Bedeutsame Zeugnisse der Nachkriegsmoderne
Berliner Karl-Marx-Allee und das Hansaviertel wurden als Kandidaten für das Unesco-Weltkulturerbe aufgestellt





Die Fotos von der Stalinallee aus dem Jahr 1957 zeigt die Situation am U-Bahnhof Marchlewskistraße (ehemals Memeler Straße, heute Weberwiese) und das Frankfurter Tor mit Brunnen im Rondell. Der ehemals verlachte Zuckerbäckerstil findet mittlerweile heute bei Architektur- und Kunsthistorikern Gnade.



Die Akademie der Künste am Hanseatenweg 10 entstand 1959/60 nach Plänen von Werner Düttmann und enthält Tagungs-, Ausstellung-, Büro- und Gästeräume. Die "Liegende" aus Bronze, 1956 geschaffen von Henry Moore, lädt zum Besuch der Akademie der Künste am Hanseatenweg ein. In einem Hof sind weitere Skulpturen berühmter Bildhauer aufgestellt.



Im Wasserbecken vor der Kongresshalle spiegelt sich Bronzeskulptur "Butterfly" von Henry Moore aus den Jahren 1986/7.





Massiv wurde in der frühen DDR für den Beruf des Bauarbeiters und das Nationale Aufbauprogramm geworben und dabei die Großbauten des Sozialismus einschließlich der Wohnpaläste auf der Stalinallee gezeigt. Dass beim Bau mühsam Ziegel für Ziegel geschichtet wurden, haben die Plakate oder die Aufbaukarte nicht verschwiegen.



Die Sicht auf die in DDR-Zeiten zu Militärparaden und Kundgebungen benutzten Prachtstraße hat sich inzwischen geändert. Heute wird sie als städtebauliche Errungenschaft und interessantes Beispiel für neuzeitliches Bauen mit guten Wohnungen und vielen Möglichkeiten zum Einkaufen und für die Gastronomie gelobt. Millionen wurden in den vergangenen Jahren in die Sanierung der zum Teil maroden Wohnhäuser und Geschäfte gesteckt. Sehr viel Geld verschlang die Reparatur der mit hellen Fliesen verkleideten Fassaden. Dass sie ein Problem werden würden, hat man zur Erbauungszeit nicht geahnt oder wissen wollen.



Auf Reliefs der Erbauungszeit ehren Bauleute, die im Rahmen des Nationalen Aufbauprogramms an der Errichtung der Stalinallee mitgewirkt haben. Eine Tafel zitiert den DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck mit Worten aus dem Jahr 1952: "Lasst uns zusammen mit größter Wachsamkeit unser Aufbauwerk schützen, damit Wirklichkeit wird, wie es in unserer Nationalhymne heißt, und die Sonne schön wie nie über Deutschland scheint". (Fotos/Repros: Caspar)



Lorbeerkränze können schnell verwelken, und auch Lobeshymnen haben mitunter eine kurze Halbwertzeit. Die frühere Stalinallee und heutige Karl-Marx-Allee in Berlin ist ein treffliches Beispiel für die Vergänglichkeit von Ruhm und Ehre, aber auch für neue Bewunderung. Sie und das West-Berliner Hansaviertel könnten unterschiedlicher nicht sein. Beide Bauensembles stammen aus der vom Kalten Krieg sowie heftigem politischen Wettstreit der Systeme nach dem Zweiten Weltkrieg geprägten Epoche. Die Stalin- beziehungsweise ab 1961 Karl-Marx-Allee und das Hansaviertel sollen, wenn es nach dem Berliner Senat und Bürgerinitiativen geht, mit einem Platz auf der Liste des Weltkulturerbes "geadelt" werden, so wie es 1990 mit den Preußischen Schlössern und Gärten Berlin-Brandenburg, 1999 mit der Museumsinsel und 2008 bei den Wohnsiedlungen der Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts geschehen und für den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee geplant ist.

Die von der Unesco geführte Liste umfasst aktuell 962 Denkmäler und Ensembles in 157 Ländern. Die Bauten und Anlagen werden nur dann in die Liste des Welterbes aufgenommen, wenn sie die in der Konvention festgelegten Kriterien der Einzigartigkeit und der Authentizität bei Kulturstätten beziehungsweise der Integrität bei Naturstätten erfüllen und wenn ein überzeugender Erhaltungsplan vorliegt. Teile des Kultur- oder Naturerbes müssen nach der Definition von außergewöhnlicher Bedeutung sein und müssen als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit erhalten werden.

