Universitätsrektor. (Fotos/Repro: Caspar)

"Über Geld spricht man nicht, entweder hat man welches oder nicht", lautet eine alte, ironisch gemeinte Volksweisheit. Wirtschaftswissenschaftler, Historiker, Soziologen und andere Spezialisten wissen, was man früher verdient hat und was für welche Erzeugnisse und Dienstleistungen zu zahlen war. Das wegen der komplizierten Quellenlage und der Unvergleichbarkeit vieler Währungen nicht leicht zu bearbeitende Thema wird in der Numismatik meist nur am Rande behandelt, wenn überhaupt. Sammler sind froh, wenn sie alte Dukaten, Taler, Gulden, Groschen und Pfennige in ihren Besitz bringen können, und manchmal fragen sie sich, was man für sie bekam und wie lange man für sie arbeiten musste. Dazu gibt es interessante Nachrichten in Urkunden, Preislisten, Erinnerungen, Haushaltbüchern, Briefen und anderen Dokumenten.

Kaum bekannt ist, was Dichter, Musiker, Gelehrte und andere mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten für ihren Lebensunterhalt verdienten. Wir blicken auf ihr Leben und Werk und erfahren, dass ihr Alltag vielfach von Sorgen um materielle Dinge geprägt war und sie nicht wussten, wie sie ihre Familien und sich über die Runden bringen sollen. Oft in Diensten von mächtigen Potentaten und wohlhabenden Gönnern stehend, waren sie von deren gutem Willen abhängig und mussten auf ihre Wünsche Rücksicht nehmen. Dieses Abhängigkeitsverhältnis muss für manche Künstler so unerträglich gewesen sein, dass sie das Weite suchten und anderswo verdingten. Glück hatte, wer wie Goethe, Schiller, Herder und Wieland am herzoglichen Hof in Weimar angestellt war oder wie Mozart und Beethoven musikbegeisterte Gönner hatte, die sie zu Konzerten einluden und sie für Auftragswerke bezahlten.

Eine feste Anstellung am preußischen Hof in Berlin war beiden Musikgenies nicht vergönnt, und auch andere Freiberufler, wie wir heute sagen würden, hatten das Problem, unregelmäßige Einkünfte durch eine regelmäßige Bezahlung als Staatsdiener zu ersetzen. Sie mussten darauf achten, nicht irgendwo anzuecken und in Ungnade zu fallen. Öffentlich hatten sie sich kritische Worte über ihren Landesherrn und Arbeitgeber zu verkneifen, denn für sie galt das Motto "Wes Brot ich esse, des Lied ich singe". Auf der anderen Seite gab es in der schreibenden, musizierenden und malenden Zunft Gutverdiener, die von ihrer Arbeit durchaus auskömmlich lebten, wenn nicht Krankheiten sie und ihre meist kindereichen Familien heimsuchten oder sich der Kunstgeschmack wandelte und Konkurrenten auf den Plan traten. Alles in allem führten damals wie heute nicht wenige Künstler ein prekäres, wenig freudvolles Leben und haben uns dennoch wunderbare Werke hinterlassen.

Wer das Dichten will verstehn...

Frank Berger, Historiker und Numismatiker sowie Kustos am Historischen Museum in Frankfurt am Main, ging in seinem neuesten Buch "Das Geld der Dichter in Goethezeit und Romantik. 71 biographische Skizzen über Einkommen und Auskommen" der Frage nach, ob so genannte arme Poeten, wie einer auf einem berühmten Gemälde von Carl Spitzweg aus dem Jahr 1839 im Besitz der Neuen Pinakothek in München und auch auf einer deutschen Silbermünze von 2008 zu zehn Euro dargestellt ist, von ihrer Kunst leben konnten, wie reiche Gönner sie unterstützten und wohlhabende Verleger sie honorierten und manchmal ausbeuteten, wie sich Komponisten mit Unterrichtsstunden, Konzertabenden und Auftragswerken über Wasser hielten und wie Gehälter von Gelehrten und Professoren beschaffen waren.

