"Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein"
Der geniale Dichter Heinrich von Kleist hatte Zeit seines kurzen Lebens mit Geldproblemen zu kämpfen



Mit einem edlen Genius aus Bronze mit Lorbeerkranz und Harfe ehrte 1910 die Stadt Frankfurt an der Oder ihren großen Sohn, den Dichter Heinrich von Kleist. Das Medaillon ist einem zeitgenössischen Porträt nachempfunden.



Szenen aus "Käthchen von Heilbronn" und "Der zerbrochene Krug" sowie "Prinz von Homburg" schmücken den Sockel des Kleist-Denkmals.



Um Münzen seiner Zeit musste Heinrich von Kleist Zeit seines Lebens kämpfen. Seine Einkünfte blieben regelmäßig hinter den Erwartungen. Als der Dichter 1811 starb, war seine Kasse leer, und viele seiner Bitt- und Bettelbriefe blieben unbeantwortet.



In der ehemaligen Garnisonschule an der Frankfurter Faberstraße erwartet die Kleist-Gedenk- und Forschungsstätte ihre Gäste.



Ein Relief und eine Schrifttafel am früheren Bankgebäude in der Berliner Mauerstraße erinnern daran, dass Kleist hier in einem Vorgängerbau von 1810 bis zu seinem Tod am 21. November 1811 gewohnt hat.



Das Fünfmarkstück zum 200. Geburtstag des Dichters und die Medaille der Gedenkstätte in Frankfurt an der Oder richten sich nach einer Miniatur, die Peter Friedel 1801 von Heinrich von Kleist schuf.



Die blaue Gedenktafel in der Nähe des Kleistgrabs am Kleinen Wannsee in Berlin würdigt einen bedeutenden Dichter, der an den Verhältnissen seiner Zeit zerbrach.



Weil Suizid zu Kleists' Zeiten gesellschaftlich geächtet war, wurden die beiden Leichen am Ort des Selbstmordes begraben. Die Kirche als Verwalterin sämtlicher Friedhöfe hatte die Bestattung in geweihter Erde verboten.



Die Hinweistafel weist nahe dem S-Bahnhof Wannsee den Weg zum Grab von Heinrich von Kleist und Henriette Vogel am Kleinen Wannsee. (Fotos: Caspar)

Im Park an der Gertraudkirche ehrt die alte Universitätsstadt Frankfurt an der Oder ihren großen Sohn, den Dichter Heinrich von Kleist (1777-1811). Das Bronzemonument wurde von Gottlieb Elster geschaffen und nicht zum einhundertsten Todestag des Dramatikers und Erzählers 1911 aufgestellt, sondern schon ein Jahr davor. Man erinnerte sich ungern des tragischen Freitodes des Dichters mit seiner Geliebten Henriette Vogel am 21. November 1811 am Kleinen Wannsee bei Berlin und wählte das Jahr 1810 als Bezugspunkt, in dem Kleist am "Prinzen von Homburg" schrieb und als Journalist in Opposition zu damaligen preußischen Eliten stand. In jüngster Zeit wurde das Monument gereinigt und restauriert sowie gegen Anschläge durch Graffiti-Schmierer geschützt, die so viele Denkmäler und Gedenkstätte im Land verunstalten.

Der feierlichen Enthüllung am 25. Juni 1910 waren jahrelange Auseinandersetzungen über Sinn und Aussehen des durch Sammlungen unter Verehrern des Dichters finanzierten Monuments vorangegangen. Im Jahre 1906 hatte ein Komitee in einem Aufruf zur Errichtung des Kleist-Denkmals in der Oderstadt um Spenden gebeten, damals das übliche Verfahren, um solche Projekte jenseits Staatsdenkmäler finanzieren zu können. Als Motto diente ein Gedicht von Friedrich Hebbel aus dem Jahre 1840: "Er war ein Dichter und ein Mann wie Einer, / Er brauchte selbst dem Höchsten nicht zu weichen, / An Kraft sind Wenige ihm zu vergleichen, / An unerhörtem Unglück, glaub' ich, Keiner".

