"Um die Zukunft des Bargeldes ist mir nicht bange"
Dr. Andreas Schikora schaut auf 16 Jahre erfolgreiche Arbeit als Geschäftsführer der Staatlichen Münze Berlin zurück



In einer früheren Glasfabrik an der Ollenhauerstraße 97 im Bezirk Reinickendorf hat die Staatliche Münze bessere Arbeitsmöglichkeiten als je zuvor.



Auch künftig werden Kurs- und Gedenkmünzen gebraucht, ist sich der langjährige Geschäftsführer der Staatlichen Münze Berlin, Andreas Schikora sicher.





Bis zu 850 Münzen in der Minute schafft ein moderner, fast geräuschlos arbeitender Prägeautomat, die Stempel müssen nach etwa 100 000 Hüben ausgewechselt werden.





Auch künftig sollen Ausstellungen in den Räumen der Berliner Münze möglich sein, historische Maschinen und Geräte stehen dafür zur Verfügung.





Neben Medaillen für fremde Auftrageber brachte und bringt die Berliner Münze auch eigene Serien zum Gedenken an Ereignisse und Gestalten der Landesgeschichte heraus und findet damit viele begeisterte Sammler. Die Medaillen zeigen das Humboldt-Denkmal am Tegeler Hafen und das Pankower Rathaus sowie die beliebten Pandabären im Berliner Zoo.



Seit 1750 zeichnen alle in Berlin geprägten Kurs- und Gedenkmünzen mit dem Kennbuchstaben A, hier zu sehen auf einer silbernen Sonderausgabe zu zehn Euro anlässlich des 250. Geburtstags des Berliner Bildhauers und Grafikers Johann Gottfried Schadow. (Fotos: Caspar)

Über 16 Jahre hat Dr. Andreas Schikora als Geschäftsführer die Geschicke der Staatlichen Münze Berlin geleitet. Zum Jahresende 2020 schied er aus privaten Gründen aus und wandte sich neuen Aufgaben zu. Bevor er die Leitung an seinen Stellvertreter Jürgen Stolz abgab, bestand die Möglichkeit zu einem Gespräch, in dem er eine erfolgreiche Bilanz zog und erwartungsvoll in die Zukunft schaute. Als der studierte Betriebswirt 2004 die Geschäftsleitung in der Berliner Münze übernahm, war der Traditionsbetrieb noch im alten Münzgebäude am Molkenmarkt in der Mitte Berlins untergebracht. "Der Umzug in eine ehemalige Glasfabrik an der Ollenhauerstraße 97 im Bezirk Reinickendorf erwies sich als großer Schub, denn eine moderne und effiziente Fertigung war am alten Standort nicht oder nur mit sehr viel Aufwand möglich. Das Hauptproblem war die innerbetrieblichen langen Wege mit den entsprechenden Logistikproblemen. Auch die baulichen, klimatischen sowie sicherheitsspezifischen Mängel waren hinderlich. Am neuen Standort konnten wir am ,grünen Tisch' die optimalen Betriebsabläufe planen und dann entsprechend umbauen."

Im alten, bis 1990 tätigen Volkseigenen Betrieb Münze der DDR gab es eine sehr große Belegschaft. Von den rund 200 Kolleginnen und Kollegen zur Wendezeit 1989/90 pendelte sich die Münze Berlin auf das westdeutsche Mitarbeiter-Niveau mit etwa 70 Beschäftigten ein. "Bei der Technik war das anders gewesen. Der VEB Münze hatte schon mit West-Maschinen produziert. Die Prägeleistung von bis zu 850 Stück pro Minute, das hat sich beim Umlaufgeld nicht verändert. Veränderungen und Investitionen gab es bei der Herstellung der Prägestempel. Deren Lebensdauer beträgt zwar nach wie vor im Schnitt 100.000 Stück. "Bei der Herstellung der Stempel setzen wir elektrochemische Verfahren sowie Laser zur Herstellung und vollautomatische Maschinen zur Oberflächenbehandlung ein."

Alle haben mitgezogen

Als er gefragt wurde, ob er die Geschäftsführung des Traditionsbetriebs übernehmen wolle, habe er sofort zugesagt, berichtet Schikora weiter. "Als Betriebswirt für alle Abläufe verantwortlich zu sein, ist eine tolle Sache. Als ich 2004 anfing, ging es aber nicht nur um Münzen, sondern auch um Medaillen. Die Aufgabe bestand darin, für eine vernünftige Aufbau- und Ablauforganisation zu sorgen. Ist alles gut geordnet? Stimmt die Aufgabenverteilung? Sind die Verantwortlichkeiten klar und abgegrenzt? Stimmen die Abläufe? Weiß jede und jeder, was er oder sie zu tun hat. Ich habe mir mit externer Unterstützung hier ein Bild verschafft und auch testweise die Abläufe im Detail angesehen. Und ja, es gab einiges zu tun. Aber es haben alle mitgezogen, und der Umzug von 2006 hat hier auch viel beigetragen. Wir sind jetzt bei einer stabilen Produktion von jährlich etwa 200 Millionen Münzen für den Bund sowie etwa 500.000 Medaillen bei über 200 Motiven im Jahr. Die Fertigung der Medaillen erfolgt in der Regel durch fremde Aufträge, und das gilt auch für die Nachprägungen, für die es in der Sammlerschaft großes Interesse gibt. Die Original-Münzen kann man sich nicht immer beschaffen, weil sie knapp und teuer sind. Also wird die Kopie attraktiv. Unsere Nachprägungen sind aus technischer Sicht fast besser als das Original. Natürlich sind sie nach den gesetzlichen Vorschriften entsprechend gekennzeichnet."

