Zu Schutz und Trutz
Reste der mittelalterlichen Stadtmauer blieben im Klosterviertel erhalten / Besuch nebenan in der "Letzten Instanz"



Der im 17. Jahrhundert mühsam und sehr kostenaufwändig gebaute Festungskranz rund um Berlin-Cölln wurde wenige Jahrzehnte später im Zuge der Stadterweiterung wieder beseitigt. Die Memhardt-Karte von 1650 zeigt die erste Verteidigungsanlagen.







An der Waisenstraße blieb ein Stück mittelalterlicher Stadtmauer erhalten, die aus Ziegelmauerwerk und Feldsteinen gefügt ist. Eine Gedenktafel erzählt die Geschichte der zu Schutz und Trutz angelegten Befestigung. Von ihr sind nur noch 120 Meter erhalten.



Die Silbermedaille von Raimund Faltz aus dem Jahr 1700 kombiniert das Bildnis des Kurfürsten Friedrich III., ab 1701 König Friedrich I. in Preußen, mit der Ansicht von Berlin-Cölln in der Vogelperspektive, Gut zu erkennen sind die neuen, jenseits des Festungskranzes angelegten nach Mitgliedern der Herrscherfamilie benannten Siedlungen Dorotheenstadt und Friedrichstadt.





Das Gasthaus "Zur letzten Instanz" in der Waisenstraße führt seine Geschichte auf das 17. Jahrhundert zurück, ist aber ein Neubau aus der Nachkriegszeit mit Räumen, die sie um 1900 möbliert waren.



Hunde, auch falsche, sollten beim Betreten des Hauses mit langer Tradition an der Leine geführt werden. (Fotos/Repros: Caspar)

Wie alle mittelalterlichen Städte, so war auch die Doppelstadt Berlin-Cölln vor Jahrhunderten von einer Stadtmauer aus Feld- und Ziegelsteinen umgeben. Reste haben sich wie durch ein Wunder an der Waisenstraße im Bezirk Mitte, nicht weit von der Parochialkirche, dem Gerichtsgebäude in der Littenstraße und dem Restaurant "Zur letzten Instanz" entfernt, erhalten. Obwohl es sich um ein wichtiges Zeugnis der Stadtgeschichte handelt, kennt kaum jemand die 120 Meter lange Umfriedung. Vor einigen Jahren wurde das aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammende und danach immer wieder ergänzte Gemäuer restauriert und vor weiterem Verfall gesichert. Die Initiative für die Rettung dieses drei bis fünf Meter hohen Zeugnisses ältester Stadtgeschichte geht vom Verein Denk mal an Berlin e. V., dem Bezirk Mitte und dem Landesdenkmalamt aus.

Mit der Ausführung der Arbeiten unter fachgerechter Anleitung waren Schüler des Oberstufenzentrums Knobelsdorff-Schule in Spandau betraut. Sie absolvieren eine dreijährige Ausbildung, zu der auch praktische Arbeiten an historischen Bauwerken gehören. Für die jungen Leute waren die Mauerreste eine große Herausforderung, denn sie mussten sehr vorsichtig an die Steine gehen und alles vermeiden, was die Oberfläche verletzen kann. Neben der Reinigung der Steinoberfläche und Beseitigung von Pflanzenbewuchs standen die Verfugung der Räume zwischen den Feld- und den Ziegelsteinen, aber auch die Sicherung des Bauwerks durch eine neue Mauerkrone vor eindringendem Wasser auf dem Programm.

Kurfürst ließ Festungskranz und Tore bauen

Mehrfach wurde die Doppelstadt Berlin-Cölln im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) von feindlichen Truppen überfallen und ausgeraubt. Die Bewohner brachten sich vor heranrückenden kaiserlichen Truppen, aber auch vor den Schweden in Sicherheit, und als sie zurückkehrten, fanden sie ihre Häuser in Schutt und Asche gelegt vor. Diesem Unheil wollte Kurfürst Friedrich Wilhelm, der das Land von 1640 bis 1688 regierte, ein für allemal dadurch begegnen, dass er den Bau einer Berlin-Cölln umschließende Festungsanlage mit Toren, Bastionen und Kasematten sowie einem Wassergraben davor anordnete. Der Große Kurfürst, wie man ihn auch nannte, hatte erkannt, dass die mittelalterliche Stadtmauer ausgedient hat.

