Falsche Flora und umstrittener Rembrandt
Auch einem großen Kunstexperten wie Wilhelm von Bode können Fehler bei der Beurteilung von Kunstwerken unterlaufen



Das Bode-Museum wurde 1905 als Kaiser-Friedrich-Museum eröffnet und erhielt nach dem Zweiten Weltkrieg den Namen des berühmten Kunsthistorikers und Museumsdirektors. In dem neubarocken Kuppelbau werden Gemälde und Skulpturen von der Spätantike bis zum späten 18. Jahrhundert, Hinterlassenschaften des Byzantinischen Reichs und aus der Spätantike sowie Münzen und Medaillen gezeigt.



Vergeblich versuchte Wilhelm von Bode, die Authentizität der schönen Flora als Werk des Leonardo da Vinci zu beweisen. Im Bode-Museum kann man die Wachsfigur besichtigen, die nicht in der Renaissance, sondern im 19. Jahrhundert geschaffen wurde. Wäre sie echt und alt, hätte sie sicher die Berühmtheit der Büste der altägyptischen Königin Nofrete erreicht.



Wilhelm von Bode lebte von 1845 bis 1929, seine Büste ist in dem nach ihm benannten Museum auf der Berliner Museumsinsel aufgestellt.



Auf Münzen und Medaillen unserer Zeit sind das Bode-Museum und die ganze Museumsinsel präzise abgebildet.



Das Bild "Der Mann mit dem Goldhelm" (vorn) stammt nicht von Rembrandt, sondern ist eine Arbeit aus seinem Schülerkreis und wird mit authentischen Werken des großen Niederländers in der Gemäldegalerie am Kulturforum gezeigt.



Berühmte Bilder großer Meister werden in der Gemäldegalerie am Berliner Kulturforum gezeigt.. Hoffentlich kann auch dieser Kunsttempel bald wieder seine Pforten öffnen. (Fotos: Caspar)

Der Berliner Kunsthistoriker und Museumsmann Wilhelm von Bode musste Spott und Häme schmerzlich erleben, als sich ein von ihm eingefädelter Kunstankauf als missglückt erwies. Dem Generaldirektor der Königlichen, ab 1919 Staatlichen Museen zu Berlin, gelang im Winter 1909 eine spektakuläre Neuerwerbung bei einer Auktion in London. Für 8000 Pfund Sterling (ca. 170 000 Goldmark) kaufte er mit dem Einverständnis weiterer Experten die Büste einer jungen Frau für die Berliner Skulpturensammlung an, die als Flora gedeutet und als Werk von Leonardo da Vinci angesehen wurde, des Schöpfers der weltberühmten Mona Lisa im Pariser Louvre. Die 76,5 cm hohe, sehr fragile Bildhauerarbeit erregte großes Aufsehen, als sie schon bald öffentlich gezeigt wurde. Sie besitzt eine farbig gefasste Wachsschicht und kann in der Skulpturenabteilung des Bodemuseums auf der Berliner Museumsinsel betrachtet werden, wenn die coronabedingten Einschränkungen aufgehoben sind.

Wie der 1914 in den Adelsstand erhobene, am Hof Kaiser Wilhelms II. und der Berliner Kunst- und Kulturszene hoch angesehene Bode in seinen Erinnerungen aus dem Jahr 1930 berichtet, bereitete ihm der Kauf mehr Verdruss als Freude, denn schon bald wurde in Zweifel gezogen, dass die Flora-Büste tatsächlich von dem italienischen Renaissancekünstler geschaffen wurde oder wenigstens aus seinem Umfeld und damit aus dem 16. Jahrhundert stammt. Gegen diese Annahme wurde in der englischen und bald auch der deutschen Presse angeführt, dass das die anmutige Göttin der Pflanzen das Werk des englischen Wachsbossierers Richard Cockle Lucas aus der Zeit um 1846 ist. Es gab Zeugen, die ihn bei der Arbeit zugesehen haben oder davon gehört haben wollen.

