Bayerische Annexionsgelüste
König Ludwig III. und andere Bundesfürsten hofften im Ersten Weltkrieg auf fremde Gebiete und auf Aufwertung gegenüber Preußen



Die Karikatur "Kaisermanöver" von Olaf Gulbransson im Münchner Satireblatt Simplicissimus von 1909 gibt den schneidigen Wilhelm II. und den gemütlichen Bayernprinzen Ludwig (III.) mit schlottriger Hose und krummen Beinen der Lächerlichkeit preis. Der Kopf von "Otto dem Irren", der als König von Bayern dem 1886 verstorbenen Ludwig II. folgte, erscheint auf den zwischen 1888 und 1913 geprägten Geldstücken aus Gold und Silber nahezu unverändert. Zu seinem 90. Geburtstag 1911 wurde Prinzregent Luitpold mit einer Serie von Zwei-, Drei- und Fünf-Mark-Stücken geehrt. Rechts entsteigt Wilhelm II. mit Trachtenjanker und Lederhose bekleidet und einen Hut mit Gamsbart schwingend, seinem Hofzug. Das Münchner Kind'l bietet ihm knieend einen Willkommensgruß dar, Militärs salutieren mit bärbeißiger Mine.



Wenn es nach deutschen Imperialisten und Monarchisten gegangen wäre und sie im Ersten Weltkrieg gesiegt hätten, dann hätte sich das deutsche Kaiserreich auf Europas Zukunftskarte vom Atlantik bis zum Finnischen Meerbusen erstreckt.



Der säbelrasselnd auftretende und provokatorische Reden schwingende, zudem noch protestantische Kaiser Wilhelm II. war vielen Bayern, und nicht nur ihnen, ein Gräuel. Die Karikatur von 1913 links zeigt ihn auf einer Filmrolle sitzend bei einer seiner Lieblingsbeschäftigungen, sich von allen Seiten fotografieren zu lassen. Luitpold wird persönliche Bescheidenheit, Tüchtigkeit und Volkstümlichkeit bescheinigt, und seine Prinzregentenjahre gelten in der Rückschau als so etwas wie Bayerns "Goldenes Zeitalter".



Wenn ein Bayer nach Berlin kommt, kann er nur so aussehen wie auf der Karikatur als ungehobelter Depp in Landestracht und mit Gamsbarthut. Rechts verlustieren sich als Bayern verkleidete Preußen in der Provinz.



Wäre doch der Kaiser bloß kein Preuße, man könnte ihn gern haben, meint der dicke Herr Huber auf der Postkarte, die 1906 zum Besuch von Wilhelm II. in München gedruckt wurde.





Die von Karl Goetz geschaffene Medaille links zitiert aus der Erklärung des Königs vom 13. November 1918, wonach die Sorge um das geliebte Bayern stets sein "höchstes Streben" war. Der auf der Spottmedaille ebenfalls von Karl Goetz auf dem bayerischen Löwen reitende neue Ministerpräsident Eisner verkündet die Abdankung des Königs. Auf der Rückseite zertrümmert der als Tod symbolisierte Umsturz die Grundfesten der Monarchie in Gestalt einer am Boden liegenden Krone.



Als Bauern verkleidet, fliehen auf der wie eine Kinderzeichnung gestalteten Spottpostkarte der königliche "Millibauer" Luki und seine Frau Resl vor der Revolution in München mit Milchkannen im Handwagen zu den Kühen auf ihr landwirtschaftliches Gut Leutstetten nördlich von Starnberg. (Fotos/Repros: Caspar)

Im deutschen Kaiserreich hatte unzweifelhaft Preußen das Sagen, das Siegerland in den Einigungskriegen von 1865, 1866 und 1870/71. Der Reichsadler trug das preußische Wappen auf der Brust, und auch sonst richtete sich vieles nach dem, was in Berlin gesagt und angeordnet wurde. Allerdings wurden dem am 18. Januar 1871 in Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufenen König Wilhelm I. von Preußen und seinen Helfern von der Reichsverfassung, dem Reichstag und den Landesparlamenten Grenzen gesetzt. Er und seine Nachfolger Friedrich III. und Wilhelm II. konnten wie noch in Zeiten des Absolutismus nicht mehr tun und lassen, was sie wollten, sondern waren den Gesetzen unterworfen. Ähnlich war die Lage auch in den Königreichen, Großherzogtümern, Herzogtümern und Fürstentümern sowie den Freien Städten Bremen, Hamburg und Lübeck, aus denen sich das Kaiserreich zusammensetzte. Das Bismarcksche Sozialistengesetz vor allem sollte die sich entfaltende Arbeiterbewegung klein halten. Doch als es 1890 von dem zwei Jahre zuvor inthronisierten Kaiser Wilhelm II. aufgehoben wurde, standen die Sozialdemokraten stärker denn je dar.

