Frischekur für den Gendarmenmarkt
Berlins schönster Platz wird erneuert, behält aber die Fassung aus DDR-Zeiten



Der Gendarmenmarkt übt auf Besucher seit eh und je eine große Anziehungskraft aus, vergleichbar etwa mit dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor, der Berlins gute Stube genannt wird. Das Modell zeigt die Fassung vor dem Zweiten Weltkrieg.



Ein Vergleich zwischen der Postkarte aus der Kaiserzeit und der heutigen Situation ergibt wenige Unterschiede, es zeigt sich aber, dass der alte Gendarmenmarkt bedeutend mehr mit Blumenrabatten begrünt war.





Unter Friedrich dem Großen wurden zwischen 1780 bis 1785 riesige Kuppeltürme mit vergoldeten Figuren obenauf der Französischen (oben) und der Deutschen Kirche angefügt, was den Raum sichtbar aufgewertete und ihm Würde und Maß gab. Beide fälschlicherweise auch Dome genannten Gotteshäuser sind ähnlich gebaut und erlebten nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg in den 1980er Jahre ihre Wiedergeburt.



Vom Schillerdenkmal auf dem Gendarmenmarkts gibt es eine Bronzefassung im Volkspark Rehberge. Bei der Wiederherstellung des schwer lädierten Originals aus Marmor spielte die Nachbildung eine wichtige Rolle.



Rund um den Gendarmenmarkt wird an den Dichter und Juristen Ernst Theodor Amadeus (E. T. A.)Hoffmann erinnert, der wundersame Beschreibungen des Leben hier am Platz und vom Brand des alten Schauspielhauses 1817 hinterlassen hat.



E. T. A. Hoffmann hat den Brand des Deutschen Theaters am Gendarmenmarkt im Sommer 1817 erlebt, aber auch gesehen und auf der Karikatur festgehalten, wer dort ein und aus geht. Links soll der dicke Mann den Kapellmeister Carl Maria von Weber darstellen, dessen "Freischütz" frenetisch gefeiert wurde, rechts erteilt Theaterintendant Karl Graf von Brühl Untergebenen seine Befehle.





Das Modell des alten Reichstagsgebäudes mit der Siegessäule davor und im Hintergrund ein Modell der von Hitler und seinem Architekten Speer geplanten Großen Halle in der "Welthauptstadt Germania" sowie Fotos vom kriegszerstörten Deutschen Dom sowie Baupläne und andere Dokumente kann man in der obersten Ausstellungsebene betrachte, wenn hoffentlich bald die Schließung des Deutschen Doms wegen der Corona-Pandemie aufgehoben sein wird. Hier der Deutsche Dom als Baustelle in den 1980er Jahren. (Fotos/Repros: Caspar)

Der Berliner Gendarmenmarkt gilt als der schönste Platz von Berlin, und er ist einer mit vielen Namen dazu. Weil man nicht an ein preußisches Garderegiment erinnern wollte, hieß in DDR-Zeiten der Raum zwischen dem Deutschen und dem Französischen Dom wegen der in der Nähe befindlichen Akademie der Wissenschaften Platz der Akademie. Nach der Wiedervereinigung 1990 erhielt er seinen alten Namen Gendarmenmarkt nach dem Regiment Gens d'armes zurück, das vor langer Zeit hier als königliche Leibwache stationiert war. Auf Karten des 17. und 18. Jahrhunderts findet man kaum noch bekannte Bezeichnungen wie Lindenmarkt, Mittelmarkt und Neuer Markt. Nachdem 1871 das von Reinhold Begas geschaffene Schillerdenkmal vor Karl Friedrich Schinkels Schauspielhaus, dem heutigen Konzerthaus, aufgestellt war, kam mit Schillerplatz als weiterer Name hinzu. Doch galt diese Bezeichnung nur für das unmittelbare Umfeld des Marmordenkmals und hat sich nicht durchgesetzt.

Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, wurden die Ruinen des Schauspielhauses sowie des Deutschen und des Französischen Doms in den achtziger Jahren denkmalgerecht wieder aufgebaut und der Platz der Akademie, wie er damals hieß, mit Blumen und Bäumen, Kandelabern und Sitzbänken ausstaffiert. Seine Funktion als Treffpunkt und Festplatz hat er bis heute behalten, doch fehlt das bunte Markttreiben wie vor über hundert Jahren, vom Weihnachtsmarkt abgesehen, der im vergangenen Jahr 2020 wegen der Corona-Pandemie ausfallen musste. Im Spätherbst ist beim nächtlichen "Festival of Lights" der farbenprächtig beleuchtete Platz bevölkert wie nie, doch auch zu jeder Jahreszeit strömen die Massen herbei, um das einzigartige Bauensemble zu bestaunen und es sich in den vielen Restaurants am Rande gut gehen zu lassen. Ab und zu finden hier Open-Air-Konzerte statt, und auch sie wird es nach der Zwangspause im vergangenen Jahr wieder geben und gut besucht sein, ebenso der Weihnachtsmarkt und andere Veranstaltungen.

