Mit dem Duden gut informiert
Regelwerk zur deutschen Rechschreibung blickt auf eine 150-jährige Geschichte zurück



Konrad Duden (1829-1911), der Vater der einheitlichen deutschen Rechtschreibung, kam am 3. Januar 1829 auf Gut Bossigt in Lackhausen, heute ein Stadtteil von Wesel, zur Welt. Zu seinem 100. Todestag enthüllte ein Bürgerforum dort seine Büste.



Im Kurpark von Bad Hersfeld erinnert ein Gedenkstein an Konrad Duden, hier von 1876 bis 1905 Direktor der Klosterschule war. Das Bronzedenkmal zeigt den Rechtschreibreformer, wird im Stiftsbezirk vor dem Katharinenturm in seiner Heimatstadt Wesel mit einem Denkmal aus Bronze geehrt. Das Pendant dieser Skulptur erinnert an Konrad Zuse, den Erfinder des Computers.



Die Bundesrepublik Deutschland ehrte Konrad Duden 1980 anlässlich der Herausgabe seines berühmten Rechtschreibewerks. (Repros: Caspar)

Die Reichseinigung von 1871, vor nunmehr 150 Jahren, verschaffte den Deutschen eine neue Verfassung und verbesserte das Justiz-, Polizei und Militärwesen. Mit ihr wurde im Deutschen Reich die Gemeinschaftswährung Mark und Pfennig eingeführt. Sie gab dem Ausbau der Straßen und Eisenbahntrassen enorme Impulse und half bei der Reform des Postwesen und anderer für einen funktionierenden Staat wichtiger Neuerungen. Da in den Regionen jeder sprach und schrieb, wie ihm der Schnabel gewachsen war, gab es auf diesem Gebiet ein das Zusammenwachsen der Deutschen hinderliches Durcheinander.

Damit richtiges Schreiben nicht Glücksache ist, gibt es seit fast 150 Jahren den Duden. Benannt nach seinem Urheber Konrad Duden, erlebte das Nachschlagewerk zahllose Auflagen und Veränderungen, zuletzt bei der großen Rechtschreibreform von 1996 zur Vereinfachung der Rechtschreibung im deutschsprachigen Raum. Da sie zwischen Befürwortern und Gegnern umstritten war und es Schwierigkeiten bei der Umsetzung gab, mussten zehn Jahre später besonders strittige Punkte überarbeitet werden. In den Schulen wird die reformierte Rechtschreibung gelehrt, viele Verlage wenden eigene, von den Vorgaben des Duden abweichenden Hausorthographien an. Teile der Reform von 1996 mussten inzwischen zurückgenommen werden, weil sie sich als nicht praktikabel und überzogen erwiesen hatten. Schaut man in unsere Printmedien und in Bücher, in denen das Motto "Jeder schreibt wie er will" gilt, erkennt man ein ziemliches Wirrwarr, etwa was die Groß- und Kleinschreibung, die Auseinander- und Zusammenschreibung oder die Verwendung des f statt ph,k nicht zu vergessen die Zeichensetzung, bei der auch heute viele Leute unsicher sind.

Geschlechtersensible Online-Ausgabe

Aktuell steht die "geschlechtersensible Online-Ausgabe" des Duden in der Kritik. Dort werden laut Verlagsangaben alle rund 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen so geändert, dass es künftig statt eines Wortartikels einen solchen für die männliche und einen für die weibliche Form gibt. So gibt es beispielsweise für "Arzt" und "Ärztin" je einen eigenen Eintrag. Im Online-Duden ist ein künftig Mieter nicht mehr "jemand, der etwas gemietet hat", sondern eine "männliche Person, die etwas gemietet hat". Ein Schüler wird definiert als "Junge, Jugendlicher, der eine Schule besucht". Damit verschwindet faktisch das sogenannte generische Maskulinum bei Personenbezeichnungen, das heißt eine geschlechtsneutrale Bedeutung, die sich auf Männer und Frauen gleichermaßen bezieht.

Die Neuerungen kommen nicht gut an. Von Sprachwillkür und Verhunzung der deutschen Sprache und idenditärer Obsession ist die Rede. Es sei absurd, wenn verlangt wird, Schüler und Lehrer nicht mehr Schüler und Lehrer zu nennen, sondern immerzu die männliche und weibliche Form zu verwenden, um beiden Geschlechtern gerecht zu werden und niemand auszuschließen. In den Medien sowie im Radio und Fernsehen liest und hört man immer mehr Ausweichbegriffe wie Lernende oder Lehrende für Schüler/Schülerin beziehungsweise Lehrer/Lehrerin, oder es ist von Geflüchteten statt von Flüchtlingen, von Helfenden statt Helfern oder Mitarbeitenden statt Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Rede. Würde man den Faden konsequent weiter spinnen, dürfte man nicht mehr sagen und schreiben "Ich gehe zum Bäcker" sondern "Ich gehe zum Bäcker/Bäckerin" oder noch extremer aber "dudenmäßig" korrekt und um niemand zu vergessen "Ich gehe zu den Backenden".

Tote Radfahrende statt Radfahrer

In seiner Kolumne "Der Duden schafft sich ab" beschreibt der Historiker Götz Aly am 12. Januar 2021 in der Berliner Zeitung was passiert, wenn man der geschlechtersensiblen Online-Bearbeitung des Duden folgt. "Würde ich diesen Sprachquark mitmachen, dann müsste ich zum Beispiel Sätze wie diese bilden: .Jüdinnen und Juden sind in Deutschland zunehmendem Antisemitismus ausgesetzt. Deshalb haben sich Initiativen der Judenschaft gebildet, um die Angriffe auf sich und ihre Mitbekennenden abzuwehren.' Grausam. Die ,toten Radfahrenden' zählen zu den beliebtesten Stilblüten des rot-rot-grünen Berliner Senats. Merke: Das Partizip I bezeichnet - auch in substantivierter Form! - ein Tun, das gerade ausgeübt wird. Ein Radfahrender kann weder im Sarg liegen noch in der Kneipe hocken. Allerdings kann ein schwer verletzter Radfahrer ein Sterbender sein."

Die Leiterin der Duden-Redaktion, Kathrin Kunkel-Razum, hat die Umstellung des Online-Wörterbuchs auf "gendersensible Sprache" gegen Kritik verteidigt. Im Deutschlandfunk Kultur sagte sie am 10. Januar 2021, selbstverständlich sage man "Ich gehe zum Bäcker, zum Fleischer oder zum Arzt". Damit sei aber die Einrichtung gemeint, also zum Beispiel der Bäckerladen oder die Arztpraxis. Aber wenn man über konkrete Personen spreche, dann werde das "generische Maskulinum zunehmend infrage gestellt." Das sei ein Phänomen, das die inzwischen breite Masse erfasst habe. Ob das wirklich so ist, muss bezweifelt werden. Nach wie vor wirken Gendersternchen bei Besucher*innen oder Professor*innen befremdlich, und wenn man diese Wörter ausspricht, hört man nur die weibliche Form, es sei, der Sprecher macht zwischen der männlichen und weiblichen Form eine winzige Pause, was sich nicht gut anhört und verwirrt.

Kaiser wollte vom "Thron" nicht lassen

Bis ins späte 19. Jahrhundert herrschte ziemlicher Wirrwarr in der deutschen Orthografie. Man schrieb, wie einem der Schnabel gewachsen war oder meinte, dass man schreiben müsste. Dem Gymnasiallehrer Duden, der von Hause klassischer Philologe, Germanist und Historiker war, war die Schaffung und Durchsetzung einheitlicher Rechtschreibregeln eine Herzensangelegenheit. Er vertrat seine Ideen in zahlreichen Büchern, so in der "Deutschen Rechtschreibung" (1872), der "Zukunftsorthographie" (1876) und dem "Vollständigen orthographischen Wörterbuch der deutschen Sprache" (1880), aus dem sich der sprichwörtliche Duden entwickelte. Aus Styl wurde Stil, und aus Hülfe Hilfe, und viele bis dahin mit "th" geschriebene Worte wie Thal, Thaler, Rath und That, Thee statt Tee, Thür und Thun verloren das antiquierte und zudem nicht ausgesprochene "h". Als 1901 die von Duden publizierte Rechtschreibung amtlich wurde, wurden viele Wörter eingedeutscht geschrieben. Das betraf jedoch nicht den aus dem Griechischen stammenden "Thron" (griech. thrónos = Stuhl, Herrschersitz). Kaiser Wilhelm II. verwahrte sich gegen die Schreibung "Tron", denn er wollte seinem Herscherstuhl nicht das funktionslose "h" nehmen lassen. So ist es bis heute, Reform von 1996 hin oder her.

Nicht verwirklicht wurde Dudens Plan zur generellen Kleinschreibung, wie sie schon Mitte des 19. Jahrhunderts im berühmten Deutschen Wörterbuch der Sprachgelehrten und Märchensammler Jacob und Wilhelm Grimm mit Ausnahme von Satzanfängen und Eigennamen angewandt wurde. Dass der Duden damals wie heute Ungereimtheiten und Widersprüche enthält, ist allgemein bekannt, doch das Regelwerk muss und wird nicht sklavisch angewandt, sondern erlaubt manche Freiheiten. Dass man in Zeitungen und Büchern manchmal haarsträubende Druckfehler findet, ist auf Schlamperei, Zeitmangel und fehlendes Korrekturlesen zurückzuführen. Die am Computer verwendeten Korrekturprogramme sind nicht immer hilfreich. Wer sich auf sie blind verlässt, riskiert Fehler und Dummheiten.

Wie Schüler schreiben und sich ausdrücken

Konrad Duden besuchte von 1838-1846 das Gymnasium in Wesel und schloss 1846 mit dem Abitur ab. Danach studierte er bis 1848 in Bonn Philosophie, Klassische Philologie, Germanistik und Geschichte. Während des Studiums nahm er während der Revolution von 1848/9 an Demonstrationen der Burschenschaften teil. Bald darauf ging er nach Frankfurt am Main, um eine Stelle als Hauslehrer anzutreten. Duden machte 1854 in Bonn sein Staatsexamen, begann in Soest ein Probejahr als Lehrer und promovierte zugleich in Marburg über die "Antigone" des Sophokles. Sein Probejahr in Soest brach Duden vorzeitig ab, um in Genua eine Hauslehrerstelle anzunehmen. In Lindau am Bodensee lernte er Adeline Jakob, die Tochter des preußischen Konsuls in Messina kennen, die er 1861 heiratete. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor. 1859 wurde Duden Lehrer am Gymnasium in Soest und zehn Jahre später Gymnasialdirektor im thüringischen Schleiz, wo er 1871 einen Allgemeinen Bildungsverein als Frühform der Volkshochschule gründete. Er notierte auffällige Ausdrucks- und Schreibweisen seiner Schüler, denn eine einheitliche Rechtschreibung gab es damals noch nicht. In Schleiz gab es keine einheitliche Schulorthographie, wie sie andernorts bereits üblich war. Diesem Missstand, der gerade die Schüler besonders verunsicherte, ging Duden nach und veröffentlichte im Jahresbericht des Schleizer Gymnasiums 1871, also vor genau 150 Jahren, unter dem Titel "Zur deutschen Rechtschreibung" wissenschaftlich begründete Regeln mit kurzen Erläuterungen. Duden folgte dabei dem phonetischen Prinzip "Schreibe, wie Du sprichst", das allerdings sehr umstritten war und ist, wenn man an Dialekte und undeutliche Sprechweise denkt, die dann in Schrift umgesetzt werdeen müssen. 1872 veröffentlichte er die "Deutsche Rechtschreibung", die als sogenannter Schleizer Duden in die Geschichte einging. Es folgte 1878 die "Anleitung zur Rechtschreibung".

Österreich und die Schweiz schlossen sich an

Dass Duden nicht überall Begeisterung empfing zeigt die Tatsache, dass 1876 die erste Konferenz zur "Herstellung größerer Einigkeit in der deutschen Rechtschreibung" am Einspruch von Reichskanzler Otto von Bismarck scheiterte. Im selben Jahr übernahm Duden die ihm angebotene Leitung des Gymnasiums in Hersfeld und übte diese Stellung bis zu seiner Pensionierung aus. 1880 gab er sein Hauptwerk, das "Vollständige orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache" heraus. Auf einer Orthographischen Konferenz 1901 in Berlin beschlossen Vertreter aller deutschen Bundesstaaten und Österreichs eine einheitliche deutsche Rechtschreibung auf der Grundlage von Dudens Wörterbuch sein. Ein Jahr später wurden durch einen Bundesratsbeschluss Dudens "Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis" für alle deutschen Bundesstaaten für verbindlich erklärt. Österreich und die Schweiz schlossen sich an. Im Sommer 1905 ging Duden in den Ruhestand und siedelte nach Sonnenberg bei Wiesbaden über, wo er am 1. August 1911 verstarb.

Seit der neunten Auflage von 1905 erscheint sein Wörterbuch unter dem Titel "Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache und Fremdwörter." Bis heute ist es als Nachschlagewerk für Rechtschreibung unerlässlich und wird ständig überarbeitet. Während der Teilung Deutschlands gab es je eine Dudenredaktion in Leipzig und Mannheim mit eigenständigen Ausgaben. "Die Marke Duden gehört zur Verlagsgruppe Bibliographisches Institut GmbH in Berlin, die wiederum Teil der Unternehmensgruppe Cornelsen ist. Duden, seit jeher gleichzusetzen mit ,Wörterbuch', ist die verlässliche Instanz für alle Themen rund um die deutsche Sprache und Rechtschreibung", lautet die Eigenwerbung der Verlagsgruppe im Internet. "Unsere Nachschlagewerke stehen für höchste Kompetenz: Wir geben Sicherheit in allen sprachlichen Fragestellungen und zeigen das spannende Spektrum der deutschen Gegenwartssprache. Das Portfolio des Dudenverlags umfasst gedruckte und digitale Wörterbücher, Sachbücher, Ratgeber, digitale Services und Lernprodukte für Kinder. Unser Qualitätsversprechen, unsere Verlässlichkeit und unsere Kompetenz finden sich in all unseren Produktlinien und -angeboten."

12. Januar 2021

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