Kurhut und Königskrone
Herrscherinsignien, Kostüme und Münzen locken im Dresdner Residenzschloss Neugierige aus aller Welt an







Im Dresdner Residenzschloss kann man den sächsischen Kurhut betrachten. Die vergoldete Funeralkrone und der Reichsapfel sowie der Krönungsornat Augusts des Starken zählen zu den herausragenden Schaustücken der Rüstkammer der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.



Die aus München stammende Handschrift der Goldenen Bulle mit angehängtem Goldsiegel war 2006 anlässlich einer Tagung der Arbeitsstelle Monumenta Germaniae Historica bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin zu sehen.



Die Reitergruppe auf dem "Fürstenzug" im Bereich des Dresdner Schlosses feiert sächsische Kurfürsten mit Hut und Hermelinmantel.





Kurfürst Johann Georg I. reitet stolz auf einer Vikariatsmedaille aus dem Jahr 1619.



Wer sucht, der findet in einem Erker des Dresdner Residenzschlosses das legendäre Hufeisen, das August der Starke 1711 eigenhändig zerbrochen hat, dazu der schriftliche Auftrag, das eiserne Beweisstück "verwahrlich" aufzuheben.



Welche golddurchwirkte Stoffe und Ordenssterne August der Starke zu feierlichen Anlässen trug, kann man ebenfalls im Dresdner Schloss sehen.



Im rot-golden dekorierten Audienzsaal des Dresdner Schlosses steht unter einem Baldachin der Thronsessel sächsischer Herrscher, nebenan kann man das riesige Paradebett bewundern, auf dem noch niemand geschlafen hat. (Fotos: Caspar)

Kronen, Schwerter, Zepter, Fahnen und der Reichsapfel zieren viele deutsche Münzen und Medaillen. Die heraldischen Symbole kurfürstlicher Würden sind seit dem Mittelalter fester Bestandteil der Wappenschilder jener Reichsfürsten, die das Privileg hatten, den römisch-deutschen Kaiser zu wählen. Wer das Dresdner Residenzschloss besucht, kann die Insignien betrachten, die sächsische Kurfürsten und polnische Könige bei Huldigungen und Krönungen trugen und die auch auf deren Münzen und Medaillen abgebildet sind. Im Münzkabinett sind zahlreiche Geldstücke und Medaillen ausgestellt, auf denen gekrönte Häupter sowie ihre Wappen und Kronen abgebildet. Nebenan sind in der Rüstkammer der aus Hermelinfell und rotem Samt gefertigten Kurhut der sächsischen Kurfürsten sowie Fahnen, Schwerter, Heroldstäbe und andere Zeichen bewundern, die bei feierlichen Gelegenheiten die Macht und Herrlichkeit der Reichsfürsten aus dem Hause Wettin unterstrichen haben. Mit anderen geistlichen und weltlichen Kurfürsten besaßen sie das in der Goldenen Bulle festgeschriebene Recht, den römisch-deutschen Kaiser zu wählen.

Wenige Schritte von den Insignien der sächsischen Kurfürsten können Besucher in die Welt von Friedrich August I., genannt August der Starke, und die von ihm und seinem Sohn Friedrich August II. geprägte Ära eintauchen und weitere Insignien bewundern. Dazu gehören die Krone, Reichsapfel und Schwert sowie der reich bestickte blaue Samtmantel mit reichem Hermelinbesatz, den August der Starke 1697 in Krakau bei seiner Krönung als König von Polen trug. In einer Vitrine glänzen die Funeralkrone aus vergoldetem Messing und ein Reichsapfel, die bei den Trauerfeierlichkeiten für den 1733 in Warschau verstorbenen Sachsen dessen Macht und Herrlichkeit symbolisierten. Das Zepter, das zu diesem Ensemble gehörte, ist nicht mehr vorhanden. In einer weiteren Vitrine wird der nach den Gesichtszügen Augusts des Starken geformte Kopf der Königsfigur gezeigt.