Genius mit Lorbeerkranz und Harfe

Der aus einer altadligen Offiziersfamilie stammende Heinrich von Kleist ist dieser schöne Jüngling wahrlich nicht, der da auf dem Sockel sitzend, ganz ins Land der Poesie entrückt zu sein scheint. Es ist der Genius des Dichters. Ein Lorbeerkranz, den seine Zeit Kleistverweigerte, schmückt den Kopf der überlebensgroßen Figur, die Leier in der rechten Hand weist auf seine künstlerische Profession. In einem zeitgenössischen Kommentar wurde hervorgehoben, dass sich das Denkmal "in seiner schlichten Eigenart auf das Glücklichste von den ausgetretenen Bahnen unserer Monumentalplastik" entfernt. Doch gab es auch kritische Stimmen wie diese: "Ein undifferenzierter Genius mit Lorbeerkranz und Harfe, ohne jede Charakteristik, ohne Kraft und Feuer. Der Traum von einem Kleist-Nationaldenkmal ist ausgeträumt. Im Park wird sich ein Gedenkstein erheben, an dem der Name besagt, wem er gehört und bei dem jedermann sich denken kann, was er will".

Das war richtig beobachtet, denn die Figur hätte auch das Grab eines x-beliebigen Industriellen schmücken können oder sich auch in einem Park als Gartenplastik gut gemacht. Dass es sich bei dem "idealen Jüngling" um ein Dichterdenkmal handelt, geht aus der Inschrift DEM ANDENKEN HEINRICHS VON KLEIST hervor. Darüber befindet sich sein einer Miniatur von Peter Friedel aus dem Jahre 1801 nachempfundenes Bildnismedaillon. Zusätzliche Erläuterungen geben drei Bronzereliefs auf dem Steinsockel mit Szenen aus Käthchen von Heilbronn, Der Zerbrochene Krug und Prinz Friedrich von Homburg. Letzteres zitiert den berühmten Schlusssatz "In Staub mit allen Feinden Brandenburgs" aus dem gleichnamigen Drama.

Gedenkstätte in Frankfurt an der Oder

An verschiedenen Stellen in der Oderstadt ist Heinrich von Kleist präsent. Da das Geburtshaus des Dichters in der Großen Oderstraße im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, hat man an seinem Nachfolgebau eine Erinnerungstafel angebracht. Sammelstätte von allem, was mit Heinrich von Kleist zu tun hat, ist das Kleist-Museum, das 1968 in der ehemaligen Garnisonschule an der Faberstraße, nur wenige Meter von der Oder entfernt, als Kleist-Gedenk- und Forschungsstätte eingerichtet wurde. 1977 eine von Wieland Förster zum 200. Geburtstag des Dichters geschaffene Skulptur aufgestellt. Sie unterscheidet sich fundamental von der idealen Jünglingsfigur im Gertraudpark. Der nackte Mann hat kein Gesicht, er wächst aus dem Stein heraus, der Nacken des nach oben gerichteten Kopfes wird vom rechten Arm gestützt, die linke Hand ist wie schützend über den Körper gelegt. Die Sandsteinskulptur, mit der Wieland Förster Größe und Tragik Heinrich von Kleists ausdrückte, erhielt 1980 an der Südostecke der Frankfurter Marienkirche einen neuen, besseren Aufstellungsort. Auch die heutige Konzerthalle "Carl Philipp Emanuel Bach" hat etwas mit dem Dichter zu tun, der hier, in der ehemaligen Franziskanerkirche, getauft und konfirmiert wurde.

Im Kleist-Museum erfährt man, dass der berühmte Sohn der Stadt schon sehr jung in den Dienst der Armee des preußischen Königs trat, ihn aber schon bald quittierte und die sichere Karriere als Offizier mit der unsicheren Laufbahn als Schriftsteller eintauschte. An der an der Frankfurter Universität Viadrina studierte er in den Fächern Physik, Mathematik, Kulturgeschichte und Naturrecht und erteilte nebenbei den Töchtern des Frankfurter Kompaniechefs August Hermann von Zenge Privatunterricht. Die Beziehung zu dessen Tochter Wilhelmine führte im Frühjahr 1800 zur Verlobung.

Im Sommer desselben Jahres brach Kleist nach nur drei Semestern sein Studium ab und ging auf Reisen. Sie führten ihn unter anderem 1801 mit seiner Stiefschwester Ulrike über Dresden nach Paris, später ohne sie in die Schweiz. An seinem Plan, am Thuner See als Landwirt das Rousseausche Ideal "Zurück zur Natur" zu verwirklichen, scheiterte 1802 die Verlobung mit Wilhelmine von Zenge. Kleist ging nach Weimar, lebte Anfang 1803 bei Christoph Martin Wieland und lernte bei ihm auch Goethe und Schiller kennen. Erst 1804 gelang ihm der Eintritt in den preußischen Staatsdienst, in dem er allerdings nur eine Möglichkeit zum Broterwerb sah, da er eigentlich in der Welt der Dichtung und Kunst Bleibendes schaffen wollte.

