"Wenn'se nach Berlin reinkommen, gleich links" - so beschrieb Max Liebermann Gästen den Weg zu seinem Wohnhaus neben dem Brandenburger Tor am Pariser Platz, den man zur Kaiserzeit und danach "Empfangssalon von Berlin" nannte. Im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört, wurde die Ruine des Wohn- und Atelierhauses des Malers nach dem Mauerbau ganz und gar beseitigt und in den 1990er Jahren nach Plänen von Josef Paul Kleihues neu gebaut. Das Gebäude ist heute Sitz der Stiftung Brandenburger Tor der Berliner Sparkasse. Sie erinnert noch bis zum 15. März 2020 mit der Ausstellung "Liebermanns Welt" an das das bewegte Leben des Malers Max Liebermann und seiner Familie. Zahlreiche Schrift- und Bildtafeln sowie in Vitrinen ausgelegte Bücher und Bilder rufen einen herausragenden Vertreter der Moderne und Kunstpolitiker in Erinnerung, den Wilhelm Hausenstein 1932 den "echten König von Berlin" nannte. In der Ausstellung wird der Schriftsteller, Kunstkritiker und Kulturhistoriker, Publizist und Diplomat mit diesen treffenden Worten so zitiert: "Sein Haus ein Palais - mit aller Diskretion des alten Berliner Stils. Sein Wohnen ist ein Residieren, seine Kunst und seine akademisch-organisatorische Arbeit sind ein Régime. Seine Zimmer - mit Weinrot und Braun - eher dunkel statt hell [...] An den Wänden hängen Bilder großer Franzosen [... Da hängt Césanne, Manet, Monet, Daumier. Der Spargelbund von Manet ist da [...], man meint zu träumen."
Wie es bei Max Liebermann und seiner Frau Martha ausgesehen hat und wie das Stadtpalais des ebenso berühmten wie streitbaren und umstrittenen Malers und Präsidenten der ebenfalls am Pariser Platz residierenden Preußischen Akademie der Künste ausgesehen hat, wie seine Wohn- und Arbeitsräume möbliert und mit Gemälden und Skulpturen ausgestattet waren, wird den Besuchern in der Ausstellung und dann nach Aufsetzen einer Virtual-Reality-Brille wunderbar vor Augen geführt. In der Mitte eines Raums neben der mit zahlreichen Bild-Text-Tafeln versehenen Ausstellung stehend, schaut man in die Wohnräume und das Atelier des Künstlers. Man geht durch das Musikzimmer, Speisezimmer und Arbeitszimmer, um im berühmten Maleratelier anzukommen, in das von oben Licht durch ein gewölbtes Glasdach dringt. Da Kaiser Wilhelm II. dem Künstler diese schon von weitem sichtbare Überwölbung nicht gönnte und sowieso etwas gegen Liebermann und die anderen "Rinnsteinmaler" hatte, sah sich Liebermann genötigt, die Gerichte zu bemühen und bekam von ihnen Recht. Der sich als oberster Kunstrichter des Deutschen Reichs empfindende Monarch, der Liebermann und seine Mitstreiter "Maler des Hässlichen" nannte, ging, bildlich gesprochen, bei dem jahrelangen Rechtsstreit als Verlierer vom Platz. Auch diese Episode in der bewegten Lebensgeschichte des Malers wird in der Ausstellung thematisiert.
Leute von Rang und Namen waren zu Gast
Der virtuelle Rundgang macht eigenhändige Werke von Max Liebermann sowie seine eindrucksvolle Kunstsammlung digital erlebbar. Da sie im Zweiten Weltkrieg teilweise verloren ging beziehungsweise über die ganze Welt verstreut wurde, hängen bei der virtuellen Rekonstruktion der Wohnräume nur leere Rahmen an den Wänden. Die Stiftung Brandenburger Tor hat mit dem VR-Entwicklerteam von Ikonospace zusammengearbeitet, so dass innerhalb eines Jahres mehr als einhundert Kunstobjekte und Möbel sowie Raumsituationen mit Hilfe modernster Technologien wie 3D-Scanning, 3D-Skulpturen und Photogrammmetrie in detaillierter Kleinstarbeit nachgestaltet werden konnten. Wenn man sich mit der Brille auf der Nase auf einen Rundgang durch das Haus Liebermann begibt, dann ist es, als würden jeden Augenblick Max und Martha Liebermann durch die Tür treten, sich ans Klavier setzen oder in einem Sessel Platz nehmen. Es kann sein, dass einem bei der Nutzung der VR-Brille "trieselig" wird, weshalb darüber nachgedacht werden sollte, Besuchern einen Stuhl oder Drehsessel anzubieten.
