Lobgesänge auf König und Krone
Beim Berliner Humboldt Forum lohnt ein Blick auf die barocken Skulpturen und die wiederhergestellten Prunkinschriften



Das Humboldt Forum ist außen fertig gestelt, und innen werden die großen Schauräume mit Exponaten aus den Museen für außereuropäische Kulturen der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz sowie der Humboldt-Universität und der Stiftung Stadtmuseum Berlin eingerichtet. Jetzt muss nur noch grünes Licht für die Öffnung des neuen Kulturstandortes gegeben werden. Doch dazu muss die Corona-Pandemie eingedämmt sein.



Preußens König Friedrich I. feierte sich mit einer lateinischen Inschrift über dem barocken Zeughaus Unter den Linden, verbunden mit einem vergoldeten Bildnismedaillon, als Bauherr, Vater des Vaterlandes und unbesiegbarer Kriegsherr.



An der Fassade des Humboldt-Forums haben Bildhauer nach historischen Vorlagen und Fotografien die Embleme der preußischen Monarchie wiederhergestellt.



"Dies ist das Bauwerk Friedrichs, ein so großes Haus baute er mitten im Kriege, dem Sieger entspricht das Werk, nicht anders durfte der preußische Kriegsherr in seiner Stadt wohnen" liest man, von Albert Geyer übersetzt, auf einem von Engeln gehaltenen Schriftband über dem zur Spree gelegenen Portal III.



Die lateinische Inschrift erzählt in der Diktion der Barockzeit die Baugeschichte des Berliner Schlosses mit dieser Eloge: "Friedrich, König von Preußen, Kurfürst von Brandenburg, erbaute nach Wiederherstellung der alten Herrschaft der Preußen das Königreich und erweiterte es, der Würde seiner Herrschaft entsprechend, als der erhabene Erneuerer der edlen Künste zum bleibenden Schmuck für seine Stadt und sein Jahrhundert."





Die vergoldeten Inschriften am Berliner Schloss, dem heutigen Humboldt-Forum, sind barocke Lobhudeleien für Friedrich I. und - hier aus dem Jahr 1716 zu sehen auf der Seite zum Marstall hin - seinen Sohn, den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. Dieser ließ nach dem Tod seines Vaters 1713 den Bau des Residenzschlosses stoppen und richtete sich im Potsdamer Stadtschloss und im Schloss Königs Wusterhausen wohnlich einrichtete.





Die Aufregung um den goldenen Bibelspruch auf preußisch-blauem Grund und das christliche Kreuz auf der Laterne der Schlosskuppel hat sich inzwischen gelegt. Die Postkarte aus der Kaiserzeit zeigt, dass die Kuppel das Portal III bekrönt. (Fotos/Repro: Caspar)

Wer dieser Tage das Berliner Humboldt Forum umrundet, kann nur durch die vergitterten Portale in die Höfe schauen. Wie alle anderen Museen und weitere Kultureinrichtungen in Berlin und Deutschland ist auch dieser Ende 2020 nur virtuell eingeweihte, rund 650 Millionen Euro teure Kulturstandort mit der Fassade und der Kuppel des 1950 auf Befehl der SED-Führung abgerissenen Hohenzollernschlosses wegen der seit einem Jahr grassierenden Corona-Pandemie geschlossen. Jetzt warten alle, dass die Maßnahmen zu deren Eindämmung angesichts sinkender Infektionszahlen gelockert und auch Museen unter strengen Auflagen wieder öffnen dürfen. Trotz alledem lohnt ein Gang zum Humboldt-Forum und ein Blick auf den barocken Skulpturenschmuck und die lateinischen, als vergoldeten Buchstaben gebildeten Inschriften. Sie sind ein einziger Lobgesang auf den königlichen Bauherrn Friedrich I. Er hatte sich am 18. Januar 1701 in Königsberg zum König "in" Preußen gekrönt und benötigte in seiner Haupt- und Residenzstadt einen repräsentativen Palast, denn das Renaissanceschloss reichte für seine Repräsentativbedürfnisse nicht mehr aus.

