Steiniger Weg zur Demokratie
Ausstellung im Deutschen Dom am Berliner Gendarmenmarkt dokumentiert wechselvolle Parlamentsgeschichte



Der Deutsche Dom auf dem Berliner Gendarmenmarkt mit der Ausstellung des Deutschen Bundestags über die Geschichte des Parlamentarismus in Deutschland ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.



An den Wänden sieht man überall historische Bilder, die vom Kampf für und gegen eine parlamentarische Demokratie berichten, diese stammen aus der Kaiserzeit.



Otto von Bismarck hatte große Probleme mit dem sich entwickelnden Parlamentarismus. Das Denkmal aus Frankfurt am Main zeigt, wie man im 19. Jahrhundert den "Eisernen Kanzler" gern sah. Im Zweiten Weltkrieg fiel die Skulptur der Rüstungsindustrie zum Opfer und wurde von dem Bildhauer Peter Gragert nachgestaltet.



Wenige Schritte weiter erinnern Skulpturen daran, dass das Berliner Reichstagsgebäude im pompösen Stil der Gründerzeit über und über mit Figuren, Wappenschildern, Adlern und anderem Zierrat ausgestattet war. Nach dem Ende der Monarchie hat eine Reichstagskommission viel Arbeit auf die "Entschmückung" des Hauses verwendet, das 1933 Ziel eines folgenschweren Brandanschlags der Nazis wurde.



Die Bilderwand schildert die unsäglichen, zum Teil blutigen Kämpfe zwischen Rechts und Links, denen am Ende die garnicht so "goldene" Weimarer Republik zum Opfer fiel.



Das Wandgemälde von Max Lingner feiert die "Segnungen" des Sozialismus in der von der SED beherrschten DDR. Das Original schmückt eine Säulenhalle im heutigen Bundesfinanzministerium. Die Büsten würdigen Karl Marx und Friedrich Engels, die im zweiten deutschen Staat Kultstatus besaßen.



Besucher werden in einem Vortragssaal mit dem Bundesadler an der Wand auf den Rundgang eingestimmt.



Wer nach so viel "Geschichte kompakt" noch Kraft hat, kann sich im obersten Geschoss des Deutschen Doms mit Zeugnissen deutscher Parlamentsarchitektur vertraut machen. Hier ein Blick auf das "Dem Deutschen Volke" gewidmete Reichstagsgebäude auf dem damaligen Königsplatz, dem heutigen Platz der Republik. Davor steht die Siegessäule, die von den Nazis im Zusammenhang mit den Germania-Visionen von Hitler und Speer an den Großen Stern im Tiergarten versetzt wurde.



Gegenüber der für Germania geplanten, aber zum Glück nie gebauten Großen Halle hätte sich das Brandenburger Tor (rechts unten) wie eine Streichholzschachtel ausgenommen. (Fotos/Repros: Caspar)

Der Gendarmenmarkt wird als der wohl schönste Platz von Berlin gelobt. An seinem Rand ragen die mächtigen Türme des Französischen und des Deutschen Doms in den Himmel, und in der Mitte zieht, mit dem restaurierten Schillerdenkmal davor, Schinkels Schauspielhaus bewundernde Blicke auf sich. Wer an diesem Ort Ruhe und Besinnung sucht und sich dazu noch für unser Woher und Wohin interessiert, ist im Deutschen Dom an der richtigen Adresse. In dem zur Ausstellungshalle umfunktionierten Gotteshaus aus dem späten 18. Jahrhundert dokumentiert der Deutsche Bundestag auf fünf Etagen, wie sich unsere parlamentarische Demokratie im 19. und 20. Jahrhundert entwickelt hat, wer ihre Vorkämpfer und Verteidiger und wer ihre Feinde und Zerstörer waren.

Das Thema "Wege - Irrwege - Umwege" der mit vielen Fotografien und erklärenden Texten, mit Skulpturen aus dem kriegszerstörten Reichstagsgebäude, dem heutigen Deutschen Bundestag, sowie Modellen von Parlamentsgebäuden, Schriftstücken, Plakaten, Videoaufnahmen und einem dem Sitzungssaal des Deutschen Bundestags nachempfundenen Veranstaltungsraum ausgestatteten Dokumentation schildert, dass der Weg vom Kampf im 19. Jahrhundert gegen die Fürstenherrschaft und für die deutsche Einigung bis zu unserer freiheitlich-parlamentarischen Demokratie steinig und mit vielen Opfern verbunden, aber nicht vergebens war.

Schau auf fünf Ebenen

Die auf fünf Ebenen aufgebaute Schau im Deutschen Dom beginnt mit der französischen Revolution von 1789 und beschreibt Versuche mutiger Visionäre, die deutsche Kleinstaaterei zu überwinden, um dann Stationen der Revolution von 1848/49 zu beschreiben und die Ursachen ihres Scheiterns darzustellen. Geschildert wird sodann die Entwicklung des Parlamentarismus im 1871 gegründeten Kaiserreich, wobei man einiges über die zum Teil sehr heftigen Auseinandersetzungen der Parteien von ganz rechts bis ganz links erfährt, dargestellt an Schriftstücken, Plakaten und Karikaturen. Da es Streit über die Person des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarck und seine Politik gab, wundert es nicht, diesem auf Bildern und Skulpturen leibhaftig zu begegnen. Die parlamentshistorische Ausstellung widmet sich vorrangig jenen Epochen, in denen die wesentlichen Grundlagen für die politische Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gelegt worden sind. Parlamentarische Entscheidungsprozesse und Konflikte werden ebenso nachgezeichnet wie Funktion und Arbeitsweise von Volksvertretungen. So lernt man auch, welche Aufgaben Bundestagsabgeordnete haben und welche Papierberge sie durcharbeiten müssen, was der Bundestagspräsident tut, wie die Ausschüsse fungieren und wie ein Redemanuskript des Bundespräsidenten aussieht.