Preußen stand ganz oben in der Hierarchie

In der Hierarchie des deutschen Kaiserreichs standen die Könige von Preußen ganz oben. Sie schauten mehr oder weniger offenkundig auf die Bundesfürsten herab, die zwar in ihren Haupt- und Residenzstädten das Sagen hatten, sonst aber von Berlin aus gesehen eine untergeordnete Rolle spielten. Ziemlich verworren war die Lage in Bayern. Nach dem Tod des dem Bauwahn und der Musik von Richard Wagner verfallenen "Märchenkönigs" Ludwig II. 1886 stand dem Land formal sein Bruder Otto als König vor. Da aber dieser geisteskrank und daher regierungsunfähig war und isoliert von der Öffentlichkeit im Schloss Fürstenried ein freudloses Leben fristete, vertrat ihn sein Verwandter, Prinzregent Luitpold, und nach seinem Tod 1912 in der gleichen Funktion dessen schon recht betagter Sohn Ludwig. Otto starb 1916 und wurde in der Münchner Michaeliskirche nahe seinem Bruder Ludwig II. bestattet.

Ludwig III. kam auf merkwürdige Weise auf den Thron in München, denn es gab da ja noch den "regierenden" Otto, der auf einigen Münzen jugendlich und niemals alternd abgebildet wurde. Da es formal bereits einen König in Bayern gab, nämlich Otto, durfte sich Luitpold nur Königliche Hoheit nennen. Als Prinz und ab 1912 Prinzregent war Ludwig ein Mann von wenig königlichem Zuschnitt, manche sahen in ihm eine Witzfigur. Vom Regieren hielt er wenig, er hielt sich viel lieber in Münchner Biergärten auf, fuhr mit dem Auto durchs Land und ging auf die Jagd. Mit seiner Frau Marie Therese, einer geborenen Prinzessin von Österreich-Este, und seinen acht Kindern hielt er sich am liebsten in seinem Landgut Leutstetten bei Starnberg auf, was ihm den Spitznamen "Millibauer" (Milchbauer) eintrug. Der studierte Landwirt wollte Bayern zu einem ertragreichen Land der Bauern machen und so den Wohlstand des stark agrarisch geprägten Landes heben, auf das "Berlin" verächtlich blickte.

Machtgieriger Prinzregent wird Landesherr

Nach dem Tod des Prinzregenten Luitpold am 12. Dezember 1912 übernahm sein Sohn, der schon betagte Ludwig, als neuer Prinzregent in Vertretung von Otto die Aufgaben des Landesvaters. Das aber genügte ihm nicht, und so eröffnete die im November 1913 auf sein Betreiben veränderte bayerische Verfassung ihm und dem Haus Wittelsbach die Möglichkeit, im Fall einer lange andauernden Krankheit des Königs die Regentschaft zu beenden und den nächsten Anwärter auf Krone und Thron zum König zu machen. Nach heftigen Kontroversen im Landtag und der Öffentlichkeit beendete Ludwig am 5. November 1913 seine Regentschaft und proklamierte sich als Ludwig III. zum König. Er legte fest, dass Titel und Würden König Ottos, der von diesen Vorgängen keine Ahnung hatte, bestehen bleiben. Bayern besaß damit bis zu Ottos einsamem Tod am 11. Oktober 1916 formal zwei Könige.

Für sein hohes Amt war der 1845 geborene Ludwig III. keineswegs ausgebildet und geeignet. Während sein Vater Luitpold niemals auf die Idee gekommen wäre, sich in Vertretung von Otto zum König zu erheben, hatte sein Sohn andere Ambitionen. Er litt als ungekröntes Oberhaupt der nach Preußen größten Monarchie im Deutschen Kaiserreich darunter, in der deutschen Fürstenriege nur als Stellvertreter von "Otto dem Irren" die zweite Geige zu spielen und wie die Großherzöge von Schwerin, Strelitz, Oldenburg und Sachsen Weimar und Eisenach nur den Titel einer "Königlichen Hoheit" beanspruchen zu dürfen. Das sollte sich durch seine Erhebung in den Königstand ändern, dafür nahm Ludwig auch einen Verfassungskonflikt und den Makel in Kauf, als Thronräuber angesehen zu werden.