Mustersiedlung mit viel Grün

Das Hansaviertel am Rand des Tiergartens wurde zeitgleich wie die Stalinallee gebaut und ist ein wichtiges Zeugnis für die im damaligen West-Berlin favorisierte Nachkriegsmoderne mit ihren von viel Grün umgebenen Wohnblöcken. Es entstand nach dem Zweiten Weltkrieg auf einer ehemals dicht bebauten Fläche südöstlich der S-Bahnhöfe Tiergarten und Bellevue im Ergebnis eines städtebaulichen Wettbewerbs von 1953. Der Name Hansaviertel bezieht sich auf ein 1874 geschaffenes Wohngebiet zwischen der Spree und Großem Tiergarten, das von der Berlin-Hamburger Immobiliengesellschaft Hansa erschlossen wurde. Etwa 90 Prozent der Häuser wurden im Zweiten Weltkrieg durch alliierte Luftangriffe zerstört. Die Mustersiedlung Hansaviertel wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Interbau von 1957 zwischen 1955 bis 1960 errichtet und gilt als Inbegriff moderner Stadtplanung und Architektur jener Zeit und Beispiel für die so genannte Nachkriegsmoderne.

Was uns das im Spreebogen rund um den U-Bahnhof Hansaplatz und beiderseits der Altonaer Straße, an der Klopstockstraße und am Bartningring gelegene Hansaviertel sagt, legte das Landesdenkmalamt Berlin in der Publikation "Das Hansaviertel in Berlin - Bedeutung, Rezeption, Sanierung" dar. Das Buch in der Schriftenreihe des Landesdenkmalamtes hat 238 Seiten und zahlreiche Fotos und Karten, erschien 2007 im Michael Imhof Verlag Petersberg und kostet 29,95 Euro. Landeskonservator Jörg Haspel spricht im Geleitwort von einem attraktiven Wohnviertel und einer ungewöhnlichen Denkmaladresse und wertet das Hansaviertel als eines der bedeutendsten Zeugnisse der internationalen Nachkriegsmoderne. Vorgestellt werden Hochhäuser, flache Pavillons und Kirchen, aber auch gebaute Berühmtheiten wie die Kongresshalle, die Akademie der Künste und der Berlin-Pavillon an der Straße des 17. Juni. Das Buch macht mit Skulpturen im öffentlichen Raum ebenso bekannt wie mit praktischen Problemen der Fassadensanierung oder mit Umbaumaßnahmen unter den strengen Auflagen des Denkmalschutzes.

Bauten in öffentlicher Förderung

Das Hansaviertel war im alten West-Berlin das einzige, auf Trümmergrund erbaute Wohngebiet, das sich an Ideen der damaligen Moderne mit neu gegliederten Grundstücken und stark veränderten Straßen und Versorgungsnetzen. Die Bebauungspläne stammen von Gerhard Jobst, Willy Kreuer und Wilhelm Schließer und wurden mehrfach überarbeitet. Da Privatkapital kaum vorhanden war, entstanden fast alle Bauten in öffentlicher Förderung, wodurch sich das Neue Bauen leichter durchsetzen ließ. Die Neuordnung der 159 Altgrundstücke gestaltete sich schwierig und dauerte annähernd drei Jahre. Von 45 ursprünglich geplanten Anlagen wurden nur 36 verwirklicht. Es entstanden 1300 Wohneinheiten in zwei- und dreigeschossigen Wohnzeilen beziehungsweise hohen Punkthäusern.

Wie die Bauten aus früheren Jahrhunderten, so braucht auch das Hansaviertel Zuwendung, und dies in doppeltem Sinne. Es muss im öffentlichen Bewusstsein als etwas Besonderes und unbedingt Schützenswertes wahrgenommen und es muss gepflegt und saniert werden, auch wenn es noch nicht sehr alt ist. Die Nominierung für die Unesco-Liste des Weltkulturerbes verschafft dem Areal neue Aufmerksamkeit und Zuwendung, denn mit den Jahren traten Schäden und Veränderungen ein, und es sind Sanierungsmaßnahmen an den Gebäuden innen und außen nötig. Das Buch bietet Einsichten in ein interessantes Gebiet hauptstädtischer Denkmalpflege und wirbt dafür, die Bauten aus der Nachkriegszeit als wichtige Zeitzeugen und Kunstwerke anzuerkennen. Dass es da Defizite gibt, zeigt der häufig sorglose, ja ruppige Umgang mit solchen Bauten, deren Prominenz sie nicht unbedingt vor Abrissen, Verwahrlosung und Verschandelung bewahrt, wie traurige Verluste quer durch die Stadt zeigen.

