Als der erste preußische König Friedrich I. am 25. Februar 1713 in Berlin starb, sank eine pracht- und prunkvolle Epoche dahin. Zwar richtete der Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm I. dem teuren Toten ein prächtiges Staatsbegräbnis aus und ließ von Andreas Schlüter einen vergoldeten Prunksarg herstellen, der im Berliner Dom neben dem ebenfalls vom gleichen Künstler geschaffenen Sarg der ersten Königin Sophie Charlotte steht. Wer erhofft hatte, beim neuen Landesherren Karriere zu machen und ihm schmeicheln zu müssen, wie es unzählige Hofschranzen zuvor bei Friedrich I. getan hatten, täuschte sich, ausgenommen tüchtige Beamte und besonders hoch gewachsene Soldaten.
Der königliche Zuchtmeister jagte Hofschranzen aus ihren Ämtern und steckte Lakaien in die preußische Armee, die er gezielt zu einer starken Kampftruppe ausbilden, aber kaum Pulverdampf und Kanonendonner aussetzen ließ. Die von seinem Vater Friedrich I. gegründeten Akademien der Künste und der Wissenschaften versanken in einen Dornröschenschlaf. Da der Soldatenkönig höhere Bildung für leeren Formelkram hielt, wurden Gelehrte und Künstler schlecht behandelt und entlassen, sofern sie nicht Gott, der Monarchie und den Soldaten nützlich waren. Als Kronprinz hatte Friedrich Wilhelm ohnmächtig zusehen müssen, wie hart erarbeitete, dem Volk durch schwer zu zahlende Steuern abgepresste Taler leichthändig verschleudert wurden, um barocke Luxusbedürfnisse zu befriedigen. Zwielichtige Berater profitierten von der Vetternwirtschaft und saugten das Land aus. 1713 auf den Thron gelangt, setzte der König Direktorien zur Straffung und Überwachung der Verwaltung ein.
Preußischer Beamtenstaat war geboren
Der preußische Beamtenstaat war geboren, doch wer annimmt, dass nun alles gut war, der irrt gewaltig. Die regelmäßige Androhung härtester Strafen für Faulheit und "Unterschleiff", also Unterschlagung und Selbstbedienung, sowie der Vollzug von Todesstrafen selbst für kleine Vergehen sagt nichts anderes, als dass es Misswirtschaft und Korruption gab und es mit der straffen Ordnung im Staate der Hohenzollern wohl nicht sehr weit her war. "Sparen und Plusmachen" nannte der, was seinen persönlichen Lebensstil betraf, sparsame, stets in blauer Offiziersuniform gekleidete König das Ziel seiner Politik. Die Kassen sollten sich wieder mit harten Talern füllen, eine Reserve für harte Zeiten wurde gebildet. Aus diesem Grunde erfreuten sich Handwerk und Manufakturwesen auch seiner Gunst, vor allem wenn sie der Armee dienten.
Es hagelte Edikte und Verordnungen, um die Ausgaben des Staates und eines jedes Untertanen, aber auch um Einfuhren von auswärts und das Abwandern preußischen Geldes ins Ausland zu drosseln. Da die Einnahmen nicht ausreichten, zog der König die Steuerschraube drastisch an, was die Binnennachfrage, wie wir heute sagen würden, beeinträchtigte. Wie dem auch sei, der Monarch trug die Schulden seines Vaters ab und sammelte einen beachtlichen Staatsschatz an. Der lag in den Tresoren der königlichen Schlössern, war aber auch in Gestalt schwerer Silbergefäße angelegt, die der Monarch in Augsburg und Berlin anfertigen ließ, um sie, wenn es denn sein musste, einschmelzen und in klingende Münze verwandeln zu lassen.
Ordre parieren und den Mund halten
Da man in Preußen war, gab es für nahezu jede Lebensregung Verordnungen mit vielen Paragraphen. Ein Heer von Juristen wurde mit ihrer Abfassung beschäftigt, viele Edikte wurden ihnen vom König in die Feder diktiert, eine Kontrolle über Sinn und Rechtmäßigkeit der Befehle fand im absolut regierten Preußen (und nicht nur dort!) nicht statt. Der König wollte alles wissen und alles entscheiden. Wer nicht Ordre parierte und sich beschwerte, bekam seinen Zorn zu spüren. Gefürchtet waren seine Randbemerkungen auf amtlichen Schriftstücken wie "Kuhlwein ist ein Narre, soll mir im arß lequen" oder "Ihr sollet wissen, dass in Spandow die Schub=Karre euch erwartet", was nicht anders bedeutet, dass der Gescholtene auf die Festung Spandau geschickt wird und dort, an eine Schubkarre gekettet, Zwangsarbeit leisten muss. Solche Einschüchterungen förderten Duckmäusertum und Angst vor kühnen Ideen und Reformen des altpreußischen Staates.
