Großer Andrang in Schinkels Meisterwerk
An Tagen der offenen Tür sahen sich viele Leute in der noch leeren Friedrichswerderschen Kirche um und waren begeistert





Die Friedrichswerdersche Kirche vor ihrer zwangsweisen Schließung im Jahr 2012 mit den vielen kostbaren Skulpturen Berliner Bildhauer des 19. Jahrhunderts und darunter im ausgeräumtem Zustand am 18. Januar 2020.



Johann Gottfried Schadows weltberühmte Prinzesinnengruppe wird in wenigen Monaten wieder die Besucher der Friedrichswerderschen Kirche begrüßen.



Mit viel Liebe und unter Zuhilfenahme geretteter Scheiben und Glassplitter konnten die Glasfenster wiederhergestellt werden, die die Friedrichswerdersche Kirche in ein geradezu überirdisches Licht tauchen.



Die neogotische Kanzel und der Altar stammen aus längst vergangenen Zeiten, als der Schinkelbau noch als Gotteshaus genutzt wurde.







Der Architekt Schinkel und die Bildhauer Schadow und Rauch nehmen in der Friedrichswerderschen Kirche bald wieder ihre alten Ehrenplätze ein.





Auf der Postkarte um 1900 sind in der Säulenhalle des Alten Museums am Berliner Lustgarten verschiedene Standbilder zu erkennen. Eines stellt Johann Joachim Winckelmann dar, der bald wieder in der Friedrichswerderschen Kirche zu sehen sein wird. Das monumentale Reiterdenkmal Friedrich Wilhelms III. wurde nach 1945 bis auf wenige Reste vernichtet. (Fotos/Repro: Caspar)

Die Friedrichswerdersche Kirche am Werderschen Markt in Berlin musste 2012 geschlossen werden, weil die umfangreiche Bautätigkeit in ihrer Umgebung Schäden an dem neogotischen Gotteshaus festgestellt wurden. Nach Abschluss umfassender Sanierungsarbeiten soll die von Karl Friedrich Schinkel von 1824 bis 1830 erbaute Kirche in Sichtweite des Humboldt Forums noch in diesem Jahr als Museum der Berliner Bildhauerkunst und als Erinnerungsstätte für Schinkel neu eröffnet werden. Die an zwei Tagen der offenen Tür am 18. und 19. Januar von vielen Besuchern dem Aufsichtspersonal gestellte Frage, wann das genau sein wird, konnte nur vage beantwortet werden. Wie dem auch sei, das Interesse war riesengroß und die Vorfreude auf die Wiedergeburt der zwischenzeitlich rissig und unsicher gewordenen Kirche ebenso. Die entlang der Empore an den Wänden aufgehängten Bild-Text-Tafeln stammen noch aus der Zeit vor der Schließung, und auch die Steinsockel stehen noch, auf denen Meisterwerke von Schadow, Rauch, Tieck und anderen aufgestellt waren. Wer sich in der überfüllten Kirche umhörte, erfuhr, dass der Ärger über den unsensiblen Umgang mit Schinkels Meisterwerk durch das Bauunternehmen und seine Architekten groß ist und es auch kein Verständnis dafür gibt, dass der Senat diese "Kulturschande" nicht verhindert hat.

Die Friedrichswerdersche Kirche war im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt worden, blieb aber stehen und wurde nicht wie die benachbarte, ebenfalls von Schinkel errichtete Bauakademie abgerissen. Wer heute aus der Kirche tritt und nach links schaut, sieht die letzten Stahlskelette, die vor einigen Jahren konstruiert wurden, um, mit einer farbig bedruckten Plane versehen, für den Wiederaufbau zu werben. Dieser ist nach langen Jahren der Diskussion nun endlich beschlossen und nun auch beginnen. Die Ruine der Friedrichswerderschen Kirche blieb nach 1945 stehen, wurde gesichert und in den 1980er Jahren mit Blick auf die Siebenhundertfünfzigjahrfeier Berlins 1987 von der Denkmalpflege sorgsam restauriert. Die während des Kriegs ausgebauten und sicher gestellten Scheiben vom Kirchenchor mit den Engelsbildern sowie im Schutt gefundene farbige Glasscherben leisteten gute Dienste bei der Wiederherstellung der Fenster mit den köstlichen Einrahmungen in Blau, Gelb, Rot und anderen Farben. Schon bald wird man sie im Kontext kühlen Marmors, den mit Sandsteinfarben bemalten Wänden sowie den Einbauten aus Eichenholz bewundern können. An den Tagen der offenen Tür haben das tausende Besucher bereits jetzt getan.

Neogotischer Bau mit ungewöhnlicher Ziegelfassade

In dem neogotischen Bau mit der charakteristischen, damals ganz und gar ungewöhnlichen Ziegelfassade werden in wenigen Monaten unter anderem wieder vier Marmorstandbilder zu sehen sein, die ursprünglich in der Säulenhalle des Alten Museums am Lustgarten gestanden hatten. Eines dieser Denkmäler stellt, von Christian Friedrich Tieck und Hermann Wittig um 1855 geschaffen, Karl Friedrich Schinkel dar, der auch in Bronze gegossen den Schinkelplatz neben der Friedrichswerderschen Kirche schmückt. Es folgen die Marmorfigur des Begründers der klassischen Altertumskunde Johann Joachim Winckelmann, ein Werk von Ludwig Wilhelm Wichmann, der sich in Schadows Werkstatt die ersten Sporen als Bildhauer verdient hatte. Außerdem stehen die Bildhauer Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch gegenüber, zwei Figuren, die von Hugo Hagen beziehungsweise Friedrich Drake geschaffen wurden.