Ausschreibungen haben begonnen

Im Jahr 2021 soll die schon lange versprochene Erneuerung des Gendarmenmarkts begonnen werden. Von tourismusnaher Umgestaltung ist die Rede, von besserer Ertüchtigung des Platzes für Großveranstaltungen aller Art. Wem es beim Besuch nicht aufgefallen sein sollte - die Maßnahmen sind längst überfällig. Da müssen wackelige Bodenplatten neu und sicher verlegt werden, hässliche Ausbesserungen mit schwarzem Asphalt werden verschwinden. Wasser- und Stromanschlüsse werden unterirdisch verlegt und sollen künftig besser und sicherer genutzt werden. Das hört sich nach "Fassaden- und Bodenkosmetik" an und ist es im Grunde auch, denn am generellen Design des Platzes aus DDR-Zeiten mit dem auf die umliegenden Gebäude abgestimmten Bodenrasters und den Mosaiken sowie den Eingrenzungen und Kadelabern wird nichts geändert. Als problematisch angesehen wird die beabsichtigte Entfernung von Toilettenhäuschen. Auf sie sollte bei den Umgestaltungsmaßnahmen nicht verzichtet werden. Aber vielleicht hilft man sich mit den blauen Dixi-Toiletten, die bei Konzerten etwa auf dem Bebelplatz gute Dienste tun? Die Arbeiten werden von der stadteigenen Berlin Grün GmbH koordiniert und ausgeführt. Gerade sind die Ausschreibungen herausgegangen.

In der Mitte des Gendarmenmarktes erhebt sich das 1818 bis 1821 auf den Fundamenten eines 1817 abgebrannten Vorgängerbaues nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel errichtete Schauspiel- und heutige Konzerthaus. Im Zweiten Weltkrieg wie die seitlichen Kirchen und viele andere Bauten in der Berliner Innenstadt bis auf die Umfassungsmauern zerstört, erlebte es in den späten DDR-Jahren seine Wiedergeburt. Die Außenarchitektur des Schinkelschen Theaterbaus wurde originalgetreu wiederhergestellt, das Innere ahmt Formen des Klassizismus nach. Der ursprünglich als Theater gestaltete Innenraum wurde zur Siebenhundertfünfzigjahrfeier Berlins 1987 für Musikaufführungen sowie repräsentative Festveranstaltungen um- und ausgebaut und verfügt an der Stirnseite über eine große Orgel. An den Seitenwänden sind Büsten großer Musiker aufgestellt, die farbenfreudigen Ausmalungen sind Kopien von Bildern aus dem 19. Jahrhundert oder freie Erfindungen im Stil des Klassizismus.

Franzosen kamen nach Berlin

Das Schillerdenkmal vor dem Schauspielhaus wurde Ende 1988 nach langer Odyssee wieder aufgestellt. Möglich wurde die Heimkehr an den alten Standort durch einen Kulturgüteraustausch zwischen West- und Ostberlin. Die Inschrift auf der Rückseite "Dem Dichterfürsten die Stadt Berlin MDCCCLXIX" bezieht sich auf die Fertigstellung der Skulptur durch Reinhold Begas im Jahre 1869, nicht aber auf die Enthüllung, die erst am 10. November 1871, dem 112. Geburtstag des Dichters, im Beisein von Kaiser Wilhelm I. erfolgte. Der deutsch-französische Krieg hatte die Aufstellung des Monuments verzögert. Neben dem Schauspielhaus erinnert ein von Carin Kreuzberg geschaffenes Denkmal an den Kammergerichtsrat, Schriftsteller und Musiker E. T. A. Hoffmann, der gleich hinter dem Gendarmenmarkt wohnte. Am Nachfolgerbau des Hoffmannschen Wohnhauses weist eine Bildnisplakette auf den Künstler hin. Die von ihm gern besuchte Weinhandlung Lutter & Wegener pflegt hier sein Andenken. Hoffmann hatte am Gendarmenmarkt mit seinen "Serapionsbrüdern" manche Nacht durchzecht, eine Tafelrunde, die den Hintergrund für eine gleichnamige Sammlung von Erzählungen bildete. Dass das Multitalent Hoffmann unter seiner eigentlichen Profession litt, am Berliner Kammergericht auch über preußische Zensur-Angelegenheiten zu urteilen, muss man sich hinzu denken.