Mir fiel beim Lesen dieses 2020 im Verlagshaus Römerweg Wiesbaden erschienenen Buches (351 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 20 Euro, ISBN 978-3-7374-0486-0) das Gedicht "Besseres Verständnis" von Johann Wolfgang von Goethe ein, der als herzoglicher Minister und überaus produktiver Autor in allerbesten Verhältnissen lebte, ein großes Haus am Weimarer Frauenplan führte, eine bedeutende Kunst- und Medaillensammlung besaß und seinen Erben ein großes Vermögen hinterließ. "Wer das Dichten will verstehen / Muss in's Land der Dichtung gehen; / Wer den Dichter will verstehen / Muss in Dichters Lande gehen", schrieb Goethe, und er meinte, dass man sich das Werk eines Dichters oder eines, wie wir heute sagen würden, Kulturschaffenden samt Biografie und Umfeld aneignen, sondern zum besseren Verständnis auch seine Lebensverhältnisse kennen sollte.

Frank Berger hat Biographien, Tagebücher, Briefe und Dokumente studiert, er wertete Rechnungen, Münztabellen und andere Hinterlassenschaften aus und verschafft Leserinnen und Lesern sowie der Forschung faszinierende Einsichten in das auf der einen Seite von Armut, Spott und Verlassenheit und auf der anderen von sozialer Absicherung und Anerkennung, Wohlhabenheit und ja auch Luxus geprägte Leben der geistigen Eliten vor und nach 1800. Indem der Verfasser darauf hinweist, das Biografen aus dem Gebiet der Germanistik und auch Historiker mit den verworren erscheinenden Geldverhältnissen der betreffenden Zeiten nicht vertraut sind. "Denn: Karolin und Dukaten, Gulden und Konventionstaler, Groschen und Heller, Reichstaler und Mark, Kreuzer und Friedrichsdor, Batzen und Laubtaler, Pfennig und Louisdor, solche Münzbegriffe bevölkern zwar die Lebenswelt der Dichter, jedoch nur wenige Leser und Forscher der Gegenwart haben davon eine rechte Vorstellung", schreibt Berger, der dagegen steuern möchte. "Im Gegensatz zu heute war es in der Goethezeit weder unanständig noch ungewöhnlich, offen über Geld und Einkommen zu sprechen, was den Briefwechseln anschaulich zu entnehmen ist." Reichstaler damals, Euro heute

Als Numismatiker hat Berger seine Darlegungen über Einnahmen und Ausgaben der von ihm behandelten Klientel wegen der besseren Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Währungen berechnet und gelistet. Er gibt die Nominale mal hier in Konventionsmünze, dort in Reichstaler oder Gulden und dann auch in Louisdor und Dukaten an. Am Ende des Buches rechnet er die Währungen von damals in Euro von heute um. Danach repräsentiert ein preußischer Reichstaler aus der Zeit um 1800 einen Wert von 200 Euro, und ein preußischer Friedrichsdor aus Gold zu fünf Talern wäre umgerechnet 1083 Euro wert. Für das "Lied der Deutschen", dessen dritte Strophe "Einigkeit und Recht und Freiheit" wir als Nationalhymne singen, bekam Heinrich Hoffmann von Fallersleben von seinem Verleger Campe vier Louisdor aus Gold. Nach Bergers Umrechnung waren die 5044 Euro ein gutes Honorar.

Frank Bergers 71 biographische Skizzen betreffen, um einige Namen zu erwähnen, die Dichter Achim und Bettina von Arnim, Joseph von Eichendorff, E. T. A. Hoffmann, Heinrich von Kleist, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder, August von Kotzebue, Friedrich Schiller, Ludwig Uhland und Christoph Martin Wieland, ferner dichtende Frauen wie Karoline von Günderrode, Sophie Tieck und Rahel Varnhagen von Ense, aber auch gelehrte Männer wie Ernst Moritz Arndt, Friedrich Wilhelm Hegel und die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt, ferner Verleger wie Friedrich Justin Bertuch und Johann Friedrich Cotta, Journalisten und Publizisten wie Joseph Görres, Komponisten wie Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Albert Lortzing, Franz Schubert und Carl Maria von Weber und nicht zuletzt Maler und Architekten wie Caspar David Friedrich und Karl Friedrich Schinkel. Über die Auswahl mag man streiten, denn zu den vielen Namen lassen sich mit Leichtigkeit weitere hinzugesellen.

