Alles unter einem Dach
Teile des Berliner Schlosses waren zeitweilig auch kurfürstliches Alchemielabor und Münzstätte





Die Modelle zeigen das Berliner Schloss vor und nach dem Umbau durch Andreas Schlüter und andere Barockbaumeister. Gut ist oben zu sehen, dass die ältesten Bauteile aus der Renaissance an der Spree im Wesentlichen bis zur Kriegszerstörung und dem Abriss erhalten geblieben sind.



Der Kontrast könnte zwischen der barocken Schlossfassade und der brutal und einfallslos gestalteten Spreefront des Humboldt-Forums nicht sein.



So sah die Schlossapotheke im frühen 18. Jahrhundert zur Zeit des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. aus, dessen Bildnis über der Tür prangt.



Im Apothekenflügel des Berliner Schlosses lagen die Räume der kurfürstlichen Münze und ein Alchemielabor dicht beieinander. Der Holschnitt aus dem 16. Jahrhundert zeigt, wie Goldmacher und andere Leute dort gearbeitet haben.



Uralte Holzschnitte und Kupferstiche zeigen, dass Hand- und Maschinenarbeit kaum getrennt waren. Heiß muss es an den Schmelzöfen gewesen sein. Die Münzarbeiter trugen lederne Schutzkleidung und Hauben aus Blech, um sich vor umher fliegenden Metallsplittern und heißen Dämpfen zu schützen.



Kleinmünzen wie diese mit Bildnis und Wappen des Kurfürsten Friedrich III., ab 1701 König Friedrich I. in Preußen, klapperten in den Geldbörsen vieler Berliner. Wer vermögend war, bezahlte mit Talern aus Silber und Dukaten aus Gold



Der große, viereckige Münzturm ist auf der Schlossansicht aus der Vogelperspektive gut zu erkennen. Im Zusammenhang mit dem barocken Um- und Neubau des Schlosses hat man ihn und viele andere Gebäude abgerissen.






Kolorierte Zeichnungen von Johann Stridbeck aus dem Jahr 1690 zeigen unter anderem den Hof des Berliner Schlosses vor dem barocken Umbau durch Andreas Schlüter und den Münzturm, in dem kurbrandenburgische Pfennige, Groschen, Taler und Dukaten sowie Medaillen produziert wurden.(Fotos/Repros: Caspar)

Für die Herstellung der Pfennige, Groschen und Taler brauchte man in alten Zeiten nicht viel Platz. Alle Arbeitsgänge waren unter einem Dach versammelt - das Schmelzen und Gießen des Metalls, das Strecken der Metallbänder (Zaine) mit dem Hammer oder einer Walze zu dünnen Blechen, das Ausschneiden der Schrötlinge (Ronden) mit der Schere oder einem Durchschnitt. Dem folgten das Justieren der Geldstücke, die durch Befeilen annähernd auf das vorgeschriebene Gewicht gebracht wurden, und schließlich als krönender Akt das Prägen. Solche mit Edelmetall angefüllten Gewölbe waren streng gesichert. Dicke Gitter schützten die Fenster, schwere Schlösser verriegelten Türen und Truhen. Bilder aus dem 15. und 16. Jahrhundert unterstreichen die herausgehobene Stellung der Münzmeister. Sie besaßen häufig eine Vertrauensstellung an den Fürstenhöfen, verliehen Geld an den Adel, waren in diplomatischen Missionen unterwegs. Außerdem hatten sie direkten Zugang zum Geld, und wer nicht ganz integer war, nutzte seine Stellung auch schon mal für sich aus, wie unzählige Untersuchungsakten und Gerichtsverfahren beweisen.