Kaiserwahl nach dem Mehrheitsprinzip

Das wichtigste Verfassungsgesetz des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation wurde von Kaiser Karl IV. im Jahre 1356 in Nürnberg beziehungsweise Metz erlassen. Die in der Goldenen Bulle festgelegte Wahlordnung enthielt zunächst die Regeln, wie sich die mit der Kur ausgestatteten Fürsten auf ein neues Reichsoberhaupt einigen sollen und welche Erzämter und Privilegien mit dieser Würde verknüpft sind. Im Jahre 1558, nach der Thronentsagung Kaiser Karls V., wurde das Gesetz noch einmal ausdrücklich bekräftigt. Den Reichsständen wurden weitreichende Mitsprachemöglichkeiten zugestanden, und auch die Nichterblichkeit des Kaisertums wurde in der Wahlkapitulation von Kaiser Ferdinand I., des Sohns und Nachfolgers von Karl V., festgeschrieben. Bei der Wahl galt das Mehrheitsprinzip. Die Regeln hörten sich gut an, in der Praxis aber waren sich Kandidaten nicht zu schade, die Kurfürsten und ihre Berater durch Bestechung auf ihre Seite zu ziehen. Bei der Wahl des erst 19 Jahre alten Karl von Habsburg zum römisch-deutschen Kaiser Karl V. flossen riesige Summen, die das Augsburger Bank- und Handelshaus Fugger in Erwartung von Gunsterweisungen durch das neue Reichoberhaupt vorstreckte. Die Goldene Bulle legte ferner fest, dass die weltlichen Kurfürstentümer nicht geteilt werden durften. Die Erbfolge sollte sich nach dem Prinzip der Erstgeburt (Primogenitur) richten. Die Kurfürsten besaßen wichtige und höchst einträgliche Rechte wie die oberste Gerichtsbarkeit und das Berg-, Salz-, Zoll- und Münzregal. Aus der Goldenen Bulle leiteten sie unter anderem den Judenschutz und das Recht des freien Landerwerbs ab.

Ursprünglich sah die Goldene Bulle sieben Hofämter vor, die mit der Kurwürde verbunden waren. Ihre Inhaber waren drei geistliche und vier weltliche Fürsten - der Erzbischof von Mainz als Erzkanzler von Deutschland, der Erzbischof von Köln als Erzkanzler von Italien und der Erzbischof von Trier als Erzkanzler von Burgund. Zu diesen geistlichen Kurfürsten kamen die weltlichen Wahlmänner - der Herzog von Sachsen als Erzmarschall, der Markgraf von Brandenburg als Erzkämmerer, der Pfalzgraf bei Rhein als Erztruchsess und der König von Böhmen als Erzschenk. Im frühen 18. Jahrhundert trugen drei Kurfürsten königliche Kronen - der Kurfürst von Sachsen war König von Polen, der Kurfürst von Brandenburg war König "in" Preußen und der Kurfürst von Hannover war König von Großbritannien und Irland. Der zeitweilig mit der Kurwürde ausgestattete König von Böhmen saß auf dem Kaiserthron in Wien.

Erlauchte Fürstenversammlung

Die Zusammensetzung des Kurfürstenkollegiums wurde im Laufe der Jahrhunderte verändert und erweitert. Der König von Böhmen war seit den Hussitenkriegen im 15. Jahrhundert bis 1708 nicht Inhaber der Kurwürde. Im Jahre 1623 ging die Kurwürde von der Pfalz auf Bayern über, was eine Änderung des bayerischen Wappens zur Folge hatte. Der Reichsapfel erscheint nun auf Münzen der Wittelsbacher. Durch den Westfälischen Frieden von 1648 erhielt der Pfalzgraf die Kurwürde zurück. 1652 wurde für ihn das Amt des Erzschatzmeisters geschaffen, dessen Tätigkeit als Spender der Krönungsmünzen in Goethes vielzitierter Beschreibung der Krönungsfeierlichkeiten von 1764 überliefert ist. Diese nunmehr achte Kurstimme wurde 1777 mit der bayerischen Kur vereinigt.

Weitreichende Rechte der Kurfürsten oder Elektoren, also Wahlmänner, waren in den Bestimmungen der Goldenen Bulle festgeschrieben. Die geistlichen und weltlichen Kurfürsten besaßen weitgehende Privilegien und konnten nach den Bestimmungen der Goldenen Bulle faktisch in ihren Territorien schalten und walten, wie sie wollten. Ihnen eiferten alsbald andere Reichsfürsten nach und setzten alles daran, die nicht sehr ausgeprägte Macht der kaiserlichen Zentralgewalt zu untergraben, die bis zur Auflösung des kraftlos dahinsiechenden deutschen Reiches im Jahre 1806 fast ununterbrochen bei den Habsburgern in Wien lag. Das Dokument, dessen Name von dem aus Goldblech gefertigten Siegel stammt, ist in mehreren kostbaren Handschriften überliefert. Es sah ursprünglich die Wahl des deutschen Königs (später des Kaisers) in Frankfurt am Main und die Krönung in Aachen vor. Zum erstenmal war Friedrich II. Barbarossa anno 1212 in Frankfurt am Main durch eine Fürstenversammlung gewählt worden. Wahl und Krönung erfolgten seit 1562 in der Freien Stadt am Main. Das Wort Kurfürst kommt aus dem Althochdeutschen. Küren heißt wählen. Auf Urkunden, Grabinschriften, Münzen und Medaillen findet sich indes der lateinische Titel "Sacri Romani Imperii Elector" (des Heiligen Römischen Reiches Kurfürst, abgekürzt S. R. I. E.).

