Um Krone, Kopf und Kragen
Kronprinz Friedrich von Preußen überstand 1730 im Schloss Köpenick ein Kriegsgerichtsverfahren / Blick zu den kostbaren Stuckdecken des heutigen Kunstgewerbemuseums





Schloss Köpenick liegt direkt an der Dahme, wie der kolorierte Stich aus dem 18. Jahrhundert zeigt. Das 1730 über den fahnenflüchtigen Kronprinzen Friedrich beratende Kriegsgericht ist im heutigen Kunstgewerbemuseum allgegenwärtig.



Kostbarkeiten aus den Sammlungen des Berliner Kunstgewerbemuseums sind seit 1963 im Schloss Köpenick ausgestellt, rechts eine Porzellanbüste Friedrichs II., dessen Leben 1730 am seidenen Faden hing.



Die barocken Stuckdecken im Vestibül des Schlosses Köpenick zeigen Kurprinz Friedrich, der 1688 seinem Vater, dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, folgte und sich und seine Gemahlin Sophie Charlotte am 18. Januar 1701 in Königsberg krönte und von nun an König Friedrich I. in Preußen hieß.



Von den üppig dekorierten Stuckdecken im Schloss Oranienburg blieb nur diese irgendwann fantasievoll bemalte Dekoration mit dem Monogramm von Friedrich III./I. im ehemaligen Porzellankabinett erhalten.



Die farbenfreudigen Deckengemälde im Schloss Köpenick zeigen Szenen aus der griechischen Mythologie.



Kronprinz Friedrich litt unter der Despotie seines Vaters, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., der in seinen letzten Lebensjahren krank war und im Rollstuhl gefahren werden musste. Die Grafik von Adolph Menzel zeigt, wie der auf der Flucht befindliche Kronprinz gefangen genommen wird.



Der König möge lieber ihm sein Leben nehmen und den Kronprinzen schonen, sagt einer der Militärrichter auf dem Bild aus dem 19. Jahrhundert, und Friedrich Wilhelm I. reagiert unwillig. Friedrich grüßt verzweifelt seinen Fluchthelfer Hans Hermann von Katte, bevor der Henker ihm in Küstrin den Kopf abschlägt. Farbig kolorierter Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert.



Der reich dekorierte Wappensaal war 1730 Schauplatz der Gerichtsverhandlung gegen die beiden Ausreißer Friedrich und Katte. Im heutigen Kunstgewerbemuseum wird an diese spezielle Episode der preußischen Geschichte erinnert. (Fotos/Repros: Caspar)

Das Barockschloss Köpenick hatte die unterschiedlichsten Besitzer. 1680 nach Plänen von Rutger von Langevelt für den damaligen Kurprinzen Friedrich erbaut, der 1688 brandenburgischer Kurfürst Friedrich III. und 1701 als Friedrich I. preußischer König wurde, war das Schloss am Ufer der Dahme in der damals noch selbstständigen, erst 1920 Großberlin zugeschlagenen Stadt Köpenick nacheinander adliger Familiensitz, im 19. Jahrhundert Gefängnis für politische Häftlinge, dann Lehrerseminar und Studentenheim. Die verschiedenen Nutzungen taten der kostbaren Innenausstattung, namentlich den barocken Ausmalungen sowie dem Decken- und Wandstuck, nicht gut. Als das Schloss 1963 als Kunstgewebemuseum von den Staatlichen Museen zu Berlin (Ost) übernommen wurde, wurde es schrittweise saniert und restauriert. Dabei wurden störende Einbauten im Inneren beseitigt, das barocke Treppenhaus wiederhergestellt und bisher verschlossene Räume für Besucher geöffnet.