Eitelkeit statt wahrer Größe

Friedrich I. hatte offenbar Selbstlob nötig. Was dem kleinen, leicht verwachsenen und von seiner eigenen Frau Sophie Charlotte "schiefer Fritz" genannten Monarchen an Persönlichkeit und Würde fehlte, das machte er durch barocken Prunk, Pomp und Zeremoniell wett. Friedrich II. hielt nicht viel von seinem Großvater, dabei war er es doch, der 1688 die Regierung in Brandenburg als Kurfürst Friedrich III. antrat und 1701 aus der "märkischen Streusandbüchse" mit Billigung von Kaiser Leopold I. ein Königreich machte. "Friedrich I. war klein und ungestaltet, seine Gesichtsbildung gemein und seine Mienen dabei auch stolz, seine Seele glich einem Spiegel, der alles, was vor ihm ist, auffasst, sie gab sich jedem Eindruck hin. Wer einmal eine gewisse Gewalt über ihn gewonnen hatte, konnte seinem Geist, der aus Eigensinn heftig und aus Sorglosigkeit sanft war, entflammen oder dämpfen. Er verwechselte Eitelkeit mit wahrer Größe und hing mehr am Glanze, der blendend, als an dem Nützlichen, das nur dauerhaft ist. Um sich die Königswürde zu verschaffen, opferte er in den verschiedenen Kriegen des Kaisers und seiner Bundesgenossen dreißigtausend Mann auf, und doch strebte er in keiner andern Absicht so eifrig nach ihr, als um seine Lust am Zeremoniell befriedigen und durch einen scheinbaren Vorwand die Verschwendungen seiner Prunksucht rechtfertigen zu können."

Dieses Verdikt in seinen "Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg" bestimmt bis heute das Bild vom prachtliebenden Friedrich I., der ein Fest nach dem anderen veranstaltete und die Geschicke seines Landes skrupellosen Günstlingen überließ, die Preußen in große Schulden stürzten. Mit seiner Liebe zu Prunk und Protz war dieser Herrscher nicht allein. Sein Zeitgenosse und Nachbar, Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen, der zugleich König August II. von Polen war und uns besser als August der Starke bekannt ist, trumpfte mit seinem Luxusleben, den Schlossbauten sowie Juwelen- und Kunstsammlungen noch stärker auf. Er konnte sich das allerdings dank der ungeheuren wirtschaftlichen Ressourcen durch den erzgebirgischen Silberbergbau leisten und anders als sein brandenburgisch-preußischer Nachbar aus dem Vollen schöpfen.

Vater des Vaterlandes, fromm und erhaben

Die Außenfassade des Humboldt-Forums und der Schlüterhof erhielten in den vergangenen Jahren ihren barocken Bildhauerschmuck zurück. Bildhauer haben die überlebensgroßen Figuren antiker Götter und Göttinnen, die Wappenschilder mit Krone und Adler sowie die Monogramme FR für Fridericus Rex (I.) nach historischen Vorlagen neu geschaffen. An wenigen Stellen kontrastieren zum hellen Sandstein einige 1950 aus den Trümmern des gesprengten Schlosses gerettete, an dunkler Tönung erkennbare Originalskulpturen. Unübersehbar sind die wiederhergestellten Prunkinschriften in vergoldeten Lettern, die Friedrich I. überschwänglich als Vater des Vaterlandes, Verteidiger des Glaubens und Bezwinger seiner Feinde, aber auch als Förderer der Künste und Wissenschaften und als Landesvater feiern, dem das Wohl seiner Untertanen über alles geht. Wegen der internationalen Verständlichkeit hat man vor über 300 Jahren die Inschriften in lateinischer Sprache abgefasst. Ähnlich verfuhr man bei Münzen und Medaillen, die erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts die jeweilige Landesssprache verwenden.

Zahlreiche Berliner Bauinschriften aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert stehen in dieser Tradition. Die längsten Texte schmücken das Stadtschloss, das als Humboldt Forum seine Wiedergeburt erlebt hat und die außereuropäischen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie Sammlungen der Humboldt-Universität aufnimmt. Wie solche Inschriften ausgesehen haben und was sie verkündeten, kann man am Portal des als Deutsches Historisches Museum genutzten Zeughauses Unter den Linden sehen, wo über dem vergoldeten Brustbild Friedrichs I. eine achtzeilige lateinische Inschrift prangt, die in deutscher Übersetzung verkündet: "Für die Gerechtigkeit durch Waffen, für die Abschreckung der Feinde, für den Schutz der eigenen Völker und der Verbündeten hat Friedrich I., König in Preußen, Vater des Vaterlandes, fromm, erhaben, unbesiegt, dieses Zeughaus, das mit aller Art Kriegsgerät sowie mit Kriegsbeute und Trophäen angefüllt ist, vom Fundament her erbauen lassen 1706".

