"...dass man nette sehen kann"
Vor über 300 Jahren hat man Berlins Straßen mit Ölfunzeln in bescheidenes Licht getaucht / Freilichtmuseum mit historischen Leuchten im Tiergarten



Der Zeichner Johann Stridbeck hat 1690 eine Serie von Berliner Stadtansichten geschaffen, die in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt werden. Hier ein Blick in die Spandauer Straße, in der einige Öllaternen aufgestellt sind.



Die Medaille von 1702 feiert die Einführung der Straßenbeleuchtung in der Messe- und Universitätsstadt Leipzig und damit, ungewöhnlich für diese Zeit, ein Ereignis von lokaler Bedeutung.



Die Neue Wilhelmstraße nördlich der Straße Unter den Linden wurde um 1820 von Öllaternen beleuchtet. Diese hingen an Seilen und konnten bei Bedarf herunter gelassen, gereinigt und neu befüllt werden.



Besuchern einer Kneipe wird auf der Illustration aus dem 19. Jahrhundert im wahrsten Sinne des Wortes heimgeleuchtet, neben dem Eingang schaut ein Nachtwächter mit Fanfare zu.



Ein Lampenanzünder schaut auf dem Spottbild links tagsüber nach, ob es in der Nacht Vollmond geben wird. In der Mitte wird einer Frau eine Laterne nachgetragen, rechts eine Straßenlampe Unter den Linden vor der Oper.



Eine so genannte Schinkellampe erinnert an der Jungfernbrücke an Zeiten, da Berlin noch sparsam beleuchtet wurde.



Hier ein Blick auf die heutige Humboldt-Universität Unter den Linden in Berlin. Die Prachtstraße war im frühen 19. Jahrhundert nicht gerade üppig mit Straßenlampen gesegnet. Das änderte sich erst in der Kaiserzeit, als man auch eine bessere Infrastruktur zur Verfügung hatte.



Kostbar gestaltet und pflegebedürftig sind die Kandelaber auf der Weidendammer Brücke und der Moabiter Brücke sowie im Freiluftmuseum am S-Bahnhof Tiergarten. Sie zeigen, welchen Luxus man im 19. Jahrhundert mit solchen Stadtmöbeln betrieben hat.



Formschöne und stilechte Beleuchtung stehen vor dem Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, vor den Kammerspielen und dem Deutschen Theater sowie auf dem Gendarmenmarkt vor dem Französischen Dom. (Fotos/Repros: Caspar)

Berlin war vor über 300 Jahren wie ein großes Dorf mit einem kurfürstlichen, seit 1701 königlichen Schloss, etlichen Kirchen und Adelspalästen sowie zahlreichen, eng aneinander stehenden Bürgerhäusern und kleinen Handwerksbetrieben, umgeben von einer gezackten Festungsmauer und einigen Trabantenstädten, die nach Angehörigen des Herrscherhauses benannt wurden. Bei Dunkelheit in der brandenburgisch-preußischen Haupt- und Residenzstadt zu spazieren, war nicht ganz ungefährlich. Man versank in Schlamm und stolperte durch Löcher, konnte gar in die Spree fallen, deren Arme die brandenburgisch-preußische Haupt- und Residenzstadt zerschnitten. Was Nachtwächter zur Beleuchtung beitrugen, reichte nicht aus, fast überall war es stockfinster. Wer es sich leisten konnte, ließ sich von Fackelträgern eskortieren, doch war dies wegen der Feuergefahr nicht ungefährlich. Wer auf der Straße rauchte, bekam es mit der Polizei und Justiz zu tun. Erst im Ergebnis der Revolution von 1848/49 wurde das Rauchen unter freiem Himmel erlaubt und als große Errungenschaft gefeiert.

