Lübecker Kennungen der besonderen Art
Bei der Bestimmung von Münzen der Hansestadt helfen Blätter, Blüten, Vögel, Sterne sowie Bürgermeisterwappen



Reges Treiben herrscht auf dem Marktplatz zu Lübeck, dargestellt auf einer Grafik aus dem 19. Jahrhundert.



Der Brömsentaler von 1537 unterstreicht die Anhänglichkeit von Lübeck zum römisch-deutschen Kaisertum. Der Ritter auf der Rückseite wird als Bürgermeister Nikolaus Brömse gedeutet.



Die Bürgermeister Heinrich Balemann, Hermann Georg Bünekau und Heinrich Rust schmückten die Wertseiten Lübecker Silbermünzen aus dem 18. Jahrhundert mit ihrem Wappen unter dem kaiserlichen Doppeladler, während die Münzmeister Johann Justus Jaster und Hermann David Friedrichsen die Qualität der Geldstücke mit ihren Initialen bestätigen. Die Werte zu 32, 16 und acht Schilling und viele andere Nominale wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts eingeschmolzen, um Edelmetall zur Herstellung neuer Münzen oder auch von Gefäßen, Leuchtern und Schmuck zu gewinnen. Da sie aber in großer Stückzahl geprägt wurden, blieb das eine oder andere Stück erhalten und wird vom Handel zu moderaten Preisen angeboten.



Der breite Taler mit Johannes dem Täufer als Lübecks Schutzheiliger ist mit dem Münzmeisterzeichen von Hans Wilms und dem Wappen des Bürgermeisters Gotthard von Hövelin gezeichnet und dürfte aus der Zeit um 1660 stammen.



Wenn man sich erst in die Welt der Münzmeister- und Bürgermeisterzeichen auf Lübecker Münzen vertieft hat, ist ihre Deutung nicht schwer. Auf dem Taler von 1745 weisen die Initialen JJJ auf den Münzmeister Johann Justus Jaster und das Wappen unter dem Doppeladler auf den Bürgermeister Heinrich Balemann.



Das Holstentor, ein Relikt aus der mittelalterlichen Stadtbefestigung ist "das" Wahrzeichen der Hansestadt Lübeck und schmückt auch eine Zweieuromünze von 2006.



Mit dem vom Münzmeister Hermann David Friedrichsen und dem Bürgermeister Hermann Georg Bünekau signierten Dukaten von 1801 beendete Lübeck seine ruhmreiche, im Mittelalter begonnene Münzgeschichte.



Lübeck ließ in der Kaiserzeit sein altes Münzrecht wieder aufleben, die mit dem Doppeladler geprägten Münzen der Freien und Hansestadt sind beliebte, weil auch seltene Sammelstücke, hier eine in Berlin geprägte Fünfmarkmünze von 1904. (Fotos/Repros: Caspar)

In seinem Buch "Münzen und Medaillen der Stadt und des Bisthums Lübeck" (Berlin 1905, Nachdruck Tietjen Hamburg 1972) weist Heinrich Behrens auf eine Besonderheit in der Münzgeschichte der Hansestadt hin, dass nämlich außer den dort befindlichen Münzmeisterzeichen auch das Wappen des jeweiligen Bürgermeisters erscheint, der dem Chef der Münzstätte vorstand. Diese im 16. Jahrhundert eingeführte Kombination sucht in der deutschen Münzgeschichte ihresgleichen, denn es war üblich, dass Münzmeister die unter ihrer Leitung hergestellten Geldstücken mit Buchstaben und/oder Symbolen zeichnen. Nachdem Frankreich seit dem 16. Jahrhundert über feststehende Münzbuchstaben für seine vielen Prägeanstalten besaß, um sie voneinander unterscheiden zu können, führte König Friedrich II. von Preußen mit der Graumannschen Münzreform von 1750 ein feststehendes Münzbuchstaben Alphabet ein. Diese Kennungen wurden im Laufe der vergangenen Jahrhunderte modifiziert. Heute ist die Herkunft unseres Hartgeldes an den Buchstaben A (Berlin), D (München), F (Stuttgart), Karlsruhe (G) und Hamburg (J) auszumachen.

Wie andere Münzmeisterzeichen markierten auch die in Lübeck tätigen Vorsteher der Geldschmiede mit Symbolen aller Art, so mit Blättern und Blüten, aber auch Insekten und Vögeln sowie mit Sonne, Mond und Sternen. Dass sich zusätzlich auch Lübecker Bürgermeister mit ihrem Wappen auf Gold- und Silbermünzen verewigten, ist eine Besonderheit der "Königin der Hanse", wie man Lübeck auch nannte. Den Anfang machte Nikolaus Brömse mit einer kleinen Fliege oder Bremse, die in der Inschrift auf dem so genannten Brömsentaler von 1528 gut zu erkennen ist. Die Wahl des Insekts folgt dem Namen des Bürgermeisters, man spricht hier von einem redenden Wappen. Geschmückt ist der Taler mit dem Bildnis Kaiser Karls V., und rückseitig ist ein Ritter mit Schwert und Rüstung kniend dargestellt. In ihm vermutet man den von Zeitgenossen als "hoffärtig" und hochnäsig geschilderten Bürgermeister Brömse. Der Brömsentaler gehört zu den schönsten Renaissancemünzen im Römisch-deutschen Reich des 16. Jahrhundert. Er unterstreicht die Ehrerbietung des Bürgermeisters gegenüber Karl V., dem Schutzherrn der Hansestadt.