Während Goethe seine erheblichen Ausgaben aus dem Gehalt als Minister in Weimar, seinen Buchtantiemen und einem nicht unbeträchtlichen Erbe bestritt, war Schiller auf ein mageres Professorengehalt und Zuwendungen des Weimarer Herzogs und von Freunden angewiesen. Mozart und Beethoven konnten auf Stipendien von Gönnern, Einnahmen aus Konzerten, Unterrichtsstunden und andere Quellen zurückgreifen. Die Honorare, die Franz Schubert bekam, waren überschaubar, wie Berger schreibt. Gutmütig und anspruchslos, wie der Komponist war, begnügte er sich mit dem Wenigen, was ihm seine Verleger zahlten, so dass in seiner Geldbörse meistens Flaute herrschte. Mit vollen Händen gab der Dichter E. T. A. Hoffmann sein Geld am Spieltisch und im Weinrestaurant aus.

Ein hochgefährlicher Staatsdiener

Der Jurist, Kapellmeister und Musikdirektor litt unter seinem Brotberuf, nämlich am Berliner Kammergericht mit einem Jahresgehalt zwischen 1000 und 1600 Talern über preußische Zensur-Angelegenheiten befinden zu müssen. Das Multitalent sah in dieser Tätigkeit eine "goldene Kette" und bekam die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit aufgrund der Karlsbader Beschlüsse von 1819 am eigenen Leibe zu spüren. Der vielseitig tätige, von missgünstigen Kollegen verbotener Gedankengänge bezichtigte Kammergerichtsrat schrieb sich seinen Frust unter anderem in dem Märchen "Meister Floh" von der Seele. Vorsichtshalber ließ er die Geschichte "in sieben Abenteuern zweier Freunde" in der damaligen Freien Stadt Frankfurt erscheinen. Doch seine Vorgesetzten bekamen Wind von der Satire und strengten eine Untersuchung gegen den Autor im eigenen Haus an. Zum pflichtvergessenen, höchst unzuverlässigen, gefährlichen und hochverräterischen Staatsdiener abgestempelt und wegen seines unsteten, man kann auch sagen unbürgerlichen Lebenswandels und seiner ausladenden Zechgewohnheiten in Verruf geraten, sollte Hofmann in die Provinz abschoben werden. Doch da der unangepasste Lebenskünstler am 25. Juni 1822 starb, blieben ihm Degradierung, Entlassung und Strafverfolgung erspart.

Da Hoffmann über seine Verhältnisse gelebt hatte, hinterließ er erhebliche Zechschulden, auf deren Begleichung der Wirt von Lutter & Wegener verzichtete, weil die Neugierigen, die den skurrilen Künstler und seine fröhliche Runde bestaunten, den Restaurantumsatz erheblich steigerten. Preußens oberster Baumeister Karl Friedrich Schinkel war mit einem Jahresgehalt zwischen 1200 Talern (1810) und 2800 Talern (1838) gut abgesichert, während sein Zeitgenosse August Wilhelm Iffland als Schauspieldirektor im Jahr 3000 Taler (1796) erhielt, vom König durch Übernahme erheblicher Schulden "begnadet" wurde und aus eigenen Schriften und Theaterstücken weiteres Einkommen hatte.

Schillers Adelsdiplom kostete 401 Gulden

So kann man das Buch Seite für Seite durchgehen und findet immer neue überraschende Angaben darüber, wie fest angestellte und freiberufliche Künstler aller Art finanziell über die Runden kamen. Wir erfahren aber noch ganz andere Dinge, etwa dass Reise-, Übernachtungs- und Umzugskosten sehr hoch waren und diejenigen, die ihren Wohn- und Arbeitsort wechseln mussten, bei der Obrigkeit um Zuschüsse bitten mussten und manchmal auch bekamen. Da und dort bedeutete die Bereitstellung von Häusern, Grundstücken und Baumaterialien, ja auch das Verschenken von goldenen Tabaksdosen und die Gewährung von Privilegien einen nicht zu unterschätzenden geldwerten Vorteil. Nicht unerwähnt sei, dass Friedrich Schiller 1802 in den Adelsstand erhoben wurde. Das dazu gehörige Diplom bezahlte der Dichter mit 401 Gulden, das waren nach Frank Bergers Berechnung ein Einkommen für acht Monate. Der preußische Oberlandbaudirektor Karl Friedrich Schinkel erhielt zuletzt ein Jahresgehalt von 2800 Talern und damit etwas weniger als Generalmünzdirektor Christoph Friedrich Goedeking, der mit 3000 Talern im Jahr gut entlohnt wurde. Schinkel hatte das Glück, dass König Friedrich Wilhelm III. auf die Miete seiner Dienstwohnung in Höhe von etwa 280 Talern verzichtete, was auf die Lebenshaltung seiner Familie positiv zu Buche schlug.

9. Juli 2020

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