"Ingenieur des Universums"
Einstein-Gedenktafel am Akademieflügel der Staatsbibliothek Unter den Linden erinnert an Deutschlands dunkelste Zeit



Die von Gerhard Thieme geschaffene Gedenktafel neben der Tür mit der Inschrift PREUSSISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN zu Ehren von Albert Einstein am Portal des Akademieflügels der Staatsbibliothek wurde am 25. November 1994 eingeweiht. Die Box in der Mitte enthält Bücher, die in der Zeit des Nationalsozialismus verboten und verbrannt wurden, aber auch an solche, die in Portugal unter dem Diktator Salazar das gleiche Schicksal erlitten haben. Die Aktion weist auf Portugals EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2021 und die Rolle als Gastland auf der Leipziger Buchmesse 2022.



Durch dieses Treppenhaus gelangte Albert Einstein in die Räume der Preußischen Akademie der Wissenschaften, mit ihm sah der Akademieflügel der Staatsbibliothek unzählige prominente und unbekannte Besucher aus aller Welt.



Gerhard Thieme hat auf der Tafel neben der Tür zu den Räumen der Akademie der Wissenschaften ein eindrucksvolles Porträt geschaffen. Die Inschrift rechts erinnert in der Archenholdsternwarte an einen berühmten Vortrag des Physikers.



Die von Kurt-Harald Isenstein 1924 geschaffene Büste wird in der Neuen Synagoge Centrum Judaicum an der Oranienburger Straße gezeigt.



Auf der vor einigen Jahren von der Ernst Freiberger-Stiftung errichteten Denkmalstraße im Spreebogen werden deutsche Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Politik geehrt, "die Großes geleistet haben und für Freiheit und Menschenwürde eingetreten sind", so die Inschrift auf einer Tafel zu Beginn der Straße der Erinnerung. Unter den "Helden ohne Degen" befindet sich auch die von Heinrich Drake geschaffene Einstein-Büste. Die Inschrift am Sockel lautet: "Ich habe keine besondere Begabung, ich bin nur leidenschaftlich neugierig".



Die von Micha Ulmann gestaltete "Unsichtbare Bibliothek" auf dem Bebelplatz gedenkt mit leeren Regalen an den Wänden der Opfer nationalsozialistischer Barbarei. Zu ihnen gehörte auch Albert Einstein, dessen Schriften hier am 10. Mai 1933 auf den Scheiterhaufen geworfen wurden. (Fotos: Caspar)

Nach der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur am 30. Januar 1933 wurde das öffentliche Leben im Deutschen Reich systematisch und rücksichtslos von Personen gesäubert, die nicht ins politische und rassistische Weltbild der neuen Machthaber in den braunen Hemden passten. So wurde auch die anno 1700 gegründete Preußische Akademie der Wissenschaften von politisch missliebigen Gelehrten sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gesäubert und "judenrein" gemacht. Dass der Rauswurf bedeutender Vertreter der Natur- und Geisteswissenschaften Forschung und Lehre und dem Ansehen des Deutschen Reichs in höchstem Maße schaden, waren Hitler und seinesgleichen egal. Die Bücherverbrennung auf dem Opernplatz am 10. Mai 1933 und ähnliche Aktionen in zahlreichen anderen Städten hatten auf drastische Weise den Beginn der so genannten Gleichschaltung der deutschen Hochschulen und Universitäten und des Geisteslebens markiert. Sehr schnell entledigten sich die damalige Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, die heutige Humboldt-Universität, sowie die Technische Hochschule Charlottenburg und die anderen Universitäten und Hochschulen quer durch das Deutsche Reich unter dem Druck der Regierung und im Vollzug neuer, diskriminierender Gesetze ihrer jüdischen Professoren und Studenten sowie aller Personen, die als politisch unzuverlässig galten, weil sie sich als Antifaschisten positioniert hatten.