Die durch einen Erlass vom 18. März 1658 befohlene Fortifikation, die auch die neu gegründeten Vorstädte Neukölln am Wasser und Friedrichswerder einschloss, wurde damit begründet, sie sei "zur Versicherung dero hohen Person (des Kurfürsten, H. C.) und zum Besten des Landes und der Stadt". Täglich sollte sich der vierte Teil der Einwohner zu Erd- und Schanzarbeiten einstellen. Wer dazu nicht in der Lage war, musste einen Ersatzmann stellen und eine Geldbuße entrichten. Neben sicherheitspolitischen und militärischen Effekten versprach sich der Kurfürst von der zwischen 1658 und 1683 durchgeführten und mit erheblichem Ärger verbundenen Maßnahme noch einen anderen Gewinn. Indem er die aufmüpfigen Berliner zum Schanzen und Blechen, also zur Spatenarbeit und zum Bezahlen, verpflichtete, sollten sie diszipliniert werden. Herangezogen wurden für den Festungsbau darüber hinaus Soldaten, Bürger und Bauern.

Widerstand gewaltsam unterdrückt

Die Planungen für den um die Doppelstadt Berlin-Cölln angelegten Mauerkranz lagen in den Händen des in den Niederlanden ausgebildeten Festungsbaumeisters und Ingenieurs Johann Gregor Memhardt, nach dem eins Straße gleich am Bahnhof Alexanderplatz benannt ist. Er stand ab 1640 in kurbrandenburgischen Diensten, kam 1650 nach Berlin und erhielt sechs Jahre später die Aufsicht über alle kurfürstlichen Gebäude. 1658 wurde ihm die Leitung der Fortifikation der kurfürstlichen Haupt- und Residenzstadt übertragen, zu deren Vorbereitung er bereits 1652 einen Stadtplan aus der Vogelschau veröffentlicht hatte. Dieser so genannte Memhardt-Plan ist der älteste Stadtplan von Berlin und Cölln. Er zeigt nördlich der Spree in der Nähe der heutigen Museumsinsel schon die ersten "Zacken" des zu errichtenden Festungskranzes. Nachdem Memhardt im Jahr 1678 gestorben war, vertraute der Kurfürst die Fortführung des Festungsbaues dem Architekten und Ingenieur Johann Arnold Nering an, dem nach Andreas Schlüter wohl wichtigsten Vertreter des Berliner Barock.

Der von Friedrich Wilhelm durch immer neue Weisungen und Zwangsmaßnahmen forcierte Bau der Festungsanlagen führte zu großer Unzufriedenheit in der Bevölkerung, denn die Schwesterstädte Berlin und Cölln mussten das benötigte Gelände zur Verfügung stellen, zum großen Teil auch die Baukosten übernehmen sowie die Arbeitskräfte stellen. Viele zwangsrekrutierte Menschen sahen die Notwendigkeit des Festungsbaus nicht ein und weigerten sich, den Befehlen ihres Landesherrn zu gehorchen. Da sich der Magistrat außerstande sah, Ruhe und Ordnung zu gewährleisten, schritt der Stadtkommandant mit Waffengewalt ein, brachte die Aufrührer zum Schweigen und zwang sie zum Festungsbau. Natürlich reichte die Zahl der zwangsverpflichteten Berliner und Cöllner nicht aus, weshalb Bauern und Leibeigene aus der Umgebung, aber auch Soldaten und Gefangene eingesetzt wurden. Nach zeitgenössischen Berichten mussten täglich bis zu 4000 Berliner riesige Erdmassen bewegen, Gräben ausheben und Hügel anzulegen. Sie legten sumpfiges Gelände trocken und schütteten Gräben zu, denn Berlin war damals eine von kleinen Flüssen durchzogene wasserreiche Stadt.

