Stadt auf Knochen gebaut
In ihrer 1724 gegründeten Prägefabrik Sankt Petersburg nutzen die Zaren modernste Münztechnik





Als der Petersburger beziehungsweise Leningrader Münzhof 1924 sein zweihundertjähriges Bestehen feiert, wurde ihm eine Plakette aus Bronze gewidmet.





Die in Johann David Köhlers "Historischen Münzbelustigungen" vom 21. September 1746 abgebildete Medaille von 1731 mit dem Bildnis der Zarin Anna und die Medaille der Zarin Katharina II., der Großen, würdigen die Mühen der Regierung um die Verbesserung des russischen Münzwesens und zeigen Spindelpressen, die damals wichtigsten Geräte zum Prägen von Münzen und Medaillen.



Die Medaille von 1899 verbindet die Bildnisse der Zaren Peter des Große und Nikolaus II. mit einer Ansicht des 175 Jahre zuvor gegründeten Münzhofs in Sankt Petersburg.



Die Grafik aus dem 19. Jahrhundert gewährt einen Blick auf die Walzen, mit denen man das Münzmetall zur Prägung vorbereitet hat.



Der 250. Geburtstag der Petersburger beziehungsweise ab 1924 Leningrader Geldfabrik wurde durch verschiedene Medaillen mit Ansichten des Münzgebäudes mit dem sowjetischen Staatswappen im Giebel und Beispielen aus dem Produktionsprogramm gefeiert. Da in der damaligen Sowjetunion militärische und zivile Orden und Medaillen in großen Mengen verliehen wurden, hatte man in dem Staatsbetrieb sehr viel zu tun. (Fotos/Repros: Caspar)

Gegründet von Zar Peter I. am 16. Mai 1703, wuchs Sankt Petersburg mit den Jahren zu einer eine der schönsten europäischen Hauptstädte heran. Mit einer kaum zu beschreibenden Kraftanstrengung und einem hohen Blutzoll war die Stadt an der Newa auf Befehl des Herrschers aller Reußen aus der sumpfigen Erde gestampft wurde. Der russische Zar Peter I., genannt der Große, ging in die Geschichte als derjenige ein, der seinem Land den Weg nach Europa geebnet hat. Auf seiner 6000 Kilometer langen Europareise 1697/98 hatte der junge Selbstherrscher aller Reußen zahlreiche große und kleine Potentaten kennen gelernt, aber auch seinen Bildungsstand vervollkommnet. Während seiner Tour formten sich seine Vorstellungen von der künftigen Gestalt Russlands, und es kam in ihm der Wunsch auf, eine moderne Metropole zu besitzen, die es an Glanz und Größe mit den anderen Hauptstädten des damaligen Europa aufnimmt. Mit der Gründung und dem Ausbau von Sankt Petersburg trat das alte Moskau in die zweite Reihe und wurde aus traditionellen Gründen nur noch als Krönungsstadt gebraucht.

Am 16. Mai 1703 hatte Zar Peter im Beisein seines Gefolges in einer eigenhändig angelegten Grube einen Kasten mit Reliquien des heiligen Andreas niedergelegt, der in Russland besondere Verehrung genoss. Der Selbstherrscher aller Reußen bedeckte den Grundstein mit einer Steinplatte, die ihn ausdrücklich als Gründer der neuen Festung und Residenz nennt. "Hier wird eine Stadt entstehen", rief der Zar und fällte, so die Überlieferung, zwei Birken, deren Kronen zu einem symbolischen Tor verbunden wurden. Der Legende nach soll ein Adler über der Szenerie am Finnischen Meerbusen gekreist und quasi göttlichen Segen gespendet haben. Der Zar opferte der in einem sumpfigen Gelände erbauten Hauptstadt Sankt Petersburg unzählige Menschen. "Ein Recke baute es auf, / Füllt's mit Knochen an zuhauf", heißt es in einem Gedicht über eines ungenannten Dichters über die verlustreiche Arbeit unzähliger Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter.