Nobelpreis für Verdienste um die theoretische Physik

Nicht weit vom Schauplatz der Bücherverbrennung erinnert neben dem Portal zum Akademieflügel (Eingangsbereich) der Staatsbibliothek Unter den Linden eine Gedenktafel an Albert Einstein, der zu den prominenten Opfern der rassistisch geprägten Wissenschaftsfeindlichkeit im so genannten Dritten Reich gehörte. Das von Heinz Rodewald geschaffene Relief aus Bronze war während der Sanierungsarbeiten in der Staatsbibliothek abgenommen und ins Depot gebracht worden. Anfang Juni 2021 kehrte die 1994 eingeweihte Tafel mit der Inschrift HIER WIRKTE VON 1914 BIS 1932 ALBERT EINSTEIN ALS MITGLIED DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN wieder an ihren alten Platz links neben der Tür zu den von der Akademiebibliothek und dem Zentrum Grundlagenforschung Alte Welt genutzten Räumen der Akademie zurück. Dazu muss man wissen, dass der zu der Straße Unter den Linden gelegene Teil der 1914 eröffneten Bibliothek der damaligen Preußischen Akademie der Wissenschaften zur Verfügung stand und daher auch von ihren Mitgliedern, wie Albert Einstein einer war, besucht wurde.

Für den von den Nationalsozialisten wegen ihrer jüdischen Herkunft und politischen Einstellung als "Bolschewistenknechte", "Staatsfeinde", "jüdische Untermenschen" und "Entartete" abgestempelten Personenkreis gab es Schwarze Listen, die von der Gestapo systematisch abgearbeitet wurden, oft mit tödlichen Folgen für die Verhafteten und Gefolterten. Albert Einstein, der die Relativitätstheorie entwickelt und 1922 "für seine Verdienste um die theoretische Physik, besonders für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts" den Physiknobelpreis erhalten hatte, war den Nazis schon vor der Errichtung ihrer Diktatur ein Dorn im Auge. Der überzeugte Pazifist und Demokrat und dazu begehrte Vortragsredner in Deutschland und der Welt war übler Hetze und Diffamierung ausgesetzt. Zu seinem Glück weilte er zu Beginn des Jahres 1933 in den USA, so dass Hitlers Häscher seiner nicht habhaft wurden.

Ausgebürgert und mit dem Tod bedroht

Albert Einstein gehörte 19 Jahre der im Jahr 1700 gegründeten Preußischen Akademie der Wissenschaften. Ihr teilte er am 28. März 1933 mit Bedauern seinen Austritt mit und würdigte gleichzeitig die dort empfangenden Anregungen und menschlichen Haltungen. Mit dem Austritt kam er einem Ausschluss zuvor. Zu dieser Zeit hatten andere Persönlichkeiten die Akademie verlassen müssen. Am 20. März 1933 durchsuchte die Polizei Einsteins Sommerhaus in Caputh bei Potsdam und im April auch seine Berliner Stadtwohnung in der Haberlandstraße 5. Vor dem Neubau Nummer 8 wurde 2013 eine von Anwohnern finanzierte Gedenkstele enthüllt. Der Gelehrte war sich bewusst, dass er im Deutschen Reich unerwünscht und in Lebensgefahr ist. Er stellte daher am 4. April 1933 einen Antrag auf die Entlassung aus dem preußischen Staatsverbund, das heißt auf Ausbürgerung. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, statt dessen hat man ihm die deutsche Staatsangehörigkeit per "Strafausbürgerung" aberkannt und auf eine Ausbürgerungsliste gesetzt. Einstein erlangte später die Schweizer und die US-Staatsbürgerschaft.

Dem berühmte Physiker wurden seine Mitgliedschaften in anderen deutschen Gelehrtenvereinigungen entzogen. Seine als "undeutsch" verteufelten Schriften wurden am 10. Mai 1933 mit denen zahlreicher anderer Autoren auf dem Berliner Opernplatz unter dem vom Propagandaminister Goebbels angefachten Gejohle enthemmter Nazis verbrannt. Der Hass auf Einstein ging so weit, dass für seine Ergreifung und Ermordung ein Kopfgeld von 5000 ausgesetzt und aller Öffentlichkeit gefragt wurde, warum er nicht schon längst erhängt ist. Einstein zeigte sich unbeeindruckt und schrieb seinem Physikerkollegen Max Planck am 6. April 1933 dieses Bekenntnis: " "Der Vernichtungskrieg gegen meine wehrlosen Brüder hat mich gezwungen, den Einfluss, den ich in der Welt habe, zu ihren Gunsten in die Waagschale zu legen."