Unser Dämel ist in Memel

Das Glück einer festen, wenngleich nicht üppig dotierten Anstellung währte nicht lange, es kamen schwere Zeiten. Im Oktober 1806 erlitt Preußen bei Jena und Auerstedt im Krieg gegen Frankreich eine entscheidende Niederlage und wurde von den Truppen des Siegers, Napoleon I., okkupiert. Der Kaiser ritt als Triumphator durchs Brandenburger Tor und bezog Quartier im Berliner Schloss. König Friedrich Wilhelm III. floh mit seiner Familie nach Memel in Ostpreußen, worauf die Berliner "Unser Dämel ist in Memel" spotteten. 1807 bis 1809 weilte Kleist in Dresden, wo er mit Adam Müller die Zeitschrift "Phöbus" herausgab. Dieser Versuch endete mit einem Defizit von 2000 Talern in einem finanziellen Fiasko. 1809 wurde der Dichter in Berlin als vermeintlich preußischer Spion von den französischen Besatzern festgenommen und erst nach siebenmonatiger Haft entlassen. Auch dieser Rückschlag schädigte seine Arbeitskraft und wirtschaftlichen Verhältnisse.

Heinrich von Kleist kam nicht auf den grünen Zweig, er konnte machen, was er wollte, er kam aus der finanziellen Klemme nicht heraus. Der Numismatiker Frank Berger listet in seinem Buch "Das Geld der Dichter in Goethezeit und Romantik. 71 biographische Skizzen über Einkommen und Auskommen" (Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-7374-0486-0) auf, wer ihn alles unterstützte und wem er Geld schuldete. Ab 1. Oktober 1810 veröffentlichte er die "Berliner Abendblätter", die aber schon ein halbes Jahr später wegen Absatzproblemen infolge der Zensur eingestellt werden mussten. Auch dieser Ausflug in den Journalismus kostete Geld, viel Geld. Informationen für seine Berichte aus dem "kriminellen Berlin" nutzte Kleist Informationen direkt aus dem Berliner Polizeipräsidium. Zwar stießen die "Abendblätter" großes Interesse, dennoch war ihnen kein langes Leben beschieden. Nach 153 Ausgaben zu acht Pfennigen je Nummer musste das Journal bereits am 30. März 1811 sein Erscheinen einstellen, nicht zuletzt weil die Zensurbestimmungen die Berichterstattung erschwerten und regierungskritische Beiträge den König und seine Minister ärgerten.

Für Kleist und seinen Verleger Julius Eduard Hitzig waren die sechsmal in der Wochen erscheinenden "Abendblätter" kein gutes Geschäft, denn es endete nur mit Verlusten. Kleist wollte mit der Tageszeitung, die zu den ersten in Deutschland zählte und sechsmal in der Woche erschien, alle Stände ansprechen. Er bot neben Polizeiberichten und Unfallmeldungen auch Skandalgeschichten, aber natürlich Theaterberichte und literarisch anspruchsvolle Texte. Viele Geschichten wie "Bettelweib von Locarno", "Die heilige Cäcilie", "Über das Marionettentheater" und "Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaften" sowie Anekdoten aller Art stammten aus Kleists Feder. Das Blatt war ein Verkaufserfolg, bis sich Kleist mit dem mächtigen Theaterdirektor Iffland anlegte und ein Verbot der Theaterberichterstattung provozierte. Eine Artikelserie mit Angriffen auf den am Hof angesehenen Staatsminister Karl August von Hardenberg schränkte die Berichterstattung über die Polizei und ihre Ermittlungen ein. Die "Abendblätter" verloren damit zwei entscheidende Zugpferde. So sanken die Absatzzahlen, und ihr Ende war besiegelt.

