Königskrone statt Kurhut
Warum im frühen 19. Jahrhundert Bildnisse und Wappen auf sächsischen Münzen verändert wurden



Der aus rotem Samt mit Hermelinbesatz gefertigte Kurhut wurde bis zum Ende des Römisch-deutschen Reichs 1806 ist in der Rüstkammer des Dresdner Resaidentschlosses ausgestelt.







Signifikant sind die Unterschiede auf dem letzten kurfürstlichen Bergbautaler und dem ersten königlichen Taler Friedrich Augusts III./I. aus dem Jahr 1806.



Nach seiner Rückkehr aus preußischer Gefangenschaft regierte "Friedrich August der Gerechte", wie man ihn nannte, noch bis 1827 sein deutlich verkleinertes Reich. Sein Denkmal steht auf dem Dresdner Schlossplatz.



Der Engel dankt auf der Medaille von 1806 dem Himmel für die Krone, mit der sich Friedrich August, der neue König von Sachsen, schmücken durfte.



Nichts deutet auf der Medaille von 1806 darauf hin, das Kurfürst Friedrich August III. mit Preußen die Schlacht von Jena und Auerstedt verlor und nach dem Wechsel auf die französische Seite und dem Beitritt zum Rheinbund mit dem Königstitel belohnt wurde.



Der Probetaler von 1813 ist ein Beispiel dafür, wie in Sachsen um neue Münzdesigns gerungen wurde. Diese und andere Silbermünzen schafften es nicht nur Massenprägung.



Bis zu seinem Tod hat man Friedrich August I. von Sachsen nie ohne Perücke gesehen, so ist er auch auf dem Sterbetaler von 1827 verewigt. (Foto/Repros: Caspar



Im frühen 19. Jahrhundert wurde die europäische Landkarte umgemodelt, Königreiche und Fürstentümer wurden liquidiert beziehungsweise neu geschaffen. Alteingesessene Dynastien wurden gestürzt und vom neuen starken Mann in Europa, Napoleon Bonaparte, seit 1804 Kaiser Napoleon I., durch neue, Frankreich ergebene oder aus dem Bonaparte-Clan stammende Herrscher ersetzt. Es fand ein schlimmes Geschacher um Titel und Throne, Pfründe und Privilegien statt, und wer sich als erster dem ebenso bewunderten wie gefürchteten Aufsteiger Bonaparte andiente, hatte die besten Chancen, von ihm mit Land und Leuten bedacht zu werden. Einer der Profiteure dieser Entwicklung war der sächsische Kurfürst Friedrich August III. Er tauschte 1806 seinen Kurhut mit der Königskrone und ließ gleich nach seiner Erhebung als Friedrich August I. zum König von Sachsen die Münzstempel verändern. Solange Napoleon I. Kaiser der Franzosen und der mächtigste Mann in Europa war, hielt der erste Sachsenkönig in Treue fest zu ihm und wurde dafür mit dem Herzogtum Warschau belohnt. Es bestand aus polnischen Gebieten, auf die der im Krieg von 1806/7 gegen Frankreich unterlegene König Friedrich Wilhelm III. von Preußen hatte verzichten müssen.

Im Ergebnis der Französischen Revolutionskriege gab es in Europa machtpolitische Veränderungen gewaltigen Ausmaßes. Auf Grund des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 die Zahl der geistlichen und weltlichen Fürstentümer im römisch-deutschen Reich stark schrumpfte, war ein geschichtlicher Fortschritt und ein wichtiger Markstein auf dem Weg zur Vereinheitlichung des Münzwesens und zur deutschen Einheit, die 1871 durch die Gründung des deutschen Kaiserreichs erreicht wurde. Eine Statistik besagt, dass durch den Reichsdeputationshauptschluss 112 deutsche Reichsstände rechts des Rheins die Souveränität verloren, und zwar fast alle geistlichen Fürstentümer sowie 44 Reichsstädte und eine Vielzahl von kleinen Fürstentümern und Herrschaften. Preußen wurde mit dem Fünffachen seiner linksrheinischen Gebietsverluste entschädigt, Baden erhielt das Achtfache und Württemberg das Vierfache. Vergrößert wurden auch Österreich, Bayern, Hannover, Oldenburg, Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Nassau und andere Fürstentümer.

