Sorge um "schönsten Schmuck des Vaterlandes"
Rettung der mittelalterlichen Klosterruine in Chorin geht auf Karl Friedrich Schinkel zurück





Hätte sich Schinkel nicht für die Rettung der Klosterruine in Chorin eingesetzt, gäbe es von ihr kaum noch etwas zu sehen. Die farbige Zeichnung zeigt den Zustand um 1860, darunter eine aktuelle Ansicht der als viel besuchte Konzerthalle und Museum genutzten Anlage im brandenburgischen Landkreis Barnim.



"Manches Herrliche der Welt ist in Krieg und Streit zerronnen / Wer beschützet und erhält, hat das höchste Los gewonnen", wusste schon Johann Wolfgang von Goethe, und diesen Ruhm als Retter historischer Bauwerke wie des Klosters Chorin hat auch Karl Friedrich Schinkel erworben.



Die Schinkel-Medaille wurde in der DDR an verdienstvolle Architekten verliehen.



Für den empfindsamen, universell gebildeten und auch als Bühnenbildner und Möbeldesigner tätigen, zudem auch als Gutachter mit sprachlichem Talent gesegneten Künstler war der vorsichtige Umgang mit der historischen Substanz wichtig. Schinkels Büste steht in der von ihm erbauten Friedrichswerderschen Kirche, darunter eine gusseiserne Bank nach seinem Entwurf. Schinkel fand seine letzte Ruhe auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin. .



Im Babelsberger Schloss erinnert dieses Porträt an Karl Friedrich Schinkel, der die Pläne für den Sommerpalast für den Preußenprinzen und späteren König und Kaiser Wilhelm I. zeichnete.



Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof fanden Schinkel und prominente Zeitgenossen wie die Bildhauer Johann David Schadow und Christian Daniel Rauch ihre letzte Ruhe.



Nach dem ersten preußischen Staatskonservator Ferdinand von Quast ist eine Medaille benannt, die alljährlich in Berlin an Menschen und Gemeinschaften für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Denkmalpflege verliehen wird. (Fotos/Repros: Caspar)

Wer die Ruine des Klosters Chorin besichtigt, wird kaum wissen, dass es im wesentlichen Karl Friedrich Schinkel, dem Chef der Preußischen Oberbaudeputation, zu verdanken ist, dass das aus dem Mittelalter stammende Bauensemble erhalten blieb. Die Mühen des Architekten um das verfallene Bauwerk stehen am Anfang der staatlichen Denkmalpflege in Preußen, und so kann man den Meister zu den "Vätern der Denkmalpflege" in Deutschland zählen. In seinen Denkschriften hat Schinkel vor Unverstand, Kurzsichtigkeit und Böswilligkeit im Umgang mit historischen Baulichkeiten und Kunstwerken gewarnt. 1815 gab er der preußischen Regierung zu bedenken: "Bisher waren diese Gegenstände als solche, die nicht unmittelbar dem Staate Nutzen schafften, keiner besonderen Behörde zur Verwaltung und Obhut zugeteilt, sondern es wurde von den Regierungen, von der Geistlichkeit, oder von den Magisträten und Gutsherren, je nachdem sich eine oder die andere Behörde das Recht darüber anmaßte, zufällig und meistenteils ohne weitere Rückfrage höheren Orts entschieden, und da es sich leider zu häufig fand, dass in diesen Behörden keine Stimme war, die durch das Gefühl für das Ehrwürdige dieser Gegenstände geleitet wurde und sich hinreichend ausgerüstet fühlte, die Verteidigung desselben gegen die Stürmenden zu übernehmen, welche so nur durch einen eingebildeten augenblicklichen Vorteil auf den Untergang manches herrlichen Werks hinarbeiteten, so geschah es, dass unser Vaterland von seinem schönsten Schmuck so unendlich viel verlor, was wir bedauern müssen, und wenn jetzt nicht allgemeine und durchgreifende Maßregeln angewendet werden, diesen Gang der Dinge zu hemmen, so werden wir in kurzer zeit unheimlich, nackt und kahl, wie eine neue Kolonie in einem früher nicht bewohnten Lande dastehen."

Willkürliches Einreißen und Verbauen

Als Schinkel 1817 das im Jahre 1258 von den Askaniern gestiftete, seither immer wieder erweiterte Kloster besuchte, bot sich ihm ein trauriges Bild des Verfalls. Nach Aufhebung der Heimstätte von Zisterziensermönchen im Jahre 1542 sah man in dem Mauerwerk nur noch einen Steinbruch. Diese Nutzung war damals üblich, den Ziegelsteine und Holz waren teuer. Viele Sakral- und Profanbauten sind aufgrund dieser "Zweitnutzung" verschwunden oder nur noch in Rudimenten erhalten. Der Architekt, der sich nicht nur dem Neubau verpflichtet fühlte, sondern auch dem Schutz von Altertümern, verfasste ein Gutachten, dessen Worte noch heute Gültigkeit haben. "Bei der Seltenheit solcher Denkmäler in dieser Provinz wird die Erhaltung eines solchen zur Pflicht", mahnte er die Regierung. Sie möge "gefälligst" veranlassen, dass dem Amtmann zu Chorin die Erhaltung aller Klosterbauten zur Pflicht gemacht wird. "Auch könnten sich die Baumeister der Provinz dafür interessieren, damit das willkürliche Einreißen und Verbauen dieser Altertümer vermieden und auf dem Lande der schönste Schmuck solcher Denkmäler erhalten werde." Schinkels Forderungen waren schneller geschrieben als durchgesetzt. Der Pächter leistete Widerstand, befürchtete er doch unnötige Kosten und Einbußen. Ein Denkmalpflegegesetz, wie wir es kennen, gab es noch nicht, und auch die heutzutage gewährten Beihilfen waren noch unbekannt. Dennoch blieb Schinkels Appell nicht ungehört. Die Bauakten verzeichnen für die Jahre 1831 bis 1834 Reparaturarbeiten an den Resten des Klosters Chorin und später erste Restaurierungsmaßnahmen.