Leider sind bildliche Darstellungen aus dem Alltag der Berliner Münze nicht überliefert, aber man wird nicht fehl gehen zu sagen, dass sich die Arbeitsmethoden und Gerätschaften dort nicht viel von denen in anderen Werkstätten unterschieden. Wenn der Münzmeister am Amboss saß und prägte, trug er, wenigstens auf den Bildern, ein buntes Festgewand. Das unterstrich seine besondere Stellung in der Hierarchie der feudalen Gesellschaft und Geldproduzenten. Flaschen oder Krüge mit Wasser, Bier oder Wein deuten immerwährenden Durst an, denn die Prägestuben waren klein und hitzig. Erst im 16. Jahrhundert wurden Maschinen erfunden - Spindelpressen und Klippwerke, Walzen und pilzförmige Taschenwerke mit Gravuren. Zum Antrieb dieser eisernen Prägehilfen brauchte man menschliche Muskelkraft, doch wurde zunehmend auch Wasser- oder Pferdekraft eingesetzt, wie auch Nachrichten aus der Berliner Münzgeschichte bestätigen.

Pferde- und Wasserkraft genutzt

Die aus einem Metallstreifen geschnittenen oder gestanzten Ronden wurden auf den Unterstempel gelegt, den man in den Amboss eingelassen hatte. Der Präger setzte den Oberstempel darauf und hielt ihn mit der Hand fest. Durch einen kräftigen Schlag markierten sich gleichzeitig die Gravuren vom Unter- und Oberstempel auf dem runden Plättchen. Geschah das nur ungenügend, musste mehrfach zugeschlagen werden. Das führte zu Quetschungen und Doppelprägungen. Viele kurbrandenburgische Münzen zeigen solche Fehler. Versteht sich, dass die Stempel schnell verschlissen und immerzu erneuert werden mussten, was die Geldproduktion verteuerte. Als man ab dem 17. Jahrhundert Pferde- und Wasserkräfte zum Auswalzen der Bleche einsetzte und auch Stanz- und Prägeapparate nutzte, ließen die unschönen Verprägungen nach.

Unterm Kurfürsten Johann Georg schuf dessen Hofbaumeister und Schöpfer der Spandauer Zitadelle, der aus Italien stammende Rochus Graf zu Lynar, im Bereich des nach ganz den Formen der Renaissance verpflichteten Berliner Schlosses das an der Spree gelegene Haus der Herzogin und als westlichen Hofabschluss Räumlichkeiten für fürstliche Gäste sowie die Ratsstuben als Verwaltungsbau. Die als Verbindungsbau zum Schloss errichtete Hofapotheke diente dem Kurfürsten als Alchemistenwerkstatt und war auch Münzstätte. Dass die kurfürstliche Prägeanstalt, über die wenig bekannt ist, im späten 16. Jahrhundert von der Poststraße in den Apothekenflügel verlegt wurde, hatte gute Gründe, denn Johann Georg wollte seinem Münzmeister genauer auf die Finger schauen. Außerdem befasste er sich, wie viele andere Fürsten auch, mit Schmelz- und Scheidekunst und Goldmacherei. Von 1580 bis 1605 war der Apotheker Michael Aschenbrenner, ein Schüler des kurfürstlichen Leibarztes, Apothekers, Alchemisten, Druckers und Schriftgießers Leonhard Thurneisser, im Apothekenflügel tätig. Erster Hofapotheker wurde ab 1605 der aus Halle an der Saale gekommene Crispin Haubenschmidt. 1602 ließ Kurfürst Joachim Friedrich eine kleine Glashütte im Gewölbe des Apothekenflügels errichten und forderte Glasmacher aus der Grimnitzer Hütte an.

Vor neugierigen Blicken geschützt

Die vor neugierigen Blicken abgeschottete Schlossapotheke war ein für Arbeiten und Experimente aller Art gut geeigneter Raum, weil man dort alles ungestört und gleichzeitig tun konnte. Wichtig war die Nähe des Apothekenflügels zur Spree. Ein dort installiertes Treibrad ermöglichte das Walzen der Münzbleche, die bisher aus gegossenen Barren mit Hammerschlägen nur unzureichend bearbeitet und geglättet werden konnten. Die ältesten Bauteile des im Zweiten Weltkrieg zerstörten und danach dem Erdboden gleich gemachten Berliner Schlosses wurden beim 2020 abgeschlossenen Wiederaufbau nach Plänen von Franco Stella nicht mehr zurück gewonnen. Sie konnten es auch aufgrund ihrer komplizierten Struktur auch nicht. Denn was hätte man hier in dem Konglomerat von Zimmern, Gewölben und Treppen hier auch unterbringen können? Jetzt erhebt sich direkt an der Spree eine ziemlich brutal wirkende Kastenarchitektur, die nicht zur barocken Prunkarchitektur der drei anderen Schlossfassaden passen will.