Blühende Wissenschaft von den Nazis enthauptet

Im Nazireich waren ab 1933 für Lehre, Forschung und Ausbildung nur noch Personen zugelassen, die den Ariernachweis erbringen konnten und sich gegenüber den neuen Machthabern loyal verhielten. Von nun an stand so genannte Deutsche Wissenschaft auf dem Programm. Jetzt durften nur Hochschullehrer mit arischem Stammbaum und solche amtieren, die das Regime in Wort und Schrift unterstützten. Sie konnten sich in Fächern wie Rassepolitik, Geopolitik, Germanenkult sowie politische Pädagogik und Volkskunde austoben und erhielten reichliche Publikationsmöglichkeiten. Von nun an wurden "deutsche" Chemie, Mathematik und Physik gelehrt und praktiziert, und es wurden Menschen als "Material" für sadistische Versuchszwecke verwendet und ermordet.

Die bis 1933 blühende Wissenschaft und Kultur in Deutschland, die zahlreiche Nobelpreisträger hervorgebracht hatte, wurde von den Nationalsozialisten rücksichtslos enthauptet. Es nutzte nicht, dass sich der Physiknobelpreisträger Max Planck in seiner Eigenschaft als Präsident der renommierten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft bei Hitler für jüdische Kollegen, allen voran Fritz Haber, einzusetzen versuchte. Der Diktator ließ sich auf nichts ein und antwortete Planck, immer lauter werdend: "Gegen die Juden an sich habe ich nichts. Aber die Juden sind alle Kommunisten, und diese sind meine Feinde, gegen sie geht mein Kampf." Auf die Bemerkung des berühmten Physikers, dass es doch verschiedenartige Juden gäbe, "für die Menschheit wertvolle und wertlose" und dass man doch Unterschiede machen müsse, entgegnete der Diktator, das sei nicht richtig, denn Jude sei Jude. Alle Juden würden wie Kletten zusammen hängen, "und deshalb muss ich gegen alle Juden gleichmäßig vorgehen". Plancks Argumente zogen nicht. "Auf meine Bemerkung, dass es aber geradezu eine Selbstverstümmelung wäre, wenn man wertvolle Juden nötigen würde auszuwandern, weil wir ihre wissenschaftliche Arbeit brauchen und diese sonst im Ausland zugute kommen, ließ er sich nicht weiter ein, erging sich in allgemeinen Redensarten [...] und schaukelte sich in eine solche Wut hinauf, dass mir nichts übrig blieb, als zu schweigen und zu verstummen und mich zu verabschieden."

Bedeutsam wie Kepler und Newton

Vierzehn Mitglieder der berühmten Gelehrtenvereinigung sowie mindestens 15 ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter wurden nach Hitlers "Machtergreifung" zwangsweise aus der Akademie ausgeschlossen und gingen ihrer Arbeits- und Lebensgrundlagen verlustig. Zu dem Kreis illustrer Gelehrter gehörte auch Albert Einstein. Sein Kollege Max Planck betonte am 11. Mai 1933, einen Tag nach der Bücherverbrennung, in einer vor der Akademie verlesenen Erklärung, Einstein sei nicht nur einer unter vielen hervorragenden Physikern, sondern "der Physiker, durch dessen in unserer Akademie veröffentlichte Arbeiten die physikalische Erkenntnis in unserem Jahrhundert eine Vertiefung erfahren hat, deren Bedeutung nur an den Leistungen Johannes Keplers und Isaac Newtons gemessen werden kann. Es lag mir vor allem deshalb daran, dies auszusprechen, damit nicht die Nachwelt einmal auf den Gedanken kommt, dass die akademischen Fachkollegen Hrn. Einsteins noch nicht im Stande waren, seine Bedeutung für die Wissenschaft voll zu begreifen."

