Das Kreuz mit der Inschrift
Die goldenen Bibelworte auf blauem Grund unter der Kuppel des Humboldt-Forums sind von unten kaum zu lesen



Die Postkarte aus der Kaiserzeit zeigt, dass die Kuppel das Portal III bekrönt.







Man muss sehr gute Augen haben, um von unten die goldenen Worte auf dem blauen Inschriftenband lesen zu können. Erst wenn man auf der Dachterrasse steht, ist sie gut zu erkennen. Die Stiftung Humboldt-Forum will hier erklärende Tafeln aufstellen.



Bis Mitte des 19. Jahrhunderts kam das Berliner Schloss ohne Kuppel aus, zu sehen auf einem Holzstich von Adolph Menzel.



Vom Fernsehturm aus gesehen sieht das Humboldt-Forum wenig spektakulär aus. Die kastenartige Front an der Spree wirkt geradezu abstoßend und passt nicht zu den drei übrigen, wie zu Schlüters Zeiten gestalteten Seiten.





An der Vollendung des Kölner Doms war Friedrich Wilhelm IV. viel gelegen, und so ist es auch nicht verwunderlich, das in den Sockel des Reiterdenkmals vor der Alten Nationalgalerie auch ein Relief mit der Ansicht des Gotteshauses eingelassen ist. Der Engel rechts hält ein Modell des von Christian Daniel Rauch geschaffenen Reiterdenkmals Friedrichs des Großen Unter den Linden, das 1851 eingeweiht wurde



Konsequenterweise müssten auch die lateinischen Inschriften am Humboldt-Forum überprüft werden, den sie rühmen Herrscher, die mehr an sich und ihresgleichen dachten als an die Menschen, die unter ihre Fuchtel lebten



Preußens König Friedrich II. feierte sich und die Künste mit der Inschrift FRIDERICUS REX APOLLINI ET MUSIS im Giebelfeld der Staatsoper. Die DDR stellte die zwischenzeitlich beseitigte Widmung Mitte der 1980er Jahre im Zuge der von Erich Honecker ausgerufenen so genannten Preußenrenaissance wieder her. Sie bewirkte auch die Rückkehr des Reiterdenkmals Friedrichs II. auf die Straße Unter den Linden. (Fotos/Repros: Caspar)

Als es in den frühen 2000er Jahren darum ging, wie denn das künftige Humboldt-Forum am Berliner Lustgarten aussehen soll, hat es kaum jemand für möglich gehalten, dass das vergoldete Kreuz auf der Kuppel und die goldene Widmung auf preußisch-blauem Grund darunter Gegenstand heftiger Kontroversen werden. Noch bevor der 650 Millionen Euro teure Kulturtempel 2021 mit der barocken Außenfassade an drei Seiten eröffnet war und die Besucherinnen und Besucher in die Ausstellungen strömten beziehungsweise es sich in den beiden Höfen mit dem nachgestalteten Zierrat aus dem 18. Jahrhundert gut gehen ließen, gab es Ärger. Denn der wird von manchen Zeitgenossen als überflüssige "Disney-World" verachtet, und von anderen als neuer Kunst- und Kulturtempel mit internationaler Ausstrahlungskraft gepriesen. Allen Unkenrufen zum Trotz wird das Humboldt-Forum mit seinen Ausstellungen vom Publikum gut angenommen.

Der Deutsche Bundestag hatte 2007 lediglich Mittel für eine vereinfachte Verkleidung der Kuppel vorgesehen. Als namhafte Einzelspenden eintrafen, war die historisch genaue Rekonstruktion der riesigen Kuppel möglich. Nach Plänen aus der Zeit König Friedrich Wilhelms IV. gebaut, trägt sie auf der Spitze ein 4,70 Meter hohes, von Engeln getragenes Kreuz. Noch bevor es montiert war, erregte das christliche Zeichen, befeuert von kritischen Medien, die Gemüter. Die einen schrien "Zeter und Mordio" und behaupteten, das Kuppelkreuz passe nicht mehr ins 21. Jahrhundert und provoziere Menschen, die sich nicht dem Christentum verpflichtet fühlen. Andere meinten, ohne das Kreuz wäre der Nachbau des Schlosses unvollständig und es müsse als Krönung des Wiederaufbauwerks unbedingt gebaut werden. Außerdem nehme niemand an Kreuzen auf Kirchturmspitzen und Bestandteil von Meisterwerken der bildenden Kunst und natürlich nicht auf Grabmalen in Friedhöfen Anstoß.