Nach der Wiedervereinigung 1990 und der Zusammenlegung der Berliner Schlösser und Museen erfuhr Schloss Köpenick von Dach bis Keller eine umfassende Erneuerung, die sich auf die Wiederherstellung der Fußböden und die Restaurierung der aus der Barockzeit stammenden Stuckdecken und Wanddekorationen erstreckte. Die prunkvollen Reliefs aus Gips wurden in mühsamer Kleinarbeit von dicken Farbschichten befreit. Vergangene Generationen hatten sie nach damals herrschendem Geschmack bemalt, um nicht zu sagen zugekleistert. Der von italienischen Stuckateuren für das kurfürstliche Schloss geschaffene Rahmungen für mythologische Deckenbilder und all die in Gips geformten Porträts, Adler, Kurzepter, Akanthusblätter und niedlichen Putten kommen nach ihrer Freilegung nun wieder voll zur Geltung und geben den Räumen eine festliche Note. Allerdings sind nicht alle Stuckaturen erhalten, denn es gibt auch Räume, in denen man sie abgeschlagen hat. Auch sind nicht alle vom Berliner Hofmaler Jacques Vaillant und seinen Gehilfen geschaffenen Deckenmalereien erhalten. Wie solche Schlösser um 1700 dekoriert waren, kann man auch an einer Zimmerdecke im Schloss Oranienburg und im Junkerhaus zu Frankfurt an der Oder betrachten. Nach dem Verlust des Berliner Schlosses und des Stadtschlosses in Potsdam sind die Raumausstattungen die einzigen dieser Art weit und breit, was Restauratoren zu besonderer Sorgfalt verpflichtet.

Eine Sammlöung in zwei Häusern

Wer das Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick besucht, kann sich an historischen Raumausstattungen und Möbeln aus der Renaissance, des Barock und Rokoko sowie an zahlreichen Exponaten dieser Perioden aus Silber, Zinn, Bronze, Elfenbein und Bernstein, ferner an Keramikgefäßen, Porzellangeschirren und herrlichen Gläsern erfreuen. In einer Studioausstellung unterm Dach sind weitere Schaustücke aus den Sammlungen des Kunstgewerbemuseums ausgestellt, das am Kulturforum im Berliner Tiergarten ein zweites Haus mit weiteren Preziosen sowie einer großartigen Abteilung zum Thema Mode Design besitzt.

Schloss Köpenick war 1730 Schauplatz eines spektakulären Prozesses gegen den preußischen Kronprinzen und ab 1740 König Friedrich II., den Große. Sein Vater, Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., verlangte von den zu diesem Kriegsgerichtsverfahren einbestellten Offizieren strengste Bestrafung seines Sohns und dessen Freund und Fluchthelfer Leutnant Hans Hermann von Katte. Zur Vorgeschichte dieses Prozesses wegen versuchter Fahnenflucht ist gut zu wissen, dass Friedrich und seine Geschwister eine wenig schöne Jugend hatten und schwer unter der Despotie seines Vaters litten. Dieser war ein gottesfürchtiger Mann, für den das Glück seiner Untertanen nach eigenem Bekunden oberstes Gebot war. Preußen verdankte ihm eine relativ ruhige Zeit, denn er setzte er seine teuer in ganz Europa zusammengekauften Soldaten ungern Kanonenkugeln und Gewehrsalven aus. Von sich selber machte der Monarch, der von 1713 bis 1740 regierte, nicht viel her. Er führte eine relativ bescheidene, wenig königliche Hofhaltung und amüsierte sich lieber beim Tabakskollegium mit seinen adligen Saufkumpanen und derben Späßen mit Hofnarren als dass er zu teuren Staatsbanketten und prunkvollen Opernaufführungen gegangen wäre.

Brachiale, aber übliche Erziehungsmethoden

Niemand war vor den Zornesausbrüchen und Prügelattacken des Soldatenkönigs sicher, nicht einmal die eigene Familie. Menschliche Nähe, gar den sensiblen Kronprinzen Friedrich in den Arm nehmen, ihn Flöte spielen und französische Bücher lesen zu lassen, kam für ihn nicht infrage. "Mein Vater hielt mich zunächst für eine menschliche Knetmasse, aus der man formen könnte, was einem beliebte. Aber wie sehr täuschte er sich darin! [...] Er wollte durchaus nicht, dass ich lese, und ich habe viel mehr gelesen als alle Benediktiner zusammen. Er wünschte nicht, dass ich tanzte, und ich habe es dennoch getan, ja ich habe den Tanz sogar geliebt. [...] Mein Vater wollte, dass ich sollte Soldat werden, aber er hat es sich nicht träumen lassen, dass ich es eines Tages in dem Maße sein würde wie jetzt", beschrieb König Friedrich II., der Große, später die brachialen, damals aber üblichen Erziehungsmaßnahmen seines Vaters.