Befehlsverweigerung kam am Hof nicht gut an

Der Autor der "Hermannschlacht" und "Käthchen von Heilbronn", des "Prinzen von Homburg" und "Zerbrochenen Krugs", des Trauerspiels Penthesilea und des Lustspiels "Amphitryon", der Erzählungen "Michael Kohlhaas" und "Das Erdbeben in Chili" und weiterer berühmter Werke konnte es drehen und wenden - er kam als Schriftsteller und Journalist nicht auf den grünen Zweig, und auch sein Geldbeutel war meistens leer. Sich mit der Obrigkeit anzulegen wie im Falle einer spektakulären Befehlsverweigerung im "Prinzen von Homburg", auch wenn sie bei der Schlacht von Fehrbellin 1675 einen militärischen Erfolg bewirkte, war gewagt und dem Renommee des aufsässigen Dichters am Berliner Hof nicht gerade dienlich. Ein Beobachter bemerkte mit Blick auf die in Preußen herrschenden Hohenzollern: "Das heiße wahrhaftig wenig Ehrfurcht haben vor den hohen Anverwandten des berühmten Helden, wenn man verlangen wollte, dass sie dergleichen ruhig aus ihrer Loge mitansehen sollten." Das Drama konnte erst zehn Jahre nach Kleists Tod in Wien aufgeführt werden. Die aus Hessen-Homburg stammende, mit dem Prinzen Wilhelm von Preußen, einem Bruder des Königs, vermählte Prinzessin Marianne, fühlte sich in ihrer Familienehre gekränkt und verhinderte die Aufführung in Berlin, womit dem Dichter ein weiterer Schlag versetzt wurde.

Literarisch mit seinen Dramen, Komödien und Erzählungen überaus produktiv, blieben Heinrich von Kleist die Anerkennung seiner Zeitgenossen und der wirtschaftliche Erfolg versagt. Das freudlose Leben der "armen Poeten", wie ein berühmtes Gemälde von Carl Spitzweg aus dem 19. Jahrhundert heißt und wie es auch in der Bildergeschichte von Wilhelm Busch über den verhinderten Dichter Balduin Bählamm beschrieben wird, konnte man auch bei anderen Künstlerkollegen beobachten. Mit deren Sorgen hatten solche Größen wie Johann Wolfgang von Goethe nichts zu tun, der von seinen Tantiemen gut leben konnte und zudem noch schöne Einkünfte als Minister im Herzogtum, ab 1815 Großherzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach bekam.

Schlechte Zeiten für unangepassten Dichter

Ungeachtet seiner prekären Lage und immer in der Hoffnung, dass sich bei ihm alles zum Besseren wendet, ging Kleist auf Reisen, doch die Nutzung von Kutschen und Übernachtungen in Hotels waren damals sehr teuer. Also machte er Schulden, und seine Schwester Ulrike half ihm immer wieder aus der Patsche. Vom Ausland zurück gekehrt, stand er mittellos da, und die Familie war entsetzt. Sie forderte von ihm, seine Eskapaden aufzugeben und seine beruflichen und finanzielen Dinge endlich zu ordnen. Er versprach Besserung und bekam monatlich einen Zuschuss 25 Taler im Monat. Dieses Geld müsste bei "geordneter Lebensweise" ausreichen, schrieb Kleist an seine Braut Ulrike von Zenge. 1805 in den preußischen Staatsdienst getreten, bekam er ein festes, freilich nicht sehr üppiges Gehalt. Diese Arbeit scheint ihm wenig gelegen zu haben, denn er ließ sich schon bald wegen angeblicher oder wirklicher Gesundheitsprobleme beurlauben und verlor die Stelle bei der Königlichen Kriegs- und Domänenkammer 1807, in einer Zeit, als Preußen französisch besetzt war und Friedrich Wilhelm III. die Hälfte seines Staatsbesitzes und seiner Einwohner und damit auch der Staatseinkünfte durch den Frieden von Tilsit verloren hatte und außerdem 140 Millionen Franken Kontributionen an den siegreichen Kaiser Napoleon zahlen musste.

Kein Platz in irgendeiner Schublade

Zwar gehörte Heinrich von Kleist als Adliger zum Ersten Stand in Preußen, der von den Hohenzollern mit allen erdenklichen Privilegien und Einkünften bedacht wurde, reich ist er aber nicht davon geworden. Wie wir dem Buch von Frank Berger über das Geld der Dichter entnehmen können, sah es im Geldbeutel des Heinrich von Kleist ziemlich mau aus. Als Leutnant im Regiments Garde zu Frankfurt an der Oder bekam er einen Lohn von 13 Talern im Monat und musste davon Wohnung und Uniform selbst bezahlen. Um eine Heiratserlaubnis zu bekommen, sollte er ein Vermögen von mindestens 600 Talern nachweisen. Des Dichters Vater Joachim von Kleist hinterließ bei seinem Tod 1788 das Rittergut Guhrow im Spreewald im Wert von 30 000 Talern, davon konnte er, weil es noch einige Geschwister gab, 1811 bei Erreichung der Volljährigkeit über 4300 Taler verfügen, zuzüglich erhielt er als Anteil als dem Barvermögen des Vaters weitere 1167 Taler. Mit diesem Geld hätte er sich eine gute Existenz aufbauen können. Doch Geldsorgen überschatteten seine Heiratspläne mit Wilhelmine von Zenge, denn die Familie der Braut forderte von ihm eine feste, einträgliche Anstellung. In seinen Briefen finden sich viele Klagen zu diesem Thema, aber auch der Wunsch "mir durch Unterricht wenigstens jährlich ein Paar hundert Taler zu erwerben." Der preußische Ex-Offizier, Student und Studienabbrecher, Kurzzeitbeamter und Festungshäftling, der erfolgreich-erfolglose Zeitungsreporter und Kurzgeschichtenschreiber, der unter der Zensur leidende Dichter und Dramatiker, der umtriebige Reisende und kritische Beobachter seiner Zeit passte in keine Schublade der literarischen und geistesgeschichtlichen Strömungen um 1800. Er war ein Unangepasster und Unbequemer oder, um es in den Worten seines Zeitgenossen Clemens Brentano in einem Brief an die Brüder Grimm zu sagen, "ein sehr kurioser, guter, grober, bornierter, dummer, eigensinniger, mit langsamem Konsequenztalent herrlich ausgerüsteter Mensch".