Angemaßtes Gottesgnadentum

War die Aufregung über das privat durch Millionenspenden finanzierte Kuppelkreuz schon groß, so wird sie aktuell noch von der Kontroverse rund um die Inschrift übertroffen, die die unter König Friedrich Wilhelm IV. erbaute Kuppel über dem Eosanderportal (Portal III) schmückt ist. In goldenen Buchstaben ist auf preußisch-blauem Grund zu lesen ES IST IN KEINEM ANDEREN HEIL, ES IST AUCH KEIN ANDERER NAME DEN MENSCHEN GEGEBEN; DENN DER NAME JESU; ZU EHREN DES VATERS, DASS IM NAMEN JESU SICH BEUGEN SOLLEN ALLER DERER KNIE, DIE IM HIMMEL UND AUF ERDEN UND UNTER DER ERDE SIND. Der fromme König, der bei der Unterdrückung der Revolution von 1848/49 eine unrühmliche Rolle gespielt hatte und keinen Deut von seinem angemaßten Gottesgnadentum abzugeben bereit war, hatte zwei Stellen in der Lutherbibel zu dem Spruch zusammengezogen. In der Ausgabe von 2017 heißt es in der Apostelgeschichte 4,12: "Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden". Bei Philipper 2,9 und 10 ist zu lesen: "Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."

Die umstrittene Inschrift lässt sich nur mit großer Mühe von unten und dann auch nicht vollständig entziffern. Wer sie ganz und gar sehen und verstehen möchte, kann das nur auf der Dachterrasse stehend tun, von dem man einen spektakulären Blick auf die Mitte und darüber hinaus auf weite Teile der Stadt genießen kann. Bei der Rekonstruktion des Hauses sei ein hohes Maß an historischer Detailtreue angestrebt worden, weshalb sowohl monarchische und heraldische Symbole wie Adler, Wappen und Kronen original rekonstruiert wurden, betont die Stiftung Humboldt-Forum. Das habe auch für Elemente christlicher Ikonografie wie das Kreuz und das umlaufende Schriftband am Fuß der Kuppel gegolten. Die vom König veranlasste Montage zweier Bibelversen sei im Kontext ihrer historischen Entstehungsgeschichte zu verstehen. Die Akteure des Humboldt Forums seien sich der Problematik bewusst, die von einer städtebaulich und baukulturell begründeten, gleichwohl politisch und religiös interpretierbaren Wiederherstellung der monarchischen und christlichen Symbolik an einem Gebäude wie dem Humboldt Forum ausgeht.

Vielstimmigkeit aus unterschiedlichen Perspektiven

Generalintendant Hartmut Dorgerloh, der von Hause aus Kunsthistoriker und Denkmalpfleger ist, betonte mit Blick auf die barocken Fassaden und den Schlüterhof, das Humboldt Forum sei an einem besonderen Ort mit komplexer und nicht widerspruchsfreier Entstehungsgeschichte entstanden. "Es versteht sich von selbst, dass wir uns von jeglichen Macht-, Alleingültigkeits- oder gar Herrschaftsansprüchen distanzieren, die aus diesen Zeichen oder Inschriften abgeleitet werden können. Vielmehr gehört die bauliche Mehrdeutigkeit zur DNA des Humboldt Forums. Insbesondere in der Debatte um die unterschiedliche Wahrnehmung der historischen Rekonstruktion sehen wir einen klaren Auftrag für ein Programm der Vielstimmigkeit aus unterschiedlichen Perspektiven." Die Geschichte Berliner Schlosses und des Humboldt-Forums sowie der Kuppel und des Kreuzes werde im Bereich "Geschichte des Ortes" angesprochen. Auf der Dachterrasse sollen Informationstafeln die Kuppel, ihre Inschrift und das Kreuz historisch einordnen und die Haltung der heutigen Akteure erläutern.