Zu Beginn seiner Laufbahn von Hof- und anderen Künstlern und den Medien als "Armeleutemaler" verfemt, entwickelte sich der aus einer wohlhabenden jüdischen Unternehmerfamilie stammende Max Liebermann um 1900 zum erfolgreichsten Vertreter und Unterstützer moderner Kunst in Deutschland. Seine finanzielle Lage erlaubte ihm Reisen vor allem in die so geliebten Niederlande und gestatte eine großbürgerliche Lebensweise. Viele Leute von Rang und Namen waren zu Gast im Haus am Pariser Platz, aber auch in Liebermanns Sommerhaus am Großen Wannsee, das nach jahrzehntelanger Missnutzung in ein vielbesuchtes Museum und eine Gedenkstätte umgestaltet wurde. Max Liebermann war ein begnadeter Porträtist der bürgerlichen Elite der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. In der Ausstellung sind einige Bildnisse von Künstlerkollegen, Gelehrten, Unternehmern und Politikern als Reproduktionen zu sehen.
"Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte"
Neben Glanz und Anerkennung gab es im Leben von Max Liebermann und seiner Familie nach der Errichtung der Nazidiktatur auch viel Trauer und Elend. Die Ausstellung erinnert daher auch an das tragische Schicksal der Familie Liebermann. In Erinnerung wird ein berühmter Ausspruch des damals 85jährigen Malers gerufen, der am Abend des 30. Januar 1933 angesichts des Fackelzuges der SA-Horden durchs Brandenburger Tor gesagt haben: "Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte". Für den Maler war klar, dass das, was sich da ankündigte, keine "vorübergehende Strömung" ist. Die Nazis hatten den Juden Liebermann wie viele seiner Künstlerkollegen zur Unperson erklärt. Des Malers Bilder galten von nun als "entartet", wurden von den Herren in den braunen Hemden den Museen entfernt und manchmal in der Schweiz für Spottpreise verschleudert.
Max Liebermann kam dem bevorstehenden Ausschluss aus der Akademie der Künste durch seinen eigenen Austritt zuvor, weil Kunst "weder etwas mit Politik noch mit Abstammung zu tun hat". Der Maler suchte bei seinen Bildern Vergessen. Er lebte, gestand er damals einer Besucherin, "nur noch aus Hass". Das Malverbot für ihn als Juden und andere vom NS-Regime aus rassistischen und politischen Gründen Verfolgte und Geächtete hat den ehemals umjubelten und jetzt verunglimpften Künstler Liebermann nicht mehr erreicht. Am 8. Februar 1935 starb er in seinem Haus am Pariser Platz und fand auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee seine letzte Ruhe. Vertreter der Stadt Berlin, deren Ehrenbürger der Maler war, und des NS-Staates blieben der Trauerfeier fern, doch ließen es sich Freunde aus besseren Tagen wie der Verleger Bruno Cassirer, der Kunsthistoriker Max J. Friedländer, der Schriftsteller Ludwig Fulda, der Arzt Ferdinand Sauerbruch sowie die "entartete" Malerin Käthe Kollwitz und andere nicht nehmen, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen.
Als Armeleutemaler verunglimpft
Zu Beginn seiner Laufbahn vom kaiserlichen Hof und der dort anerkannten Künstlerwelt und den staatstragenden Medien als "Armeleutemaler" verunglimpf und sich mit diesem Verdikt in allerbester Gesellschaft befindlich, entwickelte sich der aus einer wohlhabenden Berliner Unternehmerfamilie stammende Max Liebermann um 1900 zum erfolgreichsten Vertreter und Unterstützer moderner Kunst in Deutschland. Seine finanzielle Lage erlaubte ihm Reisen vor allem in die so geliebten Niederlande und gestatte eine großbürgerliche Lebensweise. Viele Leute von Rang und Namen waren zu Gast im Haus am Pariser Platz, aber auch in Liebermanns Sommerhaus am Großen Wannsee, das nach jahrzehntelanger Missnutzung in ein vielbesuchtes Museum und eine Gedenkstätte umgestaltet wurde. Max Liebermann war ein begnadeter Porträtist der bürgerlichen Elite des Deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik. In der Ausstellung sind einige seiner Bilder mit Bildnissen von Künstlerkollegen, Gelehrten, Unternehmern und Politikern als Reproduktionen zu sehen.
Für den Maler war klar, dass das, was sich 1933 ankündigte, keine "vorübergehende Strömung" ist. Die Nazis hatten den Juden Liebermann wie viele seiner Künstlerkollegen zur Unperson erklärt. Des Malers Bilder galten von nun als "entartet", wurden von den Herren in den braunen Hemden den Museen entfernt und manchmal in der Schweiz für Spottpreise verschleudert. Liebermann kam dem bevorstehenden Ausschluss aus der Akademie der Künste durch seinen eigenen Austritt zuvor, weil Kunst "weder etwas mit Politik noch mit Abstammung zu tun hat". Der Maler suchte bei seinen Bildern Vergessen. Er lebte, gestand er einer Besucherin, "nur noch aus Hass".
Grab auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee
Das Malverbot für Juden und andere vom NS-Regime verfolgte und geächtete Künstler hat den ehemals umjubelten und jetzt verunglimpften Künstler Liebermann nicht mehr erreicht. Am 8. Februar 1935 starb er in seinem Haus am Pariser Platz und fand auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee seine letzte Ruhe. Vertreter der Stadt Berlin, deren Ehrenbürger der Maler war, und des Staates blieben der Trauerfeier fern, doch ließen es sich Freunde aus besseren Tagen wie der Verleger Bruno Cassirer, der Kunsthistoriker Max J. Friedländer, der Schriftsteller Ludwig Fulda, der Arzt Ferdinand Sauerbruch sowie die "entartete" Malerin Käthe Kollwitz und andere nicht nehmen, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen.
Für Martha Liebermann begann eine achtjährige Leidenszeit. Sie wurde enteignet, musste sich von allem Besitz trennen, durfte ihr Haus am Pariser Platz nicht mehr betreten, weil das Regierungsviertel unter dem "Judenbann" stand. Sammler und Händler machten sich an die in einer kleinen Wohnung im Tiergarten lebende Frau heran, um Bilder und Grafiken ihres Mannes billig zu ergattern. Derweil bedrängten Freunde sie zur Emigration ins Ausland. Als sie dazu endlich bereit war, konnte sie die hohen Lösegeldforderungen der Nazis nicht aufbringen. Am 5. März 1943 sollte die Witwe des berühmten Malers nach Auschwitz deportiert werden. Sie nahm eine Überdosis Veronal und starb fünf Tage später. Weil die Gestapo Bestattungen auf dem Friedhof an der Schönhauser Allee nicht zuließ, wo ihr Mann und Familienangehörige begraben waren, wurde sie auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee beerdigt. Nach dem Krieg hat man ihre sterblichen Überreste an die Seite ihres Mannes überführt. Ein Steinmetz schuf eine Grabplatte, die der ihres Mannes gleicht. Vor längerer Zeit wurde die zum Ehrengrab der Stadt Berlin erhobene Anlage sorgsam restauriert.
Gastfreundliche Aufnahme im Haus am Pariser Platz
Wer das Gästebuch der Ausstellung liest, findet interessante Einträge von Besuchern. Einer schrieb am 22. November 2019, sein Großvater sei als indischer Student in Chemnitz Anfang der dreißiger Jahre oft einsam gewesen. "So kam er aus Liebe zu Jazz und Bildende Kunst an Wochenenden nach Berlin. Er erzählte mir, dass er eines Tages zwischen dem Adlon und der Akademie mit Studenten ins Gespräch kam, diese nahmen ihn einfach mit ,zu Liebermanns'. Herrn Liebermanns Berlinerisch war ihm komplett unverständlich, aber die Herzlichkeit und die gemeinsame Liebe zu Holland konnte auch mit Händen und Füßen und Englisch übersetzt werden. Frau Liebermanns warmherziger Empfang ließ ihn Jahre später noch schwer schlucken." Der Schreiber schließt seinen Eintrag mit dem Dank an die Ausstellungsmacher. Das alte Bild vom Wohnzimmer mit den Manets in VR (Virtual Reality) wiederzusehen, sei für ihn ein besonderes Erlebnis gewesen.
10. Januar 2020
Zurück zur Themenübersicht "Ausstellungen, Museen, Denkmalpflege"