Eherner Reiter nahm keine Rücksicht

Peter I. schuf aus dem Nichts eine baltische Flotte, die am Ende seines Lebens 32 Linienschiffe, 16 Fregatten und eine große Zahl Galeeren umfasste. Auch das Heer wurde vergrößert und nach dem Standard ausgebildet, den der Monarch auf seiner Tour durch Westeuropa kennen gelernt hatte. Die Welt bewunderte in dem Zaren einen kraftvollen Regenten, der alles im Griff hat und keinen Widerspruch duldet und vor allem als einen, der die finsteren Zustände in seinem Reich zu überwinden. Dass sich der "Eherne Reiter", wie Puschkin ihn nannte, brutaler Herrschaftsmethoden bediente und rücksichtslos seinen Willen durchsetzte, war keine russische Besonderheit, ebenso dass er in seinen Kriegen zu Wasser und zu Lande unzählige Soldaten opferte.

Bis zur Gründung der Petersburger Münzstätte im Jahre 1724 wurde das Geld der Zaren an verschiedenen Stellen des Riesenreiches geprägt. Die wichtigste Produktionsstätte befand sich in Moskau, und das nicht an einer einzigen Stelle, sondern an verschiedenen Orten in der alten Zarenstadt. In der Literatur werden für das 17. Jahrhundert ein Münzhof in der Chinesenstadt erwähnt, dann eine Englische Münzstätte, einen Palastmünzhof und weitere Standorte. Die Existenz verschiedener Münzanstalten mag verwundern, aber dazu ist zu wissen, dass Privatleute vor über 300 Jahren Geldstücke prägen durften, wenn sie über das entsprechende Edelmetall verfügten, bestimmte Vorschriften hinsichtlich des Gewichts und Feingehalts einhielten und pünktlich ihre Abgaben an den Staat entrichteten. Im Jahre 1701, als Peter I., den man später den Großen nannte, Anstalten machte, an strategisch wichtiger Stelle am Finnischen Meerbusen die neue Stadt mit einem eisfreien Hafen zu bauen, waren in Moskau vier Münzstätten unter der Aufsicht von Beamten der Krone tätig.

Prägeanstalt an der Newa 1724 gegründet

Sammler russischer Münzen dieser Zeit kennen die Abkürzungen, nach denen die Herkunft der einzelnen Geldstücke unterschieden wird. Das Wirrwarr mit den kyrillischen, hier lateinisch geschriebenen Buchstabenkombinationen BK, MD, MMD oder NDS wurde im Verlaufe des 18. Jahrhunderts beendet. Moskau zeichnete jetzt einheitlich mit MM, doch schon 1795 wurde dort der Münzbetrieb eingestellt. Die Ausstattung der Münzstätten dürfte bis ins 18. Jahrhundert einfach gewesen sein und den Standard anderer Prägeanstalten weiter westlich gehabt haben. Berichtet wird von Mühlen, die mit Wasserkraft oder durch Göpelwerke unter Verwendung von Pferdekräften bewegt wurden und der Herstellung der Bleche dienten, aus denen man die Ronden für die Münzen schnitt oder schlug. Anfangs bestand die Prägerei aus Handarbeit, bei der man am Amboss mit dem Hammer auf den Stempel schlug. Natürlich ging man auch im Reich des Zaren mit der Zeit, und so wurden im frühen 18. Jahrhundert Spindelpressen installiert, welche die exakte Herstellung großer und schwerer Sorten sowie von Medaillen mit hohem Relief gestatteten. Da die Herrscher aller Reußen viele dieser Sonderprägungen anfertigen ließen und sie oft und gern zu Auszeichnungszwecken und als Histoire métallique zur Verherrlichung ihrer selbst und ihrer Taten nutzten, kamen die großen Pressen mit den langen Armen häufig zum Einsatz.