Im einzelnen behandelt die Ebene 1 den deutsche Frühparlamentarismus und die Revolution 1848/49, die Ebene 2 den Parlamentarismus im kaiserlichen Deutschland und in der Weimarer Republik und die Ebene 3 den NS-Staat und den Scheinparlamentarismus in der DDR. In der Ebene 4 gibt es ein Kino und Räume für Schülerprojekte, und in der Ebene 5 kann man sich mit Parlamentsarchitektur in Deutschland vertraut machen. Im Abschnitt über die nach dem Ende der Monarchie in der Novemberevolution 1918 ausgerufene Weimarer Republik wird man mit deren Errungenschaften, aber auch ihren Schwächen und den Ursachen konfrontiert, die 1933 zur Zerstörung des bei allen seinen Schwächen doch funktionierenden parlamentarischen Systems durch die Nationalsozialisten mit den bekannten schrecklichen Folgen führten. An Videostationen kann man Reden von Politikern zuhören und alte Filmaufnahmen betrachten, darunter auch solche aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten.

Deren Aufstieg in der Weimarer Republik hat mit den Schwächen ihrer Parlamente, Defiziten in großen Teilen der Bevölkerung in Bezug auf Demokratie, der Sehnsucht nach "starken Führern" gleich welcher Prägung und des zum Teil verheerenden Klimas im Deutschen Reich zu tun. Schüler- und andere Gruppen erfahren im Deutschen Dom Dinge, die im Schulunterricht nur am Rande oder überhaupt nicht erörtert werden. Die Ausstellung setzt sich in weiteren Abschnitten mit dem unterschiedlichen Demokratieverständnis in beiden deutschen Staaten nach 1945 auseinander und schildert schließlich, wie heute die Mitbeteiligung des Volkes an den öffentlichen Angelegenheiten funktioniert.

Selbstverständlich erfahren Besucherinnen und Besucher einiges aus der Geschichte des großartigen Französischen und des Deutschen Doms am Gendarmenmarkt und des Schauspielhauses in der Mitte. In DDR-Zeiten hieß der beliebte Ort wegen der in der Nähe befindlichen Akademie der Wissenschaften Platz der Akademie. Doch schon bald nach der Wiedervereinigung erhielt er seinen seit dem späten 18. Jahrhundert gebräuchlichen Namen Gendarmenmarkt nach dem Regiment Gens d'armes zurück, das hier als königliche Leibwache stationiert war. Auf Karten des 17. und 18. Jahrhunderts findet man kaum noch bekannte Bezeichnungen wie Lindenmarkt, Mittelmarkt und Neuer Markt. Nachdem das von Reinhold Begas geschaffene Schillerdenkmal vor Karl Friedrich Schinkels Schauspielhaus aufgestellt war, kam ein weiterer Name hinzu: Schillerplatz. Diese Bezeichnung galt allerdings nur für das unmittelbare Umfeld des Marmormonuments und hat sich nicht eingebürgert.

Kunsthalle Berlin blieb nur ein Plan

In der Sonderausstellung "Deutscher Dom - Bauwerk im Wandel" auf der obersten Ebene kann man einiges über das wechselvolle Schicksal dieses im 18. Jahrhundert erbauten Gotteshauses erfahren. Ihm ließ König Friedrich II. im Zusammenhang mit der repräsentativen Umgestaltung des Gendarmenmarkts von 1780 bis 1785 nach Plänen von Carl von Gontard einen riesigen Turm als Pendant zum Turm vor der Französischen Kirche anfügen. Nach dem spektakulären Einsturz des Deutschen Turms, auch Dom genannt, 1781 wurde der Turm unter der Leitung von Georg Christian Unger neu aufgeführt. Nach schweren Schäden im Zweiten Weltkrieg hat die DDR in den 1980-er Jahren beide Kirchen und Schinkels Schauspielhaus außen weitgehend original und im Inneren modern aufgebaut.

In den 1980er gab es Pläne, im Deutschen Dom eine Kunsthalle Berlin einzurichten. Da alles von einigem Belang die obersten SED-Gremien passieren musste, wurde der Plan von Willi Sitte, dem Präsidenten des Verbands Bildender Künstler, und Erhardt Gißke, dem Generaldirektor der Baudirektion Berlin, zum Bau der Kunsthalle auf Empfehlung des für Kulturfragen zuständigen Politbüromitglieds Kurt Hager dem SED- und Staatschef Erich Honecker vorgelegt. Dieser schrieb am 24. April 1987 oben auf den in der Ausstellung als Faksimile präsentierten Brief "Einverstanden E. H.", notierte aber, dass über den Namen der Halle müsse noch gesprochen werden müsse. Der Antrag, der der Berliner Magistrat "völlig zugestimmt" hatte, wurde dem SED-Politbüro überwiesen und angenommen. Das Vorhaben wurde durch das Ende der DDR 1990 gestoppt. Nach einer Pause fand 1993 bis 1996 der endgültige Ausbau zu einem modernen Ausstellungsgebäude für den Deutschen Bundestag statt.

30. Januar 2020

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