Tod im Schmelztiegel
Preußische Könige mussten sich in Kriegs- und Notzeiten von ihren Schätzen aus Gold und Silber trennen





Münzhumpen und silbernes Tafelgeschirr entgingen dem Schmelztiegel und können daher im Schloss Charlottenburg und anderen Museen gezeigt werden.



Der preußische Kronschatz wird im Schloss Charlottenburg als Leihgabe der Familie Hohenzollern gezeigt.



Wie die Aufstellung der tonnenschweren Gefäße aus vergoldetem Silber im Berliner Schloss ausgesehen hat, zeigt das Foto aus der Zeit vor der Zerstörung. Der Name des Prunkraums weist auf die feierliche Aufnahme neuer Mitglieder in den 1701 gestifteten Hohen Orden vom Schwarzen Adler, Preußens vornehmster Auszeichnung.



Im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick ist das aus der Barockzeit stammende Silberbüfett aus dem Berliner Schloss zu sehen.



Die Illustration von Emil Döpler im Hohenzollernjahrbuch von 1896 schildert, wie zur Zeit Friedrichs des Großen und Friedrich Wilhelms III. kostbare Silbergefäße eingeschmolzen wurden, um aus ihnen Münzen prägen und Staatsschulden bezahlen zu können. Der mit einem Kurhut geschmückte Silberhumpen aus der Zeit nach 1692 wurde dem Kurfürsten Friedrich III. anlässlich einer Huldigung geschenkt.



Wenn Kaiser Wilhelm II. zum Staatsbankett einlud, wurde alles auf die Tafel gestellt, was die Schatzkammer der Hohenzollern an Gold, Silber, Glas und Porzellan zu bieten hatte. Auf der Grafik gibt der Gastgeber einem hinter ihm stehenden Lakaien Anweisungen, ihm gegenüber spricht Zar Nikolaus II. mit Kaiserin Auguste Viktoria.





Im Schloss Charlottenburg kann man silbernes Tafelgeschirr aus der Zeit Friedrichs II., des Großen, das zur Hochzeit des Kronprinzen Wilhelm mit Cecilie von Mecklenburg-Schwerin gefertigte Kronprinzensilber und viele andere Preziosen bewundern. (Fotos/Repro: Caspar)

Das Kurfürstentum Brandenburg und ab 1701 das preußische Königreich gehörten nicht gerade zu den besonders begüterten Monarchien. Wegen des vielen unfruchtbaren Erdreichs verspottete man das Land als "märkische Streusandbüchse". Das tat den Hohenzollern weh, und sie taten alles, um im Konzert der deutschen und europäischen Fürstentümer einen angesehenen Part zu spielen. Das geschah durch Botschaften aller Art. Prunkvolle Schlösser und große Kirchen gehörten ebenso dazu wie eine furchterregende Armee und Teilnahme an Kriegszügen, ein luxuriöses Hofleben und teure Staatsgeschenke an andere Potentaten. Gelegentlich wurde großer Prunk entfaltet, wenn gekrönte Häupter das Land und seine Hauptstadt Berlin besuchten. Die Hohenzollern wusste aber auch mit goldenem und silbernem Tafelgeschirr, brillantbesetzten Tabaksdosen, Kunstsammlungen und vielen anderen Preziosen aufzutrumpfen. Im Berliner Schloss Charlottenburg sowie im Schloss Köpenick, dem Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, sind Stücke aus dem hohenzollernschen Kronschatz sowie Tafelaufsätze und Geschirre aus Silber und Porzellan zu sehen, die zu feierlichen Anlässen der staunenden Welt vorgeführt wurden.

Münzfreunde werden sich freuen, auch schwere Silberhumpen zu sehen, die über und über mit Talern und Medaillen besetzt wurden. Diese Mode kam in der Barockzeit auf und war am preußischen Hof besonders en vogue. Die Gefäße wurden den Hohenzollern anlässlich von Huldigungen oder zu Geburtstagen geschenkt oder vom Herrscherhaus in Auftrag gegeben. Viele Stücke im Schloss Charlottenburg wie die aus zwei Kronen, dem Zepter, dem Reichsschwert und anderen Teilen bestehenden Krönungsinsignien von 1701, die brillantbesetzten Tabaksdosen Friedrichs des Großen und einige Münzhumpen blieben nach dem Ersten Weltkrieg im Besitz des vormals regierenden Hauses Hohenzollern und werden als dessen Leihgaben präsentiert.