Zwanzig Jahre nach dem Erlass des Edikts von Potsdam von 1685, mit dem der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg aus ihrem Heimatland Frankreich vertriebenen Hugenotten ins Land geholt hatte, erhielt die 6000 Mitglieder umfassende Französische Gemeinde zu Berlin eine eigene Kirche. Nach den strengen Regeln der Reformierten ohne Bilder und Skulpturen am Gendarmenmarkt errichtet, unterschied sie sich in ihrer Schlichtheit von anderen Bauwerken in der Umgebung und entsprach der Deutschen Kirche auf der anderen Seite des Platzes. Das in der Friedrichstadtkirche, auch Französischer Dom genannt, untergebrachte Hugenottenmuseum zeigt wertvolle Exponate aus der Geschichte der Französischen Gemeinde in Berlin und erinnert an bekannte Persönlichkeiten hugenottischer Herkunft, allen voran Theodor Fontane. Deutlich wird, was wir den Zugewanderten verdanken und wie deren Kultur und Know-how die Verhältnisse in Berlin, Brandenburg und Preußen bereichert haben.

Brennende Perücken flogen durch die Luft

Zwischen beiden Gotteshäusern stand ein Französisches Theater, das 1802 abbrannte und von Karl Gotthard Langhans, dem Erbauer des Brandenburger Tors, durch ein neues Nationaltheater ersetzt wurde. Dieser Bau brannte 1817 bei Proben zu Schillers "Räubern" ab. Karl Friedrich Schinkel errichtete auf Weisung König Friedrich Wilhelms III. von 1818 bis 1821 einen klassizistischen Neubau. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, erlebte das Schauspielhaus, oder wie man heute sagt, das Konzerthaus Berlin, bis 1984 seine Wiedergeburt. Wer eine hervorragende Akustik genießen und Büsten berühmter Musiker betrachten will, ist im Konzerthaus an der richtigen Adresse. Den verheerenden Brand des "Koffer" genannten Nationaltheaters am 29. Juli 1817 hat E. T. A. Hoffmann mit Bangen beobachtet. "Ich könnte Ihnen erzählen, dass ich bei dem Brande des Theaters, von dem ich nur 15 bis 20 Schritte entfernt wohne, in die augenscheinlichste Gefahr geriet, da das Dach meiner Wohnung bereits brannte, noch mehr! - dass der Kredit des Staates wankte, da, als die Perückenkammer in Flammen stand und fünftausend Perücken aufflogen, Unzelmanns (des Schauspielers, H. C.) Perücke aus dem Dorfbarbier mit einem langen Zopf wie ein bedrohliches feuriges Meteor über dem Bankgebäude (der Preußischen Seehandlung, H. C.) schwebte - doch das wird Ihnen alles der Zauberer mündlich erzählen und hinzufügen, dass beide gerettet sind, ich und der Staat."

Ein Relief an der Außenfassade des Französischen Doms erinnert, von Georges Morin geschaffen und 1935 zur Zweihundertfünfzigjahrfeier der Aufnahme der Hugenotten in Brandenburg enthüllt, an den aus Frankreich stammenden und in Genf lebenden Reformator Johannes Calvin sowie an das Schicksal der aus Frankreich vertriebenen Menschen und ihre Aufnahme im Reich der Hohenzollern. Die Inschriften zitieren zwei Hohenzollernherrscher. Friedrich der Große erinnert daran erinnert, dass sich 20 000 der ärmeren, aber betriebsamsten Hugenotten ins Brandenburgische flüchteten und dort jene Manufakturen verschafften, an denen es mangelte. "Alle diese Waren lieferte uns der Kunstfleiß der Franzosen. In Berlin siedelten sich Goldschmiede, Juweliere, Uhrmacher und Bildhauer an. Die Franzosen, welche sich auf dem flachen Lande niederließen, bauten Tabak an und zogen treffliche Früchte und Gemüse auf dem Sandboden, den sie durch ihren Fleiß in treffliches Fruchtland umwandelten". In seinem Buch "Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg" (1751), aus dem der Ausschnitt stammt, weist Friedrich II. ferner darauf hin, dass die Franzosen uns, also Brandenburg und Preußen, durch ihre Industrien mit allen diesen Manufakturwaren bereichert und Textilfabriken angelegt haben und mit deren Erzeugnissen Handel trieben. Der Große Kurfürst habe "einer so nützlichen Kolonie, um sie zu ermuntern, eine jährliche Summe von 40 000 Talern" angewiesen, die sie noch jetzt genießt. Die andere Inschrift verweist auf das 1685 erlassene Edikt von Potsdam, mit dem Kurfürst Friedrich Wilhelm den Glaubensflüchtlingen neue Lebensperspektiven eröffnete.

