Ehrenhain für preußische Militärs
Auf dem Berliner Invalidenfriedhof sind Spuren vom Grenzregime der DDR nicht verwischt



Der Invalidenfriedhof an der Scharnhorststraße ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Man lernt hier nicht nur einiges über preußische Geschichte, sondern auch über den Umgang der DDR mit dem kulturellen Erbe.



Die Demolierung des Friedhofs durch das Grenzregime haben das von einem Löwen bewachte Grabmal des auch in der DDR verehrten Generals der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 und preußischen Militärreformers Gerhard David von Scharnhorst (im Bild hinten rechts) und weitere wertvolle Erinnerungsstätten.



Wiederhergestellt wurden Grabdenkmäler in der Nähe des Eingangs. Rechts sind im Hintergrund Grabplatten aus dem 18. Jahrhundert zu sehen, die vor einigen Jahren gefunden und neu ausgelegt wurden.



Figürlich gestaltete Grabmäler zu Ehren von Befehlshaber der preußischen Armee zeigen, welche Spitzenleistungen es die Berliner Sepulkralkunst vor langer Zeit hervor gebracht hat. Der Heilige Georg bekämpft auf dem Grab des Generals Schwarzhoff einen gräulichen Drachen. Unbekannte haben ihm einen Arm und die Lanze geraubt.



Bild- und Schrifttafeln schildern einen ersten Fluchtversuch über die Spree am 23. Mai 1962 mit tödlichem Ausgang. Die DDR-Propaganda schlachtete den Tod des Grenzsoldaten Peter Göring aus, um gegen den Westenn zu hetzen und den Bau der Berliner und innerdeutschen Mauer am 13. August 1961 zu rechtfertigen. Im Reich des Walter Ulbricht wurde sie offiziell "Antifaschistischer Schutzwall" genannt.



Bereits in den fünfziger Jahren waren Grabsteine und Kreuze sowie gusseiserne Einfriedungen tonnenweise abgetragen worden. Die "Bereinigung" wurde nach dem Bau der Berliner Mauer forciert. Teile der Betonwand blieben als Zeugnis deutscher Teilung erhalten. In einem Glockenturm aufgehängt ist ein Geläut von der früheren, 1895 eingeweihten Gnadenkirche.



Die Einweihung des Invalidenhauses war 1748 König Friedrich II. die Prägung von zwei Medaillen der Stempelschneider Ludwig Heinrich Barbiez und Andreas Vestner (dieses Foto) wert. (Fotos/Repro: Caspar)

Berlin ist arm, was seine Kassenlage betrifft, aber reich an historischem Erbe, und das ist jede Mühe um seinen Erhalt wert. Was investiert wurde und was noch kommt, ist gut angelegtes Geld, heißt es im Landesdenkmalamt und der Landesregierung. Wo Mittel des Staates fehlen, seien die Bürger gefragt. Schon für einen vergleichsweise geringen Betrag können sie Patenschaften für historische Grabanlagen übernehmen, und wo es sich einrichten lässt, ist es auch möglich, dass man sich und seine Familie in einem restaurierten Mausoleum bestatten lässt. Das jedoch ist auf dem Invalidenfriedhof an der Scharnhorststraße in Berlin-Mitte nicht möglich. Hier erinnert vieles daran, wie der Friedhof in DDR-Zeiten behandelt, genauer gesagt wie er misshandelt wurde.

Direkt an der Spree gelegen, wurden auf dem Invalidenfriedhof nach dem Mauerbau am 13. August 1961 zahlreiche Gräber eingeebnet und abgeräumt, um den Grenzsoldaten in dem auf ruppige Art entweihten Ehrenhain "Schussfreiheit" zu geben, denn es gab immer wieder Versuche von Flüchtlingen, durch die in der Nähe fließende Spree auf die westliche Seite zu schwimmen. Ähnlich war es an der Bernauer Straße, wo der halbe Sophienfriedhof abgeräumt und für Besucher unzugänglich gemacht wurde.

Fluchtversuche mit tödlichem Ausgang

An die Fluchtversuche oft mit tödlichem Ausgang auf dem zur Schnittstelle zwischen Ost und West gewordenen Invalidenfriedhof erinnern Schautafeln vor einem Stück der erhalten gebliebenen Hinterlandmauer. An ein weiteren Segment am Spreeufer erinnern schwarze Tafeln in weißer Schrift, dass hier Gefallene des Kriegs von 1866 sowie Opfer der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg, aber auch an tausende Unbekannte, die in der Umgebung des Friedhofs gelebt und gearbeitet haben und bestattet wurden. Wer sich auf ihm umschaut, wird überall mit Sand und Rasen bedeckte Freiflächen sehen, die noch aus DDR-Zeiten stammen, als zahlreiche Gräber und Grabmäler abgeräumt wurden. Ein breiter Asphaltstreifen quer über dem Friedhof stammt aus der Zeit, als Grenzsoldaten hier patrouillierten und nach fluchtwilligen Menschen Ausschau hielten. So können Besucher über 30 Jahre nach dem Ende der DDR und ihrer Mauer mit viel Phantasie nachvollziehen, was sich an diesem schwer abgesicherten, für normale DDR-Bewohner unzulänglichen Ort abgespielt hat.