Reichtum, Macht und Pracht

Speisen in aller Öffentlichkeit edlem Ambiente mit hunderten Gästen spielte an Fürstenhöfen schon immer eine große Rolle. Reich verzierte Schalen, Krüge, Terrinen, Fässer und andere Gefäße aus schwerem Silber, manchmal auch aus purem Gold unterstrichen in Berlin, Charlottenburg, Potsdam, Rheinsberg, Königs Wusterhausen und anderswo, dass die Hohenzollern mit anderen Herrscherhäusern durchaus mithalten konnten, was fürstliche Repräsentation betraf. Im Rittersaal des Berliner Schlosses, das seine Wiedergeburt als Humboldt-Forum erlebt, war ein riesiges Büfett mit kiloschweren Schalen, Tellern, Kannen, Humpen und Terrinen aufgebaut. Wenn hier neue Ritter in den 1701 vom ersten preußischen König Friedrich I. gestifteten Schwarzen Adlerorden aufgenommen und rauschende Feste gefeiert wurden, konnte alle Welt staunend zur Kenntnis nehmen, über welchen Reichtum das Königshaus verfügt, welche Macht es hat und welche Pracht es entfalten kann. Dass derweil Hungersnöte grassierten und Seuchen viele Todesopfer forderten, spielte im Prestigedenken der damals Mächtigen keine Rolle. Sie blendeten die Katastrophen und Nöte das einfach aus und speisten die Betroffenen mit Almosen ab.

Wenn Not am Manne war und sich die Monarchie im Krieg befand, wurden Teile des Silberschatzes eingeschmolzen. Man tat das ohne Gewissensbisse, weil man an den Gefäßen vor allem das Edelmetall schätzte. Nur noch aus den Akten ist bekannt, dass preußische Könige und Königinnen bisweilen von goldenem Geschirr speisten. Da davon kaum etwas erhalten ist, muss man sich diese Preziosen zu den in den Museen ausgestellten Exponaten hinzu denken. Im Dreißigjährigen Krieg von 1618 bis 1648, in den Schlesischen Kriegen des 18. Jahrhunderts sowie zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als Preußen einen Krieg gegen Frankreich verloren hatte und hohe Kontributionen an den siegreichen Kaiser Napoleon I. zahlen musste, erlitten viele Kostbarkeiten aus Edelmetall den Tod im Tiegel, wurden also eingeschmolzen und in klingende Münze verwandelt. Auch das Königshaus erlegte sich ein strenges Sparprogramm auf und ließ bis auf wenige Ausnahmen sein Silber- und Goldservice einschmelzen. Nachdem man das Volk aufgerufen hatte, Gold und Silber zu spenden, war es König Friedrich Wilhelm III. seinen Untertanen schuldig, ebenfalls Besitztümer auf den Altar des Vaterlandes zu legen, wie man damals sagte. So kam es, dass viele Preziosen eingeschmolzen wurden. Münzfreunde kennen so genannte Kontributions- und Vaterlandsmünzen, die in verschiedenen deutschen Fürstentümern und Städten vor und nach 1800 aus Silberspenden der Herrscher und ihrer Untertanen geprägt wurden.

Nach der Niederlage Preußens 1806 im Krieg gegen Frankreich und dem Friedensschluss, zu dem Napoleon I., der siegreiche Kaiser der Franzosen, ein Jahr später in Tilsit den preußischen König Friedrich Wilhelm III. aufzwang, befand sich das Reich der Hohenzollern in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Die Franzosen verlangten 140 Millionen Francs als Kontributionen. Erst wenn diese Riesensumme beglichen war, wollten sie das um die Hälfte verkleinerte Preußen verlassen. Um einen Teil der Kontributionen entrichten zu können, wurden am preußischen Hof nach entbehrlichen Gegenständen aus Gold und Silber eingesammelt. Friedrich Wilhelm III. ließ Teile seines Tafelgeschirrs einschmelzen, und auch aus Silber gefertigte Möbelstücke und Spiegel erlitten den Tod im Tiegel. Da die Schulden außerordentlich drückten, wurde über das Schicksal des im Rittersaal des Berliner Stadtschlosses aufgetürmten Silberbüfetts nachgedacht. Die üppig mit Kronen, Adlern, Wappen und anderem Zierrat bedeckten Teller, Humpen, Kannen und Terrinen aus schwerem, mit Gold überzogenen Silber waren im frühen 18. Jahrhundert von Augsburger und Berliner Silberschmieden für den preußischen Hof angefertigt worden.