Jetzt wird behauptet, die Inschrift passe nicht in die Zeit, sie indoktriniere Juden und Moslems, Buddhisten und Atheisten und erhöhe die christliche Religion über alle anderen Religionen. Ein anderes Gegenargument war, dass im Humboldt Forum vor allem Zeugnisse außereuropäischer Kunst und Kultur präsentiert werden sollen, vor allem solche aus Afrika, Asien und Amerika. Weil aber auf diesen Kontinenten im Zeichen des christlichen Kreuzes von deutschen und ausländischen Kolonialherren furchtbares Unheil angerichtet wurde, sei es unvertretbar, dass das Kreuz und die Inschrift "wie zum Triumph und Hohn" das Humboldt-Forum krönen.

Wiederhergestellte Prunkinschriften aus der Barockzeit

Wer das Berliner Humboldt Forum umrundet und den barocken Skulpturenschmuck betrachtet sowie die aus vergoldeten Buchstaben gebildeten Inschriften aus dem 18. Jahrhundert liest, müsste konsequenterweise fordern, auch die Lobgesänge in lateinischer Sprache auf den königlichen Bauherrn Friedrich I. und seinen Sohn, den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., entweder zu beseitigen oder wenigstens Stück für Stück zu kommentieren. Der 1688 als Kurfürst auf den brandenburgischen Thron gelangt, hatte er sich am 18. Januar 1701 in Königsberg zum König "in" Preußen gekrönt. Daraus folgte der Bau eines prunkvollen Residenzschlosses in seiner Hauptstadt Berlin nach Plänen von Andreas Schlüter und weiteren Künstlern, denn der eher bescheidene Renaissancebau reichte für seine Repräsentativbedürfnisse nicht mehr aus.

Die lateinischen Inschriften erzählen in der Diktion der Barockzeit die Baugeschichte des Schlosses mit Elogen wie diese: "Friedrich, König von Preußen, Kurfürst von Brandenburg, erbaute nach Wiederherstellung der alten Herrschaft der Preußen das Königreich und erweiterte es, der Würde seiner Herrschaft entsprechend, als der erhabene Erneuerer der edlen Künste zum bleibenden Schmuck für seine Stadt und sein Jahrhundert" und "Dies ist das Bauwerk Friedrichs, ein so Großes Haus baute er mitten im Kriege, dem Sieger entspricht das Werk, nicht anders durfte der preußische Kriegsherr in seiner Stadt wohnen".

Streit um Höhendominanten

Das Berliner Schloss besaß in der Erbauungszeit keine Kuppel, sie ist eine Zutat aus den Jahren 1845 bis 1853. Mit ihr wollte König Friedrich Wilhelm IV. zeigen wer Herr im Land und der Haupt- und Residenzstadt ist. Das höchste, die Silhouette einer Stadt bestimmende Gebäude wurde als gleichbedeutend mit der Größe des Erbauers betrachtet. In der preußischen Haupt- und Residenzstadt und ab 1871 Reichshauptstadt gab es immer wieder ein Ringen um solche Höhendominanten. Zum Ärger der Hohenzollern fiel nicht die nach Plänen von Friedrich August Stüler konstruierte Schlosskuppel als erstes ins Auge, wenn man auf der Straße Unter den Linden spazierte oder hier entlang fuhr, sondern das Rote Rathaus und sein monumentaler Turm. Das störte auch den Möchtegern-Architekten Hitler, der den Verwaltungsbau im Zusammenhang mit seinen "Germania"-Plänen am liebsten niedergelegt hätte, damit aber keinen Erfolg hatte. Erbost reagierte Kaiser Wilhelm II., als er wahrnahm, dass die Kuppel des Reichstagsgebäudes höher ist als die Schlosskuppel wird, weshalb er Änderungen verlangte. Für ihn war es wichtig, dass der unter seiner Ägide erbaute Dom am Lustgarten alle übrigen Bauten in der Stadt überragt. Für die DDR-Führung war es 1969 eine Genugtuung, dass der Fernsehturm von keinem anderen Bauwerk überragt wird. Weil sich auf seiner silbernen Außenhaut bei bestimmtem Sonnenstand ein Kreuz bildet, erhielt der Turm den für SED- und Staatschef Walter Ulbricht wenig schmeichelhaften Spitznamen "Sankt Walter".