Die vom Prinzregenten Ludwig wegen der Königsfrage ins Auge gefasste Verfassungsergänzung musste vom Landtag gebilligt werden. Nach außen behauptete er, persönlich nicht am Königstitel interessiert zu sein. Aber wenn das Land ihn rufe, werde er sich diesem Wunsch nicht entziehen und das "Opfer" bringen und die Krone annehmen, was aber pure Scheinheiligkeit war. Sein Begehren machte überdies deutlich, dass Könige ihre Kronen nicht, wie jahrhundertelang immer behauptet, nur der Gnade Gottes verdanken, sondern der Gnade des Volkes verdanken, das von Landtagsabgeordneten vertreten wird. Der Monarchie kritisch gesonnene Parteien und Abgeordnete in und außerhalb von Bayern fühlten sich bei dem unerhörten Vorgang in ihrem Urteil bestätigt, dass das Gottesgnadentum und die Legitimität der darauf beruhenden Herrschaft auf den Prüfstand gehört und ein ungeeigneter Mann an der Spitze einer Monarchie durch einen bessere Figur auszutauschen sei oder noch besser Republik verkündet werden sollte.

Im Herbst 1913 wurde Ludwigs Plan in den beiden Kammern des Landtags erörtert. Als erste Kammer stimmte der königstreue Reichsrat dem Verfassungszusatz zu, wonach der Regent die Regentschaft für beendet und den Thron für erledigt erklären kann, "wenn die Behinderung des Königs zur Ausübung der Regierung länger als zehn Jahre dauert und keine Aussicht auf Änderung dieses Zustandes besteht." Beide Bedingungen trafen auf König Otto zu. Nachdem auch die zweite Kammer des Landtages mit Ausnahme der Sozialdemokraten den Änderungen zugestimmt hatte, konnte das Gesetz endlich in Kraft treten.

Nach der Thronbesteigung höhere Apanage

Als neuer König leistete Ludwig III. seinen Amtseid und gab seine Erhebung als von Gott gewollt und als Ausdruck des Willens seiner Untertanen aus. Für ihn bedeutete der Akt eine Stärkung seiner Stellung und der Bayerns gegenüber den deutschen Bundesfürsten und speziell gegenüber Kaiser Wilhelm II., der zugleich König von Preußen war. Wilhelm II. reagierte auf die Thronbesteigung Ludwigs III. distanziert und erklärte, ein König von Parlaments- und Zentrumsgnaden sei undenkbar für einen deutschen Fürsten, womit die katholisch geprägte Zentrumspartei gemeint war, die ihm, Wilhelm II., im Berliner Reichstag Ärger bereitete. Äußerlich behielt das Reichsoberhaupt seine Contenance, doch waren er und seinesgleichen über die Münchner Königsproklamation alles andere als erbaut. Das Nörgeln an ihm wurde ausgeglichen durch eine deutlich höhere Apanage, die dem neuen König zustand. Denn Ludwig III. hatte eine große Verwandtschaft zu versorgen, verfügte aber, solange er nur Prinz war, über ungenügende Geldmittel aus der Staatskasse. Deshalb spielte für ihn der Griff nach der Krone eine große, offiziell aber nie zugegebene finanzielle Rolle.

Wenig bekannt ist, dass sich der als "Millibauer", also Milchbauer, und wegen seiner volkstümlichen Art des Umgangs mit seinen Untertanen karikierte Bayernkönig im Ersten Weltkrieg zu abenteuerlichen Annexionsplänen verstieg. "Luki", wie die Bayern Ludwig III. nannten, soll separatistische Ambitionen gehabt haben, also die Absicht, sein Land aus dem Reichsverband zu lösen, um sich nicht länger den Befehlen des kaiserlichen Reichsoberhaupts unterzuordnen. Bereits 1896 hatte Wilhelm II. dem damaligen Prinzen Ludwig klar zu verstehen gegeben, dass es den "Hohen Verbündeten", also den deutschen Bundesfürsten, nicht gestattet sei, sich dem Reichsverband zu entziehen. Fortan waren die Beziehungen zwischen den beiden Männern von gegenseitiger Abneigung geprägt.