Schlag nach bei Albert Geyer

Zwar gingen die Inschriften beim Abriss des Berliner Stadtschlosses 1950/51 verloren. Da aber ihr Wortlaut überliefert ist, war es den Restauratoren möglich, sie wieder an der Fassade es wieder aufgebauten Humboldt-Forums anzubringen. In dem 1936 veröffentlichten und 1993 als Reprint neu aufgelegten Buch von Albert Geyer "Geschichte des Schlosses zu Berlin (1443-1918), Bd. 1: Die kurfürstliche Zeit bis zum Jahre 1698, Berlin 1936. Bd. 2: Vom Königsschloss zum Schloss des Kaisers" sind die lateinischen Inschriften in deutscher Übersetzung abgedruckt. Eine dieser aus vergoldeten Bronzelettern bestehenden Bauinschrift lautet REGIAE. QVAM. PR. O. M. FRIDERICUS. EL. ERIGI AC. SVBST. IVSS. NOV. FACIEM. IDEM. BORVS S. REX. DEO. AVSP. CORONAT. PERFECTAM. INVENIT. In der Übersetzung lautet die Widmung: "Die neue Erscheinung des Schlosses, das der treffliche große Herrscher Friedrich als Kurfürst zu erbauen und zu gründen befahl, fand derselbe zum König in Preußen mit Gottes Gnade gekrönt, vollendet." Die Inschrift am Portal I lautet übersetzt: "Friedrich, König in Preußen, Kurfürst von Brandenburg, der fromme Vater des Vaterlandes, erbaute nach Wiederherstellung der alten Herrschaft der Preußen das Königsschloss und erweiterte es, der Würde seiner Herrschaft gemäß, als der erhabene Erzeuger der edlen Künste und zum bleibenden Schmuck für seine Stadt und sein Jahrhundert."

Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der Sohn und Nachfolger des Bauherrn Friedrich I., ließ nur noch kleine Restarbeiten zu und verwandte das eingesparte Geld für den Ausbau seiner Armee, die ihm näher lag als höfischer Prunk und Protz. So musste der Sitz der Hohenzollern eineinhalb Jahrhunderte ohne die Kuppel auskommen, die erst unter Friedrich Wilhelm IV. gebaut und mit einer frommen Inschrift in deutscher Sprache versehen wurde. Die um die mächtige Kuppel über dem Portal III laufenden goldenen Buchstaben auf preußisch-blauem Grund lauten so: ES IST IN KEINEM ANDEREN HEIL, ES IST AUCH KEIN ANDERER NAME DEN MENSCHEN GEGEBEN; DENN DER NAME JESU; ZU EHREN DES VATERS, DASS IM NAMEN JESU SICH BEUGEN SOLLEN ALLER DERER KNIE, DIE IM HIMMEL UND AUF ERDEN UND UNTER DER ERDE SIND. Die Umschrift ist aus zwei Stellen in der Lutherbibel zusammengezogen. In der Ausgabe von 2017 heißt es in der Apostelgeschichte 4,12: "Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden". Bei Philipper 2,9 und 10 ist zu lesen: "Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, 10 dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."

Debatten um das vergoldete Kuppelkreuz

Friedrich Wilhelm IV. hatte die mächtige Kuppel und die darunter befindliche Schlosskapelle nur kurze Zeit nach seinem Sieg über die Revolution von 1848/9 erbauen lassen. Diese sowie das riesige vergoldete Kreuz auf der Spitze der von Engeln getragenen Laterne und der Bibelspruch waren eine Mahnung an alle, die sich dem von ihm, dem König von Preußen, angemaßten Gottesgnadentum nicht unterwerfen wollen, mit anderen Worten die nicht vor Gott und dem Monarchen zu Kreuze kriechen wollen. Gegen die Montage des tonnenschweren Kuppelkreuzes wenden Kritiker ein, dass das neue Kunst- und Kulturzentrum mit der Fassade des ehemaligen Hohenzollernschlosses nicht von einem christlichen Symbol bekrönt werden sollte. Das aber kam für die Stiftung Humboldt Forum und den Denkmalschutz nicht infrage. Inzwischen ist die Aufregung rund um das Kuppelkreuz verflogen, die Menschen haben andere Sorgen und warten sehnlich, dass es seine Pforten öffnet und Besucher in die Höfe und Ausstellungsräume einlässt. Schon jetzt kann man unter der Internetadresse www.humboldtforum.org einen virtuellen Rundgang durch den neuen Kultur- und Museumsstandort unternehmen. Das Berliner Stadtschloss hätte bei gutem Willen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut werden können, genug Substanz war vor der brutalen Sprengung 1950/51 vorhanden. Wiederhergestellt wurde der barocke Außenbau mit seinem Kronen- und Adlerschmuck, mit den Engeln und Inschriften.

16. Februar 2021

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