"Mann höherer Begabung"
Karl Friedrich Schinkel sorgte sich vor über 200 Jahren um den figürlichen Schmuck des Königsschlosses in Berlin





Karl Friedrich Schinkel hat sich als einer der ersten Denkmalpfleger in Preußen um den Erhalt der Statuen "als eine edle Krönung des Palasts" eingesetzt und hatte Erfolg, wie der Vergleich zwischen der Grafik von Johann Georg Rosenberg aus dem Jahr 1780 und der Postkarte aus der Kaiserzeit zeigt, allerdings mit reduziertem Bestand. Sein Wunsch aber, weitere Figuren auf das Dach zu setzen und damit Schlüters Idee zu vollenden, ging nicht in Erfüllung.



Wie auf der 1704 von Christian Wermuth geschaffenen Medaille mit dem Porträt von König Friedrich I. dargestellt, wurde das Berliner Schloss nicht gebaut. Die Grundstruktur aber ist zu erkennen, ebenso der reiche Skulpturenschmuck auf der Attika, der nach dem Regierungsantritt des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1713) nicht vollendet wurde.



Karl Friedrich Schinkel wurde 1966 und 2006 auf Silbermünzen der beiden deutschen Staaten geehrt. Das Motiv von 2006 ist einem Relief von der Fassade der Schinkelschen Bauakademie nachempfunden. Rechts ein Relief im Schloss Babelsberg, dessen Bau unter Schinkel begann.





Dass das heutige Humboldt-Forum - hier eine Draufsicht vom Fernsehturm - je seinen Figurenschmuck auf der Attika zurück bekommt und damit ein Wunsch von Schinkel in Erfüllung geht, wäre schön, wird aber wohl ein Traum bleiben.





Relikte von der nach Plänen von Andreas Schlüter geschaffenen Barockfassade des 1950 beseitigten Berliner Schlosses werden Zeit in der Skulpturenabteilung des Bode-Museums auf der Berliner Museumsinsel gezeigt.



Die mit Bildern zur Historie des Hauses Hohenzollern waren in der Gemäldegalerie des Berliner Schlosses zu sehen, in der Mitte reicht die von Anton von Werner gemalte Kaiserproklamation vom 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles in der Decke bis zum Fußoden.



In dem von Schlüter gestalteten Rittersaal kündete das berühmte Silberbüffet von der Macht und dem Reichtum der Könige von Preußen. Heute kann man die Goldschmiedearbeiten mit weiteren Objekten aus dem Berliner Schloss im Kunstgewerbemuseum Schloss Köpenick betrachten. (Fotos/Repros: Caspar)

Das 1950 auf Befehl der SED abgerissene Berliner Schloss ist als Humboldt-Forum wieder auferstanden und zieht zahlreiche Besucher an. Sie bewundern den nach alten Vorlagen neu geschaffenen figürlichen Schmuck und die Säulen, und sie schauen auch auf die Kuppel mit dem vergoldeten Kreuz darauf und dem aus vergoldeten Buchstaben auf blauem Grund bestehenden Bibelspruch. Das Königsschloss machte in seiner langen Geschichte manche Wandlungen und Häutungen durch. Als es im frühen 19. Jahrhundert die Gefahr bestand, dass die barocken Figuren auf der Attika entfernt werden, weil man sie als Relikte aus der Erbauungszeit einhundert Jahre zuvor nicht mehr mochte, denn man befand sich gerade in der Zeit des Klassizismus, setzte sich Karl Friedrich Schinkel für ihren Erhalt ein. Er tat dies aus Respekt für den "nicht hoch zu schätzenden Schlossbaumeister Andreas Schlüter, auf den das nördliche Deutschland stolzer sein kann, als Italien auf den Michel Angelo", schrieb er am 14. September 1815 an den Finanzminister Graf von Bülow.

Unzählige Opfer des Erneuerungseifers

Preußens oberster Baumeister und Vorkämpfer der Denkmalpflege wandte sich in einer Zeit an die Regierung, da überall in Deutschland unzählige historische Bauten und Kunstwerke abgerissen und vernichtet wurden, weil man sie nicht mehr schön fand oder weil man für sie keine Verwendung etwa als Kirche oder Burg hatte und sie, nutzlos geworden, nur noch im Wege standen. Unzählige Bau- und Kunstdenkmale fielen auf diese Weise in den Orkus der Geschichte. Berlin kennt hunderte Beispiele dafür, dass damaligem Erneuerungseifer überaus wertvolle Bauten zum Opfer fielen. Wenn es hoch kam, hat man ein paar Steine und Figuren aufbewahrt oder neu verbaut, und manchmal erzählen auch Gemälde und Grafiken, was sorglos aufgegeben wurde, um Platz für Neubauten, Straßen und Gartenanlagen zu machen.

