Perle mittelalterlicher Baukunst
Auch als Ruine ist die als Ausstellungshalle genutzte Klosterkirche nahe dem Berliner Alexanderplatz einen Besuch wert



Eine Zeichnung von Johann Stridbeck aus dem Jahr 1690 im Besitz der Staatsbibliothek Berlin Preußischer Kulturbesitz zeigt die Klosterkirche, die Klosterschule und benachbarte Gebäude. Bis ins 20. Jahrhundert hinein hat man kleinen alten durch neue und größere Gebäude ersetzt.



Die Mauern der Klosterkirche wurden vorv einigen Jahren gesichert, niemand muss herab fallende Steine fürchten. Eine Überdachung der gesicherten Ruine und damit auch eine Nutzung in der kalten Jahreszeit sind nicht geplant. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Neue Wohn- und Geschäftshäuser sollen dem Viertel unweit des Alexanderplatzes neues Leben einhauchen.



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Die ehemalige Klosterkirche eignet sich innen und außen als Stätte von Konzerten unter freiem Himmel und Ausstellungshalle. Die Mutter mit dem Kind ist ein Werk von Theo Balden aus dem Jahr 1965, rechts der "Auferstehende" von Fritz Cremer aus dem Jahr 1982/3



Im Außenbereich steht eine den Lebenden gewidmete Pieta von Jürgen Pansow aus dem Jahr 1978.



Das Amtsgericht Berlin-Mitte in der Littenstraße wurde zwischen 1896 und1904 für die damals bedeutende Summe von 1,6 Millionen Mark nach Entwürfen von Paul Thoemer, Rudolf Mönnich und Otto Schmalz in reinstem Jugendstil gebaut. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde das Gebäude als Oberstes Gericht der DDR sowie Stadtbezirksgericht Mitte in vereinfachter Form wieder rekonstruiert und saniert.



An der Außenfassade des Amtsgerichts Berlin-Mitte erinnert diese Tafel an den von den Nazis ermordeten Rechtsanwalt Hans Litten.



Das imposante, für Justizpaläste der Kaiserzeit charakteristische Treppenhaus im reinsten Jugendstil ist in den vergangenen Jahren aufwändig nach alten Plänen und Farbproben restauriert worden. (Fotos: Caspar)

Die im 13. und 14. Jahrhundert erbaute und danach immer wieder erweiterte Klosterkirche an der Klosterstraße gehört, obwohl nur als Ruine aus dem Zweiten Weltkrieg erhalten, zu den Perlen der mittelalterlichen Baukunst in Berlin. Mit dem in DDR-Zeiten als Haus der Jungen Talente und heute als Kulturzentrum genutzten Podewilsschen Palais, genannt Podewil, der Parochialkirche aus der Barockzeit und dem vom Magistrat genutzten Alten Stadthaus aus der Zeit um 1900 sowie weiteren historischen Bauten einschließlich der in der Waisenstraße erhaltenen Reste der Stadtmauer bildet die selbst noch als Torso eindrucksvolle Ruine der Klosterkirche ein sehenswertes Ensemble.

Die in den vergangenen Jahren vom Landesdenkmalamt sanierte Klosterkirchen-Ruine hat als Kulturstandort und Freilichtmuseum einen guten Namen. Möglich wurde dies durch eine aufwändige Sicherung des nach oben offenen Mauerwerks, außerdem wurden der desolate Fußboden neu verlegt und die Rippen in den Fensterhöhlen stabilisiert. Eine Überdachung der Klosterkirche, die ihre Nutzung auch in der feuchten und kalten Jahreszeit ermöglichen würde, ist nicht geplant. Das wäre viel zu teuer und widerspräche auch dem Charakter der Ruine als Mahnmal gegen den Krieg. Genutzt wird die Klosterkirche in der trockenen und warmen Jahreszeit als Schaustelle Berliner Künstler, vor allem der Bildhauer, die im Kirchenschiff ihre Werke ausstellen, aber auch für Gottesdienste und Konzerte.

Brandenburgisch-preußische Kaderschmiede

Nach der Einführung der Reformation durch Kurfürst Joachim II. von Brandenburg (1539) wurden alle Klöster aufgehoben. Im Grauen Kloster behielten die grau gekleideten Franziskanermönche lebenslanges Wohnrecht. Kurfürst Johann Georg gründete 1574 durch Zusammenlegung zweier Lateinschulen ein Gymnasium, dem er das ehemalige Kloster samt Kirche zuwies. Mit der Zeit entwickelte sich das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster, so der offizielle Name, zur wichtigsten Kaderschmiede und Lehranstalt der brandenburgisch-preußischen Hauptstadt, die ja erst 1810 eine eigene Universität erhielt, die heutige Humboldt-Universität. Hier erhielten künftige Beamte, Geistliche, Militärs und andere Personen das Rüstzeug, um an den Universitäten in Frankfurt an der Oder, Königsberg, Wittenberg, Leipzig und anderswo studieren zu können.

Die Hohenzollern förderten die Lehranstalt mit Geldzuwendungen, wohlhabende Lehrer und Schüler stifteten Bücher, Manuskripte, Gemälde und Bargeld. In der Berliner Landesbibliothek ist der Nachlass des als Kaufmann in Venedig erfolgreichen Absolventen Sigismund Streit erhalten. Die Berliner Gemäldegalerie betreut die dem Grauen Kloster vermachten Bilder des 1775 verstorbenen Sammlers und Mäzens. Grabsteine, Gemälde und andere Ausstattungsstücke der Klosterkirche sind im Märkischen Museum und in der Marienkirche erhalten. Zu den bekanntesten Schülern des Grauen Klosters gehören der Bildhauer Johann Gottfried Schadow, der Architekt Karl Friedrich Schinkel, Friedrich Ludwig Jahn, der als Turnvater im Grauen Kloster den Sportunterricht einführte, der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck und der Chef der AEG Emil Rathenau.