Privilegien und Pflichten

Die von Karl IV. beabsichtigte Ordnung im Münzwesen, die Verminderung der Zölle sowie die Bewahrung des Landfriedens waren noble Ziele und ließen sich angesichts der besonderen Verhältnisse im Reich nicht verwirklichen. Die Kapitel 9 und 10 der Goldenen Bulle befassen sich mit den Themen "Über Gold, Silber- und andere Bergwerke" und "Über Münzen". Darin wird unter anderem festgestellt, daß die Könige von Böhmen sowie sämtliche geistlichen und weltlichen Kurfürsten "alle Bergwerke auf Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Eisen, Blei und Metalle anderer Art sowie auch auf Salz...im Königreich sowie in den dazugehörigen Ländern rechts- und gesetzmäßig haben und besitzen dürfen mit allen Rechten und ohne Ausnahmen...Dasselbe ist den vorgenannten Fürsten in ihren Fürstentümern, Ländern, Herrschaften und dazugehörigen Gebieten erlaubt".

Zur Münzprägung wurde festgestellt: "Ferner verfügen wir, daß dem jeweiligen König von Böhmen, unserem Nachfolger, erlaubt ist, Gold- und Silbermünzen an jedem Ort und Teil seines Königreiches und aller ihm untertanen und zugehörigen Länder zu schlagen und schlagen zu lassen, wo es der König befielt und es ihm gefällt, nach jeder Weise und Form, die hierbei im Königreich Böhmen bisher beachtet worden ist." Wichtig ist der Zusatz, daß diese Verfügung "kraft unseres kaiserlichen Gesetzes" sich auch auf alle geistlichen und weltlichen Kurfürsten sowie auf ihre Nachfolger und Erben erstrecken soll. Von großer politischer Bedeutung war die in der Goldenen Bulle vorgenommene Ausschaltung der Versuche des Papstes, Einfluß auf die Wahl des Reichsoberhauptes zu nehmen. Man überging die Approbationsansprüche des Heiligen Vaters, indem festgelegt wurde, dass im Falle des Todes eines Kaisers der Pfalzgraf bei Rhein für Süddeutschland und der Herzog von Sachsen für Norddeutschland das Amt eines Vikars bis zur Neuwahl des neuen Kaisers übernehmen sollten.

Schmähliches Ende des alten Reichs

Dieses Amt hat eine Fülle von sogenannten Vikariatsmünzen und -medaillen hervorgebracht. Sie sind beliebte Sammlerstücke. Die wohl bekanntesten kommen aus Kursachsen. Die Vikariatsmünzen aus den Jahren 1612, 1619, 1657, 1658, 1711, 1740, 1741, 1742, 1745, 1790 und 1792 feiern in Bild und Schrift die hohe Ehre, die dem Haus Wettin für kurze Zeit übertragen war. Auf einigen Stücken sind Symbole des Reiches mit denen des Kurfürstentum Sachsen - doppelköpfiger Adler und gekreuzte Schwerter - miteinander kombiniert. Vorangegangen waren im frühen 16. Jahrhundert aufwendige Prägungen, auf denen Kurfürst Friedrich der Weise als "Statthalter" gefeiert wird. Diese Prägestücke bestechen durch ihre vorzügliche Gestaltung und hohe technische Perfektion. Auch die Kurfürsten von der Pfalz ließen ihr zeitweiliges Amt durch Vikariatsmünzen feiern. Auf ihren Prägungen sind die Kurfürsten häufig mit den Insignien ihrer Würde - Hermelinmantel und Kurhut - dargestellt. Die aus dem Herzoghut hervorgegangene samtbezogene Kappe schwebt auch über den Wappenschildern, während die von den Kurfürsten ausgeübten Erzämter mehr oder weniger abgekürzt in lateinischer Sprache um Bildnisse und Wappen genannt werden. Geistliche Kurfürsten haben oft den Kurhut durch die Mitra ersetzt.