Noch als Kronprinz hatte sich der künstlerisch begabte, immerzu zeichnende Friedrich Wilhelm IV. mit Planungen für die Umgestaltung des Schlossbezirks und anderer Orte befasst, wie zahlreiche Skizzen zeigen. Der hochbegabte Hohenzollernspross soll sich und seine Brüder einmal so charakterisiert haben: "Wenn wir als Söhne eines einfachen Beamten geboren worden wären, so wäre ich Architekt geworden, Wilhelm Unteroffizier, Carl wäre ins Zuchthaus gekommen und Albrecht ein Trinker geworden." Ein Erzieher gab dem Prinzen zu bedenken: "Ich sehe Sie schon die ganze Zeit mit der Bleifeder in der Hand zubringen. Für einen künftigen Schinkel wäre dieses eine sehr nützliche Anwendung, allein da der Staat nicht in einem gotischen Tempel bestehet und noch nie ein Volk vermittels romantischer Bilder regiert worden ist, so wird dieses ewige Zeichnen für Sie eine wahre Verschwendung der edlen Zeit."

Zeichnen, planen, bauen

Der Kronprinz und ab 1840 König zeigte sich unbeeindruckt und zeichnete, plante und baute. Nachdem das Rheinland und damit auch Köln nach dem Wiener Kongress 1815 sehr zum Unwillen der Bewohner preußisch geworden war, wurden die alten Baupläne zur Vollendung des Kölner Doms wiederbelebt. Die Hohenzollern als neue Landesherren sahen es als ihre Pflicht an, dem altehrwürdigen Gotteshaus die beiden Türme aufzusetzen und auch sonst für seine Ausschmückung zu sorgen. Dies geschah in der Hoffnung, die widerspenstigen Rheinländer mit der preußischen Krone zu versöhnen und den Ausgleich der Konfessionen zu fördern. Kölner Bürger ergriffen 1841 die Initiative für die Vollendung des Doms und schlossen sich zum Dombau-Verein zusammen, dessen Statuten von Friedrich Wilhelm IV. bestätigt wurden. Eine in die Außenfassade eingelassene Inschriftentafel zitiert seine Worte anlässlich der Grundsteinlegung am 4. September 1842 zum "Fortbau des Doms": "Das große Werk verkünde den spätesten Geschlechtern von einem durch die Einigkeit seiner Fürsten und Völker großen, mächtigen, ja den Frieden der Welt unblutig erzwingenden Deutschland, von einem durch die Herrlichkeit des großen Vaterlandes und durch eigenes Gedeihen glücklichen Preußen, von dem Brudersinne verschiedener Bekenntnisse, der inne geworden, dass sie Eines sind in dem einigen göttlichen Haupte. Der Dom zu Cöln, das bitte ich von Gott, rage über diese Stadt, rage über Deutschland, rage über Zeiten, reich an Menschenfrieden, reich an Gottesfrieden bis an das Ende der Tage!"

Universeller Herrschaftsanspruch

Die Inschrift unter der Schlosskuppel betont den universellen Herrschaftsanspruch des Christentums und damit verbunden die unumschränkte, von Gott erteilte verpflichteten Souveränität. Das war wichtig, weil dieser Anspruch nach den Umwälzungen durch die Französische Revolution und des erwachten Selbstbewusstseins der Volksmassen wankte. Wer das Christentums infrage stellte, bedrohte auch die Königsherrschaft, war Preußens Staatsoberhaupt überzeugt. "Die Frechheit der Feinde des Evangelii wird nachgerade zu stark. Es muss und soll aufs würdigste und alles entschiedenste gegen sie eingeschritten werden […], wo immer der Abfall von Gott vorbereitet wird, um bald darauf vom König abfallen zu können."

Wie die Stiftung Humboldt-Forum mit dem Kreuz und den Bibelworten umgeht, wird sich zeigen. Eine neue, allumfassende und nicht aneckende Inschrift zu verfassen und einen Halbmond auf die Kuppel zu setzen, wie auch schon vorgeschlagen wurde, wäre keine Lösung. "Ich fürchte, das Gelächter wäre noch größer gewesen als die Empörung, die jetzt bei einigen Polemikern aufbrandet", schrieb der Essayist und Buchautor Friedrich Dieckmann am 9. November 2021 in der "Berliner Zeitung" und fügt hinzu, dass Besucher eines auf der Dachterrasse sie lesen könnten. Diesen Aufsatz so bald als möglich zu beseitigen wäre ein Dienst an dem Geschenk, das sich das Land und die Stadt mit diesem neuen Palast der Republik gemacht haben, der würdig und glanzvoll die Stelle eines früheren vertritt, auch wenn das vielen noch nicht zum Bewusstsein gekommen sein sollte."

10. November 2021

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