Um dem goldenen Käfig zu entkommen und sich der Bevormundung und Drangsalierung durch den Vater zu entziehen, unternahm der erst 18 Jahre alte Kronprinz im Sommer 1730 mit seinem Freund, der Leutnant Hans Hermann von Katte, während einer Reise in die Provinz einen Fluchtversuch, der ihn zu den königlichen Verwandte in England führen sollte. Schlecht vorbereitet, scheiterte dieser Ausbruch, den Friedrich Wilhelm I. sogleich als Verrat und als Majestätsverbrechen wertete. Außer sich vor Wut, berief er im Schloss Köpenick ein Kriegsgericht zusammen und forderte von ihm härteste Bestrafung des Prinzen und seines Fluchthelfers.

Angriff auf die Autorität des Monarchen

Dieses Kriegsgerichtsverfahren war 2012 Gegenstand einer Ausstellung am historischen Ort anlässlich des 300. Geburtstages von Friedrich II. Ausgerichtet vom Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin und dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, präsentierte sie neue Erkenntnisse und Sichtweisen auf das Kriegsgerichtsverfahren, und sie zeigte erstmals in diesem Umfang die Akten und Briefe zu diesem in der preußischen Geschichte einmaligen Verfahren. Friedrich war nicht nur ein sensibler Musensohn, sondern auch ein selbstbewusster Prinz, der seine Interessen eiskalt durchzusetzen gedachte und der jeden Rock ergriff, der in seiner Nähe flatterte, wie Archivdirektor Jürgen Kloosterhuis anhand des Aktenstudiums nachweisen konnte. Friedrich Wilhelm I. habe allen Grund gehabt, hart gegen die "Komplotteure" Friedrich und Katte vorzugehen, denn es rumorte nicht nur in der eigenen Familie, sondern auch in seinem Königreich, ja es bildete sich eine Fronde gegen den autoritär regierenden Landesherrn. "Das Kriegsgericht, welches jetzt zusammentritt, wird mich für einen Ketzer erklären: wenn man nicht in allen Punkten der Meinung des Herren [Friedrich Wilhelm I., H. C.] ist, so ist man eben ein Erzketzer. Sie können sich die niedliche Behandlung, die mir bevorsteht, leicht denken. Ich selber kümmere mich herzlich wenig um die Flüche, die gegen mich geschleudert werden sollen, wenn ich nur weiß, dass meine liebenswürdige Schwester auf meiner Seite steht", schrieb der in Lebensgefahr schwebende, um Krone und Kragen bangende Kronprinz am 1. November 1730 an seine Schwester Wilhelmine, die spätere Markgräfin von Bayreuth.

Die Prozessakten und zahlreiche Briefe, die Vater und Sohn wechselten, sowie weitere Dokumente unterstreichen, dass der Soldatenkönig in dem Fluchtversuch einen Angriff auf sich selbst und seine Autorität als Landesherr sah. In seiner ersten Wut mag er erwogen haben, seinen Sohn wie jeden anderen Fahnenflüchtigen hinrichten zu lassen. Dann aber dachte er darüber nach, ihn von der Erbfolge auszuschließen und seinen jüngeren Bruder August Wilhelm zum Thronfolger zu machen. Am Ende aber akzeptierte der Vater die tapfere Auffassung des Kriegsgerichts, dass es zur Verurteilung des Kronprinzen nicht befugt sei, weil es sich um eine hohenzollernsche Familienangelegenheit handle.

Fluchthelfer Katte musste sterben

Was die vom Gericht geforderte lebenslange Kerkerhaft für Katte betraf, ging Friedrich Wilhelm I. weiter, als er Kraft seines königlichen Amtes den Richterspruch verschärfte und aus Gründen der Staatsräson seinen Tod verlangte. Er habe es verdient, "mit glühenden Zangen gerissen und aufgehänget zu werden. Er dennoch nur in Consideration [in Betracht, Erwägung, H. C.] seiner Familie mit dem Schwerdt vom Leben zum Tode befördert werden soll. Wann das Kriegsgericht den Katten die Sentenz publicirt, soll Ihm gesagt werden, dass Sr. Königl. Majt. es leydt thäte, es wäre aber besser, dass er stürbe, als dass die Justiz aus der Welt käme". So geschah es denn auch, und als in der Festung Küstrin Kattes Kopf in den Sand fiel, soll der zum Zuschauen gezwungene Prinz ohnmächtig geworden sein. Nach seiner Thronbesteigung 1740 verschaffte Friedrich II. der Katteschen Familie eine gewisse Genugtuung, indem er den Vater des Hingerichteten zum Generalfeldmarschall ernannte und ihn in den Grafenstand erhob.