Da Brandenburg-Preußen vor 300 Jahren ein Land ohne größere eigene Edelmetall-Ressourcen war, gestaltete sich die Beschaffung des Münzmetalls als überaus schwierig und teuer. Umso größer waren die Verlockungen, aus dem vorhandenen Metall maximale Profite zugunsten der Staatskasse, bei den Münzbeamten aber auch für die eigene Tasche herauszuschlagen. Instruktionen des Soldatenkönigs und seiner Regierung zeigen, dass die Obrigkeit nicht gewillt war, die bisherige Schlamperei weiter zu dulden. "War es vor 50 Jahren noch die Regel, daß die Münzmeister den Staat betrogen, so fühlt man sich beim Lesen der Akten von etwa 1720, daß Münzmeister und Wardeine mit peinlicher Ängstlichkeit jeden Schein unehrlichen Handelns zu vermeiden suchten; sie wussten wohl, dass sie das leicht um ihren Hals bringen konnte", schreibt Friedrich von Schrötter, der profunde Kenner der brandenburgisch-preußischen Münzgeschichte in den "Acta borussica".

Verlagerung aus dem Schloss an die Spree

Angesichts steigender Preise auf den internationalen Silbermärkten wurde die Münzproduktion in Brandenburg-Preußen um 1700 gedrosselt werden. Sie verzeichnete nach der Krönung von 1701 zwar einen gewissen Anstieg, weil der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. seine Rangerhöhung als König Friedrich I. in Preußen neben aufwendigen Medaillen auch durch Gold- und Silbermünzen mit königlichem Adlerwappen, Krone und Schwarzem Adlerorden samt Devise Suum quique (Jedem das Seine) unterstreichen wollte. Doch besaß die Münzproduktion keinen nennenswerten Umfang. Die wenigen erhalten gebliebenen Dukaten, Taler und andere Raritäten erzielen exorbitante Preise.

Aus einem in Oranienburg ausgestellten Befehl an den Berliner Münzkommissar Schneider und den Münzmeister Stricker vom 3. Mai 1703 kann man entnehmen, dass damals die "Transferierung" der Berlinischen Münzanstalt vom Schloss an einen anderen Ort im Gange war. Da die Münzproduktion neue Anforderungen an die erste Geldfabrik der Monarchie stellte, war eine Verlagerung aus den Gewölben des Schlosses, das gerade durch Andreas Schlüter aus- und umgebaut wurde, an die Unterwasserstraße notwendig geworden. Die Geldfabrik war durch einen Kanal mit dem Kupfergraben verbunden, der von Schlüter gebaut worden war. Er versorgte die Münze mit Wasser, das auf Schaufelräder floss, die ihrerseits Walzen bewegten. So konnten die zuvor in Stangen gegossenen Zaine kräftesparend zu Blech auf die vorgeschriebene Stärke gewalzt werden. Vor einigen Jahren wurden bei Schachtarbeiten am Werderschen Markt für den Neubau des Auswärtigen Amtes Reste dieses Kanals ausgegraben. Der Denkmalpflege gelang es nicht, das technische Denkmal, eines der wenigen originalen Zeugnisse für die Berliner Münzproduktion in der Barockzeit, in situ zu erhalten. Lediglich konnten einige Steine in ein Modell einbezogen werden, das im Auswärtigen Amt gezeigt wurde. Gefunden wurden nicht die Fundamente des Münzturms in der Nähe des Schlosses, dessen durch schlechte Fundamentierung bewirkten Einsturz im Jahre 1706 Schlüter königliche Ungnade eintrug.

