Wer ab und zu nach Potsdam kommt oder auch dort wohnt, wird sich über Fortschritte bei Bauarbeiten rund um den Alten Markt, in der Breiten Straße und an anderen zentrumsnahen Orten freuen. Jetzt, wo man sich auch außerhalb seines Kiezes wieder freier bewegen kann, weil die Corona-Infektionszahlen sinken und die Einschränkungen nach und nach aufgehoben oder wenigstens gelockert werden, kann man zuschauen, wie neben der Nikolaikirche und am Alten Markt große Gruben ausgeschachtet und in der Breiten Straße der Turm der Garnisonkirche gebaut werden. Zurzeit verdecken Gerüste und Plastikplanen den Blick auf die barocken Attikafiguren, die den linken Risalit des Stadtschlosses am Alten Markt schmücken. Auf der Lustgartenseite sind solche wiederhergestellten Gruppen schon zu sehen. Da der Sandstein ganz neu und hell ist, kann man sie schon von weitem ausmachen. Auf der so genannten Ringerkolonnade zwischen dem als brandenburgisches Landtagsgebäude wieder aufgebauten Stadtschlosses und einer Straßenbahnhaltestelle tummeln sich nach alten Vorlagen neu geschaffene Puttengruppen, die von barocken Steinvasen flankiert werden.
Lustgarten wurde repräsentativ aufgewertet
Der Skulpturenschmuck der Ringerkolonnade kehrt nach und nach auf seinen historischen Platz zurück. Ermöglicht wurde dies durch die Jürg und Elisabeth Schacher-Stiftung und die treuhänderische Pietschker-Neese-Stiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), die für die Restaurierungsarbeiten 95.000 Euro zur Verfügung stellten. Beide Stiftungen unterstützten bereits 2018 den ersten Bauabschnitt mit 45.000. Die Ringerkolonnade zwischen Stadtschloss und Marstall war unter Friedrich II., dem Großen, zwischen 1744 und 1746 errichtet worden. Der König wollte damit den von seinem Vater Friedrich Wilhelm I. in einen staubigen Exerzierplatz umgewandelten Lustgarten aufwerten und repräsentativ abschließen. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff entwarf eine Säulenreihe in korinthischer Ordnung und mit Putten, Vasen und Figuren von Athleten, für die sich die Bezeichnung Ringer eingebürgert hat. Die Kolonnade am Rand des Lustgartens ermöglichte interessante Sichtachsen und Durchblicke in den Stadtraum und zu den repräsentativen, das Stadtschloss umgebenden Bürgerhäusern.
Das wieder aufgebaute Palais Barberini vis à vis vom Stadtschloss diente als Leitstern für die Wiederherstellung historischer Gebäude in der Potsdamer Innenstadt. Es ist ein Zeugnis für die Italienschwärmerei Friedrich des Großen, der den Architekten Carl von Gontard beauftragte, ein Bürgerhaus am Alten Markt mit einer aufwändigen Fassade zu schmücken. Das Gebäude ist nach dem Palazzo Barberini benannt, das der König quasi als Kopie von Rom nach Potsdam versetzen ließ. Der Palast im Anschluss an das Alte Rathaus mit dem vergoldeten Atlanten obenauf gehörte mit dem ebenfalls von Gontard entworfenen Noackschen Haus nebenan zu den letzten unter der Regentschaft Friedrich II. errichteten Repräsentationsbauten am Alten Markt, der die Anmutung einer italienischen Piazza erhielt.
Hässlicher Klotz ist verschwunden, Baugrube wird ausgehoben
Seit Beginn seiner Herrschaft 1740 führte der König die bürgerliche Stadt und den Stadtschlossbezirk gestalterisch zusammen, indem er die am Alten Markt und den Seitenstraßen befindlichen Bürgerbauten in der Art italienischer Paläste bauen und aufwändig schmücken ließ. Diese Prachtbauten säumten den als Piazza mit einem Obelisken in der Mitte und der Nikolaikirche an der Seite gestalteten Platz, bis sie am 14. April 1945 mit dem Stadtschloss und weiteren Bauten zerstört wurden. In den folgenden Jahrzehnten wurde eine Ruine nach der anderen beseitigt, um Platz für "sozialistische Neubauten" zu schaffen, wie man damals sagte. Unter ihnen war auch ein Lehrerbildungsinstitut, das nach 1990 Fachhochschule wurde. Dieser hässliche Klotz wurde vor einiger Zeit beseitigt. An seiner Stelle entstehen historische Bauten mit barocken Fassaden und neuem Innenleben. Aktuell wird deren Wiederaufbau durch umfangreiche Schacht- und Gründungsarbeiten hinter einem roten, mit Bildern und Informationstafeln versehen Bauzaun vorbereitet.