Wohnpaläste mit Stil des sozialistischen Klassizismus

Dass die zwei Kilometer lange Karl-Marx-Allee zwischen Alexanderplatz und Proskauer Straße den Unesco-Status erhalten soll, verwundert, war das wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg von "sozialistischem Klassizismus" mit Anklängen an preußische Architektur des 19. Jahrhunderts geprägte, von der DDR-Propaganda hymnisch bejubelte Ensemble jahrzehntelang zumindest im Westen als "stalinistischer Zuckerbäckerstil" verschrien und unwürdig, dass man sich überhaupt mit den protzigen Wohnpalästen nach Moskauer Art ernsthaft beschäftigte. In einem Pionierlied von damals heißt es "Es wächst in Berlin, in Berlin an der Spree /ein Riese aus Stein in der Stalinallee. / Es ist ja kein Luftschloss, das kann es nicht sein / und wächst doch bis hoch in den Himmel hinein. / Die Sonne, der Mond, ja, die wundern sich sehr: / das wächst immer höher und wächst immer mehr. / Die Spatzen vom Alex, die pfeifen sich zu: / Na, seht doch den Riesen, der wächst immerzu."

Als Stalin noch hoch in Ehren stand und man hier Kundgebungen veranstaltete, versprach Ministerpräsident Otto Grotewohl am 3. Februar 1952 bei der Grundsteinlegung für den Block E Süd der Stalinallee: "Hier werden die besten Arbeiter Berlins einziehen, sie werden am besten wohnen." Knapp eineinhalb Jahre später, am 17. Juni 1953, lehrten eben diese Arbeiter ihre Machthaber das Fürchten, als sie von der Stalinallee zum Haus der Ministerien an der Leipziger Straße zogen und die Rücknahme der unverhältnismäßig nach oben geschraubten Normen und die Abhaltung freier Wahlen forderten, worauf binnen kurzer Zeit der erste und einzige Arbeiteraufstand in der DDR von sowjetischen Panzern niedergewalzt wurde.

Beim Gang durch die Karl-Marx-Allee sollte nicht vergessen, sein, dass der von der Roten Armee und den Sicherheitsorganen der DDR niedergeschlagene Volksaufstand vom 17. Juni 1953 hier seinen Anfang nahm. Aufgebrachte Bauarbeiter verlangten die Rücknahme drastischer Arbeitsnormen und bessere Bezahlung, kamen mit ihren Forderungen, denen sich sehr schnell Hunderttausende in der ganzen DDR anschlossen, nicht durch. Walter Ulbricht saß Dank sowjetischer Hilfe als SED-Chef und stellvertretender Ministerpräsident nach der Niederschlagung des Aufstandes fester denn je im Sattel. Ihm schickte Bertolt Brecht einen langen Brief, aus dem das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" nur diesen einen Satz zitierte: "Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen in diesem Augenblick meine Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands auszudrücken". Erst nach seinem Tod im Jahr 1956 wurde bekannt, dass Brecht kein Telegramm mit jenem kurzen Satz, sondern an Ulbricht einen langen Brief geschrieben hatte, in dem er ihn und die falsche Politik der Regierung für den Aufstand verantwortlich machte. In dem Schreiben betonte der Dichter seine Forderung nach Reformen, die auch diesen Namen verdienen. Selbstverständlich gingen Ulbricht und Co. auf den Brief nicht ein. Unterdrückt wurde auch ein Gedicht, dem Brecht die Überschrift "Die Lösung" gab: "Nach dem Aufstand des 17. Juni / ließ der Sekretär des Schriftstellerverbandes / in der Stalinallee Flugblätter verteilen, / auf denen zu lesen war, daß das Volk / das Vertrauen der Regierung verscherzt habe / und es nur durch verdoppelte Arbeit / zurückerobern könne. Wäre es da / nicht einfacher, die Regierung / löste das Volk auf / und wählte ein anderes?"

Attraktive Ladengeschäfte und moderate Mieten

Wer in die Karl-Marx-Allee ziehen durfte, und das waren nicht nur privilegierte Genossen, sondern auch Arbeiter, die tatkräftig bei der Enttrümmerung der Stadt und beim Bau der "Riesen aus Stein" geholfen hatte, wie es in dem Lied heißt, hatte ungewöhnlichen Komfort wie fließendes warmes und kaltes Wasser, eine Innentoilette mit Badewanne, einen Fahrstuhl, einen Müllschlucker und vielleicht auch einen Telefonanschluss. Zu attraktiven Ladengeschäften und Restaurants hatte man es nicht weit, ein Kino konnte man in wenigen Minuten erreichen. Die Mieten waren moderat, kein Vergleich, was aktuell zu zahlen ist. Heutige Bewohner befürchten die Umwandlung ihrer Wohnungen in Eigentumswohnungen und Rausschmiss wegen Eigenbedarfs der neuen Besitzer. Manch einer klagte dagegen und hatte Erfolg, andere suchten entnervt das Weite. Wegen steigender Mieten mussten Inhaber von Läden und Restaurants aufgeben, was dem einst so gepriesenen Flair der Straße nicht gut getan hat und auch heute unangenehm zu spüren ist.

In dem von Helmut Engel und Wolfgang Ribbe herausgegebenen Buch "Karl-Marx-Allee Magistrale in Berlin. Die Wandlung der sozialistischen Prachtstraße zur Hauptstraße im Berliner Osten" aus der Reihe "Publikationen der Historischen Kommission zu Berlin (Akademie-Verlag Berlin 1996, 224 Seiten, zahlreiche Abbildungen, ISBN 3-05-003059-3) haben Kunst- und Bauhistoriker, Architekten, Soziologen und andere Fachleute dargelegt, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg zum Bau der Stalinallee auf Ost-Berliner Trümmergrund kam, wer die Architekten waren und welchem politischem Einfluss sie unterlagen, welche Rolle die Magistrale in der damaligen DDR-Propaganda spielte und wie sie im Westen wahrgenommen wurde. Dargestellt sind in dem Buch auch die Mühen um die Sanierung des Bauensembles, wer die Bewohner sind und welches Schicksal die "Allee", wie man verkürzt auch sagt, nach dem Ende der DDR unter den Bedingungen der Marktwirtschaft hatte und was Kapitalanleger mit ihr zu tun haben. Schließlich wird die Frage beantwortet, wie man im damaligen West-Berlin auf die Stalinallee in Gestalt des Hansaviertels reagiert hat.

Lauter Autoverkehr und Unrat in Hinterhöfen

Geht man durch die Magistrale und fragt man die Bewohner, dann wird beklagt, dass sie viel zu breit ist und ein unerträglicher Autoverkehr sie durchbraust, den es zur Erbauungszeit ja noch nicht gab. Die Läden und Restaurants, wenn sie denn geöffnet haben, seien anders als früher wenig geeignet, dass man sich hier gern aufhält. Wer das möchte, sei viel besser in belebten Nebenstraßen oder gleich in andere Stadtbezirke aufgehoben, allen voran in Kreuzberg oder im Prenzlauer Berg, wo die Nacht zum Tag wird und der "Bär steppt", wie die Berliner sagen. Schaut man in die Höfe hinter den Wohnpalästen, dann sieht man wild wachsende Sträucher und Bäume sowie mit Graffiti beschmierte Hauswände und überall herumliegenden Unrat. Auch wurden schon Ratten gesehen. Bei der Restaurierung der desolaten Fassaden hat man vor Jahren die originalen Keramikfliesen und Ornamente, die an vielen Stellen bereits herunter gefallen waren, durch ebenso gefärbte Plastikverkleidungen ersetzt. Unterschiede sind kaum auszumachen.

Zurück in die Aufbauzeit. Feierlich ging es am 21. Dezember 1949 im Ostteil der Viermächtestadt zu. Überall waren Stalin-Bilder aufgehängt, massenhaft wurden Gruß- und Ergebenheitsadressen zu Stalins 70. Geburtstag abgesondert. Die DDR-Presse überschlug sich in Lobpreisungen. Staatsdichter schrieben Elogen auf den größten Führer des Weltproletariats und Bezwinger Hitlerdeutschlands. Das SED-Politbüro tat noch ein Übriges, als es beschloss, die in Trümmern liegende Große Frankfurter Straße und einen Teil der Frankfurter Allee in Stalinallee umzubenennen.

Nach sowjetischen Vorbild im Stil der "Natitradi"

Mit dem Bau der neuen Magistrale nach sowjetischem Vorbild, aber auch im Sinne der abgekürzt und intern "Natitradi" genannten "Nationalen Traditionen der Baukunst", wie es in dem erwähnten Buch über die Stalinallee heißt, wollten die ostdeutschen Parteiführer ein Zeichen setzen. Seit dem Mittelalter ein wichtiger Handelsweg nach Osteuropa, bekam die Stalinallee palastartige Wohnhäuser, mit denen sich die junge DDR als das "neue und bessere Deutschland" präsentierte, über das "schön wie nie" die Sonne scheint, wie es in der von Johannes R. Becher verfassten Nationalhymne heißt. Durch die Namensgebung sollte die in einer großen Kraftanstrengung gebaute Magistrale die Verbundenheit der DDR mit der Sowjetunion und ihrem, wie man sagte, großen Führer Josef Stalin unterstreichen. Sein von dem sowjetischen Bildhauer Nikolai Tomski geschaffenes Bronzedenkmal gegenüber der Deutschen Sporthalle wurde erst fünf Jahre nach Stalins Entlarvung als Massenmörder durch Nikita Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU klammheimlich in der Nacht vom 13. zum 14. November 1961 abgebaut. Die Bronze diente zum Guss neuer Figuren im Berliner Tierpark.

Bis nach dem Beschluss vom 21. Dezember 1949 die ersten Häuser endlich in die Höhe schossen, dauerte es allerdings noch zwei Jahre. Bis dahin deuteten lediglich neue Straßenschilder auf das ehrgeizige Projekt. Zwei erhalten gebliebene Laubenganghäuser von eher bescheidenem Design am U-Bahnhof Marchlewskistraße erinnern an ursprüngliche Absichten, die Stalinallee im Sinne der von den Nazis unterdrückten Bauhaus-Tradition zu errichten. Dass die von Egon Hartmann, Hans Henselmann, Hanns Hopp, Kurt Leucht, Richard Paulick, Karl Souradny und anderen Architekten in Zusammenarbeit mit der Berliner Bauakademie geplanten sieben- bis dreizehngeschossigen Hochhäuser mit viel Zierrat und Türmchen unter Verwendung von Ziegeln aus Kriegsruinen sehr schnell aus dem Boden gestampft wurden, unterstreicht die politisch motivierte Umorientierung der SED-Führung und DDR-Regierung auf die sowjetische Monumentalarchitektur. Nebenbei gesagt blieb der Ostberliner U-Bahn ein Umbau nach dem Vorbild der Moskauer Metro erspart. Die Kosten wären immens gewesen und hätten in keinem Vergleich zum Prestigegewinn gelegen, den Stalin mit diesem gigantischen Projekt in den 1930-er Jahren eingestrichen hatte.

Friedenstauben und patriotische Slogans

Die Stalinallee wurde zum wichtigsten Projekt des Nationalen Aufbauprogramms in der DDR. Begleitet von unermüdlicher Propaganda und den ganzen Tag im Radio plärrenden Lobeshymnen entstand ein Block nach dem anderen, geschmückt mit Friedenstauben, Bauarbeitern und patriotischen Slogans. Während andere ostdeutsche Städte noch in Trümmern lagen, demonstrierte der Arbeiter-und-Bauern-Staat mit diesem Großprojekt vermeintlich wirtschaftliche Stärke und politische Geschlossenheit. Ein Besuch der Stalinallee wurde als besonderes Erlebnis gepriesen. Zahlreiche Berliner und Besucher aus der DDR-Provinz drückten sich an den Schaufenstern die Nasen platt und zogen sich besonders gut an, wenn sie auf der Magistrale flanierten. Mit Absicht waren die teuren HO- und Konsumläden und das 1954 eröffnete Kinderkaufhaus am Strausberger Platz mit Lebensmitteln sowie Textilien und anderen Waren des täglichen Bedarfs weitaus besser bestückt als die draußen im Lande, und außerdem lockten zahlreiche Restaurants mit besseren Angeboten und erträglichen Preisen.

Ob die im Osten als Krone sozialistischer Baukunst gepriesene und lange Zeit im Westen als Zuckerbäckerstil verlachte ehemalige Stalinallee und heutige Karl-Marx-Allee gemeinsam mit dem Hansaviertel auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt werden wird sich zeigen. Die Entscheidungsprozesse bei den zuständigen Gremien dauern und dauern.

11. August 2021

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"