Bastionen, Kanonen und Zugbrücken

Der Festungskranz bestand aus einem ringförmig angelegten Wall aus gestampfter Erde, der etwa acht Meter hoch und sechs Meter breit war. Geschützt wurde diese kilometerlange Aufschüttung rund um die Doppelstadt durch einen etwa 55 Meter breiten Wassergraben, dessen Böschungen mit Rasen oder mit Steinen befestigt waren. In regelmäßigen Abständen erhoben sich entlang der strahlenförmig konstruierten Befestigung 13 kegelförmige Türme. Diese Bastionen - fünf auf der Berliner und acht auf der Cöllner Seite - dienten der Verteidigung der Stadt und waren mit sechs bis zehn Kanonen zur Beschießung feindlicher Heere ausgestattet. Um in die Stadt zu gelangen und sie wieder verlassen zu können, ließ der Kurfürst sechs Tore, die nur über Zugbrücken passierbar waren, in die Mauer einfügen.

Außerhalb des Festungsgürtels, der auf Berliner Stadtansichten aus der Vogelperspektive sowie auf einer im Jahr 1700 geprägten Medaille von Raimund Faltz gut zu erkennen ist, ließen der Große Kurfürst und seine Nachfolger Trabantenstädte errichten, die nach Angehörigen des Hauses Hohenzollern benannt wurden, und zwar Dorotheenstadt, Friedrichstadt, Friedrich-Wilhelmstadt und Dorotheenstadt. Unterm Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der von 1713 bis 1740 regierte, wurden die aus kurfürstlicher Zeit stammenden Wälle und Bastionen zum großen Teil beseitigt, weil sie sich militärisch nutzlos waren und das Leben in der aufstrebenden königlichen Residenz behinderten. Ganz verzichteten die Hohenzollern auf Palisaden, Mauern und Tore nicht. Die so genannte Akzisemauer hatte eine Länge von 14, später 17 Kilometern und war 4,20 Meter hoch. Erst in den 1860-er Jahren fiel auch dieses Bollwerk, von dem Archäologen einige Reste ausgegraben haben. Noch heute kann man die Lage des vor über 350 Jahren errichteten Festungsgürtels am gekrümmten Verlauf der Bahntrasse zwischen Jannowitzbrücke und Hackeschem Markt erkennen, denn das Gleisbett wurde im späten 19. Jahrhundert auf dem zugeschütteten Festungsgraben angelegt. Da sich das Areal in Staatsbesitz befand, musste man keine Grundstücke kaufen und sparte Kosten.

Altberliner Kneipengemütlichkeit

Wer Berliner Kneipengemütlichkeit mag, ist im Gasthaus "Zur letzten Instanz" an der richtigen Adresse, allerdings müssen "Hunde (auch falsche)" an die Leine genommen werden, wie eine Tafel an der Eingangstür mahnt. Der Name des Gasthauses hat mit dem in der Nähe befindlichen Gerichtsgebäude zu tun, in dem manche Verfahren über mehrere Instanzen verhandelt werden. Teile der alten Stadtmauer bilden die Rückseite des nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebauten Restaurants. Das Haus wurde erstmals 1561 urkundlich erwähnt. Als Trinkstube genutzt wurde das Haus erstmals 1621. Um 1715 nannten die Eigentümer die Schankwirtschaft "Zum Bierstübchen am Glockenspiel" in Anlehnung an das in der Parochialkirche nebenan installierte Geläut.

Der in der Nähe befindliche U-Bahnhof Klosterstraße ist schon wegen der dort an den Wänden angebrachten Bilder von historischen Straßenbahnen sowie Eisen- und Stadtbahnen einen Besuch wert. Die bunt bemalten Tafeln stammen aus DDR-Zeiten und geben einige Zielpunkte dieser Linien an. Eine Bronzeplatte am Ausgang erinnert an die über hundertjährige Geschichte der Berliner Untergrundbahn und würdigt jene Ingenieure und Architekten, die sich um sie gegen erhebliche Widerstände eines Teils der Öffentlichkeit und der Politik verdient gemacht haben. Ganz oben wird Werner von Siemens, der Vater der Berliner U-Bahn, gewürdigt.

Siehe auch auf dieser Internetseite Eintrag vom 19. Mai 2021 über die Waisenbrücke sowie vom 1. Juni 2021 über die Parochialkirche

17. Juni 2021

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