Die Berliner Münze Berlin blickt auf eine lange, sehr lange Tradition zurück. Zur Frage, ob dort auch die Betriebsgeschichte vor allem der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erforscht wird und wie die Aktenlage aussieht, sagte Schikora: "Hier gibt es einige gute Ansätze, wie z.B. Publikationen ehemaliger Betriebsleiter oder auch Forschungen aus dem musealen Bereich wie z.B. des Berliner Münzkabinetts. Die Aktenlage sieht aus, wie in einem Betrieb, der im Krieg teilweise zerstört wurde, der in einem anderen Gesellschaftssystem neu errichtet wurde, der dann später wiederum in einem antagonistischen System wieder völlig neu aufgestellt werden musste. Ich habe bei meinem Antritt 2004 veranlasst, dass eine wissenschaftliche Mitarbeiterin einige Jahre zumindest unsere Bestände an Gipsmodellen, Werkzeugen, Prägestempeln sowie Münzen und Medaillen erfasst und ordnet. Über diesen gesicherten Status sind wir nicht hinweggekommen. Das ist noch eine Zukunftsaufgabe."

Sicher wird es neue Ausstellungen geben

In den vergangenen Jahren hat die Staatliche Münze Berlin mehrere Ausstellungen in ihren Räumen an der Ollenhauerstraße 97 veranstaltet, so "Münztechnik auf Münzen und Medaillen" (2006), "Deutsche und internationale Zwei-Euro-Münzen" (2009), "Wir sind ein Volk - Gemeinsame Münzprägung in einem geteilten Land" (2010), "Münzfries von Johann Gottfried Schadow" (2014) und "500 Jahre Reformation" (2017). Wie es nach dem "Stabwechsel" damit weiter geht sagte der scheidende Geschäftsführer: "Solche Projekte kosten immer viel Zeit und Kraft. Wie Sie an den von Ihnen genannten Titeln sehen, waren die Ausstellungen immer mit Themen von Gedenkmünzen verbunden, die wir gerade für den Bund geprägt haben. Das passt nicht immer. Ich denke, dass es auch in Zukunft wieder Ausstellungen geben wird, wenn die Münze Berlin ein spannendes Motiv prägen darf und das auch so frühzeitig erfährt, dass eine Ausstellung konzipiert werden kann."

Die Berliner Münze war lange Zeit beratend und entscheidend an der Gestaltung der deutschen Kurs- und Gedenkmünzen beteiligt. Andreas Schikora bedauert, dass die deutschen Münzstätten seit einigen Jahren von dem Auswahlverfahren ausgeschlossen. "Wir haben daher keinen Einfluss mehr auf die Parameter, die in den Entscheidungen eine Rolle spielen." Man kann dieser Feststellung nur die Hoffnung hinzufügen, dass sich diese Haltung im Interesse der Münzkunst irgendwann wieder zum Positiven ändert.

Berlin-Medaillen sind beliebte Sammelstücke

In der Amtszeit von Andreas Schikora wurden zahlreiche Medaillen auf Ereignisse und Gestalten der Zeitgeschichte sowie solche mit Berlin-Bezug geprägt. Besonders erfolgreich waren die Berlin-Medaillen und solche, die in irgendeiner Form aktuell waren und die die Menschen emotional angesprochen haben. "So waren z.B. unsere Gedenkprägungen zum Abschied des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit oder die farblich beschichtete Medaille zu 70 Jahren Currywurst innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Aber es ist nicht immer leicht, Themen zu finden, die einen Erfolg garantieren. Da muss man auch mal den Mut haben, auf eine Ausgabe zu verzichten. Ich glaube, dass Jürgen Stolz wird hier den richtigen Mittelweg finden wird."

Zur Frage, wie es mit dem Hartgeld angesichts des Vormarsches von Kreditkarten oder Online-Bezahlung weitergehen wird, schaut Schikora positiv in die Zukunft. "Banknoten und Münzen wird es immer geben, da es einfach, schnell und sicher ist. Dieses Bargeld ist das einzige Zahlungsmittel, das wirklich alle verstehen können. Im Dezember 2020 hat die EZB eine große Studie zum Zahlungsverhalten der Europäerinnen und Europäer veröffentlicht. Danach dominiert in ganz Europa mit 73 Prozent Anteil an den Zahlungen an der Kasse und zwischen Personen das Bargeld gegenüber anderen Zahltechniken. Von daher ist mir um die Zukunft des Bargeldes und der Münzstätten nicht bange."

4. Dezember 2020

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