Liebe und Leid im Hause Hohenzollern
Die vor 270 Jahren in Prenzlau geborene Preußenkönige Friederike Luise hatte an der Seite Friedrich Willhelms II. wenig zu lachen



Friederike Luise, eine geborene Prinzessin von Hessen-Darmstadt, führte an der Seite von Friedrich Wilhelm II. am preußischen Hof ein ziemlich freudloses Leben wie in einem goldenen Käfig. Der König überließ das Regieren zwielichtigen Personen und gab sich viel lieber der Musik und seinen Mätressen hin. Auf der Grafik rechts greift die Gräfin Lichtenau in die königliche Kasse.



Friedrich Wilhelm II. zwischen Wilhelmine Ritz, genannt Gräfin Lichtenau, und seiner Gemahlin Friederike Luise im, Potsdamer Neuen Palais.



Die Medaille von 1786 lobt die neue Königin Friederike Luise als "des besten Baums herrlichster Schmuck".



Der 1805 verstorbenen Königin Friederike Luise wurde im Berliner Dom eine ihrem Rang angemessene Totenfeier bereitet, ihr Sarg mit der Nummer 62 kann in der Hohenzollerngruft betrachtet werden. Der im Zweiten Weltkrieg zertrümmerte Sarg (rechts) birgt die Gebeine Friedrich Wilhelms II. (Fotos/Repros: Caspar)

Wenn es im Hause Hohenzollern um die Heirat von Prinzen und Prinzessinnen ging, war man sehr pingelig. Liebe und Zuneigung entschieden selten. Wichtiger war die fürstliche Abstammung der Brautleute, denn ein adliger Stammbaum allein reichte nicht aus. So wurde dem nachmaligen preußischen König und - ab 1871 - deutschen Kaiser Wilhelm I. verwehrt, seine Geliebte Elisa Radziwill zu ehelichen. Die junge Dame stammte aus uraltem polnischen Adelsgeschlecht, ihr Vater trug gar einen Fürstentitel. Aber die schöne Elisa war nicht ebenbürtig, und das war der Haken. Als das Liebespaar unter Tränen voneinander Abschied genommen hatte, wurde eine Hochzeit mit Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar arrangiert. An der Verbindung zwischen den Hohenzollern und den Wettinern war nichts zu mäkeln, und die Thronfolge ohne Fehl und Tadel war gesichert.

Auch beim preußischen König Friedrich Wilhelm II., genannt dicker Wilhelm, lagen Liebe und Leid dicht beieinander. Der lebenslustige Neffe und Nachfolger von Friedrich II., dem Großen, nahm es mit der ehelichen Treue nicht ernst. Schon als Thronfolger war er in mehrere Amouren verwickelt, was seinen Onkel, den Alten Fritz, sehr störte. "Nichts als Unglück aber sehe ich für die voraus, die ihrer Trägheit nachgehen und den Dingen ihren Lauf lassen, statt einzugreifen, bei denen Bequemlichkeit und Schlaffheit über ihre Pflicht siegen, so dass sie die Leitung der Armee und des Staates in andere Hände legen. Ich wünsche, dass dergleichen nie vorkommt. [...] Für Dich arbeite ich, aber Du musst darauf sehen, dass Du bewahrst, was ich schaffe. Bist Du träge und indolent, wirst Du zwischen Deinen Händen zerrinnen sehen, was ich mit soviel Mühe zusammengebracht habe", schrieb er dem Thronfolger ins Stammbuch. An dem begeisterten Cellospieler und wenig wählerischen Liebhaber kritisierte Friedrich der Große mangelndes Interesse an Politik und Militärwesen. "Wenn aber nach meinem Tode mein Herr Neffe in seiner Schlaffheit einschläft, wenn er in Sorglosigkeit lebt; wenn er, verschwenderisch, wie er ist, das Staatsvermögen verschleudert und wenn er nicht alle Fähigkeiten seiner Seele neu aufleben lässt - sehe ich voraus, dass Herr Joseph (der römisch-deutsche Kaiser Joseph II., H. C.) ihn über den Löffel barbieren wird und dass in dreißig Jahren weder von Preußen noch vom Hause Brandenburg die Rede sein wird", notierte Friedrich II. in seinen "Betrachtungen über den politischen Zustand Europas". In der Tat büßte Preußen 20 Jahre später im Krieg gegen das napoleonische Frankreich seine Großmachtstellung ein, doch regten sich Reformkräfte, die alte Zöpfe abschnitten und das Land aus einem schlimmen Tief in eine neue Zukunft führten.

Zierde des Jahrhunderts und himmlisches Weib

Als Friedrich Wilhelms erste Frau, Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg, es dem Gatten gleich tat und sich mit Gardeoffizieren verlustierte und das bekannt wurde, war der Skandal am preußischen Hof perfekt. Friedrich II. zögerte nicht lange, ließ die Ehe scheiden und verbannte Elisabeth vom preußischen Hof. Beim Abschied aus Berlin soll sie gesagt haben, sie wolle lieber trocknes Brot essen "als länger mit meinem dicken Tölpel leben." Dieser fackelte nicht lange und nahm wenig später die am 16. Oktober 1751 in Prenzlau als Tochter des späteren Landgrafen Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt geborene Prinzessin Friederike Luise von Hessen-Darmstadt zur Frau. Über ihre Kindheit in der uckermärkischen Garnison wenig bekannt, man weiß nur, dass ihr Vater dort als preußischer Offizier Dienst tat und es in seinem Haus vergleichweise bescheiden zuging. Friedrich II. arrangierte die Hochzeit, wohl auch, weil er die Mutter der Braut, die am preußischen Hof gern gesehene Landgräfin Caroline Henriette Luise, schätzte. Von keinem Geringeren als Johann Wolfgang von Goethe auch Große Landgräfin genannt und von Friedrich II. "Zierde und Bewunderung des Jahrhunderts" gelobt, gilt sie als eine der geistreichsten Frauen des Rokokos und der Aufklärung.

Von diesem "himmlischen Weib", wie man die berühmten Landgräfin auch nannte, scheint ihre Enkelin Friederike Luise wenig abbekommen zu haben. Sie wird als merkwürdige Erscheinung geschildert, aber irgendwie hatte die 1769 geschlossene Ehe mit Friedrich Wilhelm II. Bestand und sicherte die Thronfolge. "Dass der König mit seiner Gemahlin so gut zu leben trachtete, wie es möglich war, bewiesen die sechs Kinder, die er mit ihr gezeugt hatte", schrieb der preußische Generalleutnant Friedrich August von der Marwitz. Unter diesen Kindern war der 1770 geborene König Friedrich Wilhelm III., der mit Luise von Mecklenburg-Strelitz eine liebevolle, mustergültige und durch Luises Tod 1810 leider viel zu kurze Ehe führte. Aus ihr gingen die Preußenkönige Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. hervor. Letzterer wurde 1871 zum deutschen Kaiser Wilhelm I. ausgerufen und starb 1888.

Mätressen- und Günstlingswirtschaft

Nach der Geburt des jüngsten Sohns Wilhelm wollte Friederike Luise keine weitere Schwangerschaft mehr, denn man hatte ihr eingeredet, dass die nächste tödlich enden würde. Für Friedrich Wilhelm II. wäre das ein Scheidungsgrund gewesen, aber er tolerierte die Entscheidung seiner Frau, auch weil erneuter europäischer Hofklatsch zu befürchten war und er auf eigenen Liebespfaden unterwegs war. Unter Friedrich Wilhelm II. blühte die Mätressen- und Günstlingswirtschaft, wie sie Preußen noch nie gekannt hatte. Der Monarch überließ das Regieren zwielichtigen Personen, wobei doch die schwierigen Zeiten vor und nach der französischen Revolution von 1789 kluge Politiker und Militärs gebraucht hätten.

Besonders zugetan war Friedrich Wilhelm der schönen, noch blutjungen Wilhelmine Encke. Er verschaffte der Tochter eines Trompeters eine gute Bildung und gab sie dem Geheimen Kämmerer Ritz pro forma zur Frau. Der König und seine zur Gräfin Lichtenau erhobene Geliebte hatten mehrere gemeinsame Kinder. Von Historikern analog zu einer Geliebten des französischen Königs Ludwig XV. "preußische Pompadour" genannt, hatte sie maßgeblichen Einfluss auf den "vielgeliebten" Neffen und Nachfolger König Friedrichs II., des Großen.

In Friederike Luises Augen waren alle diese Damen nichts anderes als Mätressen, sie aber war die unbestrittene Königin von Preußen. Der schon erwähnte Marwitz schrieb, sie sehe Geister und Gespenster, schlafe bei Tag und wache in der Nacht, habe immerzu große Hitze und sitze im Sommer wie im Winter am Fenster "im bloßen Hemde". Sie sei vor der Zeit hässlich und krumm geworden, "so dass sie sich, erst einige 40 Jahre alt, schon den Kopf mit der Hand in die Höhe halten musste, wenn sie jemand ansehen wollte. Kurz, sie war ein unangenehmes Frauenzimmer, von niemandem geliebt." Was an diesem harschen Urteil zutrifft, kann nicht gesagt werden, denn es gibt auch andere und freundlichere Beobachtungen.

Schneller Tod nach Schlaganfall

Friederike Luise war eine kranke Frau, sie litt an der Gicht. Kaum jemand in ihrer Umgebung hielt es für nötig, ihr über rein zeremonielle Floskeln hinaus gehende Zeilen zu widmen. Man hielt sie für wankelmütig und schwach und bemerkte, dass sie undeutlich, quasi in sich hinein spricht. Hofdame Karoline von Rochow, die Schwester des erwähnten Marwitz, behauptete, die Königin habe Visionen und sogar den römischen Kaiser Galba auf einem weißen Pferd in ihr Zimmer reiten gesehen. Mit einem Wort, niemand konnte etwas mit Friederike Luise anfangen. Ihr eigener Sohn, seit 1797 als Friedrich Wilhelm III. auf dem preußischen Thron, hielt Abstand zu ihr. Als die Vierundfünfzigjährige im Januar 1805 einen Schlaganfall erlitt, soll er sehr bewegt und voll kindlichster Teilnahme gewesen sein. Lediglich sein jüngerer Bruder Prinz Wilhelm, nicht zu verwechseln mit dem späteren König und Kaiser Wilhelm I., hielt zu der Kranken, die nicht mehr sprechen konnte und gelähmt war. Vor Angst um seine Mutter wurde Wilhelm selber krank.

Als Friederike Luise am 25. Februar 1805 gestorben war, schrieb Prinz Wilhelm an seinen Bruder Friedrich Wilhelm III.: "Ich habe viel, sehr viel an ihr verloren; sie war so innig, so herzlich gegen mich." Da Hoftrauer befohlen war, zog sich der in "Tristesse" (Trauer, Schwermut) verfallene König in seine Gemächer zurück und empfing niemanden, nicht einmal seinen Außenminister (und späteren Staatskanzler) Karl August von Hardenberg, obwohl die Zeit wegen der napoleonischen Kriege hoch gefährlich war und sich Preußen auf einen Krieg gegen den Kaiser der Franzosen vorbereitete. Ein Biograph behauptet, diese Pause sei dem wenig entschlussfreudigen Monarchen mit dem Spitznamen "Melancholiker auf dem Thron" ein willkommener Anlass gewesen, Entscheidungen auszuweichen.

6. Oktober 2021

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