Eine Bild-Text-Tafel am Eingang berichtet aus der Geschichte des Friedhofs und macht auf besonders wertvolle Grabmäler aufmerksam. Auf einer anderen Tafel wird erklärt, dass die hier ausgestellten Fragmente von Grabsteinen und Gittern bei Restaurierungsmaßnahmen zwischen 1992 und 2000 gefunden wurden. Da sie heute nicht mehr den ursprünglichen Grabstätten zugeordnet werden können, werden sie im Lapidarium des Friedhofs aufbewahrt. Wer den Begräbnisplatz nicht weit vom Bundeswirtschaftsministerium Scharnhorststraße 34-37, vom Bundesverkehrsministerium Invalidenstraße 44 sowie vom Bundeswehrkrankenhauses Scharnhorststraße 15 besucht und ihn mit dem durch Fotos dokumentierten Zustand vor und nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 vergleicht, wird sich freuen, wie gut der alte Gottesacker von der Denkmalpflege und um das kulturelle Erbe bemühte Bürger instand gesetzt wurde.

Umgestürzt und wieder aufgerichtet

Dass auf dem Friedhof einige auch von der DDR-Geschichtsschreibung als "progressiv" eingestufte Persönlichkeiten liegen, bewahrte ihn vor der kompletten Liquidierung. In den späten achtziger Jahren hatte das Institut für Denkmalpflege der DDR erste Bestandserhaltungsmaßnahmen begonnen. 1991 erhielt das wohl wichtigste Monument, das von Schinkel entworfene und von den Bildhauern Tieck und Rauch ausgeführte Grabmal für den General der Befreiungskriege und preußischen Militärreformer Gerhard von Scharnhorst, ein Glasdach, das inzwischen wieder abgebaut ist. Um das umlaufende Sockelrelief des Hochsarkophags, das aus dem Leben des 1813 bei Prag gefallenen Kriegshelden erzählt, vor den Unbilden der Witterung zu schützen, wurde ein Abguss angefertigt. Das Original kam ins Depot. Neben dem Scharnhorstgrab mit dem schlafenden Löwen obenauf steht ein weiterer Schinkel-Entwurf, das Denkmal aus Eisenkunstguss für den Kriegsminister Job von Witzleben, das einen grünen Schutzanstrich bekam. Viele erhalten gebliebene Steine wurden aufgerichtet. Sechs bei Ausgrabungen unvermutet entdeckte barocke Marmorsarkophage wurden restauriert, Grabsteine unbekannter Herkunft kamen in ein Lapidarium auf dem Friedhofsgelände. Zahlreiche zwischen 1961 und 1989 von Grenzern umgestürzte Grabmäler und Steine wurden aufgerichtet und restauriert.

An verschiedenen Stellen sieht man, dass Reliefs und Skulpturenteile aus Bronze von Unbekannten geraubt wurden. Man hat die Fehlstellen nicht ersetzt, so kommt die wechselvolle Geschichte des unter Friedrich II., dem Großen, angelegten Gottesackers klar zum Ausdruck. Bäume säumen jetzt wieder die Friedhofsalleen, Efeu rankt sich auf den Hügeln. Der 1992 gegründete "Förderverein Invalidenfriedhof" hat mit Unterstützung des Bundes und des Landes sowie mit Lottomitteln und privaten Spenden den Ort stillen Gedenkens in einen würdigen Zustand versetzt. Was hier geleistet wurde, ist Teil der Mühen des Landes Berlin um herausragende Begräbnisplätze vom Garnisonsfriedhof über den Dorotheenstädtischen Friedhof bis zum Jüdischen Friedhof in Weißensee, um einige herausragende Beispiele zu nennen.

König gründete das Invalidenhaus

Am 15. November 1748 bestimmte König Friedrich II. in einer Instruktion über das neu eingerichtete Invalidenhaus damals noch vor den Toren seiner Haupt- und Residenzstadt Berlin: "Der Begräbnisplatz wird angewiesen werden". Das war die Geburtsstunde eines der bedeutendsten Friedhöfe in Deutschland. Rund30 000 Bestattungen hat es hier gegeben, viele bedeutende Militärs, Politiker und Gelehrte, aber auch zahllose Personen, die kein Geschichtsbuch nennt, fanden auf dem Invalidenfriedhof ihre letzte Ruhe. Kommandanten des benachbarten Invalidenhauses, das heute Teil des Bundeswirtschaftsministeriums ist, wurden auf dem 2,54 Hektar großen Areal begraben, dazu Feldmarschälle, Generale und Kriegsminister, aber auch Offiziere und Soldaten sowie zahllose Zivilisten, die kein Geschichtsbuch nennt. Hier wurden aber auch Nazigrößen bestattet, die sich wie der von tschechischen Widerstandskämpfern 1942 in Prag bei einem Attentat getötete Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und Planer des Holocausts, Reinhard Heydrich, schwerster Verbrechen schuldig gemacht haben. Seine und einige andere Grabstätten von Naziverbrechern wurden nach dem Zweiten Weltkrieg eingeebnet und sind nicht mehr auffindbar. Der Bau einer "Soldatenhalle" auf dem Gelände des Invalidenfriedhofs, in der nicht nur Heydrichs Gebeine, sondern auch die anderer Nazigrößen und Militärführer bestattet werden sollten, kam wegen des Kriegsverlaufs nicht mehr zustande.