Im Jahr 1692 erlangte Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg als Dank für die dem Kaiserhaus erwiesene Hilfe nach vielfältigen Widerständen unter den deutschen Reichsfürsten die neunte Kurwürde. Der neue Kurfürst von Hannover bekam das Erzpanieramt, das bisher Württemberg ausübte. Im Zusammenhang mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803, bei dem verschiedene geistliche und weltliche Fürstentümer ihre Existenz verloren, wurde auf Betreiben von Napoleon Bonaparte, ab 1804 Kaiser Napoleon I. von Frankreich, die Kurwürde von Mainz auf Regensburg übertragen, während die Kurwürde von Trier und Köln aufgehoben wurde. Es wurden ferner vier neue Kurfürstentümer geschaffen, die aber zu keiner politischen Wirksamkeit kamen, weil 1806 das römisch-deutsche Reich unter schmählichen Bedingungen aufhörte zu existieren. Das bisherige Reichsoberhaupt regierte als Kaiser Franz I. fortan in Österreich. Bei den neuen Kurfürstentümern handelte sich um Württemberg, Baden, Hessen-Kassel und Salzburg. Die Salzburger Kur ging schon 1805 an Würzburg über. Bis 1866 führte der Landesherr von Hessen-Kassel den Titel eines Kurfürsten. Nachzulesen ist dieser Anachronismus auf den Münzen jener Zeit. Überhaupt kann man auf verschiedenen Münzen solche Standeserhöhungen, auch wenn sie de facto keine Bedeutung mehr hatten, gut nachvollziehen.

Zepter, Reichsapfel und gekreuzte Schwerter

Die bekanntesten Kurinsignien sind die gekreuzten Schwerter von Sachsen, das Reichszepter von Brandenburg und der Reichsapfel, den die Pfalz und Bayern im Wappenschild führten. Zu diesen Zeichen kamen nach Erweiterung des Kurfürstenkollegiums andere Symbole. Anfangs verwendete der Kurfürst von Hannover ein sogenanntes Warteschild (Ledigenschild), das ab 1710 unter der Regentschaft des neuen Kurfürsten Georg Ludwig (seit 1714 König Georg I. von England) durch die Kaiserkrone als Zeichen der Würde eines Erzschatzmeisters ersetzt wurde. Die Übernahme dieses Amtes durch den Kurfürsten von Hannover war möglich, weil der Pfalzgraf bei Rhein das Amt des Erztruchsessen zurückerhalten hatte, das wiederum dem Kurfürsten von Bayern im Verlauf des Spanischen Erbfolgekriegs abgenommen worden war. Als der Kurfürst von Bayern, der mit dem Kaiser in Wien verfeindet war, im Jahre 1714 wieder in seine Würden eingesetzt war, forderte er sein Erzamt zurück. Der Streit wurde erst 1777 im Zusammenhang mit dem Bayerischen Erbfolgekrieg beigelegt, als die Pfalz an Bayern fiel.

Die auf vielen württembergischen Münzen dargestellte Reichssturmfahne hatte ebenfalls mehr als nur heraldische Bedeutung. Dieses Reichsbanner war im Jahre 1336 von Kaiser Ludwig dem Grafen Ulrich von Württemberg verliehen worden. Das Erzbanneramt ging bei Installierung der neunten Kur von Hannover an Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg über. Dagegen protestierte der württembergische Herzog Eberhard Ludwig, der die adlergeschmückte Fahne weiter in seinem Wappen führte. Hannover machte einen Rückzieher und setzte einstweilen das schon erwähnte Warteschild in sein Wappenschild. Um die Ansprüche auf das Banner zu unterstreichen, änderte Württemberg sein Wappen und rückte die Fahne vom dritten ins zweite Feld gleich unter der Krone. Dies kann man bei Vergleichen zwischen Münzen aus dem Jahre 1706 und 1707 unschwer feststellen. Die wenigen württembergischen Münzen mit kurfürstlichem Titel zwischen 1803 und 1805 zeigen das zweigeteilte Wappen mit der Reichssturmfahne und den drei Hirschstangen und nennen den Kurfürsten Friedrich II. "Archivexillarius und Elector". Die Fahne ragt nach der Erhebung des Herrschers zum König von Württemberg im Jahre 1806 geprägten Münzen zweimal hinter dem von einem Löwen und einem Hirsch gehaltenen Wappenschild hervor.

19. Februar 2020

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