Abenteuerliche Kriegsziele

Zu Kriegsbeginn im Sommer 1914 forderte Ludwig III. für den Einsatz seiner Soldaten als Kompensation eine "wesentliche Gebietsvergrößerung", nämlich Gebiete in Elsaß-Lothringen, das 1871 vom Deutschen Reich dem unterlegenen Frankreich abgenommen worden war und unter preußischer Verwaltung stand. Außerdem schielte der Bayernkönig auf belgische Gebiete, um mit ihnen "je mehr, je lieber" sein Land und damit seine Bedeutung zu vergrößern. Um den Bayernkönig von seinen Plänen abzubringen und ihn milde zu stimmen, ernannte ihn Wilhelm II. zum preußischen (!) Generalfeldmarschall. Beobachter waren sich einig, dass der schon recht alte Durch-und-Durch-Zivilist Ludwig III. kaum imstande war, eine Kompanie zu kommandieren, geschweige denn, im Rang etwa mit Paul von Hindenburg gleichgestellt, mit einem großen Heer irgend einen bedeutenden Sieg zu erringen.

Deutsche Monarchisten und Imperialisten verfolgten schon vor 1914 abenteuerliche Kriegsziele. Ihr Kaiserreich hätte sich von der Atlantikküste bis an den Finnischen Meerbusen erstreckt. Vom unterlegenen Frankreich wären die so genannten Neuen deutsche Reichslande abgetrennt und große Teile von England zu einem deutschen Schutzgebiet erklärt worden. Belgien wäre als souveräner Staat verschwunden, von den Niederlanden hätte man noch ein Stück bestehen lassen. Zu einem "deutschen Bundesstaat" wäre das neu gegründete Königreich Polen ohne Zugang zur Ostsee möglicherweise mit einem sächsischen Prinzen als König erklärt worden. Die Welt hätte vor dem neuen deutschen Kaiserreich gezittert, doch dann ist 1918 alles anders gekommen.

Wie Ludwig III. träumten auch andere Bundesfürsten von der Vergrößerung ihrer Länder durch Annexion fremder Territorien, allen voran die Könige Friedrich August III. von Sachsen und Wilhelm II. von Württemberg. Der Sachse hätte am liebsten aus eroberten Gebieten im Osten eine Monarchie gemacht und einen seiner Söhne dort auf den Thron gesetzt. Ins Auge gefasst wurde ein vom Deutschen Reich abhängiges Königtum in Polen, wo die sächsischen Kurfürsten August der Starke und sein Friedrich August II. im 18. Jahrhundert als Könige geherrscht hatten. König Wilhelm II. von Württemberg hielt von solchen Annexionsgelüsten zwar nicht viel, hoffte aber auch im Interesse seiner eigenen Dynastie, bei der Verteilung fremder Länder großzügig bedacht zu werden. Es gab auch kleinere Bundesfürsten, denen die Begehrlichkeiten ihrer "Herren Brüder", wie sie sich untereinander anredeten, nicht unbekannt blieben. Sie schlossen messerscharf, wenn die Großen noch größer werden, dann versinken wir Kleinen in der Bedeutungslosigkeit und sind nur noch gut, durch "Lieferung" von Prinzessinnen und Prinzen für den Erhalt der fürstlichen Dynastien zu sorgen.

"Macht doch euern Dreck alleene!"

Wie Lothar Machthan in seinem aufschlussreichen Buch ",Macht doch euern Dreck alleene!' Wie Deutschlands Monarchen aus der Geschichte fielen (Weltbild Verlag Augsburg 2015) berichtet, hat sich Ludwig III. von Bayern im Sommer 1916 in einem kleinen Kreis bitter darüber beklagt, dass namentlich Bayern heute so wenig zu sagen haben, "denn dafür sind wir in Bayern ja gut, dass wir jetzt für andere die Kastanien aus dem Feuer holen sollen, dass wir jetzt für unsere gesamte Jugend und die erwachsenen Männer opfern; aber ein Einfluss ist uns in keiner Weise auszuüben möglich, und nicht einmal (und dies sagte er mit sehr erhobener Stimme) will man uns jeden Landzuwachs gönnen." Selbstverständlich wurden die abenteuerlichen Pläne geheim gehalten, denn offiziell hieß es auf deutscher Seite und der ihrer Verbündeten, sie hätten in dem ihnen aufgezwungenen Krieg gegen eine Welt von Feinden kein anderes Ziel als den Bestand des Reiches und das Wohl ihrer Völker zu verteidigen.

