Als der Schwarze Tod kam
Statt auf Hygiene zu achten, vertraute man in alten Zeiten Amuletten und Zaubersprüchen und zettelte Pogrome an





Die erzgebirgischen Pesttaler mit Christus im Kreise seiner Jünger und einer Auferstehungsszene, der braunschweigische Pesttaler mit der Kreuzigung und der Auferstehung und al die vielen anderen Pestmünzen und -medaillen nutzten vor allem den Herstellern. Wer sich vor Epidemien schützen wollte, musste andere Maßnahmen ergreifen.





Beliebt als Amulette waren die mansfeldischen Spruchtaler mit dem drachentötenden Georg als Schutzpatron und der Aufschrift "Bei Gott ist Rat und Tat" und die Medaillen aus Kremnitz, die den Drachentöter mit einem Schiff im aufgewühlten Meer kombinieren, in dem Christus beruhigend auf seine Jünger einwirkt und "Sicherheit im Sturm" verheißt.



Ein an der Vogelmaske erkennbarer Pestarzt ist auf dem Weg zu seinen Patienten, rechts schaut ein Mediziner bei der Zubereitung von Arzneien zu, die zwar teuer waren, aber in bei Seuchen und anderen Infektionen wenig halfen.



Leonhart Thurneisser zum Thurn ging als Drucker und Verleger, als Arzt, Apotheker und Alchemist in die Geschichte ein. Der Holzschnitt von 1578 neben seinem Wappen zeigt ihn im 48. Lebensjahr.



Bei den immer wiederkehrenden Epidemien stießen die Ärzte an ihre Grenzen, und der der Tod hielt unter den Menschen reiche Ernte. Die Holzschnitte aus der Zeit vor und nach 1500 zeigten die Behandlung von Menschen, die an der "Lustseuche" genannten Syphilis erkrankt sind, rechts kommt "Gevatter Tod" als Begleiter eines Geistlichen daher. (Fotos/Repros: Caspar)

Wir erleben gerade, wie der aus China eingeschleppte Coronavirus unsere schöne heile Welt angreift. Die Epidemie versetzt Leute in Panik, das Zusammenleben wird massiv gestört, das Gesundheitswesen stößt an seine Grenzen. Festspiele, Messen, Konzerte, Fußballturniere und andere Großveranstaltungen, bei denen viele Menschen zusammenkommen, werden abgesagt. Nach chinesischem Vorbild werden Städte und Regionen, in denen Corona festgestellt wurde, unter Quarantäne gestellt. In fernen Ländern sitzen Hotelgäste fest, und Kreuzfahrtschiffe kommen nicht weiter. Dort müssen schlimme Zustände herrschen, denn das Nichtstun und die Ungewissheit gehen an die Substanz. Es gibt Hamster- und Angstkäufe, Atemschutzmasken werden im Internet zu Wucherpreisen verkauft. Die Gesundheitsbehörden in Deutschland haben Pläne für einen solchen Krisenfall, doch ist ihre Umsetzung schwierig. Es fehlt vielfach an Betten und Personal.

Angesichts dieser Meldungen lohnt ein Blick ins Mittelalter, als unzählige Männer, Frauen und Kinder dem Schwarzen Tod zum Opfer fielen. Die Mittel, der Seuche beizukommen, waren wenig effektiv. Die Obrigkeiten und das medizinische Personal mussten tatenlos zusehen, wie einzelne Menschen und ganze Familien, ob sie denn arm oder reich waren, binnen weniger Tage an der Pest starben. Ihnen ein christliches Begräbnis zu gewähren, war in vielen Fällen nicht möglich. Daher warf man die in Tücher gehüllten Toten in Gruben und schüttete Erde darauf. Archäologen haben überall Knochenberge als grausige Zeugnisse für das Wüten der Pest gefunden.

Beulenpest als göttliche Strafe gedeutet

Für den Ausbruch der Epidemie wurden unterschiedliche Ursachen verantwortlich gemacht. Man sah in der "Beulenpest" eine göttliche Strafe für sündhafte Lebensweise, verdächtigte aber auch den ungünstigen Stand der Gestirne sowie das Wirken von Hexen und Zauberern. Man hat die Schuld am "Großen Sterben" auf Juden abgewälzt und dem Volkszorn durch Pogrome mit Feuer und Schwert Luft verschafft. Dass die Seuche von so "Pestflöhen" durch Ratten in den eng bebauten Städten verbreit wird, ja dass es spürbar an Hygiene mangelte spielte bei den Mutmaßungen keine Rolle.