Bis 18. Juli 2021 wird im Palais Barberini die Ausstellung "Rembrandts Orient" gezeigt. Sie schildert anhand von 110 Gemälden und Grafiken, wie Rembrandt, Ferdinand Bol, Jan van der Heyden, Willem Kalf, Pieter Lastman, Jan Lievens und andere Maler des "Goldenen Zeitalters" der Niederlande auf Einflüsse des Nahen, Mittleren und Fernen Ostens reagierten. Rembrandt und seine Zeitgenossen waren von den fernen Ländern fasziniert, deren Waren erstmals im 17. Jahrhundert in großer Zahl in die Niederlande importiert wurden. Die Begeisterung für das Fremde und Exotische wurde zur Mode und ließ neuartige Kunstwerke entstehen. Sich in orientalischen Kostümen darzustellen, war durchaus möglich und galt als fein. Nicht zuletzt hat man auch biblische Geschichten mit exotischen Elementen angereichert. Ausgeblendet wurde die dunkle, ja blutige Kehrseite der Politik, sich fremde Welten mit List und Tücke gewaltsam untertan zu machen und auszubeuten. Denn der Wohlstand der Niederlande kam vor allem durch Sklaverei, Ausbeutung und Gewaltanwendung in fremden Ländern und durch Handelskriege zustande.
Kirchturm wächst langsam in die Höhe
In der Breiten Straße kann man beobachten, wie der Turm der barocken Garnisonkirche aus der Zeit des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. in die Höhe wächst. Das am 14. April 1945 ausgebrannte Gotteshaus war 1968 ungeachtet von Bürger- und Expertenprotesten auf Befehl des SED-Chefs Walter Ulbricht abgerissen worden, weil man ihn ihm ein Denkmal des preußisch-deutschen Militarismus sah und es Ort der symbolischen Machtübergabe am 21. April 1933 vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg an den Naziführer Adolf Hitler war. Die Garnisonkirche war Grablege der den Kommunisten verhassten preußischen Könige Friedrich Wilhelm I. und seines Sohns Friedrich II., genannt der Große. Nach langer Odyssee der Särge bis hin zur süddeutschen Stammburg Hohenzollern der Herrscherdynastie fanden Friedrich der Große 1991 in der von ihm nahe Schloss Sanssouci vorbereiteten Gruft und sein Vater, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., im Mausoleum der Friedenskirche im Park von Sanssouci ihre letzte, endgültige Ruhe.
Die auf Befehl von Friedrich Wilhelm I. nach Plänen von Philipp Gerlach von 1731 bis 1735 erbaute Garnisonkirche prägte gemeinsam mit Schinkels Nikolaikirche und ihrer riesigen Kuppel sowie der barocken Heiliggeistkirche lange das Potsdamer Stadtbild und repräsentierten drei Jahrhunderte christlicher Stadtgeschichte. Um den Wiederaufbau der Garnisonkirche nach Plänen des Architekturbüros Hilmer & Sattler gab es in den vergangenen Jahren Streit, nun werden sich auch die Gegner der vor allem aus politischen Gründen abgelehnten Rekonstruktion mit ihrem Anblick anfreunden müssen und tun das nach Information vor Ort auch schon. Der schon zur Hälfte mit roten Ziegelsteinen gemauerte Turm wird nach seiner Fertigstellung als Kapelle der Versöhnung und Ort des Gedenkens genutzt. Den kaiserzeitlichen Prunk der ehemaligen Innenräume kann man nur noch auf alten Bildern sehen.
Aussichtsplattform in 60 Metern Höhe
Untersuchungen ergaben, dass die Reste der Fundamente nicht mehr tragfähig sind. Daher musste eine neue Bodenplatte über diese Relikte gelegt werden, so dass die alte Gründung erhalten bleibt. Die Tiefgründung besteht aus 38 Bohrpfählen von je 37 Metern Länge. Die Besucher können alle Etagen behindertengerecht mit einem Aufzug erreichen. Dieser fährt sogar bis zur Aussichtsplattform in 60 Metern Höhe, wo sich ein herrlicher Rundblick über die Stadt bietet. Unter der Turmhaube wird wieder ein Glockenspiel eingebaut, dessen Melodien in ganz Potsdam zu hören sein werden. Die geplanten Kosten für den Turm belaufen sich auf etwa 38 Millionen Euro.
Beim Anblick der Baustelle sollte nicht vergessen werden, dass die Garnisonkirche am 21. März 1933 mit dem Handschlag von Hitler und Hindenburg für die Legitimation der Nazidiktatur und als Wallfahrtstätte der Nationalsozialisten missbraucht wurde. Auf der anderen Seite war das Gotteshaus, in dessen hohem Turm bis zur Zerstörung am 14. April 1945 regelmäßig ein Glockenspiel erklang, auch der geistliche Mittelpunkt für das in der Nähe liegende Infanterieregiment Nummer 9 war, aus dem viele Mitglieder des christlich-konservativen Widerstands gegen das Hitlerregimes vorgingen und ihr Leben nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 verloren. Der Potsdamer Bauingenieur sowie Bau- und Kirchenhistoriker Andreas Kitschke erzählt in einem opulent bebilderten Buch die bewegte Geschichte der Garnisonkirche - von ihrer Errichtung unter Friedrich Wilhelm I. bis zur Sprengung 1968 und den Bemühungen um ihre Rekonstruktion. Das Buch erschien im be.bra verlag, hat 400 Seiten und 340 zum Teil bisher unveröffentlichte Abbildungen und kostet 28 Euro (SBN 978-3-86124-694-7).
18. Mai 2021
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