Weg mit den Trümmern
Zupackende Aufbauhelfer und Bauleute erinnern im ehemaligen Ostberlin an die Nachkriegszeit



Nach Jahren der Abwesenheit wegen des U-Bahnbaus stehen der Aufbauhelfer und die Trümmerfrau wieder auf ihren Sockeln. In der Karl-Liebknecht-Straße schaut der Mann vom Bau hinüber zum Alexanderplatz.



Obwohl Bauarbeiter von der DDR-Propaganda umschmeichelt wurden, waren ihre Arbeits- und Lebensbedingungen alles andere als gut, und so waren sie es, die sich 1953 als erste gegen erhöhte Normen und schlechte Bezahlung auflehnten und mehr Freiheit und Demokratie im Arbeiter-und-Bauern-Staat forderten.



Mit hitzeständiger Schutzkleidung, Helm und Brille blickt der Stahlwerker aus Bronze auf die Bewohner eines Ortsteils im Berliner Bezirk Köpenick.



Sozialistisches Brigadeleben und eine fröhliche Frauentagsfeier am 8. März kann man auch heute auf einem Bronzerelief auf dem Alexanderplatz beobachten. (Fotos: Caspar)

Berlin war am Ende des zweiten Weltkriegs eine riesige Trümmerlandschaft. Fast alle Häuser in der Innenstadt und angrenzenden Bezirken waren zerstört, schwer beschädigt und unbewohnbar. Nur Randgebiete waren von Bombentreffern und Artilleriebeschuss verschont geblieben. Als erstes mussten die riesigen Trümmermassen beseitigt werden. Noch heute markieren Hügel im Friedrichshain und anderenorts, wo man die Steine abgekippt hat, wenn man sie nicht geputzt und für Neubauten und zum Reparieren der beschädigten Häuser benutzt hat. Vor dem Roten Rathaus erinnern die Bronzefiguren einer Trümmerfrau und eines Aufbauhelfers, geschaffen von Fritz Cremer, der auch das Denkmal für die Interbrigadisten im Friedrichshain und das Buchenwalddenkmal geschaffen hat, an die schweren Jahre des Neubeginns nach dem Zweiten Weltkrieg, an die Leistungen der Berliner beim Wiederaufbau ihrer so furchtbar geschundenen Stadt. Die 1958 unter der lapidaren Bezeichnung "Weg mit den Trümmern I und II" aufgestellten Plastiken zeigen eine junge Frau mit geschulterter Schaufel und einen Mann, der eine Spitzhacke in der Hand hält und sich einen Ärmel hochkrempelt. Selbstbewusst blicken die beiden hinüber zum Sitz des Regierenden Bürgermeisters. Jahrelang waren die Skulpturen verschwunden, weil auf dem Gelände ober- und unterirdisch die U-Bahn 55 von Hönow zum Hauptbahnhof gebaut wurde.

Mühselige Schuttberäumung

Von der Mühseligkeit der Schuttberäumung ist bei diesen Helden der Arbeit, wie damals ein Ehrentitel hieß, nichts zu spüren. Den unzähligen ungenannten Trümmerfrauen und Aufbauhelfern ist es zu verdanken, so Cremer Botschaft, dass nach dem bis dahin schrecklichsten aller Kriege wieder Leben in die Straßen, Wohnsiedlungen und Industriebetriebe kam. Der Bildhauer hat darauf verzichtet, die Frau mit Kopftuch, langer Hose und Stiefeln und den Mann mit Schirmmütze mühselig und gebeugt an einem Schuttberg arbeitend darzustellen. Vielmehr zeigt er sie selbstbewusst stehend, wie sie eher gelassen, ja heroisch auf einen Trümmerberg zugehen, um aufzuräumen und Neues zu bauen. Manch einer von uns wird sich erinnern, dass es in der DDR den ironisch gemeinten Begriff "Arbeiterdenkmäler" gab. Mit ihnen waren nicht etwa die beiden Bronzefiguren in der Cremerschen Art quer durch den zweiten deutschen Staat gemeint, sondern Werktätige, wie man damals sagte, die mal eben eine Pause machen und sich, eine Zigarette im Mund oder eine Flasche in der Hand, unterhalten und den "lieben Gott 'nen guten Mann sein lassen", mit anderen Worten bummeln und nicht das tun, was sie eigentlich sollen.

Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953

Die Figuren vor dem Roten Rathaus lassen diesen Aspekt der alles in allem nicht besonders gut entwickelten Arbeitsmoral in der DDR weg. Sie stellen eine Hommage an die unzähligen Freiwilligen, ohne die die Stadt noch lange ein einziger Trümmerhaufen geblieben wäre. Dass Bauarbeiter am 17. Juni 1953 an der Spitze des großen Volksaufstands gegen das SED-Regime und die sowjetischen Besatzer standen und nach dessen blutiger Niederschlagung schlimmster Verfolgung ausgesetzt waren, muss man sich beim Anblick der beiden Figuren hinzu denken. Da Walter Ulbricht, als SED-Chef und Stellvertretender Ministerpräsident der mächtigste Mann in der von den sowjetischen Besatzern abhängigen DDR, und seine Genossen auf die Forderungen der aufgebrachten Arbeiter nach Rücknahme der Normenerhöhung sowie nach freien, geheimen Wahlen nicht eingingen und, ihr Ende bereits vor Augen, nach sowjetischen Truppen riefen, eskalierten die Ereignisse. Der sowjetische Stadtkommandant erklärte den Ausnahmezustand über den Ostteil der Viersektorenstadt, wonach Zuwiderhandlungen "nach den Kriegsgesetzen" geahndet werden, mit anderen Worten, es würden Standgerichte in Aktion treten und mit den "vom Westen gesteuerten Provokateuren" kurzen Prozess machen.

Gewalt gegen Gewalt war das Motto, und es kamen auf beiden Seiten der Barrikaden viele Menschen ums Leben. Zu ihnen gehören auch Angehörige der Roten Armee, die exekutiert wurden, weil sie sich weigerten, auf deutsche Arbeiter zu schießen. Die westlichen Besatzungsmächte und die Bundesregierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer waren von den Ereignissen überrascht. Um nicht einen bewaffneten Konflikt mit den Sowjets, gar einen Dritten Weltkrieg zu riskieren, erlegten sie sich große Zurückhaltung auf und kamen den bedrängten Ost-Berliner Arbeitern nur verbal zu Hilfe. Für Bundeskanzler Konrad Adenauer waren blutige Ereignisse ein weiterer Grund, die "Westbindung" der Bundesrepublik Deutschland zu verstärken.

Nach den Ereignissen des Jahres 1953 sollte weiteren möglichen Aufständen in der DDR vorgebeugt werden. Zu diesem Zweck bildete man in den Betrieben bewaffnete Kampfgruppeneinheiten. Die Verherrlichung der von der SED unterhaltenen paramilitärischen Hilfstruppe, die bei inneren Konflikten eingesetzt werden sollte, aber im Wendeherbst 1989 zu Hause blieb, war so unerträglich, dass man das Monument der "Genossen Kämpfer" schon bald nach der Wiedervereinigung abgebaut hat.

Prüfender Blick zum Alexanderplatz

In der DDR wurden Bauarbeiter, Aufstand hin oder her, von der Politik auf Händen getragen. Kein Tag verging, dass nicht die von der SED gelenkte Propaganda ihr Loblied sang. Wer etwas werden wollte, ging zum Bau, hieß es. Da nimmt es nicht Wunder, dass überall Leute vom Bau auf Sockel gestellt wurden. Eine 1969 von Gerhard Thieme geschaffene überlebensgroße Bronzefigur schaut vom Bürgersteig des damaligen VEB Kombinat Ingenieur-Hochbau Berlin in der Karl-Liebknecht-Straße 31 (Mitte) hinüber zu den Neubauten auf dem Alexanderplatz. Er tut dies nicht einfach nur so, sondern schaut prüfend in charakteristische Geste durch Daumen und Zeigefinger der ausgestreckten Hand hindurch. Wenn man sich hinter die Figur stellt, sieht man, dass der Mann mit Helm, Stiefeln und aufgeknöpfter Jacke durch seine Finger auf das riesige Park Inn-Hotel schaut.

Über das ehemalige Ost-Berliner Stadtgebiet sind weitere Figuren dieser Art verteilt. So steht ein in seine Schutzkleidung vermummter Stahlwerker aus Bronze in einer Grünanlage vor dem Haus An der Wuhlheide 18 (Köpenick), ebenfalls ein Werk von Gerhard Thieme aus dem Jahr 1970. Das Kampfgruppendenkmal aus Bronze an der Hohenschönhausener Straße (Volkspark Prenzlauer Berg), eine Arbeit von Gerhard Rommel war vom Ostberliner Magistrat in Auftrag gegeben und am 15. September 1983 eingeweiht worden. Bestehend aus drei bewaffneten Männern in Uniform, der daneben stehenden Figur eines Jungen mit Blumen in der Hand sowie vier Reliefplatten, wurde es nach einem Beschluss über den Umgang mit den politischen Denkmälern in Ostberlin am 28. Februar1992 demontiert. Die Figur des Jungen und eine kleine Taube kamen in die Sammlungen des Bezirksmuseums. Die anderen Teile gingen als Dauerleihgabe in das Deutsche Historische Museum. 3. Mai 2021

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