Große Erwartungen
Das Humboldt-Forum wird erst dann für das Publikum geöffnet, wenn die Anti-Corona-Maßnahmen gelockert werden



Das Humboldt-Forum ist fertig gebaut, letzte Aufräumarbeiten und Verschönerungsmaßnahmen sind im Umfeld noch nötig. Jetzt warten alle auf das Signal, dass es nach so langer Bauzeit nun endlich auch für das Publikum geöffnet wird.





Nicht wiederhergestellt wurde beim Schlossbau nach Plänen von Franco Stella die aus der Renaissance stammenden Gebäudeteile an der Spreeseite, zu sehen auf einem Modell in der früheren Schlossbox. Die neue Fassade am Wasser wird von den einen als gelungen gelobt, von anderen aber als brutal.







Im Humboldt-Forum ist nach elfjähriger Bauzeit und immensen Kosten alles für Besuche und Führungen vorbereitet.



Vermutlich werden die berühmten, 1897 von britischen Truppen geraubten und danach an Sammler und Museen verkauften Benin-Bronzen nicht ewig im Humboldt-Forum gezeigt werden können. Auch anderen Artefakten unklarer oder sogar krimineller Herkunft wird es an den "Kragen" gehen, eine kritische Aufarbeitung dieses trüben Kapitels deutscher und internationaler Kolonial- und Kunstgeschichte ist unausweichlich. (Fotos/Repros: Caspar)

Das Humboldt-Forum öffnete nach einer coronabedingt kurzen Feierstunde am 16. Dezember 2020 im neuen Jahr phasenweise in vier größeren Etappen. Das lange geplante Bürgerfest musste ausfallen, jetzt kann man sich das Haus und seine Sehenswürdigkeiten nur digital im Internet ansehen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters bezeichnete dabei das Bauwerk als "Kulturprojekt neuen Typs" und sagte, es sei kein klassisches Museum, denn es soll vor allen Dingen im Geiste der Brüder Humboldt interdisziplinär arbeiten. "Ich glaube, diese Annäherung an das Fremde - dafür sind die beiden Vorbilder und Vordenker. Sie sind dem Fremden begegnet, ohne es abzuwehren oder abzuwerten. Und das ist zukunftsweisend - diese Annäherung der Völker und das Ideal eines gleichberechtigten Dialogs." Es sei ganz wichtig, dass das Humboldt-Forum auch die deutsche Kolonialgeschichte thematisiere, ein Kapitel, "das wir bisher sträflich vernachlässigt haben. Ich bin froh, dass das Humboldt-Forum diese Debatte angestoßen hat." Dabei gehe es auch darum, dass zu Unrecht erworbene Stücke aus der Kolonialzeit an ihre Herkunftsländer zurückgegeben werden könnten. "Dann wird es irgendwann vielleicht Leerstellen dort geben und wir werden diese Geschichte dann im Humboldt Forum erzählen."

Wenn man hoffentlich bald das Humboldt-Forum besuchen kann, wird es ein Wiedersehen mit Objekten aus dem Palast der Republik geben, so mit Jo Jastrams Bronzerelief "Lob des Kommunismus" und Wolfgang Mattheuers Gemälde "Guten Tag", die im zentralen Treppenhaus ausgestellt werden. Ebenso kann man in einem der neuen Restaurants ein florales Wandrelief aus Meißner Porzellan betrachten, das im ehemaligen Palastrestaurant hing. Nicht zu vergessen eine vor dem Abriss des Palasts ausgebaute Überwachungsanlage und ein neuer Blick auf die damals populäre kupferverspiegelte Fassade. Ausgestellt ist auch ein Objekt aus der jüngsten Palast-Geschichte in Gestalt einer gläsernen Wahlurne, die am 18. März 1990 bei den ersten und einzigen freien Wahlen in der Noch-DDR benutzt wurde.

Warten auf die Öffnung der Höfe und Passagen

Nach dem von Bund und Ländern verlängerten Lockdown sowie den Beschlüssen des Berliner Senats kann das Haus nicht wie geplant am 17. Dezember 2020 mit seinen Ausstellungen und Programmen für das Publikum geöffnet werden. Das wird erst möglich sein, wenn quer durch das Land die Anti-Corona-Maßnahmen gelockert werden und die bedrohlich hohen Infektionszahlen und die schreckliche Todesrate nach unten gehen. Große Hoffnungen werden in die am Jahresende beginnenden Impfungen gesetzt, aber man weiß auch, dass sich die Maßnahmen noch über Monate hinziehen werden, bis sie eine spürbare Erleichterung bringen. Aktuell ist es nicht möglich, den Schlüterhof und die Passagen zu besuchen, Wachleute vor den vergitterten Portalen passen auf, dass Unbefugte nicht in das nagelneue Kulturzentrum gelangen. Alle an seinem Bau und seiner Ausstattung beteiligten Personen sind darüber unglücklich, aber sie sehen ein, dass der Kampf gegen die Pandemie und die Rettung von Menschenleben Vorrang haben.

Die Baukosten betragen rund 644 Millionen Euro, von denen der Bund 532 Millionen und das Land Berlin 32 Millionen Euro übernehmen. 80 Millionen Euro werden ausschließlich durch Spenden privater Förderer für die Rekonstruktion der barocken Fassaden finanziert. Bis zur endgültigen Fertigstellung und Abrechnung des Bauvorhabens wird mit zusätzlichen pandemiebedingten 33 Millionen Euro gerechnet, sodass sich die Gesamtkosten für das Vorhaben auf 677 Millionen Euro addieren. Zusätzlich wurden für "bauliche Optionen", das heißt für die historische Rekonstruktion der Kuppel und der Innenportale 2,3 und 4 mit den Durchgängen noch etwa 20 Millionen benötigt. Die Kosten umfassen den Bau, die gesamte Ausstellungsgestaltung der Dauerausstellungen sowie die komplette Ersteinrichtung aller Werkstätten und Büros.

