Kann man uralten Münzbüchern trauen?
Das Studium von Katalogen und Zeitschriften der Barockzeit hat noch keinem geschadet



Vornehme Herren verlustieren sich beim Anblick von Münzen, die sie extra gebauten Kabinettschränken entnehmen. Nur wer vermögend war, konnte sich ein solches Hobby leisten.





Die von 1729 bis 1750 von Johann David Köhler publizierte Zeitschrift "Der Wöchentlichen Historischen Münz-Belustigung" enthält eine Fülle von lesenswerten Abhandlungen über antike, mittelalterliche und neuzeitliche Münzen sowie Medaillen aus dem In- und Ausland.



Diese Journale und viele andere numismatische Abhandlungen aus dem 18. Jahrhundert bieten mehr als barocken Schwulst, sondern enthalten viele Details, die für die Beurteilung von Münzen und Medaillen nicht unwichtig sind. Allerdings sind die weitschweifigen Texte nicht jedermanns Sache. In größeren Münzkabinetten kann man solche Folianten studieren und für Betrachtungen numismatischer und allgemein historischer Art gut nutzen.





Erstaunlich sind die fotografische genaue Wiedergabe der betreffenden Prägungen durch Kupferstiche und die phantastische Ausschmückung von allem, was mit Münzen und Medaillen zu tun hat. (Fotos/Repros: Caspar)

Obwohl es Hinweise gibt, dass schon in der Antike Münzen gesammelt wurden, weil man sie schön fand oder sich mit ihnen ein besonderes Ereignis oder eine berühmte Person verband, weil sie als selten galten oder man sie, wie man später in der Barockzeit sagte, "kurios" fand. Doch erst richtig kam das Münzensammeln in der Renaissance auf. In jener Zeit, da sich Gelehrte und Künstler auf die Kultur und Kunst der alten Griechen und Römer besannen und nach Zeugnissen aus diesen Zeiten suchten. Da nimmt es nicht Wunder, dass dabei auch das Geld dieser untergegangenen Völker und Kulturen ins Blickfeld gelangte.

Im 16. Jahrhundert wurden die ersten Bücher und Kataloge über diese Münzen publiziert. Parallel kamen Handbücher heraus, in denen sich Kaufleute und Geldwechsler über die bunte Vielfalt des zeitgenössischen Geldes informieren konnten, ergänzt durch Mandate, in denen Fürsten und Stadtverwaltungen vor schlechtem und gefälschtem Geld warnten. Alle diese Drucke sind ungeachtet ihres beträchtlichen Alters interessante Quellen und verdienen es, das man sich bei der Beurteilung von Münzen und Medaillen bedient.

Edle Einfalt und stille Größe

Die mit Kupferstichen versehenen Folianten sind schön anzusehen, aber ihre wissenschaftliche Aussagekraft muss hinterfragt werden. Ihre Autoren waren noch weit von dem entfernt, was Generationen nach ihnen über das Leben längst vergangener Völker erkundet haben. Erst im 18. Jahrhundert entwickelte sich nicht zuletzt im Lichte von Ausgrabungen und des Studiums schriftlicher Hinterlassenschaften antiker Völker die Altertumswissenschaft. Ihr Begründer, der aus Stendal stammende Johann Joachim Winckelmann, brachte seinen Zeitgenossen und nachfolgenden Generationen die "edle Einfalt und stille Größe" der Griechen nahe und publizierte 1755 in drei Bänden seine "Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in Malerei und Bildhauerkunst" sowie später seine Schrift "Anmerkungen über die Baukunst der Alten" und "Die Geschichte der Kunst des Altertums". Winckelmanns Forschungen hatten großen Einfluss auf die Altertumswissenschaft und Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus. Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe widmete dem am 8. Juni 1768 in Triest von einem Raubmörder getöteten Altertumskundler 1805 seine programmatische Schrift "Winckelmann und sein Jahrhundert".