Der Romancier Theodor Fontane, der wie Schinkel in der märkischen Garnisonstadt Neuruppin geboren wurde, zollte seinem Landsmann große Bewunderung. "Unter allen bedeutenden Männern, die Ruppin, Stadt der Grafschaft, hervorgebracht hat, ist Karl Friedrich Schinkel der bedeutendste", schrieb er in den "Wanderungen durch die Mark Brandenburg". "Wäre Schinkel nie geboren, so gebräch' es unsrer immerhin eigenartigen künstlerischen Entwicklung an ihrem wesentlichsten Moment". Schinkel sei kein schöner Mann gewesen, fügte Fontane hinzu, "aber der ernst-milde Ausdruck seines unregelmäßig geformten Gesichts, dabei sein schöner, elastischer Gang, verrieten den Mann höherer Begabung". Und Schinkels Freund und erster Biograph Franz Kugler notierte aus eigener Anschauung: "In seinen Bewegungen war Adel und ein Gleichmaß, um seinen Mund ein Lächeln, auf seiner Stirn eine Klarheit, in seinen Augen eine Tiefe und ein Feuer, dass man sich schon durch seine bloße Erscheinung zu ihm hingezogen fühlte. Noch größer aber war die Gewalt seines Wortes, wenn das, was ihn innerlich beschäftigte, unwillkürlich und unvorbereitet auf seine Lippen trat".

Kulturbarbarei mitten in Berlin

In einer Serie von Denkschriften bat die von Schinkel geleitete Oberbaudirektion König Friedrich Wilhelm III. und seine Beamten, um vorsichtigen Umgang mit historischen Bauten. Nachgelesen können die Eingaben und weitere Dokumente in dem von Norbert Huse herausgegebenen Buch "Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten" (C. H. Beck Verlag München 1984) und dem Buch von Andreas Meinecke "Preußische Denkmalpflege im Kaiserreich in Brandenburg und Berlin 1860-1918" (Gebr. Mann Verlag Berlin 2019). Als Schinkel sah, dass ein Ingenieuroffizier"ohne die mindeste Anzeige", das heißt ohne Genehmigung, den von Andreas Schlüter erbauten königlichen Pontonhof Unter den Linden in Berlin seiner Inschrift und seines figürlichen Schmucks beraubte, blieb ihm nur übrig, diese Barbarei dem Finanzminister zu melden, auf dass er dem Frevler eine Rüge erteile. Es sei notwendig, schrieb Schinkel, beim König eine allgemeine Verfügung zum Schutz öffentlicher Denkmäler zu erwirken, "wodurch jedes Gebäude, auch wenn es seinem sonstigem Zwecke nach anderen Behörden zugeteilt wäre, in der Qualität, die es als Denkmal ganz allgemein besitzt, unter die Obhut einer besonderen Behörde gestellt werden müsste, zu der sich vielleicht unser Kollegium am besten einen würde." Die Verschandelung des im 18. Jahrhundert als Lagerplatz für Holz, das beim Brückenbau gebraucht wird, aber auch als Laboratorium der Artillerie und Militärlazarett genutzten Pontonhofs ließ sich nicht rückgängig machen, und ob der dafür verantwortliche Offizier zur Rechenschaft gezogen wurde, wissen wir nicht. Wohl aber ist bekannt, wie sehr sich Schinkel für die barocken Attikafiguren des Berliner Schlosses einsetzte.

Kunstgeschmack und Geschichtsbewusstsein

Mit seinem Vorstoß bewies er künstlerischen Geschmack und Geschichtsbewusstsein. In einem Gutachten fand er 1817 "starke Gründe" für die Erhaltung der Statuen auf der Hohenzollernresidenz, die er ein Denkmal der Gründer des Königlichen Hauses nannte und es den "ersten Gebäuden Europens in jeder Hinsicht gleichgestellt" wissen wollte. Ein solches Denkmal sei unantastbar, schrieb er, und es sei Pflicht eines Königsstaates, "es wenigstens in seinem dermaligen Zustande der Nachwelt zu überliefern, - wenigstens! - denn eine höhere und schönste Pflicht ist es, dasselbe ganz zu vollenden, nach den vorhandenen Verhältnissen mit dem noch fehlenden Schmuck zu zieren und so auf die Nachwelt zu bringen."