Abschied von der zopfigen Zeit

Es versteht sich, dass solche Gebietszuwächse die Abneigung gegenüber Frankreich und seinem starken Mann, Bonaparte, milderte, allerdings auch nur für die Zeit, in der er die Geschicke des Kontinents bestimmte. Die Abschaffung der Miniaturfürstentümer und die Gebietsveränderungen wurden von den einen begrüßt und als längst fälliger Abschied von einer altertümlichen, zopfigen Zeit empfunden. Andere sahen darin einen Angriff auf ihre Souveränität, Rechte und Freiheiten. Die betroffenen Reichsfreiherrn, Grafen und Fürsten sowie die Reichsäbte und Bischöfe ließen sich die Enteignungen mit hohen Abfindungen und vielen Sonderrechten vergolden.

Am 6. August 1806 erklärte der römisch-deutsche Kaiser Franz II., sein Amt nicht mehr ausführen zu können. Er entband alle Kurfürsten, Fürsten und Stände von den Pflichten gegenüber ihm, dem gesetzlichen Oberhaupt des Reiches, und nannte sich fortan Kaiser Franz I. von Österreich. Nach 844 Jahren hatte der im Jahre 962 von Kaiser Otto dem Großen gegründete Staatenbund auf schmähliche Weise aufgehört zu bestehen, und kaum jemand weinte ihm eine Träne nach. Kaiser Franz sah sich zu dem Schritt genötigt, nachdem drei Wochen zuvor unter dem Protektorat von Europas starkem Mann, Napoleon I., der Rheinbund gegründet worden war. Dessen Mitgliedererklärten ihren Austritt aus dem Reichsverband und stellten sich unter den Schutz des Kaisers der Franzosen. Dafür wurden sie mit Standeserhöhungen und manchem territorialem Zuwachs belohnt.

Treuer Gefolgsmann Napoleons I.

Friedrich August I. von Sachsen war ein treuer Gefolgsmann des Franzosenkaisers. Im Oktober 1806 waren seine Truppen mit dem preußischen Heer bei Jena und Auerstedt geschlagen worden. Während Friedrich Wilhelm III. von Preußen den Krieg noch eine Weile fortführte und 1807 im Frieden von Tilsit mit Frankreich die Hälfte seines Staatsgebietes und seiner Untertanen verlor, wechselte der sächsische Kurfürst auf die Seite seines bisherigen Gegners, trat dem Rheinbund bei und erhielt die Zustimmung Napoleons I. für die Annahme des Königstitels. Sofort wurden Stempel für Münzen mit dem neuem Königstitel und einem veränderten Sachsenwappen geschnitten. Die neuen Münzen Friedrich August I. verpflichtete sich gegenüber seinem kaiserlichen Beschützer zur unverbrüchlichen Bündnistreue und zur Stellung von Soldaten, die in die französische Armee eingegliedert wurden und mit ihr einen hohen Blutzoll leisten mussten.

König Friedrich August I. von Sachsen dokumentiert die Annahme seines neuen Titels durch Münzen, die ihn nicht mehr wie in einer Ritterrüstung zeigen, sondern nur seinen Kopf zeigen. Der Titel eines Herzogs von Sachsen und Kurfürst wurde in REX SAXONIAE umgewandelt. Auch auf der Wappenseite gab es eine wichtige Neuerung. Das aus den gekreuzten Schwertern und der Rautenkrone bestehende kursächsische Wappen unterm Kurhut wurde durch das Rautenwappen mit der Königskrone darüber ausgetauscht, flankiert von Palmenwedeln. Da es damals eine recht umfangreiche Prägung von Talern und anderen Werten gab, sind diese Stücke recht preiswert zu haben, von seltenen Ausgaben und solchen in exzellenter Erhaltung abgesehen. Zu den Raritäten dieser Zeit stammen Probestücke, die vor allem in der Wappengestaltung von der Norm abweichen. Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig änderte alles

Als einer der treuesten Vasallen des Kaisers der Franzosen wurde Friedrich August I. zum Herzog von Warschau erhoben, das aus ehemals preußischen Gebieten gebildet wurde. Selbstverständlich tragen Münzen und Medaillen auch dieser Tatsache Rechnung, wie überhaupt viele Ereignisse im langen Leben des sächsischen Kurfürsten und Königs auf geprägtem Metall dokumentiert wurden - prächtige Staatsbauten, Friedensschlüsse, die Reichsvikariate von 1790 und 1792, der Beitritt zum Rheinbund und die Annahme der Königswürde 1806, die guten Beziehungen zu Kaiser Napoleon I., aber auch verschiedene Familienereignisse und Regierungsjubiläen.