Gymnasium wurde 2. Erweiterte Oberschule

Im Zweiten Weltkrieg zerstört, war das Gymnasium zum Grauen Kloster an verschiedenen Orten im Ostteil Berlins tätig, musste aber 1958 aus ideologischen Gründen seinen Namen ablegen und hieß nur noch 2. Erweiterte Oberschule. Um die Erinnerung an die berühmte Bildungsstätte zu bewahren und ihre Tradition fortzuführen, gründete die Evangelische Kirche 1963 im damaligen Westberlin das Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster, das sich einen hervorragenden Ruf erwarb. Ob es jemals neben der Ruine des Franziskanerklosters neu erbaut wird, steht in den Sternen. Hingegen nehmen Pläne des Senats langsam Gestalt an, das Areal durch eine kleinteilige Neubebauung mit Wohnungen, Gastronomie und Gewerbe aufzuwerten und an den quirligen Alexanderplatz anzubinden. Angesichts der prekären Haushaltslage des Landes Berlin und des anderweitigen Engagements von privaten Investoren ist die Realisierung entsprechender Pläne schwierig.

Die oben offene Ruine der Klosterkirche zeigt sich nach jahrelangen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten als eindrucksvoller Torso und kann ohne Gefahr betreten werden. Die Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung S.T.E.R.N. und die von ihr beauftragten Architekten, Bauleute und Restauratoren hatten dem herausragenden Zeugnis der Architektur-, Kirchen- und Kulturgeschichte neues Leben eingehaucht. Die Restaurierungsarbeiten an und in der zum früheren Gymnasium zum Grauen Kloster gehörenden Kirche sind so gut gelungen, dass man sie erst auf den zweiten Blick erkennen kann. Lockere Steine wurden vermauert, Risse geschlossen, das ganze Bauwerk statisch gesichert, die Mauerkrone gegen eindringendes Wasser abgedichtet und Grabsteine restauriert. Außerdem wurde ein behindertengerechter Zugang angelegt. Bevor der Fußboden erneuert wurde, gingen Archäologen in die Tiefe und stießen auf stadtgeschichtlich interessante Hinterlassenschaften.

Ein großer Teil der in die Sanierung der Klosterkirche investierten Summe von 1,365 Millionen Euro wurde privat aufgebracht. Mit 306 000 Euro war die Cornelsen Kulturstiftung Berlin dabei, die seit Jahren Denkmalpflegeprojekte in Berlin und dem Land Brandenburg unterstützt. Für Verlegerin Ruth Cornelsen war es keine Frage, den Verfall der Klosterkirchen-Ruine aufzuhalten, für die sie ein besonderes Faible entwickelt hat. "Mein Anliegen ist es, durch Stiftungen weitere Stiftungen anzuregen, denn Eigentum verpflichtet", sagte sie 2009 in der Festveranstaltung und versprach, Berlin und Brandenburg weiter hilfreich mit dieser Art "Daseinsvorsorge" zur Seite zu stehen.

Gerichtspalast aus der Kaiserzeit

Unübersehbar erhebt sich hinter der Ruine der Klosterkirche an der Littenstraße ein Gerichtspalast aus der Kaiserzeit. In den vergangenen Jahren innen und außen saniert und restauriert, ist er ein bemerkenswertes Zeugnis für die imposante Art und Weise, wie man in der Kaiserzeit allen Personen, die mit der Justiz zu tun hatten, sei es als Angeklagte, sei es als Betroffene oder Zeugen sowie als Richter und Verteidiger, durch aufwändig gestaltete Treppenhäuser und Gerichtsräume zu imponieren, ja zu ängstigen. Der monumentale, in den Formen des vor hundert Jahren beliebten Neobarock errichtete Bau wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und in vereinfachter Form wiederhergestellt. In den vergangenen Jahren hat man große Sorgfalt auf die Rückgewinnung des dem Jugendstil verpflichteten Dekors innen und außen gelegt. Durch Stahlkonstruktionen angedeutet sind schon die beiden Türme über dem Haupteingang. Benannt ist die Littenstraße nach dem Rechtsanwalt und Strafverteidiger Hans Litten, der sich als Gegner des NS-Regimes und Anwalt kleiner Leute diesem verhasst machte. Eine Tafel am Eingang des Gerichtsgebäudes ehrt den "unerschrockenen Kämpfer für Menschlichkeit und Frieden (sowie) Anwalt und Verteidiger der Unterdrückten", der unmittelbar nach dem Reichstagsbrand verhaftet und 1938 im KZ Dachau ermordet wurde. Im Gericht erinnert eine Büste an Hans Litten, außerdem ist ein Juristenpreis nach ihm benannt. Beim Anblick oder dem Besuch des Stadtgerichts sollte nicht vergessen werden, dass hier auch in DDR-Zeiten großes Unrecht geschehen ist und in politischen Prozessen harte Zuchthausstrafen gegen Gegner des Ulbricht- und Honecker-Systems ausgesprochen wurden, in den frühen DDR-Jahren auch Todesurteile.

4. Juni 2021

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