Es ist überliefert, dass sich fürstliche Heerführer beim Anblick von Kaiserbildnissen auf entsprechenden Römermünzen zu Mut angestachelt gefühlt haben, und auch die Verarbeitung solcher Gepräge zu Hals-, Finger- oder Gefäßschmuck spricht für die neue Wertschätzung alten Geldes. Von da ab war es nicht weit, dass Münzkabinette angelegt und die ersten Kataloge mit Münzabbildungen und -beschreibungen verfasst und veröffentlicht wurden. Selbstverständlich war das in der Barockzeit sogar zu den "ritterlichen Tugenden" gerechnete Hobby nur solchen Personen vorbehalten, die es sich leisten konnten, Silbertaler, Dukaten und andere Raritäten beiseite zu legen, um sich an ihrem Anblick zu erfreuen. Sie fanden nicht immer Beifall, manche Zeitgenossen hielten Münzsammler schlicht für verrückt.

Ahnenreihe bis zu den römischen Cäsaren

Natürlich hatte die Beschäftigung mit Münzen und Medaillen hohe politische Bedeutung, denn Fürsten konnten unter Vorweisen langer geprägter Ahnenreihen ihre vornehme Abkunft bis in graue Vorzeiten und die Legitimität ihrer Herrschaft unter Beweis stellen und diese, mit ein bisschen Schummelei, zu den römischen Cäsaren zurückverfolgen. So wurden fürstliche Münzkabinette in Residenzstädten angelegt. In Berlin ist beispielsweise das Münzkabinett im Bodemuseum auf der Museumsinsel die älteste Sammlung der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz mit einer ins 16. Jahrhundert zurück gehenden Geschichte. Große Sammlungen dieser Art wurden auch in Dresden, Gotha, Paris, Wien, Sankt Petersburg, London und in anderen Städten als Archiv der eigenen Münz- und Medaillengeschichte sowie für numismatische Zeugnisse aus fernen Ländern und Epochen angelegt. Neben solchen Staatssammlungen gab und gibt es unzählige private Kollektionen, die nach dem Tod ihrer Besitzer vielfach großen öffentlichen Kabinetten einverleibt wurden.

Taler-, Dukaten- und Groschenkabinette

Als Orientierungshilfe für ihr Steckenpferd standen Sammlern gedruckte Kataloge und auch schon die ersten Münzzeitschriften zur Verfügung. Berühmt wurden die in Nürnberg zwischen 1729 bis 1750 von Johann David Köhler veröffentlichten "Wöchentlichen Historischen Münzbelustigungen", in denen Münzen und manchmal auch Medaillen barock-umständlich und jedes Mal mit einem Titelkupferstich des betreffenden Stücks vorgestellt wurden. Waren zunächst antike Münzen bei Sammlern beliebt und wurden sie, wenn man keine Originale bei der Hand hatte, auch schon mal nachgeahmt oder frei erfunden, so wandte man sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts auch neueren Münzen zu - erst denen aus dem Mittelalter und dann dem zeitgenössischen Metallgeld. So kamen Taler-, Dukaten- und Groschenkabinette in Mode. Für sie hat man unter diesem Namen dicke Kataloge mit ausführlichen Beschreibungen gedruckt.

Waren zunächst antike Münzen bei Sammlern beliebt und wurden sie, wenn man keine Originale bei der Hand hatte, gelegentlich auch nachgeahmt oder frei erfunden, so wandte man sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts neueren Münzen zu - erst denen aus dem Mittelalter und dann den zeitgenössischen Geprägen. So kamen Taler-, Dukaten- und Groschenkabinette in Mode. Für sie hat man unter diesem Namen dicke Kataloge mit barock-weitschweifigen und sich heute sehr kurios lesenden Beschreibungen gedruckt. Die mit erstaunlich präzisen Kupferstichen ausgestatteten Folianten sind heute große bibliophile Kostbarkeiten von begrenztem wissenschaftlichem Wert, denn natürlich ist die Forschung nicht stehen geblieben, und es gibt bessere und neuere Kataloge und Auflistungen, die ziemlich umfassend über das numismatische Erbe informieren. Auf der anderen Seite wären manche Hintergründe vergessen, hätte man sie nicht vor Urzeiten aufgeschrieben und publiziert.

10. Februar 2020

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