Umzug zur Zitadelle in Spandau
Kostbare Generalsfiguren aus Marmor wandern von der Straße Unter den Linden ins Skulpturenmuseum



Die nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbaute Neue Wache wird von den Marmordenkmälern der Generale der Befreiungskriege Bülow und Scharnhorst gerahmt.



Generalfeldmarschall Blücher kommandiert auf der Karikatur von 1877 die verängstig dreinschauenden Brüder Humboldt sowie seine Generalskollegen Bülow und Scharnhorst



Der Verbleib der Marmorstandbilder von Bülow (links) und Scharnhorst am jetzigen Standort ist nicht länger möglich. Ihr Erhaltungszustand wird von Denkmalpflegern und Restauratoren als bedenklich eingestuft.



Die klassizistischen Reliefs auf den Sockeln der Denkmäler verherrlichen mit wehrhaften Figuren die militärischen Leistungen der Generale Bülow und Scharnhorst.



Bald schon werden die Generale der Befreiungskriege nicht mehr auf die Neue Wache Unter den Linden schauen, weil sie ein längst fälliges, trockenes und gut klimatisiertes Asyl im Skulpturenmuseum auf der Spandauer Zitadelle erhalten.



Das Goethedenkmal am Rand des Tiergartens, dem Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Juden Europas gegenüber, ist eine Kopie, das Denkmal der 1810 verstorbenen Königin Luise von Preußen konnte wegen der Kosten durch eine Kopie nicht ausgetauscht werden. Seit 2013 ist die kostbare Marmorskulptur ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt.





Dem Marmor des Richard-Wagner-Denkmals an der Tiergartenstraße tut die Überdachung gut. Eine Tafel nebenan berichtet aus der wechselvollen Geschichte dieses riesigen Monuments. (Fotos/Repro: Caspar)

Eine gute Nachricht kommt aus der Berliner Senatskulturverwaltung: Die gegenüber der Neuen Wache Unter den Linden aufgestellten Figuren der Generäle der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 Gerhard Johann David von Scharnhorst und Friedrich Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz ziehen noch in diesem Sommer von der Straße Unter den Linden ins Skulpturenmuseum auf Spandauer Zitadelle. Die Maßnahme ist nötig, weil Verwitterung so fortgeschritten ist, dass ihr Verbleib unter freiem Himmel aus konservatorischer und denkmalpflegerischer Sicht nicht mehr verantwortet werden kann. Durch den Umzug erhält die in einer ehemaligen Kaserne eingerichtete Dauerausstellung "Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler" zwei von Christian Daniel Rauch im Auftrag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. geschaffene Meisterwerke der Berliner Bildhauerkunst des frühen 19. Jahrhunderts. Sie reihen sich dort in eine Serie hochkarätiger Skulpturen aus der Zeit um 1900 ein, die früher auf der Siegesallee im Berliner Tiergarten standen und zum Teil schwer beschädigt und demoliert den Zweiten Weltkrieg überstanden hatten.

Die Generalsfiguren wurden im Juni 1822 anlässlich des Jahrestages des Sieges bei Belle Alliance (Waterloo) enthüllt und flankierten bis in die 1950er Jahre die nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel erbaute Neue Wache, die ursprünglich eine Soldatenunterkunst war, aber auch als Gedenkstätte für die Gefallenen der Befreiungskriege diente. Christian Daniel Rauch fertigte die überlebensgroßen Standbilder des erfolgreichen Heerführers Bülow von Dennewitz und von Scharnhorst, der als Reformator der preußischen Armee in die Geschichte einging, aus Carrara-Marmor als Bestandteil des Skulpturenprogramms für die von Schinkel geplante Umgestaltung der Straße Unter den Linden in eine "Via Triumphalis".

Aufstellung gegenüber der Neuen Wache

Anlässlich des Deutschlandtreffens der Jugend ordnete der damalige diktatorisch herrschende SED-Chef und stellvertretende DDR-Ministerpräsident Walter Ulbricht 1950 ihre Entfernung und Einlagerung an. Nachdem sie in den 1960er Jahren in der Grünanlage gegenüber der als "Mahnmal für die Opfer von Faschismus und Militarismus" genutzten Neuen Wache wieder aufgestellt worden waren, kehrten sie 1993 erneut ins Depot zurück. Nach einer umfassenden Restaurierung 2002 wurden die Skulpturen an einen neuen Standort im Prinzessinnengarten aufgestellt, an dem sie sich bis heute befinden. Die Wiederaufstellung an ihrem ursprünglichen Standort neben der Neuen Wache kam nicht infrage, da diese seit 1990 als "Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" dient. Nicht zuletzt hatte sich die Erbengemeinschaft Bildhauerin und Grafikerin Künstlerin Käthe Kollwitz, deren "Mutter mit dem toten Sohn" als vergrößerte Kopie in der Neuen Wache steht, vehement gegen die Wiederaufstellung von Symbolen der preußischen Militärtradition in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte ausgesprochen.

