Freistätte der Kunst und Wissenschaft
Mit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren haben sich die Staatlichen Museen zu Berlin zu ihrem Vorteil neu sortiert



Die unter Denkmalschutz stehende Museumsinsel steht seit 1999 auf der Liste des Weltkulturerbes der Unesco. Ehre verpflichtet die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, äußerst sorgsam mit dem baulichen und künstlerischen Erbe umzugehen.



Dargestellt ist das Ensemble auf einer Gedenkmünze von 2002, daneben eine Schinkel gewidmete Gedenkmünze von 2006 sowie eine Bronzeskulptur auf dem Lustgarten neben dem Alten Museum.



Das Bode-Museum wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt, konnte aber seine Pforten in den 1950er Jahren öffnen. Vor einigen Jahren von Dach bis Keller umfassend saniert und restauriert, ist es Heimstatt der Skulpturensammlung, des Christlich-Byzantinischen Sammlung und des Münzkabinetts, dessen Schätze in einem 60 Meter langen Tresor verwahrt werden.



Das Neue Museum und die Alte Nationalgalerie mit dem Reiterdenkmal König Friedrich Wilhelms IV. sind zu allen Jahreszeiten einen Besuch wert.



Das Hauptgebäude des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz steht in Berlin-Dahlem an der Archivstraße.





Das Kunstgewerbemuseum ist im Barockschloss Köpenick untergebracht, Kunst der Moderne wird im ehemaligen Hamburger Bahnhof nicht weit vom Berliner Hauptbahnhof ausgestellt. (Fotos: Caspar)

Die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 war auch für die Berliner Museumslandschaft eine historische Zäsur. In "Mauerzeiten" unterhielten die Mitarbeiter der Staatlichen Museen Ost und West und andere Fachleute meist nur dienstliche Kontakte, die sich im Wesentlichen auf den Austausch von Exponaten für Ausstellungen und offizielle Gespräche beschränkten. An die Fusion der Staatlichen Museen Ost und West war bis zum Fall der Mauer nicht zu denken, danach stand sie aber frei nach dem von Willy Brandt ausgegebenen Motto "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört" auf der Tagesordnung.

Das bedeutete, dass sich die Staatlichen Museen zu Berlin neu sortieren und ihre über die Stadt verstreuten Sammlungen an den Orten zusammenführen konnten, an denen sie sich bis zum Zweiten Weltkrieg befunden hatten. Nach 1939 waren die Sammlungen geschlossen und zum Teil ausgelagert worden. Nach dem Ende des NS-Staates haben die Besatzungsmächte die Kunstsammlungen an sich genommen und Mitte der 1950 Jahre an die Bundesrepublik Deutschland und die DDR zurück gegeben. Die Staatlichen Museen bestanden in Ostberlin und die vom Land Berlin und dem Bund gebildete Stiftung Preußischer Kulturbesitz nebenher, Beziehungen zwischen beiden Einrichtungen waren lange vor allem dienstlicher Natur.

Revision, Neuordnung und Verlagerung der Bestände

Die friedliche Revolution 1989 in der DDR und die Beseitigung der SED-Herrschaft eröffneten den Staatlichen Museen zu Berlin neue Perspektiven. Was bis dahin als unmöglich galt, rückte in greifbare Nähe. Die Staatlichen Museen Ost und West vereinigten ihre Schätze in einem über mehrere Jahre verlaufenden Prozess der Revision, Neuordnung und Verlagerung an historische und neue Orte. Das betraf die fünf Häuser auf der Museumsinsel ebenso wie die Bestände der Staatsbibliothek sowie die bis dahin in Merseburg (Sachsen-Anhalt) und die in Dahlem untergebrachten Akten des Geheimen Staatsarchivs sowie weitere Museen, Sammlungen und Institute. Erwähnt sei, dass 1994 die ehemaligen königlichen Schlösser und Gärten in Berlin und Potsdam sowie die Anlagen in Rheinsberg, Paretz und Caputh in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zusammengefasst wurden. Deren Statut trat am 1. Januar 1995, vor 25 Jahren, in Kraft.