Regelbetrieb ab März 2021

Generalintendant Hartmut Dorgerloh kündigte ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm in zahlreichen Formaten an. Es reicht von Ausstellungen und Projektionen über Führungen und Vorträge bis hin zu künstlerischen Darbietungen wie Musik, Tanz und Film. Begonnen wird mit einer Elfenbein-Ausstellung und einer weiteren, speziell für Kinder erdachte Schau mit dem Titel "Nimm Platz!". Neben den Kernthemen des Humboldt Forums - Geschichte und Architektur des Ortes, die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt als Namensgeber der neuen Kulturzentrums sowie Kolonialismus und Kolonialität - stehen von Anfang an auch aktuelle gesellschaftspolitische Themen im Mittelpunkt. Ende März 2021 soll, wenn nichts dazwischen kommt, der Regelbetrieb mit einem sich erweiternden Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm starten. Das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin folgen mit ihren Ausstellungen im Spätsommer 2021.

Beim Rundgang wird man sich unter anderem an überlebensgroßen, mit der Zeit stark verdunkelten Figuren aus der Barockzeit erfreuen können, die bei der Sprengung der Schlossruine 1950 auf Befehl der SED und ihres Chefs Walter Ulbricht aus dem Schutt gerettet wurden. Die acht Sandsteinskulpturen von Andreas Schlüter standen ursprünglich in dem nach dem Bildhauer und Schlossbaumeister benannten Schlüterhof des Schlosses. Sechs von ihnen bekrönten die Säulen vor dem großen Hofportal und stellten mit über drei Metern Höhe den würdigen Schmuck des Schlosshofes dar. Die anderen beiden, die weiblichen Gewandstatuten Eintracht und Fleiß, schmückten die Innenseite von Portal 1. Die kostbaren Originale, ein Who's who des antiken Olymp Apoll, Jupiter, Antinous, Meleager, Herakles, Hermes gerahmt von Pax und der Schutzpatronin Preußens, der Borussia, werden am östlichen Eingang des Humboldt Forums im zweigeschossigen Skulpturensaal präsentiert. Zwei weitere Figuren, die sogenannten Balustradenfiguren "Frühling und Sommer" standen vermutlich auf der Lustgartenseite auf dem Dach des Schlosses. Überdies sind in der dritten Etage auch römische Kaiser und brandenburgische Kurfürsten ganz aus Marmor aufgestellt, die früher die Repräsentationsräume des Hohenzollernschlosses geschmückt haben. Im gesamten Gebäude wird an wichtige Ereignisse und Gestalten aus der wechselvollen Geschichte des Ortes erinnert. Außer Stücken der ehemaligen Innenausstattung sind Hinterlassenschaften aus dem Palast der Republik zu sehen, der in DDR-Zeiten auf dem Gelände des früheren Stadtschlosses stand.

Verbleib oder Rückgabe von Raubgut

Aktuell ist eine Diskussion über Verbleib oder Rückgabe von Objekten entbrannt, die von Kolonialmächten aus Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien geraubt und in deren Ethnografischen Museen oder, wie man lange sagte, Völkerkundemuseen gezeigt wurden. Das betrifft auch die so genannten Benin-Bronzen aus Nigeria, die zu den berühmtesten Artefakten der afrikanischen Geschichte gehören und der ganze Stolz der Dahlemer Museen waren und sind, die sich nun neu mit ausgewählten Objekten im Humboldt-Forum präsentieren. Ein neues Forschungsprojekt soll jetzt rekonstruieren, wie die Artefakte im 19. Jahrhundert geraubt und nach Europa gebracht wurden. Die betroffenen Museen und die zuständige Politiker können sich dann nicht mehr mit Unwissenheit herausreden, ja sie müssen entscheiden, ob sie die Bronzen behalten können oder zurückgeben müssen.

Britische Truppen hatten 1897 das altehrwürdige Königreich von Benin erobert und dessen Hauptstadt gleichen Namens geplündert. Sie verschleppten mehr als 3000 Bronzefiguren und andere Artefakte nach Europa, wo sie an Sammler und Museen verkauft wurden. Im Humboldt-Forum sollen, so weit der bisherige Plan, die umstrittenen Benin-Bronzen trotz ihrer historischen Belastung gezeigt werden. Gleichzeitig aber wird die Geschichte ihres Raubes erforscht. Wie lange sie dort bleiben, wird sich zeigen. Generalintendant Dorgerloh stellt sich in Übereinstimmung mit den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz darauf ein, die Köpfe und Figuren aus der Ausstellung zu nehmen und dies mit klugen Worten zu erklären. Beobachter der Szene außerhalb des Humboldt-Forums und der Museen bezweifeln, ob diese es mit diesen Ankündigungen wirklich ernst meinen. Sie fordern Verhandlungen mit den Herkunftsländern, gemeinsame Ausstellungen und Forschungsarbeiten und das Eingeständnis, dass deutsche Museen keine rechtmäßigen Besitzerinnen sind, mit der Folge, dass die Objekte an die ursprünglichen Orte zurückkehren.

2. Januar 2021

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