Der Mensch bezwingt den Kosmos
Rechenzentrum in der Potsdamer Breiten Straße ist mit einem ungewöhnlichen Mosaik geschmückt





Das in Montagebauweise errichtete Rechenzentrum, wie das Haus vereinfacht von den Potsdamern genannt wird, ist ein fast würfelförmiger Bau, der etwas zurückversetzt an der Ecke Breite Straße, ehemals Wilhelm-Külz-Straße, und Dortustraße steht. Die Sockelzone wird durch das aus 18, dreimal 2,80 Meter großen Einzelbildern bestehende Glasmosaik von Fritz Eisel dominiert. Nebenan ist wie in einem Käfig der vergoldete Schmuck vom Turm der Garnisonkirche ausgestellt (hier ein älteres Foto), der aktuell errichtet wird.





Der noch aus der Ulbricht-Zeit stammende Bilderfries am ehemaligen VEB Maschinelles Rechnen im Bezirk Potsdam, auch Rechenzentrum genannt, ist durch seine Größe und Farbigkeit eines der prominentesten Projekte zum Thema "Kunst am Bau" in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Zwei Schrifttafeln zur Relativitätstheorie von Albert Einstein beziehungsweise zum Marx'schen Gesetz von der Ökonomie der Zeit rahmen links und rechts den unter Denkmalschutz stehenden Zyklus ein.







Das Mosaik "Lob des Sozialismus" am Haus des Lehrers unweit des Berliner Alexanderplatzes, die "Bauchbinde" am Pressecafé nicht weit davon entfernt und das Wandbild "Der Weg der roten Fahne" am Dresdner Kulturpalast sind charakteristische Beispiele für die von der SED betriebene Kunst- und Kulturpolitik und Propaganda im eigenen Interesse, stehen aber dennoch unter Denkmalschutz. (Fotos: Caspar)

Das Rechenzentrum in der Potsdamer Breiten Straße mit dem Glasmosaik "Der Mensch bezwingt den Kosmos" des Künstlers Fritz Eisel wurde zwischen 1969 und 1971 als Datenverarbeitungszentrum gebaut. Seit 2015 als Kunst- und Kreativzentrum genutzt, sind hier Ateliers, Studios, Büros und Werkstätten untergebracht. Es gibt darüber hinaus Gemeinschafts-, Seminar-, Veranstaltungs- und Ausstellungsräume. Das größte soziokreative Zentrum des Landes Brandenburg mit rund 5.000 Quadratmetern beherbergt derzeit rund 300 Künstler und andere Kreative und wird von der Stiftung SPI gemeinsam mit dem Verein "Freundliche Übernahme Rechenzentrum" betrieben.

Kulturministerin Manja Schüle lobte unlängst bei der Präsentation der Dokumentation "TRANSFORMALE - Ausstellung im öffentlichen Raum" und des Katalogs zum Galerie- und Web-Shop "FUTUR 1" die ideereiche Nutzung des neben der Baustelle der Garnisonkirche stehenden Gebäudes, das zwischen 1969 und 1971 für die damals aufstrebende Datenverarbeitung nach Plänen eines Kollektivs um den Architekten Sepp Weber erbaut wurde. Fritz Eisels Glasmosaik thematisiert die wissenschaftlich-technische Revolution, wobei der technische Fortschritts von modernen Landmaschinen über elektronische Armaturen für die Datenverarbeitung bis zur Weltraumfahrt symbolisiert wird.

Im Stil der "Ostmoderne"

Bilder im Stil der "Ostmoderne" wie das von Fritz Eisel sind charakteristisch Zeitzeugnisse und finden sich als Mosaiken, Fresken oder Wandteppiche an zahlreichen öffentlichen Bauten quer durch die frühere DDR. Viele dieser Werke fielen n i c h t dem Bildersturm nach dem Ende der DDR zum Opfer. Das betrifft auch das farbige Wandbild im ehemaligen Haus der Ministerien (heute Bundesfinanzministerium) von Max Lingner und den Fassadenschmuck von Willi Neubert am Pressecafé nahe dem Alexanderplatz, der nach dem Ende der DDR vernagelt und verbrettert wurde. Aktuell wird die Bilderfolge im Rahmen von Umbau- und Sanierungsmaßnahmen am Gebäude neben dem früheren Berliner Verlag an der Karl-Liebknecht-Straße restauriert und wird schon bald wieder zu sehen sein. Das 1968 von Gerhard Bondzin entworfene und von einer Arbeitsgemeinschaft der Hochschule für Bildende Künste Dresden realisierte Wandbild "Weg der roten Fahne" am Dresdner Kulturpalast wurde vor einigen Jahren restauriert.

Fritz Eisels Tafeln fassen die Errungenschaften der Menschheit sowie die Stationen der Raumfahrttechnik zusammen. Auf den ersten Blick nicht unbedingt deutlich wird der inhaltliche Bezug des Fassadenschmucks zur Nutzung des Baus als Zentrum der Datenverarbeitung. Das Zitat von Karl Marx am Schluss der Bilderserie unterstreicht den Zusammenhang der Ökonomisierung und des Bildprogramms: "Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu anderer Produktion, materieller oder geistiger." Eisel liest die Raumfahrt als Beispiel für wissenschaftliche und zukunftsweisende Innovation. Die elektronische Datenverarbeitung, von der man erhoffte, dass sie Arbeit und deren Ergebnisse erheblich beschleunigt, war in der DDR zwar ein hohes Ziel, hinkte aber trotz massiver finanzieller Förderung durch den Staat hinter der internationalen, das heißt westlichen Entwicklung hinterher.

Satelliten und Weltraumraketen

Für seine Darstellung nutzte Fritz Eisel einen halbabstrakten, teilweise informelle Strukturen aufweisenden, sozialistischen Realismus, wie Fachleute schreiben. Die 18 Bildtafeln werden durch weiße, leicht vorgesetzte Pfeiler voneinander abgegrenzt. Dargestellt sind Satellitenanlagen und Raketen, aber auch Menschen, die an der Erforschung und Produktion von Weltraumraketen beteiligt sind. Neben einem Kosmonauten und der Rückenansicht eines Arbeiters zieht eine junge Frau die Blicke auf sich, die die Passanten direkt anschaut. Die Installation des Mosaiks neben dem Standort der 1969 auf Befehl der SED und ihres Chefs Walter Ulbricht abgerissenen Ruine der barocken Garnisonkirche kann als programmatisch interpretiert werden. Die Bilderfolge huldigt dem Fortschritt, wie er nur im Sozialismus möglich ist, und kann als eine Art Gegenprogramm zu Gott zum preußisch-deutschen Militarismus gelesen werden, der vom Sozialismus überwunden wurde. In den Plänen der 60er Jahre war vorgesehen, auf dem Standort der ehemaligen Garnisonkirche ein "Haus der Wissenschaft" zu errichten. Davon ist man abgekommen und hat das Rechenzentrum gebaut.

21. August 2021

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