Unter Missachtung vieler seiner Zeitgenossen und geringen Einkünften leidend, an menschlichen Bindungen zweifelnd und über die politische Lage in seinem von Frankreich abhängigen Heimatland Preußen verzweifelnd, nahm sich Heinrich von Kleist gemeinsam mit der unheilbar kranken Henriette Vogel am Kleinen Wannsee bei Berlin das Leben. "Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein", steht als Zitat aus dem "Prinzen von Homburg" auf dem Grabstein in der Nähe. Auf die Gedenkstätte weisen an der Straße ein Bronzerelief und eine Holztafel hin, diese mit der Aufschrift "Frieden hier suchte des Dichters ruhelose Seele / Schone darum die Natur, die ihn hier liebend umfängt". Eine kleine Steintafel am Grab erinnert auch an Henriette Vogel, Kleists Gefährtin im Leben und im Tode.

Einsamer Tod zu zweit am Kleinen Wannsee

Am 20. November 1811 hatte sich das Paar im Gasthof "Stimmings Krug" nahe dem Kleinen Wannsee eingemietet. Die beiden Henriette bestellten Kaffee und Schreibzeug. Bis spät in die Nacht schrieben sie Abschiedsbriefe. Nach außen sollen sie gut gelaunt gewirkt haben. Seiner Schwester Ulrike schrieb Heinrich von Kleist diese bewegenden Worte: "Ich kann nicht sterben, ohne mich, zufrieden und heiter wie ich bin, mit der ganzen Welt, und somit auch, vor allen anderen, meine teuerste Ulrike, mit Dir versöhnt zu haben. Lass sie mich, die strenge Äußerung, die in dem Briefe an die Kleisten enthalten ist, lass sie mich zurücknehmen; wirklich, Du hast an mir getan, ich sage nicht, was in Kräften einer Schwester, sondern in Kräften eines Menschen stand, um mich zu retten: die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war. Und nun lebe wohl; möge Dir der Himmel einen Tod schenken, nur halb an Freude und unaussprechlicher Heiterkeit dem meinigen gleich: das ist der herzlichste und innigste Wunsch, den ich für Dich aufzubringen weiß."

Am Nachmittag des 21. Novembers begaben sich Heinrich von Kleist und Henriette Vogel an den Kleinen Wannsee, ließen sich Tisch und Stühle bringen und tranken Kaffee trotz der Novemberkälte im Freien. Kurze Zeit später fielen zwei Schüsse. Kleist schoss erst Henriette in die Brust und anschließend sich selbst in den Mund. Die Kirche verweigerte ihnen ein christliches Begräbnis, weshalb man sie vor Ort verscharrte. Das Stahnsdorfer Kirchenbuch vermerkt: "Am 21sten November 1811 erschoss in der Machnowschen Heide nahe an der BerlinerChaussee Bernd Heinrich Wilhelm von Kleist die Ehefrau des General-Rendanten der Churmärkischen Land-Feuer-Sozietät und LandschaftsBuchhalters Friedrich Ludwig Vogel, Adolfine Sophie Henriette geb. Keber, alt 31 Jahr, und dann sich selbst in seinem 34sten Jahre. Beide sind an der Stelle, wo der Mord und Selbstmord geschah, in zwei Särge gelegt und in ein Grab gelegt worden. O tempora! O mores!" Die Gedenkstätte mit dem von einem Gitter umschlossenen Stein wurde später angelegt.

20. Oktober 2021

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