Ludwig III. verlor wie die anderen deutschen Bundesfürsten in den explosiven Novembertagen 1918 seine Krone, und mit ihm wurden seine Standesbrüder von ihren Thronen verjagt. Das Ansehen der Wittelsbacher hatte im Ersten Weltkrieg stark gelitten. Als der Kampf verloren war, warf man dem bayerischen König vor, er habe sich allzu willig in die Kriegspolitik des "preußischen" Kaisers eingelassen und nichts zur Verhinderung des Massensterbens auf den Schlachtfeldern unternommen. Ihm wurde auch angelastet, dass er im Krieg annexionistische Forderungen auf fremde Gebiete erhoben hat, wohl um Bayern einen Hafen am Meer zu verschaffen und besser an den Welthandel angebunden zu sein als bisher und durch Zuwachs an Fläche und Einwohnern seinen Einfluss im Deutschen Reich und insbesondere gegenüber den dominierenden "Preissn" zu erhöhen. Hintergrund der Annexionsgelüste war die Befürchtung, dass Bayern und andere Bundesstaaten nach einem deutschen "Siegfrieden" noch mehr als bisher unter preußischer Dominanz leiden müssten. Da dieser Sieg aber ausblieb und das Deutsche Reich und seine Verbündeten im Gegenteil eine furchtbare Niederlage erlitten, waren die auf einen Bayerischen Anteil am "Reichsland Elsaß-Lothringen" sowie andere Territorien weiter nördlich abzielende Eroberungspläne obsolet.

Ludwig III. sah sich als erstes "Opfer der Novemberrevolution". Er und seine Berater hatten in letzter Minute gehofft, durch politische Zugeständnisse an die aufgebrachten Volksmassen das Blatt wenden und die Monarchie retten zu können. Wie immer ging der Bayernkönig am 7. November 1918 im Englischen Garten spazieren als läge nichts in der Luft. Doch als Arbeiter ihn sahen, rieten sie ihm, er möge heimgehen sonst sei es mit ihm aus. Der alte König zog sich in seine Gemächer zurück und wartete ab. Als erboste Rufe zu ihm herauf drangen, erkannte er den Ernst der Lage und machte sich aus dem Staub. Mit seiner Familie floh er im Auto nach Österreich, wo er im Schloss Anif bei Salzburg Asyl erhielt. Dort entband der König am 13. November 1918 seine Beamten und Soldaten ihres Treueids, verweigerte jedoch seine Abdankung. In der Anifer Erklärung stellte er fest: "Zeit meines Lebens habe ich mit dem Volk und für das Volk gearbeitet. Die Sorge für das Wohl meines geliebten Bayern war stets mein höchstes Streben. Nachdem ich infolge der Ereignisse der letzten Tage nicht mehr in der Lage bin die Regierung weiterzuführen, stelle ich allen Beamten, Offizieren und Soldaten die Weiterarbeit unter den gegebenen Verhältnissen frei und entbinde sie des mir geleisteten Treueides." Das Dokument wurde von der Öffentlichkeit als Abdankungsurkunde interpretiert.

Die neue Regierung unter Kurt Eisner erlaubte dem Ex-König, sich in Bayern aufzuhalten, doch zog dieser das sicherere Exil im Ausland vor. Ähnlich wie der in die Niederlande geflohene Kaiser Wilhelm II. und andere Bundesfürsten gaben Ludwig III. und sein Sohn Kronprinz Ruprecht nie die Hoffnung auf, eines Tages wieder in ihre alten Rechte eingesetzt zu werden. Als der letzte Bayer auf dem Thron am 18. Oktober 1921 in dem den Wittelsbachern gehörenden Schloss Nádasdy in der ungarischen Stadt Sárvár starb und nach langer Trauerfahrt am 5. November 1921 in der Münchner Frauenkirche bestattet wurde, gaben ihm tausende seiner ehemaligen Untertanen das letzte Geleit.

13. Mai 2021

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