Glocke mit langem Nachhall Der 1992 gegründete "Förderverein Invalidenfriedhof" versetzte mit Unterstützung des Bundes und des Landes Berlin sowie mit Lottomitteln und privaten Spenden den Gottesacker in einen würdigen Zustand. Zahlreiche von Grenzsoldaten umgestürzte Steine wurden in den vergangenen 30 Jahren restauriert, Bäume säumen wieder die Alleen, Efeu rankt sich auf den Hügeln. Die Arbeiten sind Teil der Mühen des Landes Berlin um herausragende Begräbnisplätze vom Garnisonsfriedhof über den Dorotheenstädtischen Friedhof bis zum Jüdischen Friedhof in Weißensee und zum Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee.

Auf einer Gedenktafel wird die Geschichte der Gnadenkirche, die man wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinde des Invalidenhauses und ihrer Nutzung bei Trauerfeiern auch Invalidenkirche genannt hat, berichtet. Bei der Sprengung der Kriegsruine Jahre 1967 blieb einzig die mittlere, von Kaiserin Augusta gespendete Glocke erhalten. Sie sollte eingeschmolzen werden und kam auf einen Schrottplatz in Berlin-Weißensee. Dort entdeckte sie Pfarrer Merkel von der Kirchgemeinde in Malchow, der sie auf eigene Kosten erwarb und auf seinem Grundstück aufstellte. Als er 1979 nach Stadtilm in Thüringen versetzt wurde, nahm er sie dorthin mit. Am Jahreswechsel 1989/1990 kaufte die Gemeinde Wattenscheid-Leithe die nach der Kaiserin Augusta, der Gemahlin Wilhelms I., genannte Glocke ihm ab, ließ sie restaurieren und stellte sie wieder in den Dienst. Im Februar 2011 sandte die Kirchengemeinde Leithe die Glocke nach Berlin zurück, wo man sie auf den Invalidenfriedhof brachte. Nach dem Bau eines Glockenturms konnte die Glocke am 28. Juni 2013 wieder erklingen. Eine Bild-Text-Tafel neben dem Glockenturm berichtet, dass das Geläut 1894 in der Fabrik des Bochumer Vereins für Bergbau und Gussstahlfabrikation hergestellt wurde. Das besondere Gussverfahren habe der Kaiserin-Augusta-Glocke eine ungewöhnliche Klangfülle und einen Nachklang von 50 Sekunden verliehen. Da sie künstlerisch und klanglich besonders gut gelungen war, wurde sie 1893 als Zeugnis vollendeter Gießerkunst auf der Weltausstellung in Chicago gezeigt.

Zwischen Mars und Musen

Der Berliner Historiker Laurenz Demps hat 1998 zur Zweihundertfünfzigjahrfeier des Invalidenfriedhofs ein Verzeichnis der Grabstätten herausgebracht, die heute noch vorhanden sind. Der Verfasser gab seinem Wegweiser über einen der bedeutendsten Bestattungsplätze der Stadt den Titel "Zwischen Mars und Minerva" und spielt damit auf den besonderen Charakter der Ruhestätte von Militärpersonen, Politikern und von Gelehrten, aber auch von einfachen Leuten an. Das Buch schildert die wechselvolle Geschichte Friedhofs und zeigt mit historischen Aufnahmen, wie er vor dem Zweiten Weltkrieg ausgesehen hat und wie er in "Mauerzeiten" verschandelt wurde. Demps geht mit seinem Grabstättenverzeichnis, dem ersten Inventar seit 1940, den Biographien der hier Bestatteten nach und beschreibt herausragende Grabdenkmäler. Für diejenigen, die historische Friedhöfe besuchen, ist der, wie es im Untertitel heißt, "Wegweiser über den Invalidenfriedhof. Ein Verzeichnis der auf dem Invalidenfriedhof zu Berlin noch vorhandenen Grabdenkmale" aus dem Verlag für Bauwesen Berlin 1998 (184 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 29,80 DM) mit vielen neuen Erkenntnissen aufgrund intensiven Aktenstudiums eine Fundgrube und die richtige Argumentationshilfe, wenn es um die Frage geht, Sanierungsarbeiten aus öffentlichen und privaten Mitteln bei solchen Hinterlassenschaften der Geschichte und Kultur weiter zu unterstützen.

28. April 2021 Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"