Um die Sicherheit auf Straßen und Plätzen zu erhöhen, wurden die Berliner 1679 nach holländischem Vorbild durch ein landesherrliches Edikt verpflichtet, "eine Laterne, da drinnen ein brennendes Licht steckt, aus jedem dritten Haus herauszuhängen, also dass die Lampen von den Nachbarn abwechselnd besorgt werden." Ein paar Jahre später wurden auch in Leipzig die ersten Laternen aufgestellt, und eine Medaille mit einem Bild dieser Errungenschaft verkündete "Leipzig steckt Laternen an, / dass man nette sehen kann". Die von Christian Wermuth geschaffene Medaille von 1702 mit einer schönen Stadtansicht wünscht Leipzig Frieden und gutes Gedeihen und feiert die Einführung der Stadtbeleuchtung. Die Straßenlampe beleuchtet einen Nachtwächter und einen feinen Herren, der in ein Buch schaut. Da man damals auch den Rand zu Schmuckzwecken und zu Mitteilungen aller Art nutzte, kann man den erwähnten Reim dort lesen.

Glasbehälter am Holzstiel

Die ersten Berliner Straßenleuchten bestanden aus einem drei bis vier Meter hohen Holzpfahl mit einem aus Glasscheiben gefertigten Körper obenauf. Darin stand ein Gefäß mit Öl, aus dem ein Docht ragte. Die von dem Amsterdamer Maler und Konstrukteur Jan van der Heyden entwickelte Novität wurde mit Rübenöl gespeist, das ein mildes Licht ergab. Bei Tagesanbruch wurden die mit Luftlöchern versehenen Lampen gelöscht, gereinigt und mit neuem Brennstoff gefüllt. Da das flackernde Feuer die Scheiben schnell schwarz anlaufen ließ, war es nötig, sie tagsüber regelmäßig zu reinigen. Die Lampen waren so konstruiert, dass sie bei starkem Wind nicht ausgeblasen wurden. Auch als man im frühen 19. Jahrhundert Gas statt Öl verwendete, musste jede einzelne Lampe angezündet werden. Dazu war die Stadt in Reviere aufgeteilt. Jedem Anzünder wurden zwischen 45 und 60 Lampen zugeteilt, die teils an langen Stangen aufgestellt, teils mit eisernen Armen an Hauswänden befestigt waren oder auch quer über die Straßen an Seilen und Ketten hingen.

Die neue Straßenbeleuchtung war ein teures Vergnügen und verschlang viele tausend Taler. Um die Kosten zu drücken, verzichtete man bei Vollmond auf das teure Kunstlicht, und außerdem wurde nicht die ganze Stadt beleuchtet. Dieses Privileg hatten anfangs nur die größeren Plätze und wichtigsten Straßen, und dies auch nicht die ganze Nacht hindurch, sondern nur wenige Stunden bis Mitternacht, weil man davon ausging, dass zu später Stunde kaum jemand noch auf der Straße war. So wurde die vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg angelegte Prachtstraße Unter den Linden, die sich schnurgerade vom Schloss zum Brandenburger Tor zog, mit Kandelabern geschmückt, ebenso der Bereich um das Schloss und etliche große Marktplätze.

Militärisch organisierte Lampenwärter

Laternenwächter waren Vertrauenspersonen, denen man einen speziellen Treueid abnahm. Da man in Brandenburg-Preußen war, wurde ihre Arbeit durch Verordnungen streng reglementiert, wobei man auch holländische Vorbilder übernahm. Bevorzugt wurden abgemusterte Soldaten zu Beleuchtern gemacht, so wie Kriegsinvaliden als Lehrer weiter dienen konnten. Ein Offizier befehligte die militärisch organisierte und uniformierte "Invaliden-Erleuchtungs-Kompanie", so der Name der in einer Kaserne stationierten Truppe. Bezahlt wurde die städtische Beleuchtung einschließlich der Laternenwächter vom Landesherrn aus den Erträgen der Akzise, also aus Verbrauchssteuern, sowie aus Haussteuern. Angesichts leerer Staatskassen zum Beginn des 19. Jahrhunderts infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen mit Frankreich und der harten Friedensbedingungen sowie steigender Ölpreise liefen bei der städtischen Beleuchtung hohe Schulden auf mit der Folge, dass die Steuer erhöht und die Zahl der Lampen reduziert wurden.