Zur Abwehr der Pest hat man da und dort spezielle Amulette am Körper getragen oder an der Kleidung befestigt. Es wurden Medaillen und Münzen hergestellt, die an die todbringende Seuche erinnern und den Blick auf eine gottgefällige Lebensweise richten. Die kunstvoll mit Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament geschmückten Stücke kommen oft vergoldet und mit einem Henkel oder einem Schmuckrand versehen vor. Die große Zahl von Stempelvarianten deutet darauf, dass die Pesttaler beliebt und weit verbreitet waren. Viele Arbeiten dieser Art sind im Katalog von Pfeiffer und Ruland "Pestilentia in nummis" (Tübingen 1882) und in anderen Büchern publiziert. Sie sind aber auch in den Angeboten des Münzhandels verzeichnet.

Wie wir aus dem "Handbuch der gesammten Münzkunde für Münzliebhaber und Geschäftsleute" (Halle und Berlin 1811) erfahren, ließ die Stadt Erfurt einen Pestpfennig mit der vorderseitigen Inschrift "A. 1597 sein in Erfurt gestorben 7765 Menschen" sowie auf der Rückseite "A. 1598 sein zusammengegeben in Erford 556 Bar, gedauf 532, gestorben 424". Ferner werden in dem Buch Pestmünzen und -medaillen von Hamburg, Regensburg, Breslau und Wien erwähnt. Dazu müssen weitere Ausgaben im Gewicht von einem oder mehreren Talern sowie von Teilstücken gezählt werden, darunter solche aus der Stadt Braunschweig und aus erzgebirgischen Münzstätten. Eines der Zentren war die böhmische Bergstadt Sankt Joachimsthal, die uns als Geburtsort und Namensgeber des Joachimsthalers oder Talers bestens bekannt ist. Die Bergstadt war nicht nur Prägestätte erst der Silbermünzen der Grafen von Schlick und dann der böhmischen Könige, sondern auch Wohnort und Arbeitsstätte von Gold- und Silberschmieden.

Sicherheit im Sturm

In zahlreichen Abwandlungen und sogar Ausführungen aus Gold überliefert sind die Kremnitzer Georgs- und Schiffsmedaillen mit dem Motto "Sicherheit im Sturm". Ihr Motiv bezieht sich auf ein Gleichnis im Markusevangelium 4,38-41, das in der Lutherbibel von 2017 so formuliert ist: "Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen: Lasst uns ans andre Ufer fahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm. Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind!"

Die seit der Erfindung der Buchdruckerkunst Mitte des 15. Jahrhunderts überall in Umlauf gesetzte Pestliteratur riet, sich vor Totengräbern, Leichenwäschern, Abdeckern, Henkern, Krüppeln, Zigeunern, Hexen und Juden fernzuhalten und alles Saufen, Ehebrechen und andere Todsünden zu unterlassen. Als bestes Mittel, der nach Hunger und Krieg zu den großen Plagen der Menschheit zählenden Pest zu entkommen, wurden Gottesfurcht, Enthaltsamkeit sowie Flucht in entlegene Gebiete anempfohlen, was allerdings zur Folge hatte, dass die Pest auch dort grassierte.

Gute Geschäfte mit Amuletten

Erst im Laufe des 16. Jahrhunderts schwante einigen besonders hellsichtigen Medizinern, dass nicht giftige Winde und sündiges Leben Auslöser der Pest sind, sondern durch gewisse "Körperchen" von Mensch zu Mensch übertragen werden. Deshalb wurde zur Abwehr geraten wurde, die Wohnungen auszuräuchern sowie allerlei Gewürze im Mund kauen und heilsame Kräuter in der Kleidung mit sich zu führen. Wenn nichts mehr half, sollte man sich auf Amulette wie die Pesttaler mit Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament verlassen, mit denen die Hersteller ein gutes Geschäft machten. Natürlich haben solche Mittel damals nichts geholfen, und auch heute entfalten sie nur noch als interessante Sammelstücke eine wohlige Wirkung.