Gold gab ich für Eisen

Mit der Präsentation des Ensembles im wichtigsten Saal ihres Berliner Stadtschlosses demonstrierten die Hohenzollern Macht und Stärke. Zugleich aber betrachteten sie die vergoldeten Silbergefäße als Teil ihres Staatsschatzes, der in Kriegs- und Krisenzeiten zur Bestreitung außerordentlicher Ausgaben und zu Herstellung geprägten Geldes geopfert wurde. Ähnlich verfuhr man in Kursachsen nach dem Siebenjährigen Krieg von 1756 bis 1763, wo große und schwere Silbergefäße des Grünen Gewölbes, die von August dem Starken und seinem Sohn Friedrich August II. angeschafft und zur Schau gestellt wurden, zur Gewinnung von Münzmetall eingeschmolzen wurden. Den jungen Kurfürsten und späteren König Friedrich August III./I. plagten keine Gewissensbisse, weil er wusste, etwas Gutes für sein wirtschaftlich am Boden liegendes Land zu tun, und außerdem entsprachen die üppig im Stil des Barock dekorierten Gefäßensembles nicht mehr dem gewandelten Zeitgeschmack.

Dass vor 200 Jahren das Berliner Silberbuffet erhalten blieb, ist der Intervention von Hofbeamten zu verdanken. Sie wiesen Friedrich Wilhelm III. in aller Ehrfurcht auf den besonderen künstlerischen Wert und die historische Bedeutung des Ensembles hin und baten, man möge andere Silbergegenstände einschmelzen. Der König stimmte zu und stellte das Silberbüffet, aber auch einige mit Talern und Medaillen besetzte Humpen unter seinen Schutz. Im Übrigen rief die Regierung Anfang 1813 das Volk zu Spenden unter dem Motto "Gold gab ich für Eisen" auf, um die Ausrüstung von Freiwilligen für den bevor stehenden Befreiungskrieg gegen Frankreich finanzieren zu können. Das Echo in der Bevölkerung war beachtlich, und niemand dachte mehr daran, das im Berliner Stadtschloss und anderen Residenzen befindliche Prunk- und Tafelsilber in den Schmelztiegel zu werfen. Unbekannt ist, welche hochkarätigen Kunstgegenstände dort auf Nimmerwiedersehen verschwanden.

Spezielles Geschirr für spezielle Speisen

Preußens Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. gilt als sparsamer, ganz aufs Praktische und seine Rekruten orientierter Herrscher. Wenn es jedoch um die Pflege seiner Hobbys ging, konnte er sehr freigebig sein. So gab er nicht nur Unsummen für die Anwerbung seiner "Langen Kerls" aus, sondern bestellte bei Berliner und Augsburger Juwelieren auch kostbares Silbergerät - Humpen und Kannen, Möbel, Kronleuchter, alles was gut und teuer war. Der vor allem im Berliner Schloss als Zeugnis von Macht und Reichtum zur Schau gestellte Silberschatz soll 20 Tonnen gewogen haben. Manchmal gelang es, das eine oder andere Stück vor der Vernichtung zu bewahren. Ein vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. im frühen 18. Jahrhundert in Auftrag gegebenes riesiges Bierfass mit zahlreichen eingearbeiteten Talern und kleinere Humpen dieser Art entgingen der Vernichtung, weil man in ihnen "vaterländische Denkmäler" von historischem Wert sah. Ausgestellt sind diese auf Anweisung von König Friedrich Wilhelm III. geretteten Stücke in Köpenick und in Charlottenburg.

Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815, aus denen Preußen siegreich und als Großmacht hervor ging, fielen die Lücken auf der königlichen Tafel unangenehm auf, und so wurden große Anstrengungen unternommen, um neue Silberservices anzufertigen, wofür die Ausstellung schönen Anschauungsunterricht bietet. In anderen Vitrinen werden Tafelaufsätze und Geschirren aus kostbarem Porzellan gezeigt. Die figürlichen Aufsätze und vielteiligen Services, die Friedrich der Große und andere Monarchen bei der 1763 gegründeten Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin in Auftrag gaben, waren ausgesprochene Luxusgegenstände und wurden wegen ihrer Exklusivität der Silberkammer zugeordnet . Dort waren Diener den ganzen Tag nur damit beschäftigt, das Tafelsilber und Porzellan sauber zu halten, und wenn mal etwas entzwei ging, neue Stücke nachzubestellen. Alte Bilder vom kaiserlichen Hof in Berlin und Potsdam schildern, wie man dort aufwändig gespeist hat und von zahllosen Lakaien bedient wurde. Speisekarten vermerkten, was mit Rücksicht auf den Geschmack der gereichten Speisen mal auf Silber und mal auf Porzellan serviert wurde. Um Hochzeiten, Taufen und anderen Festlichkeiten zusätzlichen Glanz zu geben, hat man meterhohe Aufsätze auf Tische und Buffets getürmt und dieses Schauspiel auch in den Medien publiziert.

ANMERKUNG: Wegen der aktuellen Corona-Krise sind bis auf Weiteres alle Einrichtungen der Staatlichen Museen zu Berlin, die Staatsbibliothek zu Berlin, das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, das Staatliche Institut für Musikforschung und das Ibero-Amerikanische Institut sowie die Häuser der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg für den Publikumsverkehr geschlossen.

13. März 2020

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