In der Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 kämpfte Sachsen als Verbündeter an der Seite Frankreichs und erlitt mit diesem eine herbe Niederlage. Friedrich August I. geriet in preußische Gefangenschaft und kehrte erst 1815 zurück und herrschte noch weitere zwölf Jahre über ein Land, das durch preußische Annexionen erheblich kleiner geworden war und demzufolge auch an Einfluss eingebüßt hatte. Der Sachsenkönig musste 1815 zwei Drittel seines Territoriums an Preußen abtreten. Liebend gern hätte Friedrich Wilhelm III. von Preußen auf dem Wiener Kongress den "grünen Frosch", also ganz Sachsen geschluckt, doch haben diesen Plan die anderen Mächte verhindert, um Preußen nicht übermächtig werden zu lassen.

Bronzedenkmal auf dem Dresdner Schlossplatz

Wer den Ehrentitel "der Gerechte" für Friedrich August I. erfunden hat, dessen von Ernst Rietschel geschaffenes Bronzedenkmal auf dem Dresdner Schlossplatz steht, ist nicht bekannt. Er drückt offenbar die Weisheit und Friedfertigkeit des Kurfürsten, der zum König aufstieg, aus, meint aber wohl auch seine Mühen, seinem kleinen Reich Ausgleich und Wohlstand zu bescheren. In seiner ungewöhnlich langen Regierungszeit von 1763 bis 1827 führte Friedrich August der Gerechte Sachsen durch eine Zeit großer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Konflikte und Entwicklungen. Er linderte durch ein großartiges Wiederaufbauprogramm die verheerenden Folgen des Siebenjährigen Krieges, in dem Preußens König Friederich II. Kursachsen wie eine Kolonie behandelt und ausbeutet hatte, und er machte Schluss mit dem höfische Luxus und der unseligen Günstlingswirtschaft seiner Vorgänger. Auf dem Programm stand die Förderung der Schulen und des Bildungswesens sowie der Künste und Wissenschaften.

Schon als Fünfzehnjähriger stiftete er, von klugen Beratern inspiriert, die Freiberger Bergakademie und gab den Landesuniversitäten in Wittenberg und Leipzig neue Entfaltungsmöglichkeiten. Innovation und Engagement wurden durch Prämientaler und Medaillen mit seinem Bildnis gewürdigt und stimuliert. Die Lernfähigkeit und Aufgeschlossenheit des Kurfürsten und späteren Königs ging nicht so weit, dass er "französische Verhältnisse" in seinem Reich zugelassen hätte. So ließ er 1790 einen Bauernaufstand blutig niederschlagen und begegnete auch später allen Veränderungswünschen mit Unverständnis und der ganzen Härte der damaligen Gesetze.

Als Jüngling und als Greis nur mit Perücke

Friedrich August III./I. hätte sich nur zu gern aus den Konflikten seiner Zeit herausgehalten, doch lebte er nicht auf einer Insel der Seligen. Als Mann der Tradition und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation betrauerte er die Auflösung dieses Staatenbundes 1806, tröstete sich jedoch durch die Annahme des Königstitels. Seine Münzen und Medaillen präsentieren ihn als Jüngling, als Mann in den besten Jahren und als Greis. Nie zeigte er sich ohne Zopf und gelockten Haaren, und als Mann des Ancien régimes trug er auch dann noch eine Puderperücke, als diese schon längst aus der Mode war. Als der erste Sachsenkönig am 5. Mai 1827 in Dresden mit 76 Jahren starb, hofften viele Menschen vergeblich auf einen Neuanfang, auf eine Liberalisierung der politischen Verhältnisse. Seine Nachfolger konnten sich nicht entschließen, das Land liberalen und demokratischen Strömungen zu öffnen.

2. Dezember 2020

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