Namensgeber der Deutschen Mark

Nach Nikolaus Brömse haben sich in Lübeck andere Bürgermeister durch Sterne, Blätter, Eicheln, Hunde und Vögel, in einem Fall auch durch einen Arm mit Winkeleisen als "redendes Wappen" für den Bürgermeister Anton Winkler auf Gold- und Silbermünzen verewigt. Da nicht alle Lübecker Münzen mit einer Jahreszahl datiert sind, helfen die Münz- und Bürgermeisterzeichen bei ihrer zeitlichen Einordnung. In den Katalogen des Münzhandels werden die Markierungen erklärt, sofern das möglich ist, ansonsten helfen das Buch von Heinrich Behrens und weitere Publikationen.

Die Ursprünge der im Jahr 1801 mit der Ausgabe eines Dukaten beendeten Lübecker Münzprägung liegen im Dunkeln. Im frühen 12. Jahrhundert geprägte Denare werden mit Alt-Lübeck in Verbindung gebracht, einer Siedlung, die 1138 zerstört wurde. Das Münzkabinett des Archivs der Hansestadt Lübeck kann im Internet unter der Adresse www.stadtarchiv-luebeck.findbuch.net eingesehen werden und umfasst etwa 3000 Nummern, beginnend bei einem doppelseitigen Denar aus der Zeit nach 1114 und endend bei einem Dukaten von 1801. Erfasst sind Denare, Hohlpfennige, Blafferte, Witten, Scherfe, Dreilinge, Sechslinge, Schillinge, Doppelschillinge, Düttchen, Taler, lübische Mark, Dukaten und Courantgeld. Da sich Lübeck nach der deutschen Reichseinigung sein Münzrecht bewahrt hat, gehören seine Markstücke in diese Serie. Hinzu kommen zahlreiche Verdienst-, Jubiläums-, Konsular-, Schieß- und Ausstellungsmedaillen sowie Amts- und Geschäftszeichen. Außerdem enthält die Sammlung Münzen des Bistums Lübeck sowie Prägestempel und Werkzeuge zur Herstellung von Medaillen. Sie alle füllen einen reich illustrierten Katalog, den Heinz Röhl 1987 im Verlag Schmidt-Römhild Lübeck veröffentlicht hat (487 Seiten, ISBN 3-7950-3201-6).

Die anfangs in Lübeck geprägten herzoglichen Münzen waren bescheidene Denare. Ein solcher trägt die ins Deutsche übersetzte Umschrift "Der altehrwürdige heilige Johannes zu Lübeck" und weist damit auf den in der Stadt besonders verehrten Apostel Johannes. Der Lieblingsjünger Jesu Christi war der Patron der aufstrebenden Hansestadt und ist überall auf ihren Münzen abgebildet. Heinrich der Löwe, der 1195 verstorbene Herzog von Sachsen und Bayern, gehörte zu den machtvollsten und umstrittensten Persönlichkeiten des 12. Jahrhunderts. Lübeck, München, Schwerin und andere "Löwenstädte" verdanken ihm ihre Gründung, ebenso sind bedeutsame Dome wie der Bischofskirche in Lübeck, Ratzeburg und Schwerin sowie einige Klöster seine Stiftungen. Offiziell verlieh der Stauferkaiser Friedrich II., ein Enkel von Friedrich I. Barbarossa, der Stadt anno 1226 das Münzrecht. Damit besaß erstmals im Römisch-deutschen Reich eine Kommune dieses politisch und wirtschaftlich wichtige Privileg. Dass Lübeck eigenes Geld von hoher Qualität prägen durfte, war für die Stadt und ihren Fernhandel von eminenter Bedeutung war.