Die Einführung der Gasbeleuchtung 1826 in Berlin durch die International Continental Gas Association bereitete dem Öllicht ein langsames Ende. Doch gab es das ganze 19. Jahrhundert hindurch noch diese antiquierte Beleuchtungsart, erst 1928 wurden in Köpenick die letzten vier Petroleumlampen durch Gaslicht ersetzt, wie Herbert Limann in seinem Buch "Mehr Licht - Geschichte der Berliner Straßenbeleuchtung" (Verlag Haude & Spener Berlin 2000, 120 S., 130 Abb.) schreibt. Der Autor war lange Zeit in der Berliner Bauverwaltung für die öffentliche Straßenbeleuchtung zuständig und schildert die spannende Entwicklung von den ersten bescheidenen Ölfunzeln bis zu den Elektroleuchten unserer Tage, wobei die "Erleuchtung" der Straße Unter den Linden besonders betont wird.

Erstmals war im Jahr 1880 der Pariser Platz am Brandenburger Tor in das ungewohnt gleißende Licht elektrischer Bogenlampen getaucht worden. Heute sorgen in Berlin knapp 50 000 öffentliche Straßenleuchten für gute Sicht, davon sind die meisten elektrisch betrieben, doch es gibt auch da und dort noch Gaslaternen, die Stadt- beziehungsweise Erdgas nutzen. Eine spezielle Dämmerungschaltung mit eingebauten Fotozellen schaltet die Leuchten je nach Tageszeit automatisch an oder aus. Allerdings sieht man verschiedentlich Straßenlampen auch tagsüber angestellt, weil die Automatik beim Ausschalten nicht klappt.

Großer Galgen, Schwanenhals, Wiener Mast

Eine Sammlung historischer Laternen kann man seit 1987 in einem Freilichtmuseum unweit des S-Bahnhofs Tiergarten an der Straße des 17. Juni bewundern. In der kleinen Grünanlage sind etwa 90 gusseiserne Kandelaber aus deutschen und europäischen Städten aufgestellt. Im Deutschen Technikmuseum, das die rund um die Uhr geöffnete Freiluftanlage betreut, wird überdies die Entwicklung der Straßenbeleuchtung ausführlich dokumentiert und durch historische Objekte belegt. Allerdings sind die hier ausgestellten Öl- und Gaslampen aus dem 19. und 20. Jahrhundert Nachbauten unserer Tage, da sich Originale kaum erhalten haben. Das Freilichtmuseum zeigt, dass die ältesten, nach dem Architekten und Stadtplaner Karl Friedrich Schinkel benannten Laternen klassizistisch-einfach gestaltet wurden. Hingegen trumpfen mehrarmige Kandelaber aus der Kaiserzeit nach 1871 mit neobarocken Prunk und ausladenden Armen auf. Ihr Gaslicht sollte die Avenuen und Plätze der neuen Reichshauptstadt ausleuchten und auch unterstreichen, dass Berlin eine nicht mehr die kleine Residenz der Preußenkönige ist, sondern eine aufstrebende Metropole von Weltrang, vergleichbar mit London, Paris, Wien, Rom und Sankt Petersburg. Kleine Texttafeln nennen skurrile Namen wie Bischofsstab, Großer Galgen, Pilzleuchte, Bündelpfeiler, Wiener Mast oder Schwanenhals. Schaut man genau hin, dann sieht man, dass die Bezeichnungen nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern die Gestalt der eisernen Lichtspender ziemlich genau treffen.

Auch die über die Stadt verteilten so genannten Schinkelleuchten und weitere Prunkkandelaber mit drei bis fünf Armen sind in der Regel Kopien. Dies gilt auch für die verschwenderisch dekorierten elektrischen Bogenlampen aus der Kaiserzeit, mit denen die "Linden" in den letzten Jahren als Ersatz für die wenig dekorativen Peitschenmaste aus der Nachkriegs zeit ausgestattet wurden. Auch vor dem Roten Rathaus und an anderer Stelle kehrten nach alten Originalen neu gebaute Lampen zurück. Ein Bild des Jammers bietet die Straßenbeleuchtung auf der Karl-Marx-Allee. Viele der nach 1950 in der damaligen Stalinallee aufgerichteten Lampen mit Füßen aus Beton sind marode und wurden kurzerhand abgetrennt. An den traurigen Stümpfen hat man neue Leuchten befestigt, die natürlich nicht zur Umgebung gehören.

4. April 2020

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