Ohne entsprechenden Schutz droht diesen so bedeutenden Zeugnissen der Berliner Bildhauerschule der allmähliche Zerfall. In den letzten Jahren waren die Standbilder aus konservatorischen Gründen bereits ganzjährig, und nicht mehr nur in den Wintermonaten, unter einer Einhausung verschwunden. Als zuständige Fachbehörde hat sich das Landesdenkmalamt Berlin daher dazu entschlossen, die originalen Bildwerke zeitnah in einer geschützten musealen Umgebung zu präsentieren, um ihre materielle und ideelle Erhaltung langfristig zu gewährleisten. Der Ersatz der Originale durch Nachbildungen ist nach einer Entscheidung des Landesdenkmalrates aus dem Jahr 2017 am Standort Lindenforum vorgesehen.

Alte Denkmäler heute gesehen

Mit der geplanten Unterbringung in der Dauerausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums auf der Zitadelle Spandau finden die Standbilder einen Ort, der sowohl ihrer Bedeutung als auch den konservatorischen Ansprüchen für ihren dauerhaften Erhalt in idealer Weise gerecht wird. Die Ausstellung zeigt in einem historischen Rundgang Denkmäler von 1849 bis 1989, die einst prägend für das Stadtbild waren, aber aufgrund der politischen Umbrüche im 20. Jahrhundert von Straßen und Plätzen entfernt wurden. So bilden die Marmorstandbilder von 1822 fortan den Auftakt zu der Geschichte über den Umgang mit heute aus unterschiedlichsten Gründen als problematisch betrachteten Denkmälern. die den preußischen Militarismus, den Nationalsozialismus oder die Zeit des Kalten Krieges repräsentieren. Die Ausstellung zeigt, dass sich kaum ein Berliner Denkmal an seinem ursprünglichen Aufstellungsort befindet, denn zahlreiche Monumente wurden im Laufe ihrer Geschichte umgesetzt, verschwanden für lange Zeit in Depots oder wurden zerstört. Die beiden Generalstandbilder stellen einen neuen kunsthistorischen Höhepunkt in der Ausstellung dar. Die Unterbringung in der witterungsgeschützten Ausstellung ermöglicht Besucherinnen und Besuchern nun wieder, sie das ganze Jahr zu betrachten und ihre künstlerische Qualität mit den anderen Bildhauerarbeiten zu vergleichen.

An dieser Stelle sei ausnahmsweise aus einem Zeitungsbericht zitiert, den ich im April 2011 anlässlich der Enthüllung der Standbilder unter der Überschrift "Generäle stehen jetzt unter Polizeischutz - Die Standbilder von Bülow und Scharnhorst wurden Unter den Linden enthüllt" verfasst habe: "Blendend weißer Marmor, strahlende Sonne, glückliche Gesichter - die Enthüllung der beiden Generalsfiguren im Prinzessinnengarten Unter den Linden klappte reibungslos und bei bester Stimmung. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und Kultursenator Thomas Flierl rissen an zwei Leinen, und weißes Tuch fiel von den riesigen Figuren, die man seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat. Bei dem Festakt mit Musik und Bier hieß Strieder Berlins ,neuesten Stadtschmuck' willkommen. Die nach jahrelangen Auseinandersetzungen nun endlich vollzogene Aufstellung der von Christian Daniel Rauch im Auftrag König Friedrich Wilhelms III. geschaffenen Marmordenkmäler der preußischen Feldherren Friedrich Wilhelm Bülow von Dennewitz und Gerhard David von Scharnhorst werde heute wohl von niemandem mehr als ,Verbeugung vor dem preußisch-deutschen Militarismus' empfinden. Vielmehr sei die Platzierung wieder Unter den Linden als Reverenz vor einem großen Künstler und vor zwei Persönlichkeiten zu verstehen, die in der Zeit der politischen Erneuerung Preußens und der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 für die Einheit Deutschlands eintraten und auch deshalb zum progressiven Erbe gehören.

Im Angesicht der Neuen Wache

Strieder schloss in seinen Dank an die Denkmalpflege, die den Prinzessinnengarten zwischen Prinzessinnenpalais und Oper für die Präsentation der Monumente neu gestaltet hat, auch die Erben von Käthe Kollwitz ein, die keinen Einwand für die jetzige Aufstellung hatten. Denn in einem Vertrag mit dem Bundeskanzleramt war festgelegt worden, dass die im Depot befindlichen Generäle nicht vor der Neuen Wache stehen dürfen. Der Grund war die angebliche Unverträglichkeit der Monumente mit der im Inneren des Wachgebäudes stehenden Pietà von Käthe Kollwitz zur Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Da der Vertrag bis 2015 läuft, hoffen Denkmalpfleger und auch die Gesellschaft Historisches Berlin, die sich nachhaltig für die Neuaufstellung der Figuren Unter den Linden eingesetzt hatte, die ursprüngliche Platzierung vor dem Wachgebäude einschließlich der beiden Schutz- und Schmuckgitter wiederherstellen zu können.

