Der Volkszorn kochte hoch
Kipper und Wipper trieben zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs auch in Berlin ihr Unwesen





Die Kippermünzen aus der Zeit des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg richteten wie auch andere Geldstücke dieser Art zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs viel Unheil an. Die Berliner Ausgaben von 1621 kombiniert das städtische Bärenwappen mit dem brandenburgischen Adler. Dem XII. Internationalen Numismatischen Kongress 1997 in Berlin diente der Kipperpfennig mit dem Bären- und Adlerwappen der Doppelstadt Berlin-Cölln als Logo.



In zahlreichen gedruckten, oft auch illustrierten Pamphleten wurden die Machenschaften der Kipper und Wipper angegriffen. Ihnen hat man den Tod an den Hals gewünscht, doch traute sich kaum jemand, die hochadligen Hintermänner und Nutznießer der Geldentwertung kritisch aufs Korn zu nehmen.



Mit drastischen Bildern und Verwünschungen versehen, hat man in der Frühzeit und Spätzeit des 17. Jahrhunderts auf die Münzverbrechen der Kipper und Wipper reagiert. Der Holzschnitt in der Mitte zeigt, wie ein Mann mit der Waage leichte von schweren Münzen trennt. Die guten Sorten werden höchst profitabel in minderwertiges Geld verwandelt. Das kann nicht gut gehen, lautet die Moral, ewige Verdammnis und das Fegefeuer ist den Verbrechern sicher.



Kurfürst Georg Wilhelm von Brandenburg mochte noch so viel gegen die Machenschaften der Kipper und Wipper wettern, ausgerichtet haben seine Befehle und Edikte nicht viel. Der Taler von 1633 zeigt ihn in voller Rüstung mit dem Zepter in der Hand als Symbol seines kurfürstlichen Amtes. Als er 1640 starb, hinterließ er seinem Sohn Friedrich Wilhelm, genannt der Große Kurfürst, ein vom Krieg schwer getroffenes Land, das sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte langsam erholte und zu einer geachteten Macht in Europa aufstieg.



Strafandrohungen Friedrichs II. von Preußen gegen die Verbreitung und Herstellung minderwertiger Münzen haben wenig genutzt, sonst hätte er sie nicht ständig wiederholen müssen. (Fotos/Repros: Caspar)

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges kauften Kipper und Wipper die guten alten Reichstaler und anderes vollhaltiges Geld auf. Die Silbermünzen wurden durch Wiegen aussortiert und von der Waage (Wippe) gekippt, um sie einzuschmelzen und das Edelmetall mit Kupfer zu strecken. Auch in Berlin waren die Kipper und Wipper unterm Schutz des Kurfürsten aktiv. Eigentlich waren die so genannten Heckenmünzen streng verboten. Diese von Territorialherren und Städten betriebenen Prägestätten unterlagen keiner staatlichen Kontrolle, und ihre Betreiber hielten sich nicht an die Gesetze. Da große und kleine Landesherren wie die Kurfürsten von Sachsen und von Brandenburg, die Herzöge von Braunschweig, die Grafen von Sayn-Wittgenstein und die Grafen von Hohenlohe-Schillingsfürst sowie manche städtische Kommunen und selbst Kaiser Ferdinand II. und sein Generalissimus Albrecht von Wallenstein an der Münzverschlechterung prächtig verdienten, war es schwer, den Betrügern ihr schändliches Handwerk zu legen, mochte der Volkszorn noch so viel hoch kochen. "Es ist eitel altes Kupfer, / Von Kesseln, Blasen und Pfannen / Kupfernen Rinnen und Badewannen / Übern Haufen zsamen gschlagen / Das führe ich auf meinem Wagen / Eitel Geld will man draus machen", heißt es in einem der schnell von Hand zu Hand gehenden Drucke, und ein anderer ruft auf: "Schla doet / schla doet dat lose Pack / Met öhren Knechten unde Packenack / Schla doet / latet se nich leven / Nimm weg öhr Guet / heff gueten Moet / Van Godt isst diek al vorgeven". In weiteren Pamphleten wird die Bande der Geldwechsler sowie der Kipper und Wipper als "höllstinkende Wucherer, eingeteuffelte und durchgeteuffelte Geitzhälss, abgefaummte, abgetriebene und Ertzkipper und leichtsinnige Schandfunken" bezeichnet, und es fehlt auch nicht an Ausdrücken wie Arschloch und Beschisser. Da viele Leuten nicht lesen und schreiben konnten, hat man auf Holzschnitten und Kupferstichen gezeigt, wer diese "Ertzdiebe und Grundschelme" sind und dass ihnen höllisches Feuer und ewige Verdammnis sicher sind.