Wer auf dem Gendarmenmarkt Ruhe und Besinnung sucht und sich für unser Woher und Wohin interessiert, ist im Deutschen Dom an der richtigen Adresse. In dem zur Ausstellungshalle umfunktionierten Gotteshaus dokumentiert der Deutsche Bundestag auf fünf Etagen, wie sich unsere parlamentarische Demokratie im 19. und 20. Jahrhundert entwickelt hat, wer ihre Vorkämpfer und Verteidiger und wer ihre Feinde und Zerstörer waren. Das Thema "Wege - Irrwege - Umwege" der mit vielen mit Fotografien, Skulpturen, Modellen, Schriftstücken sowie Videoaufnahmen ausgestatteten Dokumentation schildert, dass der Weg zur parlamentarischen Demokratie steinig und mit vielen Opfern verbunden, aber nicht vergebens war. Die Schau im Turm des Deutschen Doms und seitlichen Räumen beginnt mit der französischen Revolution von 1789 und ihren Folgen und beschreibt die Versuche mutiger Visionäre im 19. Jahrhundert, die Zersplitterung des Landes in zahlreiche Fürstentümer sowie die dort herrschenden feudalen Verhältnisse zu überwinden, um dann bei der Revolution von 1848 zu verweilen und die Ursachen ihres Scheiterns darzustellen. Geschildert wird sodann die Entwicklung des Parlamentarismus im 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich, wobei man einiges über die zum Teil sehr heftigen Auseinandersetzungen der Parteien von ganz rechts bis ganz links erfährt. Da sich viel Streit an der Person und Politik des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarck festmachte, wundert es nicht, diesem auf Bildern und durch Skulpturen zu begegnen.

Deutscher Dom - Bauwerk im Wandel

Im Abschnitt über die nach dem Ende der Monarchie 1918 ausgerufene Weimarer Republik wird man mit deren Errungenschaften, aber auch ihren Schwächen und den Ursachen konfrontiert, die 1933 zur Zerstörung des bei allen seinen Schwächen doch funktionierenden parlamentarischen Systems durch die Nationalsozialisten mit den bekannten katastrophalen Folgen führten. Die Ausstellung im setzt sich in weiteren Kapiteln mit dem unterschiedlichen Demokratieverständnis in beiden deutschen Staaten nach 1945 auseinander und schildert schließlich, wie heute die Mitbeteiligung des Volkes an den öffentlichen Angelegenheiten funktioniert. Wer nach so viel "Geschichte kompakt" noch Kraft hat, kann im obersten Geschoss des Deutschen Doms Zeugnisse deutscher Parlamentsarchitektur betrachten. Auf allen Ebenen sind darüber hinaus steinerne Reste des Reichstagsgebäudes ausgestellt, die bei der Enttrümmerung und Umbaumaßnahmen nach dem Krieg geborgen wurden.

In der Sonderausstellung "Deutscher Dom - Bauwerk im Wandel" auf der obersten Ebene kann man einiges über das wechselvolle Schicksal des Gotteshauses erfahren. In den 1980er gab es Pläne, hier die Kunsthalle Berlin einzurichten. Da alles von einigem Belang die obersten SED-Gremien passieren musste, wurde der Plan von Willi Sitte, dem Präsidenten des Verbands Bildender Künstler, und Erhardt Gißke, dem Generaldirektor der Baudirektion Berlin, für den Bau der Kunsthalle auf Empfehlung des für Kulturfragen zuständigen Politbüromitglieds Kurt Hager dem SED- und Staatschef Erich Honecker vorgelegt. Dieser schrieb am 24. April 1987 oben auf den in der Ausstellung als Faksimile präsentierten Brief "Einverstanden E. H.", notierte aber, über den Namen der Halle müsse noch gesprochen werden. Der Antrag, dem der Berliner Magistrat "völlig zugestimmt" hatte, wurde dem SED-Politbüro überwiesen und angenommen. Das Vorhaben wurde durch das Ende der DDR 1990 gestoppt. Nach einer Pause erfolgte 1993 bis 1996 der endgültige Ausbau zu einem modernen Ausstellungsgebäude für den Deutschen Bundestag und seine Dokumentation über die deutsche Parlaments- und Demokratiegeschichte.

3. Januar 2021

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