Durch einen Erlass Peters des Großen für die Gründung einer Prägeanstalt in Sankt Petersburg erhielt Moskau im Jahre 1724 Konkurrenz, was zum allmählichen Niedergang der Münzherstellung an der Moskwa führte. Die Petersburger Fabrik wurde in der Trubezkij-Bastion der stark gesicherten Peter-und-Paul-Festung zunächst für die Verarbeitung von Silber, ab 1755 auch von Kupfer installiert. Peter I. war schon längst tot, als sich zeigte, daß der Münzbetrieb in Sankt Petersburg teurer und umständlicher als in Moskau war. Er wurde daher zwischen 1728 und 1738 geschlossen. Als Zarin Anna Sankt Petersburg offiziell zur Hauptstadt ihres Reiches erhob, wobei Moskau weiterhin Krönungsstadt blieb, wurde die Petersburger Münze reaktiviert und die Hälfte des Moskauer Münzpersonals nach Sankt Petersburg beordert.

Numismatica in nummis

Die an der Newa produzierten Münzen tragen die Signatur SPB‚ SPM und CP. Dazu kam um 1805, als der Münzhof in der Peter-und-Paul-Festung umgebaut wurde, das Zeichen BM für die Bankowsker Münze, die als Außenstelle fungierte. Die Prägeanstalt in einem großen Fabrikkomplex mit einem klassizistischen Eingangsgebäude schaffte den riesigen Bedarf an Rubeln und Kopeken nicht allein. Daher halfen bis ins 19. Jahrhundert in elf anderen Städten des russischen Riesenreiches weitere Fabriken dieser Art, doch stand Sankt Petersburg unangefochten immer an der Spitze. In Sowjetzeiten zeichnete die Münze in Leningrad, dem ehemaligen Sankt Petersburg beziehungsweise seit Beginn des Ersten Weltkriegs Petrograd, mit den kyrillischen Buchstaben LMD.

Sammler des Themas "Numismatica in nummis" kennen Medaillen, auf denen seit dem frühen 18. Jahrhundert Bezug auf die russische Münzprägung genommen wird. Zu nennen sind zunächst Stücke von 1731 mit dem Bildnis der Zarin Anna Iwanowna und einer Moneta als antike Patronin der Münzkunst, die ein Zepter in der Hand hält und sich lässig an eine Spindelpresse lehnt, das Hauptwerkzeug der Barockzeit zur Prägung von Münzen und Medaillen. Die von A. Schultz beziehungsweise I. Kosmin geschaffenen Medaillen sehen ähnlich aus, die eine trägt eine russische Aufschrift, die die Wiederherstellung der "Makellosigkeit" des russischen Münzwesens feiert, die andere tut dies in russischer Sprache. Die Ausgabe von Medaillen mit Inschriften in russischer und in anderen Sprachen war damals nicht ungewöhnlich. Da man auch außerhalb des Zarenreiches mit Hilfe von Medaillen über Leistungen gekrönter Häupter berichten wollte, wurden gelegentlich Versionen auch mit lateinischen Titulaturen und Inschriften hergestellt. Man wollte sicher sein, dass die Botschaften auch im Ausland verstanden werden.

Zarenadler und Spindelpresse

Auf einer Medaille von T. Iwanow aus dem Jahre 1763 kreist der kaiserliche Adler über der Spindelpresse, darüber ist im Dreieck das göttliche Auge zu sehen. Auf der Vorderseite ist die Zarin Katharina II., die Große, abgebildet, die aus dem kleinen deutschen Fürstentum Anhalt-Zerbst stammte und nach der Ermordung ihres Gemahls, des Zaren Peter III., wie ihr Vorbild Peter I. versuchte, ihr Reich dem Westen zu öffnen und umfangreiche Reformen durchzusetzen. 1768 ließ die Kaiserin eine Medaille zum Gedenken an den Präsidenten des Bergkollegiums, I. W. Schlatter, prägen. Die mit dem Bildnis des Geheimen Rats versehene Medaille, eine Arbeit von J. G. Waechter und J. B. Gass, zeigt rückseitig eine Frau an einem Tisch sitzend. Rechts davon steht ein Schmelzofen, im Hintergrund schaut der Arm einer Spindelpresse hervor. Die lateinische Inschrift würdigt Schlatter als einen Mann, der die russischen Münzverhältnisse verbessert hat.