Hintermänner bleiben im Dunkeln

Die Aufrufe, Warnungen und Drohungen sagten nicht, wer die eigentlichen Urheber und Nutznießer der "leichten" Münzprägung sind. Angegriffen wurden meist nur die Handlanger der Fürsten. Man nannte sie gottloses Pack und meinte damit auch umherziehende Juden, denen man allzu gern die durch die Kipperei ausgelöste Inflation in die Schuhe schob und damit die Pogromstimmung anheizte. Der durch zahlreiche Pamphlete angestachelte Volkszorn sah sich bei seinen Aufrufen im Recht, denn nach den damaligen Strafgesetzen waren Verfälschung, Beschneidung und Nachprägung von Münzen streng verboten. Wer sich erwischen ließ, wurde auf unerbittlich durch Hängen, Köpfen, Vierteilen, Verbrennen und auf andere Weise bestraft. Die um Lebensunterhalt und Existenz bangenden Menschen griffen in ihrer Verzweiflung zu Äxten und Fackeln, zündeten die illegalen Geldschmieden an und ermordeten da und dort auch deren Personal. Die Tumulte in Brandenburg, Sachsen und anderen Territorien riefen die Staatsmacht auf den Plan, denn die gottgewollte Feudalordnung war in Gefahr. Truppen wurden in Marsch gesetzt, um die gewalttätigen Protestaktionen im Keim zu ersticken und die Rädelsführer zu bestrafen. In den meisten Fällen aber blieb es bei landesväterlichen "Vermahnungen" und ätzenden Streitschriften und Flugblättern.

Ungeachtet strenger Edikte litt Kurbrandenburg unter dem "ausskippen und ander aufwechseln der guten müntzen". Kurfürst Georg Wilhelm bestimmte zwar in einem Edikt vom 16. Oktober 1620: "Ferner verbieten wir auch alles ausführen der unsrigen müntzen, auch alles auskippen und ander aufwechseln der guten müntzen", doch verhallten die Worte ungehört. Auch die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt Berlin-Cölln beteiligte sich um 1621 an der Kipperei. Die pfenniggroßen Münzen enthielten mehr Kupfer als Silber und waren wie ähnliche Geldstücke eine schlimme Landplage. Da man sie nach dem Ende der unseligen Kipperzeit eingeschmolzen hat, um aus ihnen neues Geld herzustellen, sind erhalten gebliebene Exemplare selten, und wenn sie in ordentlichen Zustand angeboten werden, sind ihnen gute Preise sicher. Aus kurfürstlichen Verordnungen und Beschwerden der Stadtverwaltung ist zu entnehmen, dass die Schäden beträchtlich waren. Münzmeister Liborius Müller verdiente nicht schlecht, doch verliefen Untersuchungen gegen ihn wie das Hornberger Schießen. Erst wurde Müller eine beträchtliche Geldstrafe auferlegt, dann aber befreite der Kurfürst ihn vom Vorwurf der Münzfälscherei, ersetzte ihn aber durch einen anderen Münzmeister.

Konfusion und Unordnung bei den Landmünzen

Nach dem Dreißigjährigen Krieg bestand angesichts der Verlockungen, aus schlechtem Geld weiterhin Profit zu schlagen, auch in Brandenburg die Gefahr einer Wiederholung der Kipper- und Wipperzeit. Da schlechte Münzen in Form von Steuern und Abgaben wieder in den Staatssäckel zurückflossen, schritt die besorgte Obrigkeit gegen sie ein. In einem Edikt vom 10. Oktober 1650 verkündete Friedrich Wilhelm, genannt der Große Kurfürst, um dem Mangel an kleiner Münze abzuhelfen, folgendes: "Wir befinden eine unumbgängliche noth zu sein, einige Current- und Landtmüntze pregen und machen zu lassen, damit unsere Unterthanen von einanderkommen und kein tumult unter den gemeinen Mann entstehen möge".