Die Vereinigung der Staatlichen Museen zu Berlin unter dem Dach der 1957 vom Bund und den westdeutschen Bundesländern gegründeten Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit Sitz in Berlin nahm viele Jahre in Anspruch, weil die Bestände gesichtet und umfassende Bau- und Sanierungsarbeiten vor allem auf der Museumsinsel absolviert werden mussten. Die im Westberliner Ortsteil Dahlem befindlichen Gemälde aus der Zeit bis um 1800 wurden mit dem Bestand auf der Museumsinsel in einem neuen Galeriegebäude auf dem Kulturforum unweit des Potsdamer Platzes zusammengeführt. Das im so genannten Stülerbau befindliche Ägyptische Museum mit der Büste der Nofretete als besonderes Highlight kam ins Neue Museum, dessen Kriegsruine vor einigen Jahren in der Kombination von Alt und Neu wieder aufgebaut wurde. Die in einem Haus neben dem Schloss Charlottenburg befindlichen Schätze des Museums für Vor- und Frühgeschichte kamen in ihr Stammhaus, das Neue Museum auf der Museumsinsel. Auch die Bestände des Berliner Kunstgewerbemuseums wurden gesichtet und neu geordnet und auf zwei Standorte verteilt, den Neubau am Kulturforum und das Barockschloss Köpenick. Am historischen Ort verblieben das Alte Museum und die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel sowie das im Bode-Museum befindliche Münzkabinett und das Frühchristlich-Byzantinische Museum. Ins Bode-Museum kamen die in Westberlin befindlichen Bestände der Skulpturensammlung zurück, dafür wanderten die meisten dort befindlichen Bilder in die Gemäldegalerie am Kulturforum.

Staatsarchiv und Staatsbibliothek

Das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz an der Archivstraße in Berlin-Dahlem verwaltet die schriftlichen Hinterlassenschaften des preußischen Staates, den es seit 1947 nicht mehr gibt. Die Archivbestände wurden nach dem Zweiten Weltkrieg, so weit sie sich in der Sowjetischen Besatzungszone, seit 1949 DDR, befanden, zum sozialistischen Eigentum erklärt und kamen nach Merseburg im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt. Die im deutschen Westen befindlichen Unterlagen gingen an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Durch die Wiedervereinigung war es westlichen Historikern und anderen Archivnutzern endlich möglich, ohne Behinderung die Aktenbestände einzusehen. In DDR-Zeiten war für sie der Zugang mit erheblichen Hürden verbunden. Bei der Staatsbibliothek zu Berlin gab es eine Aufteilung auf zwei Häuser. Im Altbau aus der Kaiserzeit Unter den Linden in Berlin-Mitte werden Bücher und andere Drucke aus der Zeit vor 1945 sowie Nachlässe und Handschriften aufbewahrt und für die Forschung zur Verfügung gestellt. Im Neubau am Kulturforum sind die Bibliotheksbestände aus der Zeit nach 1945 einsehbar. Erst vor Kurzem konnte die sich über viele Jahre hinziehende Sanierung und bauliche Erneuerung des im Zweiten Weltkrieg erheblich beschädigten Hauses 1 abgeschlossen werden. Ohne die Ereignisse von vor 30 Jahren wären diese und andere Maßnahmen der DDR kaum möglich gewesen, und auch der rasante Aufstieg von Berlin zu einem weltweit geachteten Kultur- und Kunststandort wäre nie erfolgt.

Die Museumsinsel zwischen Spree, Kupfergraben und Lustgarten entstand im 19. Jahrhundert als "Freistätte der Kunst und Wissenschaft". Planungen, die königlichen Sammlungen öffentlich zugänglich zu machen und durch großzügige Ankäufe auszubauen, gehen ins späte 18. Jahrhundert zurück. Das Alte Museum wurde von 1824 bis 1828 von Karl Friedrich Schinkel erbaut und 1830 eröffnet. Gezeigt wurden antike Plastiken, Gemälde und Grafiken, die zum großen Teil aus den königlichen Schlössern stammten. Der Säulenbau wurde 1953 bis 1966 wiederaufgebaut, innen modern, außen in originaler Gestalt. Heute sind hier Skulpturen und andere Hinterlassenschaften antiker Völker, vor allem der Griechen und Römer, zu sehen.

Behutsames Weiterbauen und ein Neubau

Das 1843 bis 1846 nach Plänen von Friedrich August Stüler erbaute Neue Museum wurde im Inneren 1856 eröffnet. Im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört, war das Gebäude jahrzehntelang ohne Dächer und mit offenen Mauern Wind, Frost und Regen ausgesetzt. Das üppig dekorierte Museum hauptsächlich für ägyptische Kunst sowie vor- und frühgeschichtliche Altertümer wurde als Ruine gesichert. In der Endzeit der DDR gab es Pläne, das Gebäude unter Zuhilfenahme alter Fotos, Pläne und originaler Bruchstücke weitgehend in alter Schönheit zu rekonstruieren. Von diesem Plan rückten die Staatlichen Museen in den neunziger Jahren ab. 1997 gewann Chipperfield, seinem Prinzip des "behutsamen Weiterbauens" folgend, einen Wettbewerb für den Wiederaufbau als Kombination von altem Gemäuer und originaler Innenausstattung mit modernen, dem Altbau jedoch angepassten Zutaten. Große Anstrengungen galten der Stabilisierung des sumpfigen Baugrundes, mit dem bereits Stüler zu kämpfen hatte. Der Wiederaufbau wurde 1999 begonnen und 2009 abgeschlossen. Ausgestellt sind in den zum Teil alten, doch auch neuen Räumen Skulpturen und archäologische Objekte aus dem alten Ägypten sowie aus Ländern der klassischen Antike. Darüber hinaus ist das Museum für Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum mit hochkarätigen Fundstücken aus archäologischen Grabungen vertreten. Mit der Eröffnung des Neuen Museums waren erstmals seit der kriegsbedingten Schließung der Häuser ab 1939 alle fünf Häuser auf der Museumsinsel wieder zugänglich.