Sturm der Entrüstung

Gegen Bode erhob sich ein Sturm der Entrüstung, sein Kunstverstand wurde in Zweifel gezogen, und sein Renommee stand auf dem Spiel. "In England war diese Hetze gegen mich nicht ganz so unverständlich, da die meisten englischen art critics, die mit dem Kunsthandel zur zu nahe verbunden sind, mich aus England und vom englischen Kunstmarkt abzudrängen und mein Ansehen bei den Sammlern in England und den Vereinigen Staaten zugrunde zu richten wünschten. Ihren Einfluss auf die Presse konnten sie umso besser ausnutzen, als damals in England schon die Hochflut des Deutschenhasses und der Deutschenhetze wütete", beschrieb Bode die aufgeheizte Stimmung kurz vor dem Ersten Weltkrieg.

Als man der schönen Flora mit Röntgenstrahlen zu Leibe rückte und auch die chemische Zusammensetzung des Wachses untersuchte, ergab sich, dass Leonardo oder sein Umkreis als Urheber nicht infrage kommen. Denn das Wachs enthält Stearin, das erst seit 1818 synthetisch hergestellt wurde. Im Londoner Victoria- und Albert-Museum rieb man sich die Hände, dass nicht dieses, sondern Bode auf die Florabüste hereingefallen ist.

Der Mann mit dem Goldhelm

Bei Kunstwerken muss nicht alles, was alt und echt aussieht auch alt und echt sein. Gemälde beispielsweise wurden und werden massenhaft gefälscht, und da ist es gut, sich vor dem Kauf davon zu überzeugen, ob sie auch halten, was sie versprechen. Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich Wilhelm von Bode täuschen ließ, ist das Bild "Der Mann mit dem Goldhelm". Jahrzehntelang galt es als eines der Meisterwerke des holländischen Malers Rembrandt, bis sich erwies, dass es nicht von ihm, sondern "nur" von einem seiner Schüler stammt. Weltweit wurden im Rahmen eines großangelegten Forschungsprogramms zahlreiche weitere angebliche Rembrandt-Gemälde als Arbeiten von Schülern und Nachahmern herabgestuft. Auch die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin kennt solche Fälle.

Dort werden fragliche Objekte auf Herz und Nieren mit Hilfe von Röntgenaufnahmen und anderen Methoden dokumentiert. Dabei ging es nicht nur um die leider immer aktuelle Frage "Echt oder falsch?", sondern um die Erkundung der Mittel und Methoden, derer sich alte Meister beim Entwurf und der Ausführung ihrer Werke bedienten. Die systematische Inspektion der Malschichten und des Bildträgers hat zahlreiche hochinteressante Ergebnisse hervorgebracht, die sowohl für die kunsthistorische Forschung als auch für Restaurierungen zu einer unverzichtbaren Arbeitsgrundlage geworden sind. So können etwa Veränderungen sichtbar gemacht werden, die Maler Rembrandt während ihrer Arbeit an den Bildern vorgenommen haben. Aber auch spätere Hinzufügungen und Manipulationen von fremder Hand lassen sich aufklären. "Der Mann mit dem Goldhelm" galt lange als Rembrandts Meisterwerk und war als solcher auch Held in Romanen und Filmen. Das Bild war 1897 vom Kaiser Friedrich-Museums-Verein, dem Förderverein der Berliner Gemäldegalerie, erworben worden. Dass das so nicht stimmt, tut seiner Popularität keinen Abbruch.

INFO Der TV-Sender ARTE zeigt in seiner Mediathek bis zum 19. Februar 2021 eine Dokumentation darüber, wie sich der Erwerb der angeblich von Leonardo da Vinci 1909 durch Wilhelm von Bode erworbenen Büste der Göttin Flora zu einem der spektakulärsten Kunstskandale des 20. Jahrhunderts entwickelte und welche ästhetischen Beziehungen zwischen Leonardos weltberühmten Gemälde der Mona Lisa im Pariser Louvre und der Berlinert Florabüste gibt.

27. November 2020

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