Die Reaktion auf die minderwertigen "Usual- oder Landmünzen" ließ nicht lange auf sich warten. Es hagelte Proteste, und dem Landesherrn wurde vorgerechnet, dass die Doppelgroschen in Wahrheit nur 5 ¼ Pfennig wert sind. Friedrich Wilhelm ließ die Prägung der schlechten und leichten Münzen erst einstellen, als viele im Umlauf waren. Währenddessen sann der Kurfürst aus Sorge über die "Confusion und Unordnung wegen Unserer Landmünz" nach Auswegen und gelangte 1667 in Zinna mit seinem sächsischen Nachbarn, Kurfürst Johann Georg II., und bald auch mit den braunschweigischen Herzögen zu einer Übereinkunft über die Herstellung von vollwertigen Münzen nach einheitlichem Standard, jedoch in unterschiedlicher Gestalt. 1690 wurde dieser Zinnaer Münzfuß, mit dem ein erster Schritt zur Herstellung der deutschen Münzeinheit gegangen wurde, durch den Leipziger Münzfuß abgelöst.

Strafbare Gewinnsucht und Wucherei

Dass das Kipperunwesen in Preußen zur Regierungszeit Friedrichs des Großen, und nicht nur dort, immer noch präsent war, zeigt ein am 16. Januar 1764 von Friedrich II. erlassenes Edikt. Ein Jahr nach dem Ende des Siebenjährigen Kriegs stellt der König darin fest, dass ungeachtet vielfältig ergangener heilsamer Edikte und Verordnungen das höchstschädliche Kippen und Wippen eingerissen sei. Er, der König, habe aufs Neue höchst missfällig wahrgenommen, "wie obgedachtes Kippen und Wippen seit einiger Zeit dergestalt überhand genommen, daß das Gewicht nicht nur von denen Sächsischen und anderen geringhaltigen reducirten Geldern, sondern auch sogar von denen unter Unserm höchsteigenen Stempel ausgeprägten alten und neuen Müntz Sorten so starck differiret, daß von denen Geld-Beuteln, welche bey Unsern Cassen einkommen, fast keiner mehr das gehörige Müntz Gewicht hat, und öfters einige Marck daran manquirten". Damit meinte der König, dass in seinem Reich nicht nur auswärtige Münzen mit geringem Schrot und Korn, also Gewicht und Feingehalt, umlaufen, sondern auch preußische Nominale den Vorschriften nicht entsprechen.

Das Edikt von 1764 fährt mit einer speziellen Drohung an die Adresse der jüdischen Untertanen fort: "Da Wir nun dergleichen für Unsere Cassen und Unterthanen so nachtheiligen als strafbaren Gewinnsucht und Wucher durchaus nicht weiter nachgesehen wissen wollen: Als verordnen und setzen Wir hierdurch, daß im Falle ein Jude bey dem Kippen und Wippen betroffen oder dessen überführet wird, derselbst nicht allein in schwere Geld-Strafe verfallen und seines Schutz-Privilegii verlustig seyn, sondern auch dem Befinden nach am Leibe und mit Festung-Arbeit bestraffet werden soll." Wird aber ein Christ bei dem Vergehen betroffen, bestimmt der König weiter, so soll er die bei ihm gefundene Menge an minderwertigen Münzen um das Zehnfache ersetzen und ins Gefängnis gehen. Ebenso gnädig wie ernstlich wurde der Finanzverwaltung befohlen, auf das Auskippen und Wippen aller Münzsorten ohne Unterschied zu achten, "auch dahin zu sehen, daß die Uebertreter dieses Edicts zu der verordneten Strafe gezogen werden. Wie dem auch die Magisträte und Gerichts-Obrigkeiten in denen kleinen Städten und auf dem platten Lande fleißig acht haben müssen, daß diesem nicht entgegen gehandelt werde".

Außerdem wurden Handelsleute und Kontorbeamte, Bedienstete und weitere Personen daran erinnert, dass sie nichts verschweigen dürfen, wenn sie bei ihren Herrschaften das Auswippen von Geld beobachten. Wer sein Wissen nicht anzeigt, wird mit Gefängnis bedroht, hingegen soll derjenige, "welcher dergleichen Contravention [Zuwiderhandlung, H. C.] denunciret" den vierten Teil des konfiszierten Menge bekommen. Mit solchen Zahlungen wurde dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet, und das nicht nur beim Auftauchen minderwertiger Geldstücke, sondern auch ganz allgemein bei allem, was gegen die Interessen der Monarchie gerichtet ist oder sein kann. Drohungen und Lockungen ziehen sich durch zahlreiche preußische und andere Edikte dieser Zeit, ganz gleich ob sie sich auf Münzangelegenheiten oder Ordnung und Sauberkeit in den Städten und ähnliche Dinge bezogen. Bemerkenswert ist, dass der König Juden härter bestrafte als Personen christlichen Glaubens, denn er brachte Juden grundsätzlich Misstrauen und hielt sie auch für minderwertiger als Christen.

2. März 2020

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