Sensationeller Fund in der Altstadt

Mit der Prägung von Doppelschillingen ab 1492 und Markstücken ab 1502 legten sich Hamburg, Lübeck, Lüneburg und Wismar ein einheitliches Münzdesign zu. Es zeigt auf der Vorderseite das Wappen einer dieser Städte und auf der anderen Seite die heraldischen Zeichen der drei anderen. Ähnlich gestaltet sind die Markstücke, die ab 1502 von den vier Städten geprägt wurden. Als 1566 die Augsburger Reichsmünzordnung beschlossen wurde, gingen die im Wendischen Münzverein zusammengeschlossenen Städte zur Talerwährung über. Die Doppelmarkstücke wurden durch die Reichsmünzordnung von 1559 in den Rang von Reichstalern erhoben. Diese schweren Silbermünzen sowie ihre Stückelungen sind bis 1776 mit fast unverändertem Design - Johannes der Täufer und Doppeladler - geprägt worden. Lübeck bewahrte nach dem Untergang des römisch-deutschen Reiches im Jahr 1806 seine Souveränität und konnte sie nach den wenigen Jahren der Besetzung durch die Franzosen auf dem Wiener Kongress von 1814/15 erfolgreich verteidigen. Als Mitglied des Deutschen Bundes besaß die Freie und Hansestadt den Status eines souveränen Staates, der in den wichtigsten Haupt- und Hafenstädte Gesandtschaften und Konsulate unterhielt. Im Unterschied zu den Schwesterstädten Bremen und Hamburg, aber auch zu Wismar und Rostock hat Lübeck auf eine eigene Münzprägung verzichtet, weshalb der letzte Lübecker Dukat die Jahreszahl 1801 trägt. Als im Sommer 1984 ein Baggerfahrer beim Abriss eines Hauses in der Lübecker Altstadt "eimerweise", so die damalige Presse, grünlich schimmernde Silbermünzen sowie Goldstücke ans Tageslicht holte, waren die Archäologen angesichts dieses Jahrhundertfunds wie elektrisiert. Wie ein aufgeschlagenes Geschichtsbuch gibt er Auskunft über den Geldumlauf in Norddeutschland im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts und unterstreicht die Beziehungen Lübecks in ferne Länder. Bis heute ist unbekannt, wer der Lübecker Bürger war, der zwischen 1533 und 1535/7 sein in heutigem Wert auf 250 000 Euro geschätztes Vermögen unter einer Hausdiele versteckte und warum dieser Schatz später nie gehoben wurde. Dramatische Beweggründe werden vermutet, sie müssen so ernst gewesen sein, dass der Besitzer seinen Sparstrumpf beziehungsweise, wie vermutet wird, seine Geschäftskasse versteckt und das Geheimnis mit ins Grab genommen hat, sonst hätte man ihn nach Abwendung der Gefahr wieder ans Tageslicht gezogen.

Museum wegen der Corona-Pandemie geschlossen

Der aus 23 608 Silber- und 395 Goldstücken bestehende wurde mit Hilfe der Kulturstiftung der Länder vom Land Schleswig-Holstein erworben. Teile des Münzschatzes und zahlreiche andere Hinterlassenschaften aus der langen Geschichte der Hansestadt werden im 2015 eröffneten Europäischen Hansemuseum an der Untertrave 1 in Lübeck neben dem Burgkloster, Marstall und Burgtor gezeigt. Wegen der aktuellen Corona-Pandemie sind diese Ausstellung und weitere Museen bis auf Weiteres geschlossen. Der Schatz enthält Geldstücke aus 84 europäischen Prägestätten zwischen Dänemark und Süditalien, Spanien und Ungarn. Die beiden Schlussmünzen sind Gulden aus Nürnberg und Ansbach-Bayreuth mit der Jahreszahl 1533. Nach ihnen werden die Jahre zwischen 1533 und 1535 als Vergrabungszeit in einem bebauten Grundstück an der Obertrave angenommen, eine Periode, in der die nur dem Kaiser verpflichtete Reichs und Hansestadt in einer innen- und außenpolitischen Krise steckte.

Der ursprüngliche Besitzer muss ein reicher Kaufmann gewesen sein, der in seiner Kasse verschiedenste Nominale bereit hielt. Im Verlag Schmid-Römhild (Lübeck) erschien als Heft 1 der Reihe "Handel, Geld und Politik" eine Untersuchung von Dieter Dummer über den Beginn der Großsilberprägung in Lübeck und der Städte des Wendischen Münzvereins anhand des Lübecker Münzschatz von 1533. Weitere, ebenfalls illustrierte Hefte befassen sich unter anderem mit Hansischen Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, dem europäischen Heringshandel, der Entwicklung der Mark bis 2001, die ihren Anfang im frühen 16. Jahrhundert in Lübeck nahm und 1871 ihren Namen an die Mark des deutschen Kaiserreichs übertrug.

Der Rundgang durch das Europäische Hansemuseum beginnt mit der Darstellung der freigelegten Fundamente und der Hangabstützung aus früheren Jahrhunderten. Die bei den Bauarbeiten entdeckten archäologischen Funde sowie Urkunden, Gemälde, Kunsthandwerk, Gebrauchsgegenstände und weitere Objekte, ab er auch Rauminszenierungen und Dioramen belegen und illustrieren 1200 Jahre Stadtgeschichte einschließlich das Auf und Ab in der Entwicklung der Städtehanse. Zu den Schwerpunkten gehören ferner das Lübische Recht und die Beziehungen nach Nowgorod, Brügge, London, Bergen und in andere berühmte Handelsstädte. Dargestellt ist auch Hansetag 1518 in Lübeck etwa zu der Zeit, als der unbekannte Handelsherr sein 1984 wieder entdecktes Vermögen in Gestalt zeitgenössischer Gold- und Silbermünzen ansammelte.

3. April 2020

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