Aufgrund einer königlichen Order wurden Schinkel, der Architekt des Alten Museums und weiterer hochkarätiger Bauten in Berlin, Potsdam und an anderen Orten, und weitere Künstler nicht unter freiem Himmel mit Denkmälern geehrt, sondern in einem quasi geschlossenen Raum, eben in der säulengeschmückten Vorhalle des 1830 eröffneten ersten öffentlichen Museums in Berlin. Der Architekt hatte vorgeschlagen, diesen Ort dem königlichen Schloss gegenüber durch Aufstellung von Standbildern aufzuwerten. Friedrich Wilhelm III. bewilligte die dafür notwendigen Mittel nicht, für ihn hatte die Ehrung von Helden der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 Vorrang. Erst sein Nachfolger, der bau- und kunstfreudige König Friedrich Wilhelm IV., nahm sich der Idee an. Als 1830 das Alte Museum - der Name hat sich eingebürgert, um es vom Neuen Museum mit der Ägypten-Sammlung zu unterscheiden - eröffnet wurde, stand in der Vorhalle nur eine Schinkel-Büste, der 1837 eine weitere zu Ehren Wilhelm von Humboldts folgte.

Wiederbelebung der Kunst in höherem Sinne

Friedrich Wilhelm IV., der als Kronprinz eng mit Schinkel zusammenwirkt hatte, befahl nach dem Tod seines obersten Baubeamten im Jahr 1841, diesem ein Denkmal zu errichten. Mit solchen Monumenten sollten Männer geehrt werden, "die sich um die Wiederbelebung der Kunst im höheren Sinne des Wortes in unserem Vaterland verdient gemacht haben." Den Auftrag erhielt der enge Mitarbeiter des Baumeisters Christian Friedrich Tieck. Erst 1855 hat dessen Mitarbeiter Hermann Wittig die Marmorarbeit vollendet. Schinkel ist in zeitgenössischer Tracht dargestellt. Der markante Kopf ist nach links gewendet, die Augen blicken in die Ferne. Preußens oberster Baumeister hat einen Stift in der rechten Hand, die linke hält ein Zeichenbrett, auf dem die Umrisslinien des Alten Museums zu erkennen sind. Ein ionisches Kapitel am linken Fuß erinnert daran, dass Schinkel die Baukunst der Antike wiederbelebt hat.

Atmet das Schinkel-Denkmal eher Kühle und Distanz, so erscheint das Winckelmann-Monument von Ludwig Wichmann bewegter, persönlicher und zupackender. Der Künstler hat darauf verzichtet, den in Stendal geborenen Altertumskundler in eine antike Toga zu stecken. Vielmehr tritt uns ein Mann des 18. Jahrhunderts entgegen. Winckelmann hat sich in den Anblick eines archäologischen Fundstücks vertieft. Die Rechte lädt den Betrachter ein, mit ihm auf eine Reise in die Vergangenheit zu gehen. Eine Doppelherme mit zwei bärtigen Männerköpfen weist auf Winckelmanns Arbeitsgebiet, die Antike, hin. Dass man den Gelehrten Mitte des 18. Jahrhunderts am preußischen Hof eine von ihm angestrebte Anstellung verweigerte, sei der Vollständigkeit halber vermerkt. Berlin ging damit ein bedeutender Gelehrter verloren. König Friedrich II., der Große, wollte Winckelmann mit tausend Talern nur die Hälfte des geforderten Jahresgehalts bewilligen, bloß weil er Deutscher war. Ein Franzose hätte mehr bekommen.

Weitere Skulpturen werden erwartet

Als Christian Daniel Rauch im Jahre 1857 starb, ordnete Friedrich Wilhelm IV. an, auch diesem Bildhauer ein Denkmal zu widmen. Das von Friedrich Drake vollendete Marmorstandbild atmet Kühle, Distanz und Erhabenheit. Eine gewisse Steifheit ist nicht zu übersehen werden. Die von Hugo Hagen geschaffene Statue Johann Gottfried Schadows wurde im Jahre 1869 vollendet. Mit dem für den Bildhauer und Zeichner charakteristischen Käppchen auf dem Haupt, tritt uns ein Berliner Original würdevoll und freundlich entgegen. Dass es sich um einen Bildhauer handelt, erkennt man an dem zirkelartigen Gerät, das Schadow zum Ausmessen seiner Skulpturen benutzte. Der Künstler war ein populärer Mann in Berlin, sein Witz und seine Schlagfertigkeit waren bekannt. Am Schadowhaus in der Schadowstraße unweit der Straße Unter den Linden grüßt der von Hermann Schievelbein geschaffene Kopf des Hausherrn freundlich auf die Passanten herab. Da die Staatlichen Museen angekündigt haben, die irgendwann in diesem Jahr als Museum eröffnete Friedrichswerdersche Kirche mit weiteren, bisher nicht gezeigten Skulpturen auszustatten, könnte es sein, dass auch die andern ehemals in der Säulenhalle des Alten Museums aufgestellte Künstler- und Gelehrtendenkmäler im Gotteshaus am Werderschen Markt aufgestellt werden. Platz ist vorhanden.

Siehe auch Eintrag auf dieser Internetseite/Ausstellungen und Museen vom 18. Oktober 2019.

19. Januar 2020

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