Allerdings ist das Zukunftsmusik. Im Moment ist vom Landesdenkmalamt dafür gesorgt, dass den beiden Neulingen nichts geschieht. Der carrarische Marmor wurde gereinigt und mit einem Schutzmittel imprägniert, der das Eindringen von Wasser erschwert. Ein Antigraffitiüberzug wird regelmäßig erneuert, und außerdem steht das ganze Denkmalensemble unter zusätzlichem Polizeischutz. ,Den Figuren kann eigentlich nichts geschehen, sie stehen weit ab von der prächtigen Baumkulisse, so dass von dort keine Tropfen herab fallen und den Marmor aushöhlen können", erklärt der stellvertretende Landeskonservator Klaus von Krosigk sichtlich erfreut, dass die Monumente nun endlich ,im Angesicht der Wache' aufgestellt werden konnten. Das Landesdenkmalamt habe ein Pflegeprogramm für die Standbilder Unter den Linden ausgearbeitet, sozusagen ein Figuren-TÜV, das regelmäßige Zustandskontrollen sowie, wenn nötig, auch Restaurierungs- und Wartungsarbeiten vorsieht. Während die Figur des Generals Bülow von Dennewitz, der im 19. Jahrhundert als Befreier von Berlin im Jahr 1813 große Verehrung genoss, schon 1951 vom Sockel genommen und deponiert wurde, stand der preußische Militärreformer Scharnhorst bis nach der Wende einsam im Bereich des Prinzessinnengartens, allerdings auf niedrigem Sockel. Jetzt ist bei beiden Standbildern durch zusätzliche Marmorstufen die alte Höhe erreicht, und außerdem ist auch die ursprüngliche Inschrift aus Bronzebuchstaben rekonstruiert. Da die Widmung Friedrich Wilhelm III. als Stifter nennt, wurde die Inschriftenplatte entfernt, als Scharnhorsts Denkmal in den 1960er Jahren aufgestellt wurde. Auf dem Sockel las man nur noch Scharnhorsts Namen. Geschmückt werden die Sockel durch antikisierende Szenen von Kampf und Sieg, und außerdem werden sie durch Adler beschützt."

Schutzmaßnahmen haben wenig genutzt

Es zeigt sich, dass alle Schutzmaßnahmen für die beiden Marmorfiguren genutzt genutzt haben. Als sie vor 200 Jahren geschaffen wurden, konnte man sich nicht vorstellen, wie sehr Regen, Frost, Abgase, Mikroorganismen und ganz allgemein schädliche Umwelteinflüsse dem empfindlichen Stein zusetzen werden, restauratorische Hilfsmaßnahmen hin oder der. Irgendwann werden Kopien gegenüber der Neuen Wache stehen, so wie auch das Goethedenkmal im Tiergarten nicht mehr das Original, sondern eine sehr gut ausgeführte Kopie ist. Das hatte man auch mit dem Luisendenkmal auf der Luiseninsel ebenfalls im Tiergarten vor. Das Original der wettergeschädigten Königin-Statue war vor vielen Jahren durch eine Betonkopie ersetzt und ins Lapidarium am Landwehrkanal gebracht worden. Leider gelang die Anfertigung einer Marmorkopie anlässlich des Luisenjahres 2010 wegen der zu hohen Kosten nicht. Dafür wurde beschlossen, das originale Standbild zu restaurieren. Es wurde 2013 am alten Platz aufgestellt und ist dort wie die Marmorstatue von König Friedrich Wilhelm III. ungeschützt den Angriffen der Umwelt ausgesetzt.

Die Frage ist angesichts der Verlagerung der Generalsfiguren von der Straße Unter den Linden ins Museum auf der Zitadelle in Spandau, was mit den Marmordenkmälern der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt vor der nach ihnen benannten Universität werden soll. Sie bekommen zwar in der kalten Jahreszeit eine Einhausung. Doch setzen ihnen in den anderen Monaten schädliche Umwelteinflüsse erheblich zu, so dass auch über neue Hilfsmaßnahmen nachgedacht wird. Eine Lösung wäre die Überdachung der Figuren, die bereits dem Marmordenkmal des Komponisten Richard Wagner in der Tiergartenstraße gut getan hat und es wenigstens vor "saurem Regen" und damit der Zerstörung des empfindlichen Steins bewahrt.

16. Juni 2021

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