Die Knebelung der Universitäten, Hochschulen, Akademien und weiteren wissenschaftlichen Gremien hatte gravierende Folgen. Nicht nur die Nobelpreisträger Albert Einstein und Gustav Hertz verloren ihre Stellungen und gingen ins Ausland, bevor die Nazis ihrer habhaft wurde. In Berlin, damals die wichtigste Stadt für Forschung und Lehre, sowie im ganzen Reich wurden über 2000 Wissenschaftler aus rassistischen und politischen Gründen aus dem Amt gejagt, begleitet von höhnischem Gelächter der neuen Herren. Doch hinter der Fassade brodelte es, auch an der Berliner Universität und anderen Einrichtungen. Immer wieder kam es zu regimefeindlichen Aktionen, deren Initiatoren, so weit sie bekannt wurden, von der Gestapo und der Justiz erbarmungslos verfolgt wurden.

Eine 2013 zum 80.Jahrestag der Errichtung der Nazidiktatur im Rahmen des Gedenkens "Zerstörte Vielfalt" veranstaltete Ausstellung im Hauptgebäude der Akademie der Wissenschaften Berlin-Brandenburg zeigte, welch menschliches Leid mit den rassistisch motivierten Repressalien verbunden war und welche Verluste die Wissenschaft in Deutschland durch die Säuberungsmaßnahmenund den Exodus vieler Gelehrter erlitt. Zugleich unterstrich die Dokumentation, dass sich die Akademie nach dem Ende des NS-Staates und des Zweiten Weltkriegs mit der so genannten Vergangenheitsbewältigung schwer tat. Um das Unrecht wieder gut zu machen, wurde den ehemals ausgeschlossenen Akademiemitgliedern die Mitgliedschaft neu angeboten. Einzig lehnte Albert Einstein 1946 "nach all dem Furchtbaren, das geschehen ist", das Anerbieten der Deutschen Akademie der Wissenschaften ab.

Mann mit Ecken und Kanten, mit Visionen und Humor

"Albert Einstein - Ingenieur des Universums" war der Titel einer Ausstellung 2005 im Kronprinzenpalais Unter den Linden. Für die Schau, die zu den wichtigsten Ereignissen des Einstein-Jahres 2005 gezählt wurde, gab es zwei Anlässe: Die Veröffentlichung der damals 26jährigen Physikers Albert Einstein über die Relativitätstheorie vor hundert Jahren und sein 50. Todestag am 18. April 1955 in Princeton (USA). Veranstaltet von der Max-Planck-Gesellschaft unter der Federführung des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte, würdigte die Dokumentation mit vielen Fotos, Handschriften, Büchern und historischen Gerätschaften sowie persönlichen Erinnerungsstücken die wissenschaftlichen und politischen Leistungen des Nobelpreisträgers und seine Wirkung auf die moderne Wissenschaft und ganz allgemein auf unser heutiges Leben. Im Mittelpunkt der Ausstellung standen Einsteins Fragen an die Natur des Raums und die Gravitation, an das Licht sowie an unsichtbare Kräfte wie Magnetismus, Strahlung und Elektrizität.

Besucher erfuhren interessante Einzelheiten über den Lebensweg von Albert Einstein, der sich vom unbekannten Jungforscher aus Ulm mit genialen Erkenntnissen zu einem hochgeachteten, überaus populären Gelehrten und Visionär entwickelte und dessen Stimme bis heute viel gilt. Wer die Ausstellung besuchte, lernte Einstein nicht nur als tiefsinnigen Forscher über dasjenige kennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, sondern auch als einen populären Mann mit Ecken und Kanten, voller Humor und beseelt von tiefem Humanismus. So erfuhr man interessante Fakten über die nicht ganz einfache Person des Pazifisten und überzeugten Demokraten, der sich mit seinen Forderungen und Mahnungen die erbitterte Feindschaft der Nazis und anderer rechtsextremer Kräfte einhandelte, aber auch mit Verdächtigungen in der eigenen Zunft zu tun bekam.

25. Juni 2021

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