Kampf gegen Windmühlenflügel

Das Plädoyer des Architekten für das ehemalige Kloster und ähnliche Hinterlassenschaften lag im Trend der Zeit, denn in den Jahren, da die Deutschen die napoleonische Fremdherrschaft erlitten und abschüttelten, besann man sich auch auf die baulichen Hinterlassenschaften der Altvorderen. Weitsichtige Künstler, Beamte und Bürger mühten sich, vor Verfall und Vernichtung zu retten, was zu retten ist. Das glich vielfach einem Kampf gegen Windmühlenflügel, denn das Verständnis für Historie und alte Bauwerke musste erst geweckt werden. Denkmalbehörden, Heimatverbände und wissenschaftliche Gesellschaften, die hätten Druck machen können, waren im Entstehen. Auf der anderen Seite war es oft pure Geldnot, dass man von Abriss und Modernisierung Abstand nahm, eine Erscheinung, die auch später zu beobachten war. Sonst wäre der durch den Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbaumaßnahmen danach stark reduzierte Denkmalbestand in beiden deutschen Staaten um wertvolle Objekte ärmer.

In Zeiten, als man in "griechischem Styl" zu bauen pflegte und die Gotik wiederentdeckte, wurden Zeugnisse des Barock und Rokoko rigoros beseitigt. Der Sehnsucht nach mittelalterlichen Zuständen wurden viele wertvolle Bau- und Kunstwerke neueren Datums geopfert. Wo es um herausragende Qualitäten ging, setzte sich Schinkel für ihren Erhalt ein, auch wen sie nach 1648, dem Ende des 30jährigen Krieges, entstanden waren. Im Umgang mit vielen Bau- und Kunstwerken konstatierte der Chef der preußischen Oberbaudeputation Willkür, Unkenntnis, Sorglosigkeit und mangelndes "Gefühl für das Ehrwürdige dieser Gegenstände". Zu wenig Leute würden solche Werte gegen die "Stürmenden" verteidigen, "welche so nur durch einen eingebildeten Vorteil auf den Untergang manches herrlichen Werks hinarbeiten." In den zu bildenden Denkmalbehörden sollten Baumeister und Künstler tätig sein, kein Schritt, keine Veränderung dürfe ohne Rückfrage mehr unternommen werden. Die wichtigste Aufgabe der Schutzdeputationen wäre, Verzeichnisse all dessen anzufertigen, was sich in ihrem Bezirk vorfindet, verbunden mit Vorschlägen für Erhaltungs- und Nutzungsmaßnahmen.

Gut gemeint war nicht immer gut

Karl Friedrich Schinkel hat sich gelegentlich auch praktisch als Denkmalpfleger betätigt. Belegt ist sein Interesse etwa am Weiterbau des Kölner Doms, um den sich Friedrich Wilhelm als Kronprinz und - ab 1840 - preußischer König Friedrich Wilhelm IV. verdient gemacht hat. Als es um die Wiederherstellung der Moritzburg in Halle und die Sanierung des Brandenburger und des Havelberger Doms, um die Marienkirche zu Frankfurt an der Oder und viele andere Bauten ging, setzte sich der Architekt für die Respektierung historischer Substanz ein. Manchmal taten die in guter Absicht vorgenommenen Rück-, Um- und Anbauten sowie Ausmalungen der Schinkelzeit und danach den Kirchen, Burgen, Schlössern, Rathäusern, Türmen und anderen Bau- und Kunstdenkmalen nicht gut. Hier und anderswo zeigte sich, dass gut gemeint war nicht immer gut ist. So wurde eine in der Schinkel-Zeit eingebaute monumentale Treppe im Kirchenschiff des Brandenburger Doms erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts beseitigt. Im Fall des Klosters Chorin waren dem Architekten wegen der Besitzverhältnisse die Hände gebunden, und auch bei der Wittenberger Schlosskirche kam er nicht recht zum Zuge, weil sich die Geistlichkeit einer Verschönerung widersetzte. Spätere Generationen haben mit ihrem historisierenden Verschönerungswahn manches Unheil angerichtet.

Der 1841 in der Berliner Bauakademie nach einem Schlaganfall mit nur 60 Jahren verstorbene Schinkel erlebte nicht mehr, wie die Denkmalpflege in Preußen langsam an Boden gewann. Zum ersten preußischen Konservator wurde 1843 Ferdinand von Quast berufen. Er forderte, der "Sorge für die Erhaltung der im öffentlichen Besitz befindlichen Kunstdenkmäler eine festere Grundlage zu geben, die Kenntnis des Wertes dieser Denkmäler immer zu verbreiten und die zu ihrer Konservation und Restauration erforderlichen Schritte auf bestimmtere, mehr übereinstimmende und umfassende Prinzipien zurückzuführen, als dies alles nach den bisherigen Einrichtungen möglich war." Auch für den aus Radensleben bei Neurupin stammenden Architekten und Kunsthistoriker waren - wie heute - Unwissenheit, Gewinnstreben, falsche Verschönerungssucht und kurzsichtiges ökonomisches Denken, das auf schnelle Erfolge ausgerichtet ist, die größten Feinde von Denkmalschutz und Denkmalpflege.

27. Dezember 2021

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