Historiker haben errechnet, dass einer besonders großen Seuchenwelle zwischen 1347 und 1352 in verschiedenen europäischen Ländern nicht weniger als 25 Millionen Menschen zum Opfer fielen, ein Drittel der Bevölkerung auf dem Kontinent. Als 1576 die Pest wieder einmal die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt Berlin heimsuchte, zählte ein Chronist an die 4000 Todesopfer, "und do vonn Burgern nicht so eine grosse anzal ausgezogenn und vorgewichen gewesen, wurden ihrer Zweiffels ohn vielmehr auff dem plan blieben sein", was nichts anderes bedeutet, als dass noch mehr Menschen durch die "pestilenzische seuche" hingerafft wurden. Dass 1710 vorsorglich außerhalb von Berlin ein Pesthaus eingerichtet wurde, die spätere Charité, geht auf die panische Furcht des Königs Friedrich I. vor dem Übergreifen der Pest aus Ostpreußen. Da sie die Hauptstadt nicht erreichte, konnte das erste öffentliche Krankenhaus schon bald zur Versorgung "normaler" Patienten verwendet werden.

Sauberkeit in der Stadt anempfohlen

Die seit der Erfindung der Buchdruckerkunst Mitte des 15. Jahrhunderts überall in Umlauf gesetzte Pestliteratur riet, sich vor Totengräbern, Leichenwäschern, Abdeckern, Henkern, Krüppeln, Zigeunern, Hexen und Juden fernzuhalten und alles Saufen, Ehebrechen und andere Todsünden zu unterlassen. Als bestes Mittel, der nach Hunger und Krieg zu den großen Plagen der Menschheit zählenden Pest zu entkommen, wurden Gottesfurcht, Reinlichkeit und Enthaltsamkeit sowie Flucht in entlegene Gebiete gepriesen, was allerdings zur Folge hatte, dass die Pest auch dort grassierte. Ein anlässlich der 1576 in Berlin grassierenden Pest publiziertes Plakat aus der Offizin des dort lebenden Verlegers, Druckers, Arztes und Alchemisten Leonhart Thurneisser zum Thurn charakterisiert die Pest als giftige Rute göttlichen Zorn, die in größeren Abständen zur Züchtigung der Menschen ausgeschickt wird, und rät den in Angst und Schrecken versetzten Menschen, das Weite zu suchen. Wer das nicht konnte oder wollte, dem wurde die Einnahme von Arzneien empfohlen, die Thurneisser in seiner Apotheke herstellte und die ihn, neben anderen Tätigkeiten, zu einem wohlhabenden Mann machten.

Der Arzt legte seinen Mitbürgern ans Herz, für eine gute Ordnung überall in der Stadt zu sorgen und ihre Umgebung sowie ihre Häuser und Gemächer von "stinkenden materi und unraht" zu befreien. Der Mist solle von den Straßen entfernt werden, und bei Vollmond möge man Sand und Kieselsteine in die Brunnen werfen "dodurch // sich das schleimige wasser purgiere [säubert, H. C.]". Auch möge man kein Wasser von gewaschenem Fleisch oder Fischen sowie Harn, Seifenwasser und anderen Unrat auf die Gassen schütten "sundern solches sol in die Sprew getragen / und darein gegossen werden". Thurneisser rät darüber hinaus, Haustiere wie Hunde, Schafe und Schweine zweimal in der Woche in fließendem Wasser zu baden und seine Gemächer "mit frischem wasser begießen / und offt sauber kehren". Arme Leute mögen ihre Zimmer mit Eichenlaub oder Wacholderholz ausräuchern, wer aber mehr Geld hat, der sollte sich mit Weihrauch, Schwefel, Fliederessig und sogar Resten von Störchen schützen. Hilfreich sei die Desinfektion mit Essigwasser und Thymian. Verstopfungen möge man mit "linden" Klistieren begegnen, und Wunden sollten mit speziellen Pflastern behandelt werden, für deren Herstellung der Verfasser des Plakats genaue Anweisungen erteilt. Ganz und gar rät der Gelehrte vor dem Verzehr abgestandener Fische und von umgekommenem Fleisch.

