"Ideal und Form"
Skulpturenausstellung in der Friedrichswerdersche Kirchen mit Werken eröffnet und gleich wieder geschlossen



Eingezwängt zwischen teuren Neubauten mit Luxuswohnungen erwartet die Friedrichswerdersche Kirche Besucherinnen und Besucher der neuen Ausstellung "Ideal und Form".





Im November 2020 ist der Schinkel-Bau wie andere Museen geschlossen, zu hoffen ist, dass der Coronoa-Horror bald vorbei ist und man die Meisterwerke aus Marmor, Gips und Bronze frank und frei besichtigen kann. Die Fotos zeigen einen Blick in den Chor und zum Eingang. Auf den Emporen ist eine Ausstellung zum Leben und Werk von Karl Friedrich Schinkel zu sehen.



Die Denkmäler von Christian Daniel Rauch, des Begründers der klassischen Altertumskunde Joachim Winkelmann und Johann Gottfried Schadow sowie von Karl Friedrich Schinkel an einem anderen Platz in der Friedrichswerderschen Kirche standen ursprünglich in der Säulenhalle des Alten Museums und ziehen nun in der neuen Ausstellung "Ideal und Form" bewundernde Blicke auf sich.



Im Hintergrund stellen das Denkmal und die Büste den 1841 nach einem Schlaganfall mit 60 Jahren verstorbenen Schinkel dar.



Die Gipsstatuetten der Persephone und Electra aus dem Jahr 1827 sind Repliken aus dem ehemaligen Teesalon des Berliner Schlosses.



Das Gipsmodell der von Schadow geschaffenen Doppelstatue der mit preußischen Prinzen verheirateten Prinzessinnen Friederike und Luise von Mecklenburg-Strelitz wird noch restauriert und kehrt demnächst in die Friedrichswerdersche Kirche zurück. Das Original aus Marmor schmückt die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel. Im Bild links Büsten der Prinzessin Friederike und von Schadow, rechts



Die während des Kriegs ausgebauten und sicher gestellten Scheiben im Kirchenchor mit den Engelsbildern sowie im Schutt gefundene farbige Glasscherben leisteten gute Dienste bei der Wiederherstellung der Fenster mit ihren köstlichen Einrahmungen in den für Schinkel charakteristischen Farben Blau, Gelb, Rot und Violett. (Fotos: Caspar)

Nach rund achtjähriger Schließzeit öffnete die Friedrichswerdersche Kirche am 27. Oktober 2020, um wenige Tage später wegen der neuen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wieder geschlossen zu werden. Man fragt sich nach dem Sinn solcher Schließungen, wenn einerseits Kirchen geöffnet haben und andererseits Museen gleich welcher Größe, nur weil sie Museen sind, dicht machen müssen. Und dies, obwohl dort Abstandsregeln eingehalten und auch Mund-Nasen-Masken getragen werden und "Anfassen" sowieso verboten ist. Hat man jemals in solchen Kunst- und Kulturtempeln Leute gesehen, die sich in den Armen liegen oder einander auf den "Pelz" rücken? Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die auch für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ihre Museen sowie das Berliner Humboldt Forum zuständig ist, sagte, die Kultur dürfe nicht zum leichtfertigen Opfer der Krise werden: "Dieses erneute Schließen der Kultur könnte wirklich eine Ka-tastrophe sein, nicht nur für die Betroffenen in den Branchen, sondern auch für uns alle in der Gesellschaft." Zahlreiche Besucher mit Maske vor dem Mund und genügendem Abstand nahmen die Gelegenheit wahr, um in Schinkels einzig original erhaltenem Kircheninnenraum die Sonderausstellung "Ideal und Form. Skulpturen des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie" mit Arbeiten Berliner Bildhauer aus Marmor, Gips und Bronze zu besichtigen. Sie entstammen der Skulpturensammlung der Nationalgalerie der Staatlichen Museen und waren da und dort zwischenzeitlich zu sehen oder wurden dem Depot entnommen.