Dass Friedrich Wilhelm I. kaum Kriege führte im Gegensatz zu seinem Sohn Friedrich II., der 1740 den Thron bestieg und sich sofort mit Österreich wegen seiner Ansprüche auf Schlesien anlegte, ist sicher diplomatischem Geschick und der Zurückhaltung geschuldet, die teuer angeworbenen Soldaten im Felde einzusetzen - und zu verlieren. Preußen verdankte die relativ ruhige Zeit bis 1740 einer gewissen Friedfertigkeit seines gottesfürchtigen Monarchen, der wenig Staat von sich selbst machte und eine eher bescheidene Hofhaltung führte. Wie es da zuging, kann man am besten in der Nebenresidenz Königs Wusterhausen erleben, wo auch einige von dem kränkelnden Friedrich Wilhelm I. unter Schmerzen ziemlich dilettantisch gemalte Ölbilder hängen.
Verbannung nach Rheinsberg
Schlamperei und Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung konnten den Herrscher fuchsteufelswild machen, gelegentlich drosch er, wie aus zeitgenössischen Berichten hervorgeht, seine Untertanen mit dem Knüppel. Niemand war von den Zornesausbrüchen ausgenommen, auch nicht die eigene Familie. Die Drangsalierungen waren so schlimm, dass Kronprinz Friedrich, der älteste Sohn und als Friedrich II. Nachfolger, im Jahr 1728 mit seinem Freund Katte die Flucht wagte. Sie misslang, und es fand im Schloss Köpenick, dem heutigen Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, ein Prozess wegen Fahnenflucht statt. Katte wurde in Küstrin vor den Augen des Kronprinzen enthauptet, Friedrich entging dem Todesurteil und wurde vom Hof seines Vaters entfernt und musste sich in der Provinz bewähren. Diese Verbannung verdankt Rheinsberg seine Pracht als kronprinzliche Residenz. Das von Knobelsdorff erbaute Rokokoschloss ist eine der schönsten Sehenswürdigkeiten an baulichen Schönheiten wahrlich nicht armen Mark Brandenburg.
Der Soldatenkönig war in seinen letzten Lebensjahren ein kranker Mann, kaum fähig, sich auf den Beinen zu halten. Doch bis zu seinem Tod am 31. Mai 1740 gab er nicht ein Stück von seinen Kompetenzen an seinen Nachfolger Kronprinz Friedrich ab, mit dem er sich ausgesöhnt hatte. Als diese als Friedrich II. nach dem Tod des Zweiundfünfzigjährigen den preußischen Thron bestieg, gab es ein großes Aufatmen. Die Musen kamen zu neuen Ehren, Philosophie, französische Literatur und heitere Musik lebten auf. Nur wenig später war Krieg. Der erst achtundzwanzigjährige Friedrich II. setzte den Staatsschatz und seine Soldaten für eine Serie von Kriegen um die zum Reich der Habsburger gehörende Provinz Schlesien und führte sein Land mehrmals an den Rand des Abgrundes.
Mildes Urteil über den despotischen Vater
Seinen Vater sah Friedrich II. in mildem Licht, ganz anders als seinen Großvater Friedrich I., dem er nachsagte, er sei im Kleinen groß und im Großen klein gewesen. "Die Politik des Königs war stets untrennlich von seiner Gerechtigkeit", schrieb Friedrich II. über Friedrich Wilhelm I., unter dessen Fuchtel und Zornesausbrüchen er und seine ganze Familie so unendlich hatte leiden müssen. "Er war weniger auf Mehrung seines Besitzes bedacht als auf dessen gute Verwaltung, stets zu seiner Verteidigung gerüstet, aber niemals zum Unheil Europas. Das Nützliche zog er dem Angenehmen vor. Er baute im Überfluss für seine Untertanen und wandte nicht die bescheidenste Summe an seine eigene Wohnung. Er war bedachtsam im Eingehen von Verbindlichkeiten, treu in seinen Versprechungen, streng von Sitten, streng auch gegen die Sitten der anderen. Unnachsichtig wachte er über die militärische Disziplin, und den Staat regierte er nach denselben Grundsätzen wie sein Heer." Sein Vater habe bei seinem Tod ein Heer von 66 000 Mann [korrekt: 76 000 Soldaten, H. C.] hinterlassen, das er durch sparsame Wirtschaft unterhielt, schrieb Friedrich II. weiter, dazu gesteigerte Staatseinkünfte, ein wohlgefüllter Schatz und in all seinen Geschäften eine "wunderbare Ordnung". "Wenn es wahr ist, dass wir den Schatten der Eiche, der uns umfängt, der Kraft der Eichel verdanken, die den Baum sprossen ließ, so wird die ganze Welt darin übereinstimmen, dass dem arbeitsreichen Leben dieses Fürsten und in der Weisheit seines Wirkens die Urquellen des glücklichen Gedeihens zu erkennen sind, dessen sich das königliche Haus nach seinem Tode erfreut."