Schinkel wäre nicht Preußens oberster Baubeamter gewesen, hätte er nicht seinem Appell an das patriotische Gewissen des Königs und seiner Regierung eine ungefähre Rechnung beigefügt, in der er den Preis für 18 neu anzufertigende Statuen mit 12160 Taler angegeben. Nach seinem Dafürhalten könnten dazu fähige Berliner Bildhauer vier Statuen pro Jahr liefern. Das würde nicht einmal mit 3000 Talern zu Buche schlagen, eine geringe Summe, "welche unter so manchen anderen Luxusausgaben keinen Gegenstand des Hindernisses abgeben könnte." Vier alte, noch auszubessernden Statuen über das ganze Schloss zu verteilen, sei nicht ratsam, fügte der Architekt hinzu, "indem dies ein höchst dürftiges Ansehen geben würde. Es ist am Zweckmäßigsten, diese vier Statuen als Krönung eines der Portale, von welchen jedes vier bedarf, gleich in diesem Jahr zusammenzustellen, als ein erster Anfang zu der fortgesetzten Ausfüllung der jetzt leer gewordenen Plätze."

Eindringliche Warnung vor Kahlschlag

Mit Blick auf die wohl schon recht marode "herrliche Trophäenbekrönung" auf der Attika des nach Plänen von Schlüter und anderen erbauten Zeughauses Unter den Linden fragte Schinkel, was wohl geschähe, wenn man auch diese wegen Baufälligkeit entfernen würde und antwortete sogleich, dann wäre die Stadt ganz kahl. "Das Gute und Notdürftige, so gut es an sich ist, wenn es ohne Anstand und Würde auftritt, und zu diesen hilft ihm bloß die Schönheit, welche eben deshalb ebenso wesentlich wird und immer gleichzeitig mit jenem Berücksichtigung verdient." Es wäre eine Untersuchung wert zu erfahren, in welcher Form Friedrich Wilhelm III. und seine Regierung auf diesen Vorschlag eingegangen sind. Fest steht nur, dass die Figuren nicht entfernt wurden, sonst sähe man sie nicht auf den alten Bildern. Interessant wäre aber zu wissen, wer die Bildhauer waren, die den von Schinkel als fehlend genannten Schmuck geschaffen haben und was das gekostet hat.

An dem landesherrlichen Sitz auf der Berliner Schlossinsel wurde unentwegt gebaut, erst im Stil der Gotik, dann im späten 16. Jahrhundert in den Formen der Renaissance. Große Architekten, Bildhauer und andere Künstler wie Andreas Schlüter, Martin Grünberg, Eosander von Göthe, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, August Stüler und zuletzt in der Kaiserzeit unter Wilhelm II. Ernst von Ihne haben maßgeblich an der Gestaltung des Schlossers außen und innen mitgewirkt und haben aus ihm ein berühmtes und vielfach gepriesenes Gesamtkunstwerk gemacht. In königlicher Zeit ab 1701 wurde es in einen riesigen Palast verwandelt, der zu den bedeutendsten Schöpfungen barocker Schlossbaukunst gehörte. Nur in Ausnahmefällen residierten die Hohenzollern in ihrem Palast, denn sie bevorzugten andere Residenzen in Berlin und Potsdam. Lediglich bei besonderen Staatsakten bot das Berliner Stadtschloss die prächtige Kulisse für monarchische Selbstdarstellung.

Kaiser Wilhelm II. ließ vor und nach 1900 den Prachtbau auf der Schlossinsel zum Teil neu ausgestalten. Die Maßnahmen wurden als wichtig erachtet, um Staatsakten und Banketten einen festlichen Rahmen geben sowie Macht und Größe des neuen deutschen Kaisertums demonstrieren zu können. Als am Ende des Ersten Weltkriegs die preußisch-deutsche Kaiserherrlichkeit aus und vorbei war, erlitt das Berliner Schloss durch Beschuss der Revolutionäre einige Schäden an der Fassade, die aber in der Weimarer Republik behoben wurden. Die ehemalige Hohenzollernresidenz wurde als Kunstgewerbemuseum und von allen Organisationen für Bürozwecke und sogar als Mensa genutzt und war Ort zahlreicher Ausstellungen. Während der Nazizeit wurde das Bauwerk von Hitlers Plänen nicht tangiert, Berlin in die Welthauptstadt Germania zu verwandeln. Der Diktator und sein Stararchitekt Albert Speer machten um das Stadtschloss einen großen Bogen, das im Zweiten Weltkrieg durch alliierte Fliegerbomben schwer beschädigt wurde, aber stehen blieb, bis ihm auf Befehl des SED-Chefs Walter Ulbricht der Garaus gemacht wurde.

Siehe zum Thema Stadtschloss und Humboldt-Forum Einträge auf dieser Internetseite vom 4. August 2021 und 10. November 2021 (Berlin) und 22. September 2021 (Museen und Ausstellungen.) 26. Dezember 2022

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