Vor einem Jahr bestand die Gelegenheit, die Kirche an zwei Tagen der offenen Tür die Kirche noch ohne die Skulpturen mit leeren Podesten zu besichtigen. Jetzt ist die Ausstellung komplett und findet ein begeistertes Echo. Gezeigt werden vollplastische Arbeiten von großartigen Vertretern der Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts wie Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch, die in Gestalt von Marmordenkmälern und Büsten die Besucherinnen und Besucher begrüßen. Zu sehen sind ferner gereinigte und restaurierte Meisterwerke von Reinhold Begas, Adolf Brütt, Gustav Heinrich Eberlein, Katharina Felder, Adolf von Hildebrand, August Kiss, August Kraus, Heinrich Kümmel, Elisabeth Ney, Ridolfo Schadow, Jean-Pierre Antoine Tassaert, Christian Friedrich Tieck, Louis Tuaillon, Ludwig Wichmann, Emil Wolff und anderen.

Prinzessinnengruppe kommt später

Noch nicht zu sehen ist die berühmte, von Schadow geschaffene Doppelstatue der Prinzessinnen Luise und Friederike von Mecklenburg-Strelitz, die in der Restaurierungswerkstatt auf ihren Auftritt nach der Öffnung der Schinkelkirche hoffentlich im Dezember warten. Der Sockel steht schon, und wer möchte, darf sich darauf stellen und für Fotos posieren. Manche von der früheren Ausstellung bekannte und lieb gewordene Objekte wie Reliefs von Schinkels Bauakademie sind nicht mehr zu sehen, dafür aber andere hochkarätige Arbeiten sowie Bronzegüsse und auf der Empore Bildnisbüsten von Künstlern, Politikern und anderen Persönlichkeiten. Da die Friedrichswerdersche Kirche auch eine Gedenkstätte für ihren Erbauer Karl Friedrich Schinkel ist, kann man sich auf der Empore mit seinem Leben und seinem Werk in Gestalt von Sakral- und Profanbauten sowie Entwürfen für Theaterdekorationen, Denkmälern, Möbeln und anderen Objekten vertraut machen und auch seine Familie seine Freunde kennenlernen. Die Wiedereröffnung der Friedrichswerderschen Kirche wird von den zuständigen Gremien hoffentlich als Ansporn gesehen, den seit Jahren geplanten Wiederaufbau der Bauakademie in der Nähe endlich in Angriff zu nehmen.

Bauschäden zwangen 2012 zur Schließung

Die Friedrichswerdersche Kirche am Werderschen Markt in Berlin musste 2012 geschlossen werden, weil die umfangreiche Bautätigkeit in nächster Nähe massive Schäden an dem neogotischen Gotteshaus festgestellt wurden. Nach Abschluss umfassender Sanierungsarbeiten soll die von Karl Friedrich Schinkel von 1824 bis 1830 erbaute Kirche in Sichtweite des Humboldt Forums ist das Gebäude nun wieder als Museum der Berliner Bildhauerkunst und als Erinnerungsstätte für Schinkel zugänglich. Der Ärger über den unsensiblen Umgang mit Schinkels Meisterwerk durch das Bauunternehmen und seine Architekten sitzt tief und ist auch heute groß. Es gibt kein Verständnis dafür, dass der Berliner Senat diese "Kulturschande" trotz fundiert vorgebrachter Warnungen nicht verhindert hat.

Von Karl Friedrich Schinkel geplant, wurde die Friedrichswerdersche Kirche von 1824 bis 1830 und damit nahezu zeitgleich mit Schinkels Altem Museum erbaut. Damit entstanden quasi in Sichtweite Meisterwerke der damals noch gewöhnungsbedürftigen Neogotik und des Klassizismus. Schinkel schwebte ein hell erleuchtetes Gotteshaus vor. "Der ganze innere Raum der Kirche ist frei ohne Hindernis im Sehen und Hören von einer angemessenen Anzahl großer, nicht zu hoch liegender Fenster erleuchtet." Die Friedrichswerdersche Kirche überstand den Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, blieb aber stehen und wurde nicht wie die benachbarte, ebenfalls von Schinkel errichtete Bauakademie abgerissen. Die Kirchenruine wurde zunächst gesichert und von 1979 bis 1986 von der Denkmalpflege sorgsam restauriert. Die Wiedereröffnung und erstmalige Nutzung als Museum zur Erinnerung an Karl Friedrich Schinkel mit Werken der Bildhauerkunst seiner Zeit durch die Staatlichen Museen zu Berlin erfolgte 1987 anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins.

29. Oktober 2020

Zurück zur Themenübersicht "Ausstellungen, Museen, Denkmalpflege"