Nicht verwirklicht wurde eine Medaille von 1779, auf der ein Münzarbeiter in einer Grube vor der Spindelpresse sitzt und nebenan eine Frau eine Münzwaage hoch hält. Ein Bezug auf russische Hauptmünzstätte Sankt Petersburg ist nicht zu erkennen. Doch darf man annehmen, dass das Geld der Zaren dort an langen Batterien von Spindelpressen hergestellt wurde, natürlich mit Hilfe von Münzarbeitern, die die Schwungarme anwerfen. Eine Medaille von 1896 ist der Pariser Münze gewidmet. Das von Follendorf und Steinmann geschaffene Stück betont, dass die Gründung der Petersburger Münze auf Peter I. zurück geht, eine zweite, von den gleichen Künstlern geschaffene Medaille von 1899 zum 175jährigen Bestehen bildet die Köpfe von Peter dem Großen und Nikolaus II. ab. Nach dessen Entmachtung 1917 und Ermordung ein Jahr später durch die Kommunisten präsentierte sich der nunmehrige Leningrader Münzhof auf einer Plakette mit einer rückseitigen Chronik.

Soldat bewacht Münzarbeiter

Bliebe zu sagen, dass 1924 der 200. Geburtstag der Petersburger Münze mit einer eindrucksvollen Medaille gewürdigt wurde, welche die Fortschritte in der Geldfabrikation verdeutlicht. Auf der Vorderseite sind zwei von einem Soldaten bewachte Münzarbeiter mit der Hammerprägung beschäftigt, wie sie zur Zeit Peters des Großen vielfach noch üblich war. Um die Hände vor dem Schlag zu schützen, wird der Oberstempel von einer Zange festgehalten. Auf der Rückseite der sehr seltenen Medaille von S. Martynow sind Arbeiter an Uhlhorn' schen Kniehebelpressen zu sehen, damals das Beste auf dem Gebiet der Prägemaschinen vor Erfindung computergesteuerter Automaten. Neben diesen Medaillen mit Münzmaschinen und Münzarbeitern gibt es weitere russische beziehungsweise sowjetische Medaillen und Plaketten, die den Münzhof in Sankt Petersburg beziehungsweise Leningrad als Fabrik mit rauchenden Schloten abbilden.

Zu ihrem 250. Gründungsjubiläum 1974 brachte die Leningrader Münze mehrere Medaillen heraus. Immer wiederkehrend sind die Ansichten des Hauptgebäudes mit dem sowjetischen Staatswappen im dreieckigen Giebel, unterschiedlich dagegen die Rückseitenmotive mit Orden, Medaillen und Münzen. Ganz klein eingeprägt das Signet der Fabrik LMD, das auch auf einem am Band tragbaren Treuezeichen für langjährige Mitarbeit erscheint. Abweichend davon kam im gleichen Jahr eine Medaille heraus, die die Arbeit der Graveure würdigt. Mit einem Stichel wird in römischen Zahlen die Ziffer 250 in einen Stempel geschnitten. Technisch interessant ist diese mit A. Schagin signierte Medaille durch die vertieften Inschriften, denn üblicherweise erscheinen Buchstaben und Zahlen erhaben. Wenn man die ab 1703 in Sankt Petersburg geprägten Medaillen nebeneinander, dann kommt eine bedeutsame, wegen der vielen Raritäten allerdings auch teure Sammlung zusammen.

17. März 2020

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