Nach zwanzigjähriger Planung- und fast zehnjähriger Bauzeit wurde am 12. Juli 2019 im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie von Mitgliedern der in den USA lebenden Familie Simon die James-Simon-Galerie als neues Empfangsgebäude der Berliner Museumsinsel eröffnet. Seitdem ist das nach Plänen von David Chipperfield Architects entworfene und nach dem großen Mäzen der Berliner Museen, Kunstsammler und Menschenfreund James Simon (1851-1932) benannte Haus ein großer Publikumsmagnet. Lange war James Simon nur Insidern bekannt. Die Staatlichen Museen tragen eine Ehrenschuld an dem reichen Baumwollhändler, Sammler und Kunstförderer ab, indem sie ihre Eingangshalle nach ihm benennen, während eine Grünfläche in der Nähe seit längerer Zeit seinen Namen trägt. Als Mitbegründer der Deutschen Orient-Gesellschaft hatte der Sammler und Kunstfreund die von Ludwig Borchardt geleiteten Ausgrabungen im ägyptischen Tell el-Amarna finanziert. In deren Verlauf kamen die bunt bemalte Büste der altägyptischen Königin Nofretete und weitere Kostbarkeiten zum Vorschein. 1913 wurde Simon als Geldgeber bei einer Fundteilung das berühmte Porträt überlassen.

Museumsinsel ist nun vollendet

James Simon, der sich bei der Anlage seiner Sammlungen von dem renommierten Museumsdirektor Wilhelm von Bode beraten ließ und anderen Kunstfreunden ein leuchtendes Beispiel war, bewahrte das Porträt und weitere Kostbarkeiten zunächst in seiner Villa an der Tiergartenstraße 15 a auf. Bei einem Besuch begeisterte sich Kaiser Wilhelm II. beim Anblick der Büste, die ägyptischen Bildhauern als Vorlage für weitere Werke dieser Art diente. Die nur leicht beschädigte Skulptur erhielt schon bald einen Ehrenplatz im Neuen Museum auf der Museumsinsel und eroberte schnell die Herzen der Besucher. 1920 schenkte Simon die Büste und die anderen Stücke seiner Ägypten-Sammlung den Staatlichen Museen, die ihrem Förderer überschwänglich dankten.

James Simons mäzenatisches Wirken beschränkte sich keineswegs auf die Förderung von Wissenschaft, Kunst und Kultur, sondern erstreckte sich auch auf soziale Aufgaben. Geleitet von der Überzeugung, dass Reichtum zum Wirken für die Allgemeinheit verpflichtet, engagierte sich Simon sowohl finanziell als auch ehrenamtlich für zahlreiche Hilfs- und Wohltätigkeitsvereine, Krankenhäuser sowie Kinder- und Waisenheime. Es gehört zu seiner Tragik, dass es mit seinem Textilunternehmen im und nach dem Ersten Weltkrieg bergab ging. So sah sich der Sammler zu Kunstverkäufen veranlasst, und er musste auch seine Villa verlassen und sich eine neue, bescheidene Bleibe suchen. Als 1933 die Nazis an die Macht kamen, wurden alle Hinweise auf James Simon und seine Schenkungen entfernt. Der Sammler und Mäzen war zur Unperson geworden. Ausradiert wurde auch jede Erinnerung an die Verdienste, die sich weitere Juden um Kunst, Kultur und Wissenschaft sowie um die Linderung sozialer Nöte erworben hatten. Da Simon 1932 gestorben war, musste er diese Schmach nicht mehr erleben. Dass er so viel für die Berliner Museen, aber auch für karitative Zwecke geleistet hatte, zählte in der Hitlerzeit nicht mehr. Mit großen Anstrengungen, der mutigen Nutzung alter Verbindungen zu den Staatlichen Museen und unter Berufung auf Simons Verdienste um diese vermochten es Familienmitglieder, sich vor der Deportation in die Vernichtungslager zu bewahren.

Mit der James-Simon-Galerie erfuhr die Museumsinsel ihre bauliche Vollendung. Von hier aus geht es unterirdisch auf der Archäologischen Promenade zum Neuen Museum mit der Büste der Nofretete als besonderes Highlight und zum benachbarten Pergamonmuseum. Unterwegs machen ausgewählte Schaustücke neugierig auf das, was die Besucher in den einzelnen Häusern auf der zum Weltkulturerbe der Unesco gehörenden Museumsinsel erwartet. Zu sehen sind auch Münzen und Medaillen als Hinweis darauf, dass das Berliner Münzkabinett James Simon geprägte Kostbarkeiten verdankt.

16. Januar 2020

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