Unhaltbare hygienische Zustände

Der Kölner Thurneisser-Spezialist Diethelm Eikermann und Gabriele Kaiser, eine Mitarbeiterin der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, schildern in ihrem Buch "Die Pest in Berlin 1576 - Eine wiederentdeckte Pestschrift von Leonhart Thurneisser zum Thurn (1531-1596)", unter welchen Bedingungen es damals, unter der Herrschaft des Kurfürsten Johann Georg von Brandenburg, zum Ausbruch der Pest an der Spree kam und wer der Verfasser und Drucker des in nur einem Exemplar in der Baseler Universitätsbibliothek erhalten gebliebenen Plakats in frühneuhochdeutscher Sprache mit dem Titel "Regiment - Kurtzer und einfeltiger Bericht / wie sich in eingefallener Göttlicher straff / welche // von wegen unserer sünde und unbußffertigen lebens / auß dem Ewigen und Gerechten Urtheil Gottes / durch ietztwirckende // gifftige Ruten seines Zorns / der Pestilentz / so uns zur züchtigung geschickt wird / zuhalten sey" war (Verlag Basilisken-Presse, 160 Seiten, zahlr. Abb., 19,90 Euro, ISBN 978-3-941365-09-4).

Dem kurfürstlichen Leibarzt Thurneisser waren die unhaltbaren hygienischen Zustände in der brandenburgischen Haupt- und Residenzstadt ein Dorn im Auge. Wohl in einer Zahl von einhundert Exemplaren in dem in ein Gymnasium, eine Druckerei und Apothekeverwandelten Grauen Kloster hergestellt und an Kirchen- und Rathaustüren sowie an anderen Orten angeschlagen, unterstreicht das Plakat, dass nicht nur traditionelle pflanzliche, animalische und mineralische Naturstoffe eingesetzt wurden, sondern im Sinne der "Nova Medicina" des berühmten Arztes Paracelsus auch chemische oder chemiatrische Mittel gegen die Pest und andere Krankheiten. Damit war Thurneisser einer der Wegbereiter chemischer Medikamente. Kanalisation kam erst im 19. Jahrhundert

Schwer zu sagen, ob Thurneissers Warnungen und Rezepte etwas bewirkte. Fest steht nur, dass sich etwa 160 Jahre später der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. genötigt sah, gegen Dreck und Unrat auf Berliner Straßen vorzugehen. Der um Ordnung und Sauberkeit besorgte Monarch erneuerte 1735 eine schon ältere Gassenordnung, weil ihm schon lange der Brauch sauer in die Nase gestiegen war, überall Fäkalien und anderen Unrat auf die Straße zu werfen. Überall stank es, und außerdem waren die Gewässer, die die Stadt damals reichlicher als heute durchzogen, alles andere als klar. Also veranlagte der Herrscher von den Hausbesitzern, dass sie jeden zweiten Tag vor ihren Türen bis zur Straßenmitte kehren. Für den Abtransport des dabei anfallenden Unflats hatten sie ebenfalls zu sorgen. Es muss damals einiges zusammengekommen sein, denn viele Hausbesitzer hielten wie schon zu Thurneissers Zeiten in Hofgebäuden und Stallungen Vieh und besaßen hinter ihren Wohnhäusern Landwirtschaften und Gärten, deren Rückstände ebenfalls beseitigt werden mussten.

Da die Berliner offenbar sehr nachlässig waren, wenn es um die Reinlichkeit ihrer Stadt ging, drohten der König ihnen bei Zuwiderhandlungen hohe Geldstrafen an. Die Hälfte der Einnahmen sollte derjenige bekommen, der Missetäter anzeigt, die andere ging an die Stadtverwaltung. Diese bezahlte aus der Summe "gewisse Weiber", die den heimlich auf die Straßen gekippte Fäkalien und Unrat beseitigen mussten. Aus den Entsorgungsgebühren wurden überdies so genannte Gassenmeister bezahlt, die die Abfälle an den Rand der Stadt transportierten. Gewicht im wahrsten Sinne des Wortes hatte auch die königliche Weisung, den Inhalt von Nachttöpfen künftig nur nachts und auch nur an bestimmten Stellen in die Spree zu entleeren. Eine Kanalisation, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht. Sie ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts, doch das ist eine andere Geschichte.

1. März 2020

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