In der Geschichtsschreibung wurde der Fall immer wieder behandelt, und auch Grafiken und Gemälde nahmen sich des Vater-Sohn-Konflikts an. Friedrich II. ging in seinen Erinnerungen auf das Gerichtsverfahren nicht weiter ein, sondern stellte seinem Vater ein freundliches Zeugnis aus. Im Übrigen fügte er sich seinem Willen und heiratete die aus Braunschweig stammende Prinzessin Elisabeth Christine. Seiner Schwester Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth, gestand er am 5. September 1732: "Der König [Friedrich Wilhelm I., H. C.] verfolgt mich mit meiner Verheiratung. Ich liebe die Prinzessin durchaus nicht; im Gegenteil, ich habe vielmehr einen Widerwillen gegen sie, und unsre Ehe wird nicht viel wert sein, da weder Freundschaft noch Harmonie zwischen uns bestehen kann. Im Übrigen behandelt mich der König nicht schlecht, aber er misstraut mir, und diese verfluchte Heirat ist die einzige Ursache meines Ärgers." Seinem Vertrauten General Friedrich Wilhelm von Grumbkow, ließ er am 4. September 1732 wissen: "Die Heirat macht mich mündig, und sobald ich mündig bin, bin ich Herr im Hause. Meine Frau hat darin nichts zu sagen: nur kein Weiberregiment in irgendetwas auf Erden! Ich glaube, dass ein Mann, der sich von Weibern regieren lässt, der größte Kujon [Feigling, H. C.] ist, den man sich denken kann und überhaupt nicht verdient, ein Mann genannt zu werden." Wenn er heirate, heirate er als Mann von Lebensart, und er lasse "Madame" ihre Wege gehen und tue seinerseits, was ihm gefällt.

Bewährung in der märkischen Provinz

Der Soldatenkönig erbarmte sich seines Sohnes. In der märkischen Provinz diente er als Verwaltungsbeamter und Offizier, und diese Bewährungszeit hat ihm, wie er später bekannte, durchaus genutzt. Bals schon kam es zur Aussöhnung zwischen Vater und Sohn. Dazu trugen die in einem zerknirschten Ton abgefassten Briefe des Kronprinzen an den König, von denen einige in der Ausstellung ausgelegt waren. "Ich erkenne mit aller Submission die Gnade, so Sie mir erwiesen, und mir öfters erlauben, an Sie zu schreiben und meinen untertänigsten Respect und Treue zu versichern, und versichere hierbei alleruntertänigst, dass Sie aus meiner ganzen Conduite [Verhalten, H. C.] ersehen werden, dass ich aus Submission und Gehorsam Alles tun werde, Dero Befehl Genüge zu tun", heißt es in einem Brief an den Vater. Dieser schluckte nicht zuletzt wegen der so wichtigen Thronfolgeregelung seinen Groll herunter und bestimmte: "Französische Bücher, auch deutsche weltliche Bücher und Musik bleiben scharf verboten, wie es jemals gewesen."

Selbstverständlich nutzte der Kronprinz alle Möglichkeiten, solche Verbote zu umgehen, und solange die Form gewahrt wurde, hat der König seinem Sohn das Leben nicht länger schwer gemacht, ihn aber scharf beobachten lassen und ihn immer wieder zu Fleiß und Mäßigung, zur Gottesfurcht und Sparsamkeit ermahnt. Es ist nicht überliefert, dass Friedrich II., der 1740 mit 28 Jahren seinem Vater als König von Preußen folgte, das Schloss Köpenick betreten hat. Die Erinnerung an das Kriegsgericht war zu übermächtig. Wer heute das Schloss besucht, und das wird nach Abklingen der Corona-Pandemie hoffentlich bald wieder der Fall sein, wird an verschiedenen Stellen an die Gerichtsverhandlung und ihren tragischen Ausgang für den Freund des Kronprinzen erinnert.

23. April 2020

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