Keine Abrede noch Verständnis

Neben den durch Wasserkraft bewegten Walzen gab es in der Berliner Münze auch eine Ross-Strecke, bei der Pferde beim Walzen der Zaine eingesetzt wurden. Das Prägen selber war Handarbeit am Amboss oder dem Klippwerk, bei Taler, Gulden und Dukaten sowie Medaillen mit der Spindelpresse, auch Balancier oder Anwurf genannt. Vor dem Dreißigjährigen Krieg waren in Berlin schon Walzen und Streckbank eingeführt worden, ein Druckwerk, das zum "Ausstechen" der Ronden oder Schrötlinge, wie man sagte, aus den zuvor gewalzten Metallplatten verwendet wurde, war in Berlin seit 1669 in Betrieb. Die von dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm erlassene Münzordnung von 1667 legte den Verzicht auf die "kostbare und langsame", also kostspieligen Hammerprägung fest. Münzstempel sollten vernichtet werden, sobald sie nicht mehr gebraucht wurden.

Eine Instruktion von 1701 an den Berliner Wardein Sauerbrey bestimmte, dass "Stock oder Eisen" im Beisein des Münzmeisters zerschlagen werden müssen, "damit nicht weiter mit selbigen gemünzet werden möge". Das erklärt, warum im Unterschied zu erhalten gebliebenen Medaillenstempeln, die gelegentlich für Nachprägungen benutzt wurden, so wenig originale Münzstempel erhalten sind. Dem gleichen Münzbeamten wurde aufgetragen, auf ausländische Münzsorten zu achten und sie, wenn sie als schlecht bewertet werden, seinen Vorgesetzten zu melden. Auch dürfe es mit dem Münzmeister und Münzarbeitern "keine Abrede noch Verständnis" geben, "widrigenfalls er nicht allein für allen dahero entstehenden Schaden haftet, sondern auch nach Befinden an Leib, Ehr und Gut bestrafet werden sollte", womit das Verbot gemeinsam verabredeter Betrügereien gemeint war.

Blick in die "Geschichte des Ortes"

Die Wiederholung solcher Drohungen in Arbeitsverträgen und Instruktionen zeigt, dass die Obrigkeit zu Misstrauen durchaus Anlass hatte. Um 1700 war die Münzstätte noch ein Privatunternehmen, das kaum kontrolliert wurde, weil es an geschultem Personal fehlte. So konnte der Leiter der Prägeanstalt allerlei Zubrot gewinnen, wenn er "günstig" Rohsilber von der Laufkundschaft kaufte, das dann profitabel weiter verarbeitet wurde, ohne dass es in den Büchern aufgetaucht wäre. Außerdem standen dem Münzmeister die im Produktionsprozess anfallenden Metallabfälle, auch Krätze genannt, zu, die man ebenfalls zu Geld machen konnte. So hatten kreative Angestellte durchaus "Gestaltungsmöglichkeiten", ihr meist nicht eben hohes Gehalt durch allerlei Manipulationen aufzubessern.

Der technische Zustand der Berliner Münze war wenig zufriedenstellend, wie aus einem Bericht des Münzmeisters Neubauer von 1719 hervorgeht. Das Wasserrad war reparaturbedürftig, nötig war die Anschaffung neuer Walzwerke. Die abgenutzten Durchschnitte sollten durch neue ersetzt werden, ebenso das Kräuselwerk, ein Apparat zur Herstellung von Randmustern und Inschriften auf Münzen. Den Klipp- und Schlagwerken sowie dem Stoß- oder Druckwerk zur Prägung besserer Sorten wurde hingegen ein "brauchbarer Stand" bescheinigt. Leider ist über die Baulichkeiten nichts zu erfahren. Sie muss man sich als dunkle, enge Gewölbe vorstellen, in denen sich die Münzarbeiter drängelten.

Ob das im Dezember 2020 coronabedingt ohne größere Feierlichkeit eröffnete und gleich wieder zugesperrte Humboldt-Forum an die Frühgeschichte des Berliner Schlosses als Münzstätte, Glashütte und Goldmacherlabor erinnert, wird sich zeigen. Bekannt ist bisher nur, dass man im Ausstellungsabschnitt "Geschichte des Ortes" auch einen Blick in die im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses als Kultur- und Bildungszentrum freigelegten alten Gewölbe und auf archäologische Fundstücke werfen kann.

11. Januar 2021

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