Der Braunkohletagebau hat seit dem 19. Jahrhundert das südliche Brandenburg nachhaltig verändert. Menschen wurden umgesiedelt, Dörfer sind verschwunden, die Gegend gleicht einer Mondlandschaft. Im Wettlauf mit den Baggern haben Bodendenkmalpfleger das Gebiet untersucht. Ergebnisse der in über 30 Jahren durchgeführten Braunkohlenarchäologie werden seit 2003 in der Slawenburg Raddusch/Radu (Landkreis Oberspreewald-Lausitz) dokumentiert. "Mit dem Bau der Slawenburg wird, stellvertretend für unzählige durch den Braunkohlentagebau vernichtete Zeugnisse der Vergangenheit, der Region ein Stück historische Identität zurück gegeben", fassten Archäologen damals die Ergebnisse ihre Mühen um das ungewöhnliche Dokumentationszentrum zusammen, das sich in den vergangenen Jahren zu einem vielbesuchten Touristenmagneten entwickelt hat.
Die Slawenburg Raddusch ist die weitgehend originalgetreue Nachbildung einer slawischen Fluchtburg. Sie ist eine von ursprünglich etwa 50 ringförmigen Wallanlagen, die im 9. und 10. Jahrhundert von den Lusitzi in der Niederlausitz errichtet wurden. Nach Unterwerfung dieses Stamms Ende des 10. Jahrhunderts durch die Sachsen wurde sie aufgegeben. Zwischen 1984 und 1990 ausgegraben, wurde die Burg von 1994 bis 2003 als "Idealrekonstruktion" und Museum wieder aufgebaut. Die in einjähriger Arbeit erneuerte Dauerausstellung "Archäologie in der Niederlausitz" lädt zu einer Zeitreise durch 12.000 Jahre Siedlungsgeschichte von der Steinzeit bis zum Mittelalter ein. Nach der Neugestaltung ist das von der Regionalen Entwicklungsgesellschaft Vetschau mbH. betriebene Museum barrierefrei gestaltet und klimatisiert. Es erzählt auf einer Fläche von 600 Quadratmeter Niederlausitzer Geschichte der vergangenen 130 000 Jahre und ist mit moderner Ausstellungstechnik ausgestattet. Filme, Animationen und kurze Texte leiten die Gäste durch die Dokumentation und vermitteln historische Zusammenhänge. Das zur Burg gehörende Freigelände bietet auf rund 11 Hektar Stationen, an denen Themen der Ausstellung noch einmal aufgegriffen und erlebbar gemacht werden.
Götterfigur und Waren aus fernen Gegenden
Gezeigt werden in dem Rundbau rund 2600 Ausstellungsstücke als Leihgaben verschiedener Museen und Institutionen des Landes Brandenburg. Mehr als 2000 Objekte kamen aus dem Landesfundmagazin des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums (BLDAM), das seinen Sitz im ehemaligen Paulikloster zu Brandenburg an der Havel hat und Fundstücke von der älteste Besiedlung bis hinein ins 20. Jahrhundert besitzt und in einer repräsentativen Auswahl zeigt. Die Funde waren speziell für Raddusch in der museumseigenen Restaurierungswerkstatt konservatorisch bearbeitet, andere Objekte waren bereits 2003 zu sehen, als die Slawenburg eröffnet wurde. Zu den außergewöhnlichen Ausstellungsstücken gehört der "Götze von Raddusch", eine bearbeitete Eichenbohle, die im 10. Jahrhundert in einen der Burgbrunnen gelangte. So blieb die einzige slawische Götterfigur in Brandenburg der Nachwelt erhalten. Weitere Hinterlassenschaften aus Keramik und Metall beleuchten das Leben der Menschen in vergangenen Zeiten und illustrieren am Beispiel einer Bronzeschale und anderer Gegenstände aus dem Ostseeraum weitreichende Handelsbeziehungen und Kontakte in ferne Gegenden.
Bei der Anlage handelt es sich nicht um die "echte", über 1000 Jahre alte Fluchtburg aus Holz und Erdreich, die vom Stamm der Lusitzi errichtet wurde. Vielmehr erhebt sich auf originalem Standort eine architektonische Adaption, um die sich ein Wassergraben zieht. Die Burg besteht aus Beton, ist innen hohl und besitzt wie eine wirkliche Slawenburg außen eine Verkleidung aus Holzstämmen und Lehm. Den Hof kann man wie schon in der Slawenzeit durch zwei gegenüber liegende und mit einem Bohlenweg verbundene Tortunnel betreten, die durch Ausgrabungen belegt sind. Ein nachgebildeter Brunnen erinnert daran, dass es im Burghof vor tausend Jahren vier solcher Wasserspender gegeben hat. Fundstücke aus diesem Brunnen werden in einer speziellen Vitrine gezeigt. Im Innenhof der Burg hat man Spuren von Speichern und Lagern festgestellt. Wie in slawischer Zeit die rostartig übereinander geschichteten Eichenstämme miteinander verzahnt und die Zwischenräume mit Sand und Lehm verfüllt wurden, verdeutlicht die Ausstellung. Dort schildern Computersimulationen, wie Raddusch zur Erbauungszeit zwischen 850 und 1000 ausgesehen hat und wie die Lusitzi genannten Bewohner gelebt haben, nach der auch die Lausitz benannt ist. Man erfährt überdies, dass es auf engem Raum zwischen Alt Golzen im Westen und Cottbus im Osten etwa 40 solcher Fluchtburgen gegeben hat. Ihre Anlage erfolgte offenbar im Zusammenhang mit der deutschen Ostexpansion. Nach der Eroberung der Lausitz durch Markgraf Gero im Jahr 963 und der Unterwerfung der Bewohner verlor die Burg um das Jahr 1000 ihre Bedeutung als Zufluchtsort und wurde von den Menschen verlassen.
Beeindruckendes Zeugnis aus der Geschichte des Landes brandenburg
Slawische Rundwälle des 9. und 10. Jahrhunderts nach Christus wurden als Holzrostkonstruktionen erbaut und von einem Graben geschützt. Den Erdaushub hat man zum Auffüllen der Rostkonstruktion verwendet. Die Bewohner aus dem Umland gelangten damals durch zwei Tunneltore in das Innere des sieben Meter hohen Walls. Die Schau dokumentiert anhand von Stein-, Keramik- und Metallfunden die früheste Geschichte der Region, berichtet aber auch über das Mittelalter und neuere Zeiten. Breiten Raum nimmt in der Ausstellung die Lausitzer Kultur ein, die von der Bronzezeit bis in die ältere Eisenzeit (ca. 1500 bis 500 v. Chr.) existierte. Ihr folgte ein halbes Jahrtausend, in der die Region kaum besiedelt war. Besucher lernen neben den Bestattungsriten auch die Gewinnung von Eisen aus Raseneisenstein und die Fertigkeiten der Töpfer und Metallhandwerker in grauer Vorzeit kennen.
Kulturministerin Manja Schüle und Infrastrukturminister Guido Beermann begrüßten die Neueröffnung der Slawenburg Raddusch. Das Land Brandenburg hatte die Erhaltung und Neugestaltung des Museums seit 2014 mit rund 827.000 Euro unterstützt. Weitere rund 1,5 Millionen Euro kamen aus dem Bundesprogramm "Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland" sowie aus Förderprogrammen der EU. "Die Slawenburg Raddusch/Radu ist ein beeindruckendes Zeugnis aus der Geschichte unseres Landes. Sie steht für die Geschichte der Sorben/Wenden, die dieses Land maßgeblich geprägt haben und bis heute prägen", sagte die Ministerin. Sie stehe für eine große Zahl durch den Braunkohletagebau verloren gegangener Kulturgüter, aber auch für die herausragenden Erfolge der Braunkohlearchäologie. Sie schaffe Identität vor Ort und sei zugleich eines der attraktivsten Kultur-Reiseziele im Süden Brandenburgs. Das würden auch die mehr als 900.000 Besucherinnen und Besucher belegen, die die Anlage seit 2003 besucht haben. "Damit ist die Slawenburg Raddusch/Radu einer der kulturellen Leuchttürme bei der anstehenden Strukturentwicklung in der Lausitz." Infrastrukturminister Guido Beermann betonte: "Wir wollen für die Lausitz neue Zukunftsperspektiven schaffen. Zahlreiche Gebiete, in denen früher Braunkohle abgebaut wurde, werden noch heute saniert. Eine wichtige Maßnahme ist hierbei die Unterstützung dieses besonderen Anziehungspunktes. Die Entwicklung der Bergbaufolgelandschaft erfordert noch für viele Jahre erheblichen Handlungsbedarf. Die Um- und Neugestaltung der Slawenburg sowie ihres Umfeldes ist eines der Leitprojekte des von uns begleiteten Regionalen Entwicklungskonzeptes Spreewald-Niederlausitzer Tagebaufolgelandschaft', das die touristische Entwicklung steuert."
2. September 2020
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