Ämterkauf für harte Taler und Titelhandel
Das hört sich gut an, und sicher hatte der Sohn den richtigen Blick auf seinen Vater. Doch da gab es auch im Reich des Soldatenkönigs manche Schattenseiten. Denn nicht immer entschieden Qualifikation und Bildung im alten Berlin und darüber hinaus, ob jemand ein Amt oder einen Titel erhielt, sondern was er dafür zu zahlen bereit war. Einnahmen aus dieser Quelle füllte die Staatskasse und wurden unter Friedrich Wilhelm I., den man eigentlich für rechtschaffen und bieder hält, mit vollen Händen für den Kauf von Soldaten und den Unterhalt des Heeres ausgegeben. Dass sich der Soldatenkönig dafür hergab, für hohe Summen Ämter und Titel zu verkaufen, verwundert. Denn man nimmt an, dass er mit dem Gebaren seines prunksüchtigen Vaters, König Friedrich I., Schluss gemacht hat und nur noch befähigte Personen auf Beamtenposten und an die Schaltstellen der Macht gesetzt hat. Das hat er zwar getan, wie die große Zahl hervorragender Beamter beweist. Daneben aber wurden Posten und Pöstchen schwunghaft an Meistbietende verhökert. Der König bestimmte persönlich, was der Titel eines Hofrats, eines Amtmannes, ja sogar ein Adelsprädikat kosten soll und wer ihn bekommt. Wenn es mehrere Bewerber für die gleiche Stelle gab, entschied er sich für denjenigen, der ihm am meisten bot. Solche Ämter- und Titelversteigerung trugen nicht gerade dazu bei, Effektivität und Einsatzbereitschaft in der Verwaltung in Brandenburg-Preußen zu verbessern.
Bei dem Ämterschacher ging es um hunderte und tausende Taler. Die Einnahmen wurden zur Tilgung der Schulden verwendet, die Friedrich Wilhelm I. von seinem Vater Friedrich I. übernommen hatte, dienten aber auch dem Kauf von Soldaten und dem Unterhalt der Armee. Beides bildete den größten Faktor im Staatshaushalt. Viele Leute, die sich mit einem schönen Titel schmückten, sahen sich gezwungen, Schulden aufzunehmen. So verwundert es nicht, dass die auf dubiose Weise in Ämter gehievten oder mit einem wohlklingenden Titel "begabten" Personen alles taten, um das investierte Geld irgendwie wieder hereinzubekommen. Regelmäßig wiederholte und verschärfte königliche Edikte sagen nicht anderes, als dass es Korruption gegeben hat und es mit der Ehrlichkeit der Beamten wohl nicht weit her war. Wo Unregelmäßigkeiten dem König bekannt wurden konnte er fuchsteufelswild dazwischen fahren. Bei krassem Ämtermissbrauch sprach er auch Strafen für Leib und Leben aus oder schickte die betreffenden Personen ins Gefängnis.
Zur Ehre des Soldatenkönigs sei gesagt, dass er Anwärter für geistliche und schulische Ämter sowie solche für Offiziersstellen vom Ämterkauf ausnahm. Doch sah er es nicht ungern, wenn Interessenten bei diesbezüglichen Anträgen durchblicken ließen, dass sie sich der königlichen Schatulle "erkenntlich" zeigen werden. Übrigens nahm es der König auch mit der von ihm selbst verfügten Kriegsdienstpflicht für junge Männer nicht sehr genau. Er ließ zahlreiche Ausnahmen von der Regel zu, und wenn eine Familie genug Geld in die Rekrutenkasse zahlte